VwGH vom 13.09.2016, Ro 2016/03/0016

VwGH vom 13.09.2016, Ro 2016/03/0016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revisionen der revisionswerbenden Partei Kommunikationsbehörde Austria, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom ,

1) Zl W120 2017585-1/9E, und 2) Zl. W120 2017795-1/9E, betreffend Verletzung des Objektivitäts- und Unabhängigkeitsgebots nach dem ORF-G (mitbeteiligte Parteien: 1. X Partei in W, und 2. XY in W, beide vertreten durch Gheneff - Rami - Sommer Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Floragasse 5; 3. Österreichischer Rundfunk in W, und

4. O KG in W, beide vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Argentinierstraße 20/1/3; weitere Partei:

Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien),

1. zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen wird Folge gegeben.

Das angefochtene Erkenntnis wird dahingehend abgeändert, dass die an das Verwaltungsgericht gerichteten Beschwerden abgewiesen werden.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

2. den Beschluss gefasst:

Die Anträge des Drittmitbeteiligten und der Viertmitbeteiligten auf Aufhebung der angefochtenen Erkenntnisse werden zurückgewiesen.

Begründung

I. Sachverhalt

1 A. Aus den Feststellungen der angefochtenen Erkenntnisse ergibt sich, dass der Österreichische Rundfunk (ORF) im Rahmen der Reportagereihe "Am Schauplatz" einen Beitrag über jugendliche Rechtsextremisten mit dem Untertitel "Am rechten Rand" produzierte. Im Zuge der Dreharbeiten besuchten diese Jugendlichen am in W mit dem Journalisten des ORF, E M, der die Reportage gestaltete, die Schlusskundgebung der Erstmitbeteiligten zu den Gemeinderatswahlen in Niederösterreich, bei der auch der Zweitmitbeteiligte auftrat. Letzterer behauptete, im Zuge dieser Wahlveranstaltung vernommen zu haben, dass E M die anwesenden Jugendlichen dazu aufgefordert hätte, vor laufender Kamera neonazistische Aussagen zu tätigen. Deshalb zeigte er diesen wegen des Verdachts auf Bestimmung zur nationalsozialistischen Wiederbetätigung an. Darüber hinaus wurde gegen E M wegen des Verdachts der nachträglichen Manipulation des während der Wahlveranstaltung aufgenommenen Videomaterials im Hinblick auf den Vorwurf der Fälschung eines Beweismittels ermittelt. E M zeigte wiederum den Zweitmitbeteiligten wegen des Verdachts der falschen Beweisaussage und Verleumdung an.

2 Am berichtete der ORF in mehreren Medien, nämlich in der Radiosendung "Ö1 Abendjournal" sowie in den Fernsehsendungen "Zeit im Bild" und "ZIB 2", dass das Ermittlungsverfahren gegen E M wegen des Verdachts auf Bestimmung zur nationalsozialistischen Wiederbetätigung eingestellt worden sei, und das Ermittlungsverfahren gegen den Zweitmitbeteiligten noch laufe. Am berichtete der ORF in mehreren Medien, nämlich in der Radiosendung "Ö1 Mittagsjournal", in der Fernsehsendung "ZIB 2" sowie im ORF-Teletext, dass sich mit dem Ermittlungsverfahren, das gegen E M wegen des Verdachts auf Fälschung eines Beweismittels geführt wurde, aufgrund der langen Dauer des Verfahrens auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte befassen soll. In der Radiosendung "Ö1 Mittagsjournal" vom berichtete der ORF erneut über den Rechtsstreit zwischen dem Zweitmitbeteiligten und E M. Dabei wurde auch eine kurze Stellungnahme des letzteren gesendet. Am 30. und am berichtete der ORF in mehreren Medien, nämlich in der Radiosendung "Ö1 Feiertagsjournal", in den Fernsehsendungen "ZIB 9", "ZIB 13" und "Zeit im Bild" sowie im ORF-Teletext, dass die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt die Ermittlungsverfahren sowohl gegen E M als auch gegen den Zweitmitbeteiligten eingestellt habe. Weiters berichtete der ORF am in der Radiosendung "Ö1 Abendjournal" sowie im ORF-Teletext, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Beschwerde des E M zugelassen habe.

