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VwGH vom 12.04.2018, Ro 2016/04/0006

VwGH vom 12.04.2018, Ro 2016/04/0006

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der W Gesellschaft mbH in M, vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG-2015/41/1675-7, betreffend Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Schwaz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Vorgeschichte

1 Die Revisionswerberin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und zur Ausübung des Gewerbes "Erdbau gemäß § 1 Z 7 Teilgewerbe-Verordnung" (BGBl. II Nr. 11/1998) berechtigt.

2 Bei der Revisionswerberin handelt es sich um ein Familienunternehmen. Gesellschafter des Unternehmens sind M S und ihr Sohn DI S. Handelsrechtliche Geschäftsführerin ist M S, sie vertritt das Unternehmen seit dem selbständig.

3 DI S ist im Besitz des zur Ausübung des Gewerbes der Revisionswerberin notwendigen Befähigungsnachweises und hatte bis zum bei der Revisionswerberin die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers inne und war bis zum bei der Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK) nach den Bestimmungen des ASVG versichert.

4 Mit Abtretungsvertrag vom hat DI S von seinen Großeltern A und S W 75 % der Gesellschaftsanteile an der Revisionswerberin erworben. Als GmbH-Gesellschafter wurde er seit dem nicht mehr bei der TGKK, sondern bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) als neuer Selbständiger versichert. Die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers übte DI S nach wie vor aus.

5 Nach Aufforderung durch die Bezirkshauptmannschaft Schwaz teilte die Revisionswerberin mit, dass Herr DI S neuerlich als gewerberechtlicher Geschäftsführer für die Revisionswerberin tätig sei bzw. bestellt worden sei.

6 Mit Bescheid vom stellte die Bezirkshauptmannschaft Schwaz fest, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung des Herrn DI S als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Revisionswerberin nicht vorlägen und die Geschäftsführerbestellung nicht zur Kenntnis genommen werde. Gleichzeitig wurde die Revisionswerberin darauf hingewiesen, dass für die vorliegende Gewerbeberechtigung spätestens bis ein neuer gewerberechtlicher Geschäftsführer zu bestellen sei, der die gesetzlichen Voraussetzungen erfülle.

7 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht).

Angefochtenes Erkenntnis

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 VwGVG als unbegründet abgewiesen (1.) und die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt (2.).

9 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Feststellung des oben angeführten Sachverhaltes in rechtlicher Hinsicht aus, im vorliegenden Verfahren sei strittig, ob DI S als Mehrheitsgesellschafter der Revisionswerberin mit 75 %- Beteiligung, ohne allerdings dem zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organ dieser Gesellschaft anzugehören, die Bestellungsvoraussetzung gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 erfülle bzw. ob ein derartiger Gesellschafter, der zudem Dienstnehmer einer GmbH sei, auf Grund seiner Mehrheitsbeteiligung aber nicht der Versicherungspflicht nach dem ASVG, sondern nach dem GSVG unterliege, gemäß § 39 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 zum gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellt werden könne.

10 Vorliegend handle es sich um die Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers für ein Gewerbe, für das die Erbringung eines Befähigungsnachweises vorgeschrieben sei. Das Teilgewerbe "Erdbau" gemäß § 1 Z 7 der ersten Teilgewerbe-Verordnung, BGBl. II Nr. 11/1998, stamme aus dem Gewerbe der Baumeister, einem reglementierten Gewerbe. Fallbezogen sei unstrittig, dass bei DI S ansonsten die für die Ausübung des fraglichen Gewerbes persönlichen Voraussetzungen vorlägen und DI S seiner Bestellung nachweislich auch zugestimmt habe. Es sei kein Vorbringen erstattet worden, dass die Revisionswerberin ihr Gewerbe in Form eines Industriebetriebes ausübe oder innerhalb eines Konzerns gewerbliche Tätigkeiten entfalte, weshalb diese Fragen in der Folge irrelevant seien. Strittig sei lediglich das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 39 Abs. 2 Z 1 und 2 GewO 1994.

11 Unstrittig sei auch, dass Herr DI S nicht dem zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organ der Revisionswerberin angehöre.

12 Nach dem Wortlaut des § 39 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 müsse der Geschäftsführer einer juristischen Person "dem zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organ der juristischen Person angehören".

13 Gemäß § 18 Abs. 1 GmbHG wird die Gesellschaft durch die von den Gesellschaftern beschlussmäßig bestellten (§ 15 leg. cit.) Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz und beruhe nicht auf einer Willenserklärung der GmbH, wodurch ihre Organstellung nur mehr ausgestaltet werde. Das zur gesetzlichen Vertretung berufene Organ der GmbH im Sinne des § 39 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 sei daher der Geschäftsführer (Vorstand; Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , 94/04/0220).

