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VwGH vom 27.07.2016, Ra 2015/13/0051

VwGH vom 27.07.2016, Ra 2015/13/0051

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wimberger, über die Revision des Finanzamts Wien 2/20/21/22 in 1220 Wien, Dr. Adolf Schärf-Platz 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7103240/2012, betreffend u.a. Feststellung von Einkünften 2006 bis 2008 (mitbeteiligte Partei: A KG in Wien, vertreten durch die LBG Steuerberatung GmbH in 1030 Wien, Boerhaavegasse 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Anfechtung (Einkünftefeststellung 2006 bis 2008) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Kommanditgesellschaft betreibt eine Apotheke.

2 Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom betreffend Umsatzsteuer sowie einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung jeweils für die Jahre 2006 bis 2009 sowie eine Nachschau betreffend den Zeitraum Jänner 2010 bis Juli 2011 führte die Prüferin u.a. aus, es sei - wie sodann näher dargelegt wurde - begründeter Anlass gegeben, die sachliche Richtigkeit der Aufzeichnungen der Mitbeteiligten in Zweifel zu ziehen. Aufgrund dieser Mängel erfolge eine griffweise Zurechnung eines Sicherheitszuschlages von jeweils 26.000 EUR ("netto") an Umsätzen und Einkünften.

3 Das Finanzamt erließ in der Folge den Feststellungen der Prüfung folgende Bescheide betreffend Feststellung von Einkünften für 2006 bis 2009 sowie Umsatzsteuer für 2006 bis 2010.

4 Die Mitbeteiligte erhob gegen diese Bescheide Berufung. 5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die (nunmehrige) Beschwerde betreffend die Jahre 2006 bis 2008 als unbegründet ab und änderte die Feststellungsbescheide ab. Betreffend die Jahre 2009 und 2010 gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und änderte die Umsatzsteuer- und Feststellungsbescheide ab.

6 Begründend führte das Bundesfinanzgericht nach Schilderung des Verfahrensganges im Wesentlichen aus, (im angefochtenen Erkenntnis näher geschilderte) Fehlbedienungen bei der Verwendung des EDV-Systems der Mitbeteiligten hätten zu formellen Mängeln geführt, die zur Schätzung nach § 184 Abs. 3 BAO berechtigten. Der Ansatz eines Sicherheitszuschlages sei im vorliegenden Fall ein adäquates Mittel, weil nicht einzelne Mängel aufgegriffen worden seien, sondern aufgrund der Summe der vorgefundenen Mängel eine Umsatzerhöhung in jenem Ausmaß erfolgt sei, das bei den vorgefundenen Mängeln möglich erscheine. Die Schätzung erscheine auch der Höhe nach plausibel, denn schon aus zwei der angeführten Mängel ergäben sich unaufgeklärte Fehlbeträge von 10.000 EUR jährlich. Unter Bedachtnahme auf die weiteren Mängel erscheine die pauschale Zuschätzung von 26.000 EUR jährlich gerechtfertigt, zumal dies nur rund 1,3% des Umsatzes sei und somit am unteren Ende eines zulässigen Sicherheitszuschlages angesiedelt sei.

7 Die Erhöhung der steuerpflichtigen Umsätze um 26.000 EUR jährlich führe zu einer jährlichen zusätzlichen Umsatzsteuerschuld von 5.200 EUR. Diese sei ertragsteuerlich zusätzlich zu passivieren, weshalb die Feststellungsbescheide entsprechend abzuändern seien.

8 Betreffend die Jahre 2009 und 2010 seien keine Mängel festgestellt worden. Eine bloße Vermutung reiche als Begründung für die Festsetzung von Steuern nicht aus, die Übertragung von Sachverhaltsfeststellungen aus den Vorjahren sei nicht zulässig. Daher sei die Zuschätzung in den Jahren 2009 und 2010 rechtswidrig gewesen.

9 Die Revision sei unzulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Sachverhalts- und nicht einer Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängig gewesen sei.