3 E M brachte am beim Landesgericht für Strafsachen Wien Anträge nach den §§ 6 und 7b MedienG gegen den Parlamentsklub der X Partei, gegen die Erstmitbeteiligte sowie gegen AA, den Medieninhaber der Website des Zweitmitbeteiligten ein. Dieses Verfahren wurde vor dem Landesgericht unter der Zahl Z geführt. Der ORF berichtete am in mehreren Medien, nämlich in den Radiosendungen "Ö1 Mittagsjournal" und "Ö1 Abendjournal", in den Fernsehsendungen "Zeit im Bild" und "ZIB 2", im ORF-Teletext sowie auf der Website oe1.orf.at über das Verfahren zur Zahl Z. Am fand die letzte Hauptverhandlung in dem Verfahren zur Zahl Z am Landesgericht statt. In dieser Verhandlung wurden die Anträge des E M abgewiesen. Dieser meldete gegen das Urteil Berufung an. Zahlreiche Medien, unter anderem die Tageszeitungen "Der Standard", "Die Presse", "Kleine Zeitung", "Kurier", "ÖSTERREICH" und "Wiener Zeitung" berichteten jeweils am über dieses erstinstanzliche Urteil. Der ORF berichtete in seinen Medien hingegen nicht darüber.

4 B. Mit Schriftsatz vom erhoben die Erstmitbeteiligte und der Zweitmitbeteiligte gegen den Drittmitbeteiligten und die Viertmitbeteiligte Beschwerde nach § 36 Abs 1 Z 1 lit a ORF-G an die Revisionswerberin und stellten die Anträge, festzustellen, dass der Drittmitbeteiligte und die Viertmitbeteiligte durch ihre Berichterstattung über das medienrechtliche Entschädigungsverfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien, Zahl Z, das von E M unter anderem gegen die Erstmitbeteiligte eingeleitet worden war, die Bestimmungen des § 4 Abs 5 und Abs 6 iVm § 10 Abs 5 und 6 ORF-G verletzt hätten, weil nur über positive Entwicklungen für den dortigen Antragsteller E M berichtet wurde, nicht jedoch über das dessen Anträge abweisende Urteil vom , sowie, dem Drittmitbeteiligten und der Viertmitbeteiligten nach § 37 Abs 4 ORF-G jeweils die Veröffentlichung dieser Entscheidung aufzutragen.

5 Mit Bescheid vom wies die Revisionswerberin die Beschwerde nach § 36 Abs 3 ORF-G als verspätet zurück. Begründend führte sie aus, dass es sich beim Gegenstand der behaupteten Rechtsverletzung durch Unterlassen der Berichterstattung um das erstinstanzliche Urteil in einem Rechtsstreit handle, der zum damaligen Zeitpunkt bereits über zweieinhalb Jahre angedauert habe, über dessen Teilereignisse aber vom Drittmitbeteiligten immer in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang berichtet worden sei. Es sei daher davon auszugehen, dass eine Berichterstattung auch über weitere - wesentliche und vom ORF für berichterstattungswert erachtete - Entwicklungen in diesem Rechtsstreit gewöhnlich in unmittelbarer zeitlicher Nähe, am selben Tag oder in den darauffolgenden Tagen erfolge und auch zu erfolgen habe, um die Aktualität derartiger Nachrichten zu gewährleisten und insoweit dem gesetzlichen Gebot der umfassenden Information in Form von ua Nachrichten nach § 4 Abs 5 Z 1 iVm § 10 Abs 5 ORF-G gerecht zu werden. Die von der Erstmitbeteiligten und dem Zweitmitbeteiligten vermisste Berichterstattung in den Medien des Drittmitbeteiligten über das Urteil hätte folglich - würde der Beschwerdebehauptung, dass die Nichtberichterstattung eine Verletzung der objektiven und unparteilichen Auswahl der Information darstelle, gefolgt - nur zeitnah erfolgen können, weil auch die Einhaltung einer vergleichbaren Aktualität der zu einem Gesamtsachverhalt gegebenen Teilinformationen von den gesetzlichen Vorgaben des § 4 Abs 5 Z 1 iVm § 10 Abs 5 ORF-G und damit der von der Beschwerde behaupteten Verletzung erfasst sein müsse. Da das verfahrensgegenständliche Urteil, über das nach dem Begehren der Erstmitbeteiligten und des Zweitmitbeteiligten berichtet hätte werden müssen, am ergangen sei, hätte am - dem sechs Wochen vor dem Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung liegenden Tag - von einer angemessenen nachrichtenmäßigen Berichterstattung keinesfalls mehr die Rede sein können, sodass der Zeitpunkt der behaupteten Verletzung durch Unterlassung jedenfalls zu spät gewählt und die sechswöchige Beschwerdefrist nicht eingehalten worden sei.