14 Auf Grund der klaren Vorgabe des § 39 Abs. 2 Z 1 GewO 1994, die keine andere Interpretation erlaube, verbleibe kein Raum, auf den Zweck (telos) des § 39 Abs. 2 GewO 1994 abzustellen, wonach DI S als Mehrheitsgesellschafter unmittelbare Aktions- und Entscheidungsmöglichkeit zukomme und er wesentlich stärker in das Unternehmen der Revisionswerberin eingebunden sei als dies im Falle eines bloß unternehmensrechtlichen Geschäftsführers der Fall wäre. Zweifelsfrei gehöre DI S jedoch, wie im Wortlaut des § 39 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 verlangt, dem zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organ der Revisionswerberin nicht an, weshalb er diese Voraussetzung nicht erfülle.

15 Daher sei weiter zu prüfen, ob DI S gemäß § 39 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 ein mindestens zur Hälfte der wöchentlichen Normalarbeitszeit im Betrieb beschäftigter, nach den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts voll versicherungspflichtiger Arbeitnehmer sei.

16 Die Revisionswerberin habe in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass der "Arbeitnehmerbegriff" im § 39 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 nicht definiert sei, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 84/04/0091, angeführt, wonach die Tatsache der Arbeitsleistung im Vordergrund stehe, gleichgültig in welcher vertraglichen Hülle sie nach außen in Erscheinung trete.

17 Ein Arbeitnehmer sei eine Person, die sich auf Grund eines Vertrages zur Arbeitsleistung gegen Entgelt verpflichtet habe und die den Anweisungen ihres Arbeitgebers unterliege. Der Kern des Arbeitnehmerbegriffs sei daher die Weisungsbefugnis des Gewerbetreibenden. Eine andere Auslegung widerspreche dem telos des § 39 Abs. 2 GewO 1994, müsse der gewerberechtliche Geschäftsführer, der gleichzeitig Arbeitnehmer sei, doch dem Gewerbetreibenden gegenüber verantwortlich sein (vgl. § 39 Abs. 1 GewO 1994).

18 DI S erbringe laut vorgelegtem Dienstzettel Arbeitsleistungen im Umfang von 50 Wochenstunden für die Revisionswerberin und beziehe ein monatliches Geschäftsführerentgelt. Nachdem DI S mit Abtretungsvertrag vom 75 % der Gesellschaftsanteile an der Revisionswerberin übernommen habe und dadurch zum Mehrheitsgesellschafter geworden sei, würden seine Bezüge, die er bis zum für seine Tätigkeit als gewerberechtlicher Geschäftsführer erhalten habe, gemäß § 22 Z 2 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht mehr als Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit, sondern als Einkünfte aus selbständiger Arbeit behandelt und unterliege er aufgrund der eingereichten Versicherungserklärung für Freiberufler seit dem der Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG (Vollversicherung in der GSVG Pensions- und Krankenversicherung sowie in der ASVG-Unfallversicherung). Die Abgabe der Versicherungserklärung beruhe auf dem Eintritt in die Firma als Gesellschafter (Beteiligung 75 %) und sei aus Sicht der SVA vom als selbständige Erwerbstätigkeit zu sehen.

19 Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung habe DI S vor dem Verwaltungsgericht angegeben, täglich im Betrieb zu sein und sich seine Arbeit selber zu geben, wobei der Auftrag für die Lohnverrechnung von der handelsrechtlichen Geschäftsführerin komme. Gewisse Bereiche würden von der handelsrechtlichen Geschäftsführerin, manche Bereiche wiederum von ihm als Mehrheitsgesellschafter wahrgenommen, wobei er zum Großteil "die Erdbausachen mache". Arbeitszeiten, Arbeitsorte etc. würden von ihm selber geregelt und entschieden.

20 Wie von der Revisionswerberin selbst ausgeführt, stünden DI S als Mehrheitsgesellschafter unmittelbare Aktions- und Entscheidungsmöglichkeit zu, weil er jederzeit der Geschäftsführung der Revisionswerberin Weisungen erteilen bzw. diese abberufen könne. Ein Dienstgeber könne nicht gleichzeitig sein eigener Dienstnehmer sein (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , 98/08/0017). Ein Arbeitsvertrag sei vor allem durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers, sohin durch dessen Unterworfenheit unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers gekennzeichnet. Wesentlich für den Arbeitsvertrag sei eine weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Arbeitnehmers, der in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterworfen sei. Keine Arbeitnehmereigenschaft liege bei unternehmertypischen Handlungen wie z.B. der Befugnis, in allen Geschäftsbereichen selbständig entscheiden zu können und damit auch in unmittelbar unternehmerischen Bereichen tätig zu werden, vor.

