VwGH vom 15.09.2016, Ra 2015/15/0003
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision der I K in S, vertreten durch Dr. Kurt Kozak, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunnerstraße 5, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/6100478/2014, betreffend Einkommensteuer 2013, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin erzielte im Jahr 2013 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2013 machte sie unter anderem offene Verlustabzüge aus den Vorjahren geltend. In einem Schreiben an das Finanzamt vom war dem Finanzamt mitgeteilt worden, dass der Vater der Revisionswerberin im Jahr 2009 verstorben sei. Die drei Kinder hätten eine unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben; die Verlassenschaft sei mit Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes den drei Kindern je zu einem Drittel eingeantwortet worden. Nach Veranlagung des Jahres 2009 bestünden beim Vater der Revisionswerberin steuerliche Verlustvorträge, die entsprechend der Erbquote auf die drei Kinder, also zu einem Drittel auf die Revisionswerberin übergegangen seien.
2 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2013 fest. Das Finanzamt berücksichtigte keinen Verlustabzug und führte begründend aus, ab 2013 könnten Verlustvorträge, die durch Erbschaft übergegangen seien, nur mehr geltend gemacht werden, wenn der verlustverursachende Betrieb weitergeführt werde.
3 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Sie machte insbesondere geltend, die Verlustvorträge seien auf die Person ihres Vaters und nicht auf die "Firma" bezogen gewesen. Sie ersuche um Anerkennung der ihr laut Testament zustehenden Verlustvorträge.
4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Laut Aktenlage sei im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens weder ein Betrieb noch ein Mitunternehmeranteil an die Revisionswerberin übergegangen, der Fall einer unentgeltlichen Betriebsübernahme durch die Erbin zu Buchwerten liege nicht vor. Der verbliebene Verlustvortrag des verstorbenen Vaters könne demnach von der Revisionswerberin nicht geltend gemacht werden.
5 Die Revisionswerberin beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Im Zuge des Beschwerdeverfahrens legte die Revisionswerberin den Einantwortungsbeschluss sowie das Protokoll u.a. über die Vermögenserklärung im Verlassenschaftsverfahren vor. Demnach bestanden die Aktiva aus einem (geringen) Guthaben beim Finanzamt sowie dem "erbl. Verlustvortrag".
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde ab. Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe bekannt gegeben, dass der Betrieb nicht von ihr weitergeführt worden sei; die Firmenanteile des verstorbenen Vaters habe zur Gänze ihr Bruder übernommen. Im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens sei weder ein Betrieb noch ein Mitunternehmeranteil an die Revisionswerberin übergegangen. Der Revisionswerberin stehe daher der Verlustabzug nicht zu. Die noch offenen Verlustvorträge gingen aber insofern nicht verloren, als sie beim betriebsübernehmenden Erben (dem Bruder der Revisionswerberin) zu berücksichtigen seien.
7 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
8 Die Revisionswerberin macht geltend, der Verlust verursachende Betrieb sei bereits Jahre vor dem Ableben ihres Vaters auf ihren Bruder übertragen worden bzw. sei ihr Vater aus der KG ausgeschieden. Die dem Erblasser zustehenden Verlustvorträge habe sich dieser unabhängig vom Betrieb des Unternehmens behalten und habe diese selbst geltend gemacht. Im vorliegenden Fall stehe ein Betrieb in keinem Zusammenhang mit dem Nachlass. Es sei daher zu beurteilen, ob Verlustvorträge, welche einer Person zugestanden seien, die nicht mehr Betriebsinhaber gewesen sei, im Erbwege übergehen könnten.
9 Gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 sind - unter näher genannten Voraussetzungen - als Sonderausgaben auch Verluste abzuziehen, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug).
10 Nach § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.
11 Der Inbegriff der Rechte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen, insofern sie nicht in bloß persönlichen Verhältnissen gegründet sind, heißt gemäß § 531 ABGB desselben Verlassenschaft oder Nachlass (vgl. auch § 531 ABGB in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2015: Die Rechte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen bilden, soweit sie nicht höchstpersönlicher Art sind, dessen Verlassenschaft). Rechte und Verbindlichkeiten, welche auf die Person eingeschränkt sind, oder die bloß persönliche Handlungen des Verstorbenen betreffen, erlöschen hingegen gemäß § 1448 ABGB durch den Tod. Rechte, die der Person ankleben, folglich mit ihr erlöschen, können nach § 1393 ABGB nicht abgetreten werden.
12 Aus zivilrechtlicher Sicht ist Vererblichkeit (nur) dann gegeben, wenn es sich um vermögensrechtliche Rechte und Verbindlichkeiten handelt (vgl. Eccher in Schwimann/Kodek, ABGB4, § 531 Rn 4). Die Frage, ob eine steuerrechtliche Position einen Vermögenswert verkörpert, bestimmt sich danach, ob diese Position nach Bestimmungen des Steuerrechts übertragbar ist. Diese Frage ist materienspezifisch steuerrechtlich zu lösen (vgl. Hohenwarter-Mayr , Rechtsnachfolge im Steuerrecht, in Holoubek/Lang, Die allgemeinen Bestimmungen der BAO, 355 ff, 372).
