VwGH vom 24.02.2016, Ra 2015/13/0044
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Revision des Dr. A in L, vertreten durch die bpv Hügel Rechtsanwälte OG in 2340 Mödling, Enzersdorferstraße 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7102486/2014, betreffend Säumnisbeschwerde gemäß § 284 BAO (Nachsicht gemäß § 236 BAO), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Revisionsfalles ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2008/13/0012, VwSlg 8603/F, zu verweisen, mit dem die Beschwerde des Revisionswerbers, eines ehemaligen Bankdirektors, gegen einen zwei Abgabenbescheide bestätigenden Berufungsbescheid des unabhängigen Finanzsenates abgewiesen wurde. Die bestätigten Bescheide vom betrafen die vom Revisionswerber für die Jahre 1997 und 1998 zu entrichtende Einkommensteuer und resultierten in der nunmehr verfahrensgegenständlichen Nachforderung von rund EUR 756.000.
Zum Zeitpunkt des genannten Erkenntnisses war in einem auf diese Abgabenforderungen bezogenen, im Oktober 2001 gegen den Revisionswerber eingeleiteten Strafverfahren noch kein erstinstanzliches Urteil ergangen. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde der Revisionswerber der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt, wobei die "Verfahrensverzögerung" zur Halbierung der Strafe führte. Nach Aufhebung dieses Urteils durch den Obersten Gerichtshof wurde er mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom freigesprochen (Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung: "Kein Schuldbeweis"). Im Dezember 2012 erhob der Revisionswerber, der schon seit 2010 auch ein die Verzögerung des Strafverfahrens betreffendes Amtshaftungsverfahren betrieb, wegen behaupteter Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK die zur Zl. 907/13 protokollierte Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Im Jänner 2013 wurde dem schon seit Jahren in England lebenden Revisionswerber im Amtshaftungsverfahren die Verfahrenshilfe bewilligt, wobei das Gericht feststellte, er lebe in einer finanziell sehr angespannten Situation und verfüge weder über ein Einkommen noch über Vermögenswerte. Seine Aufwendungen des täglichen Lebens und die Miete würden durch Zuwendungen von Freunden und Bekannten beglichen.
Mit Schriftsatz vom beantragte der Revisionswerber gemäß § 236 Abs. 1 BAO die Nachsicht der Forderung samt Aussetzungszinsen. Er begründete dies mit sachlicher Unbilligkeit der Einhebung und legte dazu dar, die vom unabhängigen Finanzsenat und in der Folge vom Verwaltungsgerichtshof bestätigten Steuerbescheide seien sowohl unionsrechts- als auch verfassungswidrig.
Im März 2013 wurde der Revisionswerber über Ersuchen der österreichischen Finanzbehörde von der englischen Steuerverwaltung aufgefordert, innerhalb von 28 Tagen eine Summe von insgesamt etwa EUR 994.000 zu begleichen.
Den Antrag auf Nachsicht ließ das Finanzamt zunächst unerledigt, sodass der Revisionswerber mit Schriftsatz vom den ihm nach damaliger Rechtslage offen stehenden Devolutionsantrag einbrachte. Das Verfahren darüber wurde eingestellt, nachdem das Finanzamt den Antrag auf Nachsicht mit Bescheid vom abgewiesen hatte.
Gegen diesen abweisenden Bescheid erhob der Revisionswerber mit Schriftsatz vom nach der bis zum Ende des Jahres 2013 bestehenden Rechtslage Berufung, in der er nun zusätzlich auch "persönliche Unbilligkeit" geltend machte. Er nahm dabei Bezug auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine Existenzgefährdung als Fall einer persönlichen Unbilligkeit der Einhebung nicht vorliege, wenn die finanzielle Situation eines Abgabenschuldners so schlecht sei, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte. Seinem Antrag, so das Vorbringen des Revisionswerbers, stehe dies aus zwei Gründen nicht entgegen: Erstens seien es gerade die Handlungen und Unterlassungen der Finanzbehörde im Zuge der Betreibung der gegenständlichen Abgabenforderung gewesen, die seine existenzgefährdende finanzielle Lage verschuldet hätten, und zweitens würde die Vollstreckung der Abgabenforderung in seinem Fall "dem endgültigen Verlust der beruflichen Zulassung gleichkommen".