21 Auch der Verwaltungsgerichtshof weise in der von der Revisionswerberin angeführten Entscheidung vom , 84/04/0091, darauf hin, dass es sich vielmehr um eine in Abhängigkeit gegenüber diesem Betriebsinhaber geleistete Arbeit handeln müsse.

22 In diesem Zusammenhang habe auch das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft in seiner Stellungnahme vom darauf hingewiesen, dass sich die im § 39 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 vorgeschriebene Vollversicherung nach dem ASVG bestimme und die Versicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung (§ 4 ASVG) umfasse. Nach Auffassung des Ministeriums könne Arbeitnehmer einer GmbH nach den gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen auch deren Gesellschafter sein. Voraussetzung sei jedoch, dass der Geschäftsführer der GmbH ihnen gegenüber weisungsbefugt sei. Ein Gesellschafter einer GmbH, dem mehr als 50 % der Stimmen zustünden, könne kein Arbeitnehmer der Gesellschaft sein; ihm stehe vielmehr ein maßgeblicher Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte der Gesellschaft zu. Unerheblich sei, ob der Gesellschafter seine Leitungsmacht tatsächlich ausübe. Da DI S über 75 % der Gesellschaftsanteile der Revisionswerberin verfüge, könne er nicht als Arbeitnehmer der Gesellschaft im Sinne des § 39 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 angesehen werden. Dieser Auffassung des Ministeriums schließe sich das Verwaltungsgericht an.

23 Daher sei davon auszugehen, dass DI S auch nicht die Voraussetzung des § 39 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 erfülle.

24 Die Revision sei für zulässig zu erklären gewesen, weil zur Frage, wer im Sinne des § 39 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 ein nach den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes vollversicherungspflichtiger Arbeitnehmer sei, soweit ersichtlich, keine Rechtsprechung vorliege.

Revision

25 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 6 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.

26 Die Revision bringt vor, die vorliegend strittigen Rechtsfragen seien, ob ein Mehrheitsgesellschafter einer GmbH mit 75%-Beteiligung die Bestellungsvoraussetzung zum gewerberechtlichen Geschäftsführer gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 erfülle bzw. ob ein derartiger Gesellschafter, der Dienstnehmer dieser GmbH sei, auf Grund seiner Mehrheitsbeteiligung aber nicht der Versicherungspflicht nach dem ASVG, sondern nach dem GSVG unterliege, zum gewerberechtlichen Geschäftsführer gemäß § 39 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 bestellt werden könne.

27 Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes gehe am telos des § 39 Abs. 2 GewO 1994 vorbei. Sinn und Zweck des in § 39 GewO 1994 geregelten gewerberechtlichen Geschäftsführers sei es, dass im Betrieb eine Person vorhanden sei, die entsprechende fachliche Kenntnisse und Fähigkeiten aufweise und dem Gewerbeinhaber sowie - insbesondere - der Gewerbebehörde gegenüber in der im § 39 Abs. 1 GewO 1994 bezeichneten Weise verantwortlich sei (Verweis auf das hg. Erkenntnis vom , 97/07/0172).

28 Aus § 39 GewO 1994 lasse sich ganz allgemein die Intention des Gesetzgebers erkennen, dem gewerberechtlichen Geschäftsführer eine Stellung im Unternehmen einzuräumen, auf Grund derer gewährleistet sei, dass er einerseits genug Übersicht über innerbetriebliche Vorgänge habe und andererseits die Möglichkeit habe, zur Vermeidung unerwünschter Entwicklungen korrigierend einzugreifen. Gefordert werde also eine starke Einbindung in das Unternehmen des Gewerbetreibenden. Dies gehe auch aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Gewerbeordnungsnovelle 1992 hervor, in denen anlässlich der vorgeschlagenen Streichung der Bestellungsmöglichkeit eines Prokuristen zum gewerberechtlichen Geschäftsführer angemerkt wurde, dass bei Gewerben, für die die Erbringung eines Befähigungsnachweises vorgeschrieben sei, der Geschäftsführer einer juristischen Person enger als bisher an das Unternehmen gebunden werden solle; damit solle auch dem Scheingeschäftsführerunwesen entgegengewirkt werden.