6 C. Dagegen erhoben die Erstmitbeteiligte und der Zweitmitbeteiligte am eine Beschwerde. Mit Erkenntnis vom gab das Bundesverwaltungsgericht dieser Beschwerde statt, hob den angefochtenen Bescheid auf und erklärte die Revision für zulässig.

7 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass dem Anbringen einer Partei, welches sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, im Zweifel nicht ein solcher Inhalt beizumessen sei, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt. Vor dem Hintergrund, dass die Regulierungsbehörden die rechtliche Beurteilung eines ihnen mit Beschwerde nach § 36 ORF-G zugetragenen Sachverhalts ohne Bindung an die Rechtsausführungen in der Beschwerde vorzunehmen hätten und vielmehr zu der Prüfung verpflichtet seien, ob durch den der Beschwerde zugrundeliegenden Sachverhalt irgendeine Bestimmung des ORF-G verletzt worden ist, erscheine die Deutung der Beschwerde, dass damit nur isoliert die unterlassene Berichterstattung über das in Rede stehende Urteil - wo aus Sicht der Revisionswerberin bereits Verfristung eingetreten wäre - und nicht die Berichterstattung über das Verfahren insgesamt - wo die Beschwerdefrist aus Sicht des Verwaltungsgerichts noch nicht abgelaufen sei - releviert werden sollte, als unzulässig. Wie sich aus den unbestritten gebliebenen Feststellungen ergebe, habe am die letzte Hauptverhandlung in der Rechtssache Z am Landesgericht für Strafsachen Wien stattgefunden, in deren Rahmen die Anträge von E M abgewiesen worden seien, und dieser gegen das Urteil Berufung angemeldet habe, die zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung vor der belangten Behörde auch noch nicht erledigt gewesen sei. Deshalb sei davon auszugehen, dass die verfahrensgegenständliche Beschwerde nicht außerhalb von sechs Wochen, gerechnet vom Zeitpunkt der behaupteten Verletzung des ORF-G eingebracht worden sei, weil zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung das gerichtliche Verfahren - auf das sich der in Beschwerde gezogene Sachverhalt bezieht - noch anhängig war, und nach den Behauptungen der Erstmitbeteiligten und des Zweitmitbeteiligten eine fortdauernde und zusammenhängende Verletzung des ORF-G vorliege. Aus diesem Grund sei die Zurückweisung der verfahrenseinleitenden Beschwerde zu Unrecht erfolgt.