Der Berufungsschriftsatz langte vor dem beim Finanzamt ein, blieb aber unbehandelt.
Mit einem an das Bundesfinanzgericht gerichteten Schriftsatz vom ersuchte der Revisionswerber unter Hinweis auf das eingebrachte (nunmehr als Beschwerde zu behandelnde) Rechtsmittel um Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH zu seinem ursprünglichen Vorbringen zur sachlichen Unbilligkeit.
Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt dem Revisionswerber mit, beim Finanzamt sei "bis dato kein Original Ihrer Beschwerde, wie als Beilage von der englischen Behörde übermittelt, eingelangt".
Mit Schreiben vom erbrachte der Revisionswerber den Nachweis des Eingangs des Schriftsatzes beim Finanzamt im Dezember 2013 (bei den Zustellungsbevollmächtigten des Revisionswerbers am eingelangter Rückschein mit Übernahmebestätigung).
Mit E-Mail vom teilte das Finanzamt dem Revisionswerber formlos mit, seine Beschwerde müsse "aufgrund der geänderten Rechtslage mit einer Beschwerdevorentscheidung vorerst erledigt werden". Er möge ein Vermögensverzeichnis vorlegen.
Der Revisionswerber reagierte hierauf mit einem an das Finanzamt gerichteten Schriftsatz vom , in dem er - unter rechtsirrtümlicher Bezugnahme auf im vorliegenden Verfahren nicht anwendbare Bestimmungen des VwGVG - geltend machte, die Entscheidungsbefugnis sei "längst an das BFG übergegangen", "gemäß § 262 Abs. 2 lit a BAO" auf eine Beschwerdevorentscheidung verzichtete und "gemäß § 14 Abs. 2 VwGVG (bzw § 262 Abs 2 lit b BAO)" den Antrag stellte, die Bescheidbeschwerde unverzüglich dem Bundesfinanzgericht vorzulegen.
Mit an das Bundesfinanzgericht gerichtetem Schriftsatz vom erhob der Revisionswerber - unter Hinweis darauf, dass er im vorangegangenen Schriftsatz die Unanwendbarkeit des VwGVG verkannt habe - die mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis erledigte Säumnisbeschwerde gemäß § 284 BAO, in der er geltend machte, die sechsmonatige Entscheidungsfrist zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung sei abgelaufen. Zugleich verwies er auch darauf, dass er sich mit dem Schriftsatz vom "gemäß § 262 Abs 2 lit a BAO nachträglich bereit erklärt" habe, auf eine Beschwerdevorentscheidung zu verzichten, und dies aufrechterhalte. Er ersuche das Bundesfinanzgericht, "die vorliegende Beschwerde nach Einlangen der diesbezüglichen Akten ohne unnötige Verzögerung, jedenfalls aber unter Einhaltung der sechsmonatigen Frist des § 38 VwGG, zu erledigen".
Einen Antrag auf Entscheidung in Senatsbesetzung oder auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung stellte der Revisionswerber auch in dieser Säumnisbeschwerde, die am beim Bundesfinanzgericht einlangte, noch nicht.
Am legte das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht das vom Revisionswerber mit Schriftsatz vom als Berufung eingebrachte Rechtsmittel vor, wobei es zum Sachverhalt u. a. ausführte:
"Im Anhang zur Mitteilung der britischen Abgabenbehörde infolge eines veranlassten Rechtshilfevollstreckungsverfahrens wu(r)de der Abgabenbehörde eine Beschwerde, datiert mit , bekannt. Das Original langte jedoch beim hiesigen Finanzamt nicht ein, jedoch wurde vom Beschwerdeführer ein Aufgabe- bzw Übernahmebeleg vorgelegt. Am wurde ein Vorlageersuchen gem. Art. 267 AEV beim Bundesfinanzgericht eingereicht. Unter Berufung auf § 262 (2) BAO bzw. § 14 Abs. 1 VwGVG erfolgt die Vorlage ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung."