29 Das Verwaltungsgericht habe § 39 Abs. 2 GewO 1994 einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt und damit gegen den Gleichheitssatz nach Art. 7 B-VG verstoßen, weil es auf die wesentlichen Umstände des vorliegenden Falles keinerlei Rücksicht genommen und sich bloß mit der Wortinterpretation dieser Gesetzesbestimmung begnügt habe, ohne andere Interpretationsmethoden, insbesondere die teleologische Auslegung auszuschöpfen.

30 Im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 bringt die Revision vor, die Entscheidung darüber, welche Person innerhalb einer Gesellschaft welche Funktion ausüben solle, sei eine rein unternehmerische Entscheidung. Der vorliegende Fall zeige, dass die zwei Funktionen, nämlich jene des unternehmensrechtlichen und jene des gewerberechtlichen Geschäftsführers, auseinanderfallen könnten, zumal eine derartige Arbeitsteilung nicht nur zur effizienteren Unternehmensführung beitragen könne, sondern auch dann sinnvoll sei, wenn der unternehmensrechtliche Geschäftsführer nicht den notwendigen Befähigungsnachweis erbringen könne, im Unternehmen aber Personen vorhanden seien, die diesen Nachweis erbringen könnten.

31 Unter Hinweis auf § 20 Abs. 1 GmbHG weist die Revision darauf hin, dass die Geschäftsführer einer GmbH den Gesellschaftern gegenüber weisungsgebunden seien. Nach § 39 Abs. 1 GmbHG sei für einen derartigen Weisungsbeschluss nach § 20 Abs. 1 GmbHG eine einfache Mehrheit erforderlich. Als 75 %- Mehrheitsgesellschafter könne DI S selbstständig entsprechende Beschlüsse fassen und daher dem unternehmensrechtlichen Geschäftsführer dadurch Weisungen im Sinne des § 20 Abs. 1 GmbHG erteilen. Auch der Gesellschaftsvertrag der Revisionswerberin sehe diesbezüglich nichts Abweichendes vor. DI S komme somit unmittelbare Aktions- und Entscheidungsmöglichkeit zu.

32 Daher sei § 39 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 analog auf den vorliegenden Fall anzuwenden. DI S erfülle nämlich die Bestellungsvoraussetzung nach dieser Bestimmung nicht nur zur Gänze, sondern übertreffe diese auch bei weitem. Er sei nämlich als 75 %-Mehrheitsgesellschafter wesentlich stärker in das Unternehmen der Revisionswerberin eingebunden als das im Falle eines bloß unternehmensrechtlichen Geschäftsführers, der durch einfachen Gesellschafterbeschluss jederzeit abberufen werden könne und an der Gesellschaft nicht finanziell beteiligt sei, der Fall gewesen wäre. Somit entspreche die Rechtsstellung von DI S vollkommen dem telos des § 39 GewO 1994.

33 Zu § 39 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 wiederholt die Revision die bereits vor dem Verwaltungsgericht vorgetragene Auffassung, dass der "Arbeitnehmerbegriff" des § 39 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 im Gesetz selbst nicht definiert sei und verweist auf das hg. Erkenntnis vom , 84/04/0091.

34 Auf Grund der Änderung der steuerlichen Einnahmequelle von unselbständiger zu selbständiger Arbeit habe die Versicherungspflicht von DI S gemäß § 4 Abs. 2 ASVG nicht mehr aufrechterhalten werden können. Nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterlägen selbständig erwerbstätige Personen der Versicherungspflicht nach dem GSVG, somit der Kranken- und Pensionsversicherung. Zusätzlich zu dieser Kranken- und Pensionsversicherungspflicht bestehe für die DI S die Unfallversicherungspflicht gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 ASVG.

35 Damit stehe fest, dass die Übernahme der Gesellschaftsanteile durch DI S keine Änderung hinsichtlich seiner Vollversicherungspflicht herbeigeführt habe, weil DI S nach wie vor vollversichert (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) sei.

36 Die Arbeitsleistungen von DI S im Unternehmen stellten keine "bloß faktischen Arbeitsleistungen" dar, sondern würden in Abhängigkeit auf Grund eines Dienstverhältnisses gegenüber der Revisionswerberin als Gewerbetreibende erbracht.

37 Daher sei DI S als "voll versicherungspflichtiger Arbeitnehmer" nach den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts und im Sinne des § 39 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 anzusehen.