13 Das Einkommensteuergesetz ist vom Grundsatz der Individualbesteuerung geprägt (vgl. - zum EStG 1972 - ). Bei der Einkommensteuer geht es um die Besteuerung der im Einkommen zu Tage tretenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (vgl. ). Die persönliche Steuerpflicht erstreckt sich auf die Lebenszeit der Person, sie endet mit ihrem Tod ( Doralt , EStG9, § 1 Tz 31; vgl. auch - zum jedenfalls insoweit vergleichbaren deutschen Steuerrecht - Ruppe , Einkommensteuerrechtliche Positionen bei Rechtsnachfolge, in:
Schulze-Osterloh, Rechtsnachfolge im Steuerrecht, 10. Tagungsband der DStJG, 45 ff (56)).
14 Das Einkommensteuerrecht enthält in verschiedenen Zusammenhängen Regelungen, die eine Rechtsnachfolge berücksichtigen (vgl. etwa Hohenwarter-Mayr , aaO, 382 ff). Zum Verlustabzug enthält das Einkommensteuerrecht aber keine Nachfolgeregelung.
15 Jedenfalls im hier vorliegenden Fall, in welchem die Revisionswerberin keinen Betrieb übernommen und die Buchwerte des bisherigen Betriebsinhabers zu übernehmen hatte, ist eine Nachfolgeregelung betreffend den Verlustabzug auch nicht zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung erforderlich.
16 Der Einkommensteuer ist jenes Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat (§ 2 Abs. 1 EStG 1988). Der Besteuerung wird also nicht das Lebenseinkommen zugrunde gelegt, sondern das Einkommen eines Kalenderjahres (Prinzip der Abschnittsbesteuerung, vgl. Doralt/Toifl , EStG14, § 2 Tz 1/1).
17 Der Verlustabzug ist ein Hilfsmittel, die engen Schranken dieser Kalenderjahresbesteuerung zu überspringen (vgl. Taucher , Erbschaften und Ertragsteuern, 139; vgl. auch Doralt , RdW 1986, 125: Ausgleich für die periodisierte Gewinnermittlung). Er dient dazu, zu verhindern, dass der Steuerpflichtige Einkommen zu versteuern hat, obwohl er in der Vergangenheit einen Verlustüberhang erlitten hat (vgl. , VfSlg. 19185; vgl. zu einer periodenübergreifenden "Totalbetrachtung" bei Spekulationsgeschäften auch das bereits erwähnte Erkenntnis 98/14/0065).
18 Der Verlustabzug dient aber insoweit nur dazu, eine Verrechnung von Einkünften des Steuerpflichtigen mit von ihm in der Vergangenheit erlittenen Verlusten herbeizuführen, um seine Leistungsfähigkeit periodenübergreifend zu berücksichtigen. Eine steuersubjektübergreifende Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit ist aber nicht geboten, da Verluste, die der Rechtsvorgänger erlitten hat, im Allgemeinen nicht die Leistungsfähigkeit des Rechtsnachfolgers beeinträchtigen.
19 Die Revision beruft sich zur Begründung ihres Standpunktes auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 248/87, VfSlg. 11636. Diesem Vorbringen ist aber entgegen zu halten, dass sich jenes Erkenntnis auf einen Sachverhalt bezog, wonach der Steuerpflichtige als Erbe einen Betrieb von seinem Rechtsvorgänger erworben hatte. Der Verfassungsgerichtshof stützte seine Begründung darauf, dass die wirtschaftliche Identität des Betriebs, dessen Vermögensrechnung ungeachtet des Erbgangs fortgeführt werde, bestehen bleibe. Es scheine kein sachlicher Grund dafür erkennbar zu sein, dass der Erbe hinsichtlich des Verlustvortrags anders behandelt werde als der Betriebsinhaber behandelt würde, wenn kein Erbgang erfolgt wäre. Eine derartige Fortführung eines wirtschaftlich identen Betriebes liegt hinsichtlich der Revisionswerberin aber gerade nicht vor. Dass eine Gleichbehandlung des Erben mit dem Erblasser auch dann verfassungsrechtlich geboten wäre, wenn der Erbe - wie auch bereits der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes - keinen Betrieb mehr führt, kann jenem Erkenntnis nicht entnommen werden.
20 Auch die Lehre stützt die Notwendigkeit der Vererbbarkeit des Verlustabzuges darauf, dass der Nachfolger die Buchwerte des Vorgängers zu übernehmen hat (vgl. etwa Doralt , RdW 1986, 125 f; Beiser , RdW 2000/538, 571 ff).
21 Da ein derartiger Fall nicht vorliegt, ist hier nicht zu prüfen, ob gegebenenfalls durch analoge Anwendung anderer Bestimmungen zur Rechtsnachfolge ein Verlustabzug übertragen werden könnte.
22 Da sohin der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die von der Revisionswerberin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Revision ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am