8 D. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision. Die Revisionswerberin bringt darin vor, dass die Erstmitbeteiligte und der Zweitmitbeteiligte gerade keine Beschwerde eingebracht hätten, die auf die Feststellung einer einseitigen Berichterstattung über das beim Landesgericht für Strafsachen Wien zur Zahl Z geführte Verfahren insgesamt gerichtet gewesen sei. Vielmehr hätten diese Mitbeteiligten ausdrücklich ausgeführt, dass der Drittmitbeteiligte und die Viertmitbeteiligte das ORF-G dadurch verletzt hätten, dass sie über ein bestimmtes Urteil nicht berichtet hätten, also durch eine Unterlassung, und dass es für die Ermittlung des Zeitpunkts der Gesetzesverletzung daher maßgeblich sei, bis wann die Antragsgegner die gebotene Handlung spätestens vorzunehmen gehabt hätten, also über das Urteil berichten hätten müssen. Da die Erstmitbeteiligte und der Zweitmitbeteiligte in den Medien des Drittmitbeteiligten bzw der Viertmitbeteiligten eine - gemessen an der erfolgten Berichterstattung über die erste Verhandlung am -

notwendige Berichterstattung über das dieses Verfahren abschließende Urteil vom vermisst hätten, sei entweder gerade diese unterlassene Information über ein bestimmtes Ereignis der für § 36 Abs 3 ORF-G maßgebliche Beginn des Fristenlaufs, oder aber der längere Zeitraum, in denen Sendungen mit Berichterstattung zum gegenständlichen Verfahren stattgefunden haben oder stattfinden hätten sollen, sei mit dem Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens beendet. Im gegenständlichen Verfahren richte sich die verfahrenseinleitende Beschwerde gegen die vermeintlich einseitige Berichterstattung über ein Verfahren, das bereits im Jahr 2011 - und damit drei Jahre vor Beschwerdeerhebung - eingeleitet worden sei. Selbst bei Einbeziehung des gesamten Zeitraums seit Einleitung des Verfahrens als möglicher Zeitraum der beanstandeten Rechtsverletzung durch den Drittmitbeteiligten und die Viertmitbeteiligte sei daher mit Fällung des erstinstanzlichen Urteils am ein klar definierter zeitlicher Endpunkt gegeben, der als fristauslösend in Bezug auf § 36 Abs 3 ORF-G anzusehen sei. Es sei nämlich zur Beurteilung des Vorliegens einer Gesetzesverletzung keinerlei Ausdehnung des Betrachtungszeitraums über den Zeitpunkt der behaupteten rechtswidrigen Unterlassung der Berichterstattung über das abschließende erstinstanzliche Urteil hinaus in die Zukunft notwendig, um feststellen zu können, ob eine Verletzung des ORF-G vorliege.

9 Die Erstmitbeteiligte und der Zweitmitbeteiligte erstatteten eine Revisionsbeantwortung und beantragten, der Revision nicht Folge zu geben. Der Drittmitbeteiligte und die Viertmitbeteiligte erstatteten ebenfalls eine Revisionsbeantwortung und beantragten insbesondere, der Revision Folge zu geben und die angefochtenen Erkenntnisse zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts aufzuheben.

II. Rechtslage

10 Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Österreichischen Rundfunk (ORF-Gesetz - ORF-G), BGBl Nr 379/1984 idF BGBl I Nr 50/2010 (§§ 4, 10) bzw idF BGBl I Nr 55/2014 (§ 36) lauten auszugsweise:

"Öffentlich-rechtlicher Kernauftrag

§ 4. ...

(5) Der Österreichische Rundfunk hat bei Gestaltung seiner Sendungen und Angebote weiters für

1. eine objektive Auswahl und Vermittlung von Informationen in Form von Nachrichten und Reportagen einschließlich der Berichterstattung über die Tätigkeit der gesetzgebenden Organe und gegebenenfalls der Übertragung ihrer Verhandlungen;

2. die Wiedergabe und Vermittlung von für die Allgemeinheit wesentlichen Kommentaren, Standpunkten und kritischen Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen;

3. eigene Kommentare, Sachanalysen und Moderationen unter Wahrung des Grundsatzes der Objektivität zu sorgen.

...