38 Würde man der Auffassung des Verwaltungsgerichtes folgen, würde das bedeuten, dass die Revisionswerberin einen unternehmensfremden Fachmann, der einen entsprechenden Befähigungsnachweis, über den DI S bereits verfüge, erbringen könne, in ihrem Unternehmen anstellen solle, nur um der Anforderung der Anmeldung bei der GKK gerecht zu werden. Ein solcher Fachmann wäre aber zwangsläufig wesentlich schwächer in die Unternehmensstruktur der Revisionswerberin eingebunden, weil er nicht Mehrheitsgesellschafter wäre, sondern bloß ein Angestellter. Diese Vorgehensweise könne unter keinen Umständen dem Willen des Gesetzgebers entsprechen.

39 Letztlich bringt die Revision als Verfahrensfehler vor, die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht habe sich in ihrem Bescheid auf einen näher bezeichneten Erlass des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft bezogen, welcher nicht kundgemacht worden sei. Mit diesem Erlass, der als rechtswidrige Verordnung zu qualifizieren sei, sei der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht vorgegeben worden, dass § 39 Abs. 2 GewO 1994 hinreichend klar sei und von dieser Bestimmung auch im interpretativen Wege nicht abgegangen werden könne.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Rechtslage

40 § 39 Gewerbeordnung 1994, BGBl. I Nr. 194 idF BGBl. I Nr. 85/2012 (GewO 1994), lautet auszugsweise (die vom vorliegenden Antrag erfassten Wortfolgen sind unterstrichen):

"a) Gewerberechtlicher Geschäftsführer

§ 39. (1) Der Gewerbeinhaber kann für die Ausübung seines Gewerbes einen Geschäftsführer bestellen, der dem Gewerbeinhaber gegenüber für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes und der Behörde (§ 333) gegenüber für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich ist. Der Gewerbeinhaber hat einen Geschäftsführer zu bestellen, wenn er den Befähigungsnachweis nicht erbringen kann oder wenn er keinen Wohnsitz im Inland hat. Für Gewerbeinhaber, die keinen Wohnsitz im Inland haben, entfällt die Verpflichtung, einen Geschäftsführer zu bestellen, wenn

...

(2) Der Geschäftsführer muss den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen entsprechen und in der Lage sein, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen, insbesondere dem Abs. 1 entsprechende, selbstverantwortliche Anordnungsbefugnis besitzen. Er muß der Erteilung der Anordnungsbefugnis und seiner Bestellung nachweislich zugestimmt haben. Handelt es sich um ein Gewerbe, für das die Erbringung eines Befähigungsnachweises vorgeschrieben ist, so muß der gemäß § 9 Abs. 1 zu bestellende Geschäftsführer einer juristischen Person außerdem

1. dem zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organ der juristischen Person angehören oder

2. ein mindestens zur Hälfte der wöchentlichen Normalarbeitszeit im Betrieb beschäftigter, nach den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes voll versicherungspflichtiger Arbeitnehmer sein.

Diese Bestimmung gilt nicht für die im § 7 Abs. 5 angeführten Gewerbe, die in der Form eines Industriebetriebes ausgeübt werden. Innerhalb eines Konzerns kann eine Bestellung zum Geschäftsführer auch für mehrere Konzernunternehmen erfolgen, wenn der Geschäftsführer Arbeitnehmer im Sinne des dritten Satzes zumindest bei einem der Konzernunternehmen ist. Der gemäß Abs. 1 für die Ausübung eines Gewerbes, für das die Erbringung eines Befähigungsnachweises vorgeschrieben ist, zu bestellende Geschäftsführer muß ein mindestens zur Hälfte der wöchentlichen Normalarbeitszeit im Betrieb beschäftigter, nach den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes voll versicherungspflichtiger Arbeitnehmer sein. Die bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 29/1993 geltenden Bestimmungen des § 39 Abs. 2 gelten für Personen, die am als Geschäftsführer bestellt waren, bis zum Ablauf des weiter.

(2a) Der Geschäftsführer muss seinen Wohnsitz im Inland haben. Dies gilt nicht, sofern

...

(3) In den Fällen, in denen ein Geschäftsführer zu bestellen ist, muß der Gewerbeinhaber sich eines Geschäftsführers bedienen, der sich im Betrieb entsprechend betätigt.

(4) Der Gewerbeinhaber hat die Bestellung und das Ausscheiden des Geschäftsführers der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen (§ 345 Abs. 1). Die zuständige Behörde hat in jenen Fällen, in denen dieses Bundesgesetz die Bestellung eines Geschäftsführers vorschreibt und ein Arbeitnehmer als Geschäftsführer angezeigt oder genehmigt (§ 176) wird, die Bestellung oder das Ausscheiden mit Sozialversicherungs- und Dienstgeberkontonummer auf automationsunterstütztem Weg dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger zur Weiterleitung an den Versicherungsträger (§ 321 ASVG) anzuzeigen. Der Versicherungsträger hat das Ende der Pflichtversicherung eines ihm angezeigten und nicht ausgeschiedenen Geschäftsführers möglichst auf automationsunterstütztem Weg der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen.