Das Bundesfinanzgericht führte die Säumnisbeschwerde vom vorerst keiner Erledigung zu, trug insbesondere dem Finanzamt nicht auf, die unterbliebene Beschwerdevorentscheidung nachzuholen.
Mit Schriftsatz vom machte der Revisionswerber geltend, das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung habe ihm die Möglichkeit genommen, im Vorlageantrag die Entscheidung in Senatsbesetzung und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu verlangen, weshalb er nun beides in diesem Schriftsatz beantrage. Zugleich wiederholte er das im Schriftsatz vom gestellte Ansuchen um Einholung einer Vorabentscheidung.
Mit Schreiben vom ersuchte das Bundesfinanzgericht den Revisionswerber um Vorlage einer "Auflistung" seiner "(weltweiten) Einkünfte (in welcher Funktion) und nennenswerten Vermögenswerte (ebenfalls weltweit) in den Jahren 1997 bis dato" sowie "entsprechender Beweise (zB Steuerbescheide)".
Hierauf antworteten die nunmehrigen Vertreter des Revisionswerbers mit Schriftsatz vom , in dem sie den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (nicht aber auch den auf Entscheidung in Senatsbesetzung) wiederholten, Vorbringen zur Sache erstatteten und Beweisanträge stellten.
Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Bundesfinanzgericht - durch eine Einzelrichterin sowie ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung und ohne Aufnahme der beantragten Beweise - die Beschwerde des Revisionswerbers vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO als unbegründet ab.
In der Begründung dieser Entscheidung führte es zum Unterbleiben der Beweisaufnahmen aus, "der vom Bf. in seinen Schriftsätzen angeführte Sachverhalt" werde "nicht bestritten".
Die in indirekter Rede gehaltene Wiedergabe dieses Vorbringens lautet im angefochtenen - in der vorliegenden Revision in materieller Hinsicht nur unter den im Rechtsmittelverfahren neu eingeführten Gesichtspunkten "persönlicher Unbilligkeit" bekämpften - Erkenntnis auszugsweise:
"(...) werde ausführlich dargelegt, dass (...)
i. es gerade die Handlungen und Unterlassungen der Finanzbehörde im Zuge der Betreibung der gegenständlichen Abgabenforderung seien, die die existenzgefährdende finanzielle Lage des Abgabenschuldners verschuldet hätten; während
ii. die Vollstreckung der Abgabenforderung für den Abgabenschuldner automatisch dem endgültigen Verlust der beruflichen Zulassung gleichkommen würde, sodass die Erwerbsfähigkeit und die Existenzgrundlage des Bf. dadurch dauerhaft und unverhältnismäßig beeinträchtigt bzw. zerstört wären.
(...)
c) am habe die Steuerfahndung (damals 'PAST') ihre Ermittlungen mit einem Zwischenbericht an das zuständige Finanzamt abgeschlossen.
d) Am habe der Bf. einen Einstellungsantrag beim LGS Wien eingebracht (...) und gleichzeitig auf die beruflichen Konsequenzen hingewiesen, die das anhängige Strafverfahren für ihn gehabt habe.
(...)
e) Am habe das Finanzamt die gegenständlichen Abgabenbescheide erlassen. Jedoch habe es die ermittelnde Finanzbehörde zu diesem Zeitpunkt unterlassen, beim Strafgericht Schlussanzeige zu erstatten.
f) In der Folge habe das LGS Wien den Schlussbericht nahezu halbjährlich bei der ermittelnden Finanzbehörde urgiert (...) Nach der Berufungsentscheidung des UFS habe das Gericht am die Erstellung des Schlussberichtes innerhalb von vier Wochen gefordert, aber auch dieser Aufforderung sei nicht Folge geleistet worden. Im Gegenteil, habe die ermittelnde Finanzbehörde nunmehr in Absprache mit der Staatsanwaltschaft beabsichtigt, mit der Legung der Schlussanzeige zu warten, bis das entsprechende VwGH Erkenntnis vorgelegen sei.