(6) Unabhängigkeit ist nicht nur Recht der journalistischen oder programmgestaltenden Mitarbeiter, sondern auch deren Pflicht. Unabhängigkeit bedeutet Unabhängigkeit von Staats- und Parteieinfluss, aber auch Unabhängigkeit von anderen Medien, seien es elektronische Printmedien, oder seien es politische oder wirtschaftliche Lobbies.

...

Inhaltliche Grundsätze

§ 10. ...

(5) Die Information hat umfassend, unabhängig, unparteilich und objektiv zu sein. Alle Nachrichten und Berichte sind sorgfältig auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen, Nachricht und Kommentar deutlich voneinander zu trennen.

(6) Die Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen ist angemessen zu berücksichtigen, die Menschenwürde, Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre des Einzelnen sind zu achten.

...

Rechtsaufsicht

§ 36. (1) Die Regulierungsbehörde entscheiden neben

den anderen in diesem Bundesgesetz und im KommAustria-Gesetz

genannten Fällen - soweit dafür nicht eine andere

Verwaltungsbehörde oder ein Gericht zuständig ist - über die

Verletzung von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes mit Ausnahme der

Bestimmungen des 5a. Abschnittes oder über die Verletzung des

Umfangs eines Angebotskonzepts einschließlich allfälliger nach § 6b

Abs. 2 erteilten Auflagen

1. auf Grund von Beschwerden

a. einer Person, die durch eine Rechtsverletzung

unmittelbar geschädigt zu sein behauptet;

...

(3) Beschwerden sind innerhalb von sechs Wochen, Anträge sind innerhalb von sechs Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt der behaupteten Verletzung dieses Bundesgesetzes, einzubringen. Offensichtlich unbegründete Beschwerden und Anträge sind ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen."

III. Erwägungen

A. Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegenständlichen Revisionssachen wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

11 Nach den Vorschriften des ORF-G verlangt die gebotene objektive Berichterstattung durch den ORF (Objektivitätsgebot; vgl § 1 Abs 3 ORF-G), dass Informationen in Form von Nachrichten und Reportagen objektiv ausgewählt und vermittelt werden (§ 4 Abs 5 Z 1 ORF-G), für die Allgemeinheit wesentliche Kommentare, Standpunkte und kritische Stellungnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen wiedergegeben und vermittelt werden (§ 4 Abs 5 Z 2 ORF-G), und eigene Kommentare, Sachanalysen und Moderationen des ORF unter Wahrung des Grundsatzes der Objektivität erstellt werden (§ 4 Abs 5 Z 3 ORF-G). Die Information hat umfassend, unabhängig, unparteilich und objektiv zu sein, und es sind alle Nachrichten und Berichte sorgfältig auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen; Nachricht und Kommentar sind deutlich voneinander zu trennen (§ 10 Abs 5 ORF-G). Die Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen ist angemessen zu berücksichtigen, die Menschenwürde, Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre des Einzelnen sind zu achten (§ 10 Abs 6 ORF-G) und es haben Kommentare, Analysen und Moderationen sachlich zu sein und auf nachvollziehbaren Tatsachen zu beruhen (§ 10 Abs 7 ORF-G; vgl mwH).

12 In § 36 Abs 1 Z 1 lit a ORF-G wird jeder Person, die durch eine Rechtsverletzung unmittelbar geschädigt zu sein behauptet, das Recht eingeräumt, gegen die Verletzung von Bestimmungen des ORF-G Beschwerde an die Regulierungsbehörde zu erheben. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Regulierungsbehörde die rechtliche Beurteilung eines ihr mit einer Beschwerde nach § 36 ORF-G zugetragenen Sachverhalts ohne Bindung an die Rechtsausführungen der beschwerdeführenden Partei vorzunehmen. Aus § 37 Abs 1 ORF-G ergibt sich, dass die Entscheidung der Regulierungsbehörde in der Feststellung besteht, ob und durch welchen Sachverhalt eine Bestimmung des ORF-G verletzt worden ist. Im Hinblick auf den Wortlaut dieser Norm ist die Regulierungsbehörde zur Prüfung verpflichtet, ob durch einen in Beschwerde gezogenen Sachverhalt irgendeine Bestimmung des ORF-G verletzt worden ist (, Rz 20).