(5) Der Gewerbeinhaber ist von seiner Verantwortung für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften im Rahmen des § 370 nur befreit, wenn er die Bestellung eines dem Abs. 2 entsprechenden Geschäftsführers gemäß Abs. 4 angezeigt hat."

Prüfung des § 39 Abs. 2 dritter Satz GewO 1994 durch den VfGH

41 Mit Beschluss vom , A 2016/0005-1 = Ro 2016/04/0006-3, stellte der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 iVm Art. 89 Abs. 2 und Art. 135 Abs. 4 B-VG an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) den Antrag, § 39 Abs. 2 dritter und vierter Satz Gewerbeordnung 1994, BGBl. I Nr. 194 idF BGBl. I Nr. 85/2012 (GewO 1994), in eventu§ 39 Abs. 2 dritter Satz Gewerbeordnung 1994, BGBl. I Nr. 194 idF BGBl. I Nr. 85/2012 (GewO 1994), als verfassungswidrig aufzuheben. Diesen Beschluss begründete der Verwaltungsgerichtshof mit verfassungsrechtlichen Bedenken (Eingriff in das Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung).

42 Mit Beschluss vom , G 266/2016, wies der VfGH diesen Antrag zurück.

43 Mit Beschluss vom , A 2017/0002-1 = Ro 2016/04/0006-7, stellte der Verwaltungsgerichtshof neuerlich gemäß Art. 140 Abs. 1 iVm Art. 89 Abs. 2 und Art. 135 Abs. 4 B-VG an den VfGH den Antrag, § 39 Abs. 2 dritter, vierter und sechster Satz Gewerbeordnung 1994, BGBl. I Nr. 194 idF BGBl. I Nr. 85/2012 (GewO 1994), in eventu§ 39 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994, BGBl. I Nr. 194 idF BGBl. I Nr. 85/2012 (GewO 1994), als verfassungswidrig aufzuheben. Diesen Beschluss begründete der Verwaltungsgerichtshof erneut mit verfassungsrechtlichen Bedenken (Eingriff in das Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung).

44 Mit Erkenntnis des , wurde der Hauptantrag des Verwaltungsgerichtshofes zurückgewiesen

(I.).

45 Dies begründete der VfGH unter Hinweis auf seine Rechtsprechung zu den Prozessvoraussetzungen von Normenkontrollverfahren (Rn. 39 ff). Der VfGH habe in seinem Beschluss vom , G 266/2016 festgestellt, dass sowohl § 39 Abs. 2 dritter, vierter und sechster Satz GewO 1994 anzufechten seien (Rz. 43). Darüber hinaus sei jedoch auch § 39 Abs. 2 fünfter Satz GewO 1994 mit dem angefochtenen § 39 Abs. 2 dritter Satz GewO 1994 sowohl in systematischer Hinsicht als auch sprachlich untrennbar verbunden (Rz. 44). Daher erweise sich der Hauptantrag als zu eng gefasst.

46 Weiters wurde mit dem genannten Erkenntnis G 227/2017 der Eventualantrag des Verwaltungsgerichtshofes abgewiesen (II.).

47 Dies begründete der VfGH in der Sache wie folgt:

"2.5. Nach der ständigen Judikatur zum verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß Art. 6 StGG (s. zB VfSlg. 10.179/1984, 12.921/1991, 15.038/1997, 15.700/1999, 16.120/2001, 16.734/2002 und 17.932/2006) sind gesetzliche, die Erwerbs(ausübungs)freiheit beschränkende Regelungen auf Grund des diesem Grundrecht angefügten Gesetzesvorbehaltes nur dann zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind.

2.6. Auch gesetzliche Regelungen, die die Berufsausübung beschränken, sind auf ihre Übereinstimmung mit der verfassungsgesetzlich verbürgten Freiheit der Erwerbsbetätigung zu prüfen und müssen dementsprechend durch ein öffentliches Interesse bestimmt und auch sonst sachlich gerechtfertigt sein. Das bedeutet, dass Ausübungsregeln bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe verhältnismäßig sein müssen. Es steht jedoch dem Gesetzgeber bei Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offen als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt) beschränken, weil und insoweit durch solche die Ausübung einer Erwerbstätigkeit regelnden Vorschriften der Eingriff in die verfassungsgesetzlich geschützte Rechtssphäre weniger gravierend ist. als durch Vorschriften, die den Zugang zum Beruf überhaupt behindern (s. etwa VfSlg. 13.704/1994 und die dort zitierte Vorjudikatur; weiters VfSlg. 16.024/2000 und 16.734/2002).