g) Darauf habe der Bf. am gemäß § 108 StPO einen zweiten Einstellungsantrag beim LGS Wien eingebracht. In dem diesbezüglichen ablehnenden Beschluss vom habe das OLG Wien festgestellt, dass in dieser Causa behördliche Säumnisse vorgelegen seien, die zu einer unvertretbaren Verfahrensverzögerung (...) geführt hätten, und die unverzügliche Abfassung der Schlussanzeige veranlasst.
h) Als die Finanzbehörde auch diesen gerichtlichen Auftrag negiert habe, habe der Bf. am ein Aufforderungsschreiben an die Finanzprokuratur gerichtet. Innerhalb der Dreimonatsfrist des § 8 Abs. 1 AHG seien nun plötzlich (...) der Schlussbericht der Finanzbehörde (, allerdings gänzlich ohne Beweismittel) und die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft () vorgelegen.
(...)
sei es seit spätestens 1996 eindeutig rechtswidrig, in finanzstrafrechtlichen Ermittlungen mit der Legung der Schlussanzeige zu warten, bis die Abgabenbescheide Rechtskraft erlangt hätten, da durch eine solche Prozesssperre die fristgerechte Prüfung der subjektiven Tatseite durch das Strafgericht verhindert und so der Verdacht einer vorsätzlichen Abgabenhinterziehung künstlich (dh ohne triftigen Grund aufrecht erhalten werde: 'Die Rechtskraft der Abgabenbescheide ist seit der Aufhebung des § 55 FinStrG durch BGBl. 1996/421 nicht Voraussetzung für die Urteilsfällung in einer Finanzstrafsache' ().
(...)
Mittlerweile habe der zehn Jahre dauernde Kampf, zu seinem Recht zu kommen, die finanziellen Reserven des Bf. vollständig aufgezehrt. Demzufolge habe er sich am gezwungen gesehen, beim LGZRS Wien Verfahrenshilfe zu beantragen. in diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass § 5 Abs. 1 Z 7 BWG für die berufliche Zulassung einer Schlüsselkraft eines Kreditinstitutes nicht nur Anforderungen an die notwendige persönliche Zuverlässigkeit stelle, sondern auch das Vorliegen von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen verlange. Aus dem zum Verfahrenshilfeantrag gehörigen Vermögensbekenntnis gehe hervor, dass - abgesehen von der österreichischen Abgabenschuld - keine weiteren namhaften Verbindlichkeiten existieren würden, sodass der Bf. diese Anforderungen erfüllen könnte, falls dem gegenständlichen Nachsichtsantrag stattgegeben würde. Andererseits könne nicht ausgeschlossen werden, dass über das Vermögen des Bf. der Konkurs eröffnet werden müsste, sollte die englische Steuerverwaltung dazu übergehen, die österreichische Abgabenforderung zu vollstrecken. Damit wäre dann (...) die Erwerbsfähigkeit des Bf. somit endgültig beeinträchtigt und seine Existenzgrundlage dauerhaft zerstört.
(...)
Hätte die Finanzbehörde den Schlussbericht ordnungsgemäß gelegt, dann wäre der Freispruch des Bf. fristgerecht erfolgt, der entsprechende Verdienstentgang somit nicht eingetreten und der Steuerpflichtige zur Abdeckung der später rechtskräftig festgesetzten Abgabenschuld demzufolge mühelos im Stande gewesen.
(...)
Bis zum habe das anhängige Strafverfahren dadurch als Druckmittel zur Betreibung der vermeintlichen Abgabenforderung eingesetzt werden können, dass dem Bf. im Gegenzug für eine Anerkennung dieser Steuerschuld eine exkulpierende Schlussanzeige in Aussicht gestellt worden sei. Jedenfalls habe die Finanzbehörde im vorliegenden Fall unmittelbar nach dem Aufforderungsschreiben an die Finanzprokuratur vom einen inkriminierenden Schlussbericht (ohne Vorlage von Beweisen) erstellt, in der Hoffnung, so die strafrechtliche Verurteilung des Beschuldigten zu bewirken und eventuelle Regressansprüche in einem allfälligen Organhaftungsverfahren abwenden zu können.
(...)