13 B. Welcher Sachverhalt als Auslöser einer behaupteten Rechtsverletzung in Beschwerde gezogen wird, ist grundsätzlich anhand des Parteiantrags zu ermitteln. Die Verpflichtung der Regulierungsbehörde, zu prüfen und festzustellen, ob und durch welchen Sachverhalt irgendeine Bestimmung des ORF-G verletzt worden ist, hat zwar zur Folge, dass der Beschwerdeführer die Bestimmungen des ORF-G, die er als verletzt erachtet, nicht zu bezeichnen und auch keine Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung seines Beschwerdevorbringens zu machen hat (vgl idS ). Dennoch hat der Beschwerdeführer den Sachverhalt, in dem er eine Verletzung von Bestimmungen des ORF-G erblickt, genau, umfassend und vollständig anzugeben, damit der Regulierungsbehörde die sachgerechte Prüfung einer solchen Verletzung anhand des Gesetzes ermöglicht wird. Zudem hat der Beschwerdeführer auch hinreichend darzulegen, inwiefern er durch die von ihm behauptete Rechtsverletzung eine Schädigung erlitten hat.

14 Beschwerden nach § 36 Abs 1 ORF-G sind jedenfalls Anbringen im Sinne des § 13 AVG. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kommt es für die Beurteilung von Anbringen nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen wörtlichen Formen an, sondern auf den Inhalt und das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischritts. Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte, nicht das Gewollte. Allerdings ist das Erklärte der Auslegung zugänglich. Parteierklärungen im Verwaltungsverfahren sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, dh es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt. Es besteht aber keine Befugnis oder Pflicht der Behörde, von der Partei tatsächlich nicht erstattete Erklärungen aus der Erwägung als erstattet zu fingieren, dass der Kontext des Parteienvorbringens die Erstattung der nicht erstatteten Erklärung nach behördlicher Beurteilung als notwendig, ratsam oder empfehlenswert erscheinen lässt (vgl dazu mwH).

15 C. Wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt, haben die Erstmitbeteiligte und der Zweitmitbeteiligte an die Revisionswerberin den Antrag gestellt, festzustellen, dass der Drittmitbeteiligte und die Viertmitbeteiligte durch ihre Berichterstattung über das medienrechtliche Entschädigungsverfahren vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien, Zl Z, das von E M unter anderem gegen die Erstmitbeteiligte eingeleitet worden war, die Bestimmungen des § 4 Abs 5 und 6 ORF-G iVm § 10 Abs 5 und 6 ORF-G verletzt haben, weil nur über positive Entwicklungen für den dortigen Antragsteller E M berichtet wurde, nicht jedoch über das dessen Anträge abweisende Urteil vom . Weiters geht aus den Verwaltungsakten hervor, dass die Erstmitbeteiligte und der Zweitmitbeteiligte in ihrer Stellungnahme vom ausführten, dass "(d)ie Antragsgegner das ORF-G dadurch verletzt (haben), dass sie über ein bestimmtes Urteil nicht berichtet haben, also durch eine Unterlassung." Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht mit der Beurteilung, dass eine Deutung der Beschwerde, wonach damit nur isoliert die unterlassene Berichterstattung über das in Rede stehende Urteil und nicht die Berichterstattung über das Verfahren insgesamt releviert werden sollte, unzulässig erscheine, die Rechtslage verkannt und die angefochtenen Erkenntnisse mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