2.7. Die Bestimmung des § 39 Abs. 2 dritter Satz GewO bewirkt einen Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung. Sie bildet insofern eine Ausübungsbeschränkung, als Gewerbeinhaber wie die Revisionswerberin darin beschränkt werden, eine von ihr gewählte Person zum (obligatorischen) gewerberechtlichen Geschäftsführer zu ernennen, sofern diese nicht die Anforderungen des § 39 Abs. 2 dritter Satz GewO - handelsrechtlicher Geschäftsführer oder ein mindestens zur Hälfte der wöchentlichen Normalarbeitszeit im Betrieb beschäftigter, nach den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes voll versicherungspflichtiger Arbeitnehmer - erfüllt.

2.8. Diese Beschränkung verfolgt - neben dem allgemeinen Ziel des Schutzes vor Gefahren für die Gesundheit und Sicherheit sowie der Konsumenten durch die Reglementierung bestimmter Tätigkeiten und das Erfordernis eines Befähigungsnachweises in der GewO (vgl. etwa VfSlg. 9543/1982, 19.814/2013) - insbesondere das - im öffentlichen Interesse gelegene - Ziel, sicherzustellen, dass eine zur redlichen fachkundigen Ausübung des Gewerbes geeignete und dafür verantwortliche Person im gewerberechtlichen Betrieb vorhanden ist (vgl. ), die durch entsprechende Betätigung im Betrieb (vgl. RV 798 BlgNR 15. GP, 9) auch dazu in der Lage ist, diese Verantwortung wahrzunehmen. Die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit des gewerberechtlichen Geschäftsführers für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes bzw. für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften erfordert es daher, dass sich der Geschäftsführer entsprechend im Betrieb betätigt; er hat insbesondere in der Lage zu sein, die für das Gewerbe relevanten Vorgänge zu beobachten, zu kontrollieren und die gewerberechtlich relevanten Entscheidungen zu treffen. Es bedarf daher auch einer entsprechenden (negativen) Anordnungsbefugnis (vgl. Rebhahn, Der gewerberechtliche Geschäftsführer, in: Korinek (Hrsg.), Gewerberecht, Grundfragen der GewO 1994 in Einzelbeiträgen, 1995, 197 (205 ff)). Die Normierung der zusätzlichen Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 dritter Satz GewO dient folglich vor allem dazu, den gewerberechtlichen Geschäftsführer - alleine durch seine Stellung im Unternehmen - verstärkt und enger als nach der früheren Rechtslage an das Unternehmen zu binden (vgl. RV 635 BlgNR 18. GP, 75, 83) und damit sicherzustellen, dass dieser im Betrieb über die für seine Verantwortlichkeit notwendigen Beobachtungs-, Informations- und Handlungsmöglichkeiten verfügt. Gleichzeitig sollte damit auch dem Scheingeschäftsführerwesen entgegengewirkt werden (vgl. RV 635 BlgNR 18. GP, 75, 83).

2.9. Die Bestimmung des § 39 Abs. 2 dritter Satz GewO ist durch die Normierung der zusätzlichen Voraussetzung - Vorliegens eines handelsrechtlichen Geschäftsführers oder eines mindestens zur Hälfte der wöchentlichen Normalarbeitszeit im Betrieb beschäftigten, nach den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes voll versicherungspflichtigen Arbeitnehmers - dazu geeignet, diese im öffentlichen Interesse gelegenen Ziele zu erreichen, da bereits die "typisierte" Betrachtung der Stellung dieser Personen im Unternehmen erwarten lässt, dass diese sich im Unternehmen ausreichend betätigen (vgl. Rebhahn, Der gewerberechtliehe Geschäftsführer, in: Korinek (Hrsg. ), Gewerberecht, Grundfragen der GewO 1994 in Einzelbeiträgen, 1995, 197 (218)).

2. 10. Der Eingriff ist angesichts des Gewichts der mit der Bestimmung verfolgten Ziele - Sicherstellung der ausreichenden Betätigung des gewerberechtlichen Geschäftsführers im Betrieb, Verwaltungsökonomie und Verwaltungsvereinfachung sowie Bekämpfung des Scheingeschäftsführerwesens (vgl. Pkt. IV. 2. 8.) - auch verhältnismäßig:

2. 10. 1. Dem Gesetzgeber ist bei der Regelung der Berufsausübung ein größerer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf (den Erwerbsantritt) beschränken (vgl. VfSlg. 11.558/1987). Ihm steht daher grundsätzlich auch eine Wertung dahingehend zu, welche Funktionen im Unternehmen bereits alleine aus ihrer Stellung eine ausreichende Betätigung im Unternehmen erwarten lassen, ohne dass es zur Sicherstellung einer solchen Betätigung einer lückenlosen und flächendeckenden Kontrolle durch die Verwaltungsbehörden bedürfte.