Im vorliegenden Fall habe die Finanzbehörde (...) die entsprechende Forderung (...) mithilfe einer rechtswidrigen Prozesssperre betrieben. Dieses Fehlverhalten habe die berufliche Zulassung des betroffenen Steuerpflichtigen auf unverhältnismäßige Weise geschädigt, ihm seine Erwerbsfähigkeit geraubt und seine Existenzgrundlage entzogen, sodass es mehr als billig erscheine, iSd § 236 BAO nun auf die Einhebung der betreffenden Abgabenforderung zu verzichten.
(...)
Die damalige Rechtsvertretung des Bf. habe die Finanzstrafbehörde erster Instanz in ihren Schreiben vom und auf die beruflichen Konsequenzen des Strafverfahrens für ihn hingewiesen und sie deswegen ersucht, die Rechtssache möglichst rasch zu bearbeiten. Die Finanzstrafbehörde erster Instanz habe dem Gericht zwar im Jahr 2003 den Abschluss der Ermittlungen gemeldet, den Schlussbericht dem Gericht aber erst im Juni 2010 vorgelegt. Damit habe die Finanzstrafbehörde erster Instanz eine jahrelange Verschleppung des Strafverfahrens bewirkt.
(...)
Die Finanzstrafbehörde erster Instanz habe das Ermittlungsverfahren als Druckmittel verwendet, um eine vermeintliche Steuerforderung einzutreiben. Nach der dem Bf. bekannt gewordenen Verwaltungspraxis weigere sich nämlich die Finanzbehörde, einen den Verdacht verneinenden Schlussbericht an das Strafgericht zu übermitteln, solange der Steuerpflichtige nicht ein Fahrlässigkeitsgeständnis abgelegt und seine vermeintliche Steuerschuld (wenigstens teilweise) beglichen habe. In Anbetracht der weitreichenden beruflichen Konsequenzen, die für den Bf. auf Grund seiner Tätigkeit als Bankvorstand verbunden gewesen seien, sei nicht auszuschließen gewesen, dass er diesem Druck nachgeben würde.
Erst am habe die Finanzstrafbehörde erster Instanz der Staatsanwaltschaft endlich den Schlussbericht vorgelegt. Unverständlicherweise habe sie es aber unterlassen, dem Schlussbericht auch die entsprechenden Urkunden beizulegen, die sie im Zuge ihrer Ermittlungen sichergestellt habe. Dies mit dem Hinweis, dass dem Strafgericht 'auf Grund der Umstände des Falles (insbesondere die nach wie vor anhängige VwGH-Beschwerde) keinerlei Beweisurkunden vorgelegt werden' könnten (...).
Diese Erklärung sei unrichtig gewesen, zumindest aber irreführend (...)
Als Ergebnis seien dem Landesgericht für Strafsachen Wien alle wesentlichen Beweisurkunden zumindest bis Mai 2012 vorenthalten worden (...) Dadurch sei eine eigenständige gerichtliche Beweiswürdigung (bzw. die Einstellung des Strafverfahrens) verhindert worden (...)
Zusammengefasst zeige sich, dass das Verhalten der Finanzbehörde den strafgerichtlichen Entscheidungsprozess maßgeblich beeinträchtigt und eine frühere Einstellung des Strafverfahrens verhindert habe.
(...)
Nachdem sämtliche Beweisurkunden beigeschafft worden seien, sei der Bf. schließlich im zweiten Rechtsgang am vom Landesgericht Wien rechtskräftig freigesprochen worden.
4.5. Berufliche Konsequenzen für den Bf.
Das über elf Jahre anhängige Strafverfahren habe für den Bf. im genannten Zeitraum jegliche Berufstätigkeit, die seiner Qualifikation entspreche, unmöglich gemacht.
Der Bf. sei bis zur Einleitung des Strafverfahrens am uneingeschränkt befähigt gewesen, die Geschäfte eines Kreditinstitutes zu leiten. Er sei auch von der Wiener Börse bevollmächtigt gewesen. Damals wäre einer Bestellung zum Vorstandsmitglied eines anderen Kreditinstitutes also nichts im Wege gestanden.
Dies habe sich aber schlagartig mit der Einleitung des Strafverfahrens Ende 2001 geändert.
(Wird ausführlich dargestellt.)