10 Gegen dieses Erkenntnis, soweit es die Feststellung von Einkünften für die Jahre 2006 bis 2008 betrifft, richtet sich die Revision des Finanzamtes.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verfahrensakten durch das Bundesfinanzgericht und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die Mitbeteiligte erwogen:

12 Das revisionswerbende Finanzamt macht geltend, es sei hinsichtlich der Gewinnwirksamkeit der Passivierung der Umsatzsteuer zunächst von einem (berichtigungsfähigen) Fehler des Bundesfinanzgerichtes ausgegangen. Das Bundesfinanzgericht habe aber sodann ("informell") mitgeteilt, Überlegung bei dieser Entscheidung sei gewesen, dass - anders als bei Schwarzumsätzen, bei denen unterstellt werde, dass der Bruttoerlös vom Pflichtigen vereinnahmt worden sei - bei einer Zuschätzung wegen formeller Mängel die sich daraus ergebende Umsatzsteuer als Aufwand "hängen bleibe" und diese daher zu passivieren sei. Diese Argumentation sei der Begründung der Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes nicht zu entnehmen; es liege insoweit ein Begründungsmangel vor. Die nachträgliche und "informelle" Begründung sei aber auch unzutreffend. Durch die Schätzung seien Nettoerlöse von 26.000 EUR zugerechnet worden. Umsatzsteuerlich entfalle auf diese Nettoerlöse eine an das Finanzamt abzuführende Umsatzsteuer von 20% (5.200 EUR). Dies bedeute, dass der vom Bundesfinanzgericht festgestellte Sachverhalt darin bestehe, dass die Mitbeteiligte nicht erklärte Bruttoerlöse von 31.200 EUR von den Kunden erzielt habe, wobei die Nettoerlöse (26.000 EUR) als Betriebseinnahmen den Gewinn erhöhten. Insoweit sei nicht zwischen "Schwarzumsätzen" und "Zuschätzung wegen formeller Mängel" zu differenzieren.

13 Ein relevanter Begründungsmangel der Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes bewirkt die Zulässigkeit der Revision iSd § 25a VwGG (vgl. , mwN).

14 Ausfertigungen von Erkenntnissen und Beschlüssen der Verwaltungsgerichte haben u.a. die Begründung zu enthalten (§ 280 Abs. 1 lit. e BAO). Die Begründung hat in einer Weise zu erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen oder gerichtlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (vgl. zu Abgabenbescheiden , mwN).

15 Diesen Anforderungen entspricht das angefochtene Erkenntnis nicht. Das Bundesfinanzgericht geht davon aus, dass eine pauschale Zuschätzung von 26.000 EUR jährlich gerechtfertigt sei, zumal dies nur rund 1,3% des Umsatzes ausmache. Diese Ausführungen sind auch im Zusammenhang damit, dass die Umsatzsteuerbescheide 2006 bis 2008 unverändert blieben, jedenfalls dahin zu verstehen, dass es sich beim angeführten Betrag von 26.000 EUR um den Betrag ohne Umsatzsteuer ("netto") handeln solle. Dafür, dass die Mitbeteiligte betreffend diese zugeschätzten Umsätze gegenüber ihren Kunden keine Umsatzsteuer verrechnet oder von diesen nicht erhalten hätte, ergeben sich aus dem angefochtenen Erkenntnis keine Anhaltspunkte. Ohne derartige Anhaltspunkte ist auch eine - in der Revision des Finanzamtes angesprochene - Differenzierung zwischen einer Zuschätzung wegen "Schwarzumsätzen" einerseits und wegen formeller Mängel anderseits nicht verständlich.

16 Wenn in der Revisionsbeantwortung darauf hingewiesen wird, dass in der außerordentlichen Revision keine Revisionspunkte angeführt sind, so ist zu bemerken, dass bei Revisionen, die - wie hier - nicht wegen Verletzung in Rechten erhoben werden, an die Stelle der Revisionspunkte die Erklärung über den Umfang der Anfechtung tritt (§ 28 Abs. 2 VwGG). Eine derartige Erklärung ist aber in der Revision enthalten (Anfechtung betreffend Feststellungsbescheide 2006 bis 2008).

17 Auf das Vorbringen der Mitbeteiligten in der Revisionsbeantwortung, die vom Finanzamt vorgenommene und vom Bundesfinanzgericht (jedenfalls im Wesentlichen) bestätigte Schätzung sei rechtswidrig vorgenommen worden, kann im derzeitigen Verfahrensstadium nicht eingegangen werden, da dies nicht Gegenstand der Revision ist. Es kann aber insbesondere nicht - jedenfalls nicht ohne nähere Darlegungen durch das Bundesfinanzgericht - davon ausgegangen werden, dass das Bundesfinanzgericht angenommen habe, die zugeschätzten Umsätze wären nur mit ihrem Nettobetrag erzielt worden.

18 Hat der Begründungsmangel - wie hier - zur Folge, dass einer Partei dadurch die Verfolgung ihrer Rechte vor dem Verwaltungsgerichtshof oder dem Verwaltungsgerichtshof die inhaltliche Prüfung des Bescheides oder Erkenntnisses verwehrt bleibt, führt der Begründungsmangel zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses (vgl. ).

19 Das angefochtene Erkenntnis war daher (im Umfang seiner Anfechtung) gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am