16 D. Beschwerden im Sinne des § 36 Abs 1 Z 1 ORF-G sind nach § 36 Abs 3 erster Satz ORF-G innerhalb von sechs Wochen, gerechnet vom Zeitpunkt der behaupteten Verletzung des ORF-G, einzubringen. Soweit nicht eine einzelne Sendung oder das Unterbleiben der Information über ein bestimmtes Ereignis bekämpft, sondern die Beschwerde wegen Verletzung der Verpflichtung des ORF zur Erfüllung bestimmter programmgestalterischer Aufträge erhoben wird und diese sich demnach gegen die Sendungen eines längeren Zeitraums richtet, ist die Frist des § 36 Abs 3 ORF-G insofern von Bedeutung, als die Beschwerde nicht später als sechs Wochen nach Beendigung dieses Zeitraums eingebracht werden darf. Der Beginn dieses Zeitraums wird daher in jenen Fällen durch § 36 Abs 3 ORF-G nicht berührt, in denen nach den Behauptungen des Beschwerdeführers eine fortdauernde und zusammenhängende Verletzung des ORF-G vorliegt. Gibt der Beschwerdeführer den Zeitraum, auf den sich die Beschwerde bezieht, nicht an, so ist er in jedem Einzelfall nach dem Inhalt der Beschwerde abzugrenzen. In diesem Fall wird der Zeitraum durch alle jene Sendungen bestimmt, die eine die Bestimmungen des ORF-G verletzende und den Beschwerdeführer schädigende Information zum Gegenstand hatten oder dazu geeignet waren. Betrifft die Beschwerde nicht ausschließlich die Information über ein bestimmtes Ereignis, so ist das gesamte bis zur Einbringung der Beschwerde in Betracht kommende Programm zu prüfen. Der Beginn des zu prüfenden Zeitraums geht in diesen Fällen aus den vom Beschwerdeführer angeführten Umständen hervor, aus denen sich die Unausgewogenheit des Programms ergibt (vgl dazu ).

17 Im vorliegenden Fall haben die Erstmitbeteiligte und der Zweitmitbeteiligte (wie angesprochen) das Unterlassen der Berichterstattung über das die Anträge des E M abweisende Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom in dem zur Zahl Z geführten medienrechtlichen Entschädigungsverfahren in Beschwerde gezogen. Damit haben diese aber gerade das Unterbleiben der Information über ein bestimmtes Ereignis bekämpft. Es kann somit nicht gesagt werden, dass sich die Beschwerde gegen die Sendungen eines längeren Zeitraums richtet oder dass nach den Behauptungen der Beschwerdeführer eine fortdauernde und zusammenhängende Verletzung des ORF-G vorliegt. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass die beiden Mitbeteiligten in ihrer an das Verwaltungsgericht gerichteten Beschwerde die bisherige Berichterstattung zu dem gegenständlichen Rechtsstreit zwischen E M und den Beschwerdeführern anführten. Diese ist nämlich allenfalls nur geeignet, die Begründetheit des Beschwerdevorbringens darzulegen, aber nicht, den in Beschwerde gezogenen Sachverhalt zu erweitern oder den von der Revisionswerberin zu berücksichtigenden Beobachtungszeitraum, auf den sich der Sachverhalt bezieht, zu erstrecken.

18 Anders als in den Fällen, in denen ein über die sechswöchige Frist des § 36 Abs 3 ORF-G hinausgehender Beobachtungszeitraum zur Beurteilung einer Verletzung des ORF-G erforderlich ist, wie dies etwa im Hinblick auf die Erfüllung programmgestalterischer Aufträge der Fall sein kann, bestehen im Hinblick auf den hier verfahrensgegenständlichen Sachverhalt und die behauptete Verletzung des ORF-G keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Betrachtung über einen längeren Zeitraum hinweg notwendig wäre, um feststellen zu können, ob eine Verletzung des ORF-G vorliegt. In Fällen wie dem vorliegenden können nach § 36 Abs 1 ORF-G nur Sachverhalte in Beschwerde gezogen werden, die innerhalb der in § 36 Abs 3 ORF-G festgelegten Beschwerdefrist von sechs Wochen liegen. Die Feststellung von Verletzungen des ORF-G für vergangene Zeiträume, die außerhalb der Beschwerdefrist liegen, kommt damit im vorliegenden Fall ebenso wenig in Betracht wie eine - auf Grund einer Beschwerde erfolgende - Beurteilung von Zeiträumen nach Beschwerdeerhebung (vgl , Rz 29).