2. 10.2. Durch die ‚typisierte' Betrachtung sowie die taxative Aufzählung dieser Funktionen wird eine Kontrolle sämtlicher Geschäftsführertätigkeiten durch die Gewerbebehörde entbehrlich, weil sichergestellt ist, dass jedenfalls eine Person als gewerberechtlicher Geschäftsführer vorhanden ist, die sich im Betrieb - entsprechend ihrer gewerberechtlichen Verantwortlichkeit für die fachlich einwandfreie Ausübung des Gewerbes bzw. für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften - betätigt. Im Hinblick auf die genannten Zielsetzungen, die der Gesetzgeber mit der angefochtenen Bestimmung verfolgt, kann der Verfassungsgerichtshof nicht finden, dass der Gesetzgeber seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum überschritten hätte. Der Umstand, dass es durch die Regelung zu einzelnen Härtefällen kommen kann, macht die Regelung nicht unverhältnismäßig. In einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe erweist sich die abschließende Regelung des § 39 Abs. 2 dritter Satz GewO im Ergebnis daher als verhältnismäßig."

Anwendung auf die vorliegende Rechtssache

48 In der vorliegenden Rechtssache hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Voraussetzungen des - vom VfGH als verfassungsrechtlich unbedenklich erkannten - § 39 Abs. 2 dritter Satz GewO 1994 bei dem durch die Revisionswerberin bei der Gewerbebehörde als gewerberechtlicher Geschäftsführer namhaft gemachten DI S nicht vorlägen.

49 Auch der Verwaltungsgerichtshof hat im zitierten Beschluss A 2017/0002-1 = Ro 2016/04/0006, Rn. 51f, festgehalten, dass DI S nach diesen Feststellungen die im Wortlaut des § 39 Abs. 2 Z 1 und 2 GewO 1994 normierten Voraussetzungen nicht erfüllt. Er gehört weder dem zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organ der revisionswerbenden GmbH an (vgl. zu dieser Voraussetzung iZm mit einer GmbH ) noch kann er als Mehrheitsgesellschafter der GmbH deren Arbeitnehmer sein (vgl. , in dem der Verwaltungsgerichtshof zu § 39 Abs. 2 Z 3 GewO 1973 festgehalten hat, dass beim Begriff "Arbeitnehmer" die Tatsache der Arbeitsleistung im Vordergrund steht, es sich dabei aber um eine in Abhängigkeit gegenüber dem Betriebsinhaber geleistete Tätigkeit handeln muss). Dagegen bringt die Revision nichts vor. Im Gegenteil hat sie dies ihren Normbedenken zu Grunde gelegt. Ausgehend von der Rechtsprechung des VfGH im Erkenntnis vom , G 227/2017, erweisen sich die von der Revision geäußerten Normbedenken jedoch als nicht stichhältig.

50 Dem Vorbringen der Revisionswerberin, diese Bestimmung nach dem aus den Gesetzesmaterialien erkennbaren telos der Regelung und nicht nach dem eindeutigen Wortlaut anzuwenden, steht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen, wonach im Hinblick auf den Gesetzestext und die Systematik des Gesetzes den Gesetzesmaterialien, soweit sie den aus dem Gesetzestext und der Systematik des Gesetzes gewonnenen Interpretationsergebnissen widersprechen, keine Bedeutung bei der Auslegung des Gesetzes zukommen kann (vgl. den zitierten Beschluss A 2017/0002- 1 = Ro 2016/04/0006, Rn. 56, mit Verweis auf , mwN).

51 Vor diesem Hintergrund fehlt auch dem von der Revision

geltend gemachten Verfahrensfehler die Relevanz.

Ergebnis

52 Die Revision war aus diesen Erwägungen gemäß § 42

Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

53 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß

§ 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das Verwaltungsgericht

- ein Tribunal im Sinne des Art. 6 MRK und ein Gericht im Sinne

des Art. 47 GRC - eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat,

weshalb weder Art. 6 MRK noch Art. 47 GRC der Abstandnahme von

einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof

entgegenstehen (vgl. dazu , mwN).

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2016040006.L00
Schlagworte:
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

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