19 Auch in den Fällen, in denen das Unterbleiben der Information über ein bestimmtes Ereignis in Beschwerde gezogen wird, ist der Beginn der Beschwerdefrist des § 36 Abs 3 ORF-G mit dem Zeitpunkt der behaupteten Verletzung dieses Bundesgesetzes anzusetzen. Dabei ist für den vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass der ORF über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen E M wegen des Verdachts auf Bestimmung zur nationalsozialistischen Wiederbetätigung, über die Befassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mit dem Ermittlungsverfahren gegen E M wegen des Verdachts auf Fälschung eines Beweismittels, und über die Einstellung der Ermittlungsverfahren sowohl gegen E M als auch gegen den Zweitmitbeteiligten jeweils noch an den Tagen berichtet hat, an denen diese Ereignisse jeweils stattgefunden haben.

20 Ausgehend davon hätten der Drittbeteiligte bzw die Viertbeteiligte - soweit sich aus dem Objektivitätsgebot und dem Unabhängigkeitsgebot überhaupt eine Pflicht zur Berichterstattung ergibt, was nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist - über das die Anträge des E M abweisende Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom in dem zur Zahl Z geführten medienrechtlichen Entschädigungsverfahren auch noch am selben Tag, spätestens aber am Tag danach, also am , berichten müssen. Daher begann die Beschwerdefrist am zu laufen und endete - sechs Wochen später - am . Die an die Revisionswerberin gerichtete Beschwerde der Erstmitbeteiligten bzw des Zweitmitbeteiligten ist jedoch mit datiert und langte am bei ihr ein. Dementsprechend war sie - wie auch die Revisionswerberin zutreffend entschieden hat - als verspätet zurückzuweisen. Indem das Verwaltungsgericht dieser Rechtslage nicht entsprochen hat, hat es die angefochtenen Erkenntnisse mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

IV. Ergebnis

21 A. Das angefochtene Erkenntnis erweist sich

daher als inhaltlich rechtswidrig.

22 Gemäß § 42 Abs 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in

der Sache selbst entscheiden, wenn sie - wie im vorliegenden Fall -

entscheidungsreif und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt.

23 Dieser Fall liegt hier vor. Der im Revisionsfall festgestellte Sachverhalt (vgl die Feststellungen der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Entscheidungen, wie sie sich oben aus Rz 1 ff ergeben, sowie ferner Rz 20) ist nicht strittig. Ausgehend davon war nach den obigen Rechtsausführungen im Ergebnis der durch den Bescheid der revisionswerbenden Kommunikationsbehörde Austria gegebene Rechtszustand wieder herzustellen, weshalb der Revision Folge zu geben und die angefochtenen Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom dahingehend abzuändern waren, dass die Beschwerden der Erstmitbeteiligten und des Zweitmitbeteiligten an das Verwaltungsgericht abgewiesen werden.

24 B. Soweit sich der Drittmitbeteiligte und die Viertmitbeteiligte (als Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht) in ihrer Revisionsbeantwortung der Revision dahin anschließen, dass sie beantragen, der Revision Folge zu geben, in eventu eine Sachentscheidung nach § 42 Abs 4 VwGG zu treffen, ist festzuhalten, dass die angefochtenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtes dem Drittmitbeteiligten und der Viertmitbeteiligten am zugestellt wurden; der in der Revisionsbeantwortung vom gestellte von den genannten Mitbeteiligten jeweils gestellte Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen - der Sache nach als Revision der genannten mitbeteiligten Parteien zu verstehen - ist daher verspätet, sodass diese Anträge gemäß § 34 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen waren (vgl ).

25 C. Die Revisionswerberin hat als belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht nach § 47 Abs 4 VwGG keinen Anspruch auf Aufwandersatz.

Wien, am