Das eingeleitete Strafverfahren habe (...) nicht nur die Zulassung des Bf. als Bankenvorstand verhindert, sondern habe ihn vielmehr generell von jeder beruflichen Führungstätigkeit im Finanzsektor ausgeschlossen.
Die Auswirkungen des eingeleiteten Strafverfahrens würden sogar über den Finanzsektor hinausreichen (...)
Schließlich würden sich all diese Nachteile nicht nur auf Österreich beschränken (...)
Wie bereits erwähnt sei es dem Bf. auf Grund des unzumutbar lange andauernden Ermittlungsverfahrens für die Dauer von elf Jahren (...) nicht möglich gewesen, seinen erlernten und jahrelang praktizierten Beruf als Bankdirektor auszuüben (...)
Auf Grund des Berufsverbots seien mehrere Bemühungen des Bf., einen seinen Qualifikationen entsprechenden Beruf auszuüben, verhindert worden:
(Wird ausführlich dargestellt.)
Auf Grund der langen Dauer des Strafverfahrens und des in diesem Zeitraum faktisch bestehenden Berufsverbots könne der Bf. selbst nach dem Freispruch durch das LG Wien vom keine angemessene Tätigkeit mehr finden: Das Bankenwesen fordere nämlich eine kontinuierliche Tätigkeit, um mit der Entwicklung des Sektors mithalten zu können und beruflich präsent zu bleiben. Die Erfahrung zeige, dass ein Bankenvorstand mit fast 50 Jahren, nach einer zehnjährigen Abwesenheit vom Markt und mit einem derart belasteten Ruf nicht mehr zu platzieren sei. (...)
5. Persönliche Unbilligkeit
(...)
Die rechtserhebliche Tatsache einer Unbilligkeit sei nach dem VwGH dann als gegeben anzunehmen, wenn das Verhalten der Behörde ursächlich für die Entstehung der Unbilligkeit gewesen sei (vgl. 865/74 und 500/74). Anders ausgedrückt nach Stoll: 'Darüber hinaus können die Gründe für Unbilligkeiten in der Einhebung auch solche sein, die in den unmittelbar vorhergehenden Stufen des Erhebungsverfahrens ihre Wurzeln haben. Dies ist vor allem dann gegeben, wenn verfahrensbedingt aus nicht vom Abgabepflichtigen zu verantwortenden Gründen zu dieser Wurzel der Unbilligkeit nicht (nicht mehr) wirksam (diese Gründe beseitigend) vorgestoßen werden kann.' (Stoll, BAO, 1994, Seite 2422). Auch habe der VwGH () in einem Fall, in dem es durch den mit der Justizverwaltung ausgetragenen Gebührenkonflikt bei einem Gutachter zum Entfall von Gutachtensaufträgen gekommen sei und somit der Gutachter in massive wirtschaftliche Existenznot gebracht worden sei, Folgendes ausgeführt: 'Dass der Bf. infolge des Gebührenstreits und seiner Erkrankung keine Aufträge mehr erhalten hat und gezwungen war, seinen Betrieb einzustellen, könnte allenfalls eine persönliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung begründen.'
Eine persönliche Unbilligkeit werde erst recht anzunehmen sein, wenn die Wurzel der Unbilligkeit, wie im vorliegenden Fall, gerade im Verschulden der Abgabenbehörde liege. Wie aus den Punkten 4.4. und 4.5. ersichtlich, habe das in Österreich über elf Jahre anhängige und mit einem Freispruch abgeschlossene Strafverfahren dem Bf. dessen Existenzgrundlage entzogen. Während der Dauer des Finanzstrafverfahrens habe der Bf. seinen Beruf nicht ausüben können, was bei ihm die Existenzgefährdung verursacht habe.
Das laufende Strafverfahren habe nicht nur die Zulassung des Bf. als Bankenvorstand verhindert (...) Die Erfahrung zeige, dass ein Bankenvorstand mit fast 50 Jahren, nach einer zehnjährigen Abwesenheit vom Markt und mit einem derart belasteten Ruf nicht mehr zu platzieren sei.
Zusammengefasst habe das in Österreich über elf Jahre anhängige Strafverfahren die berufliche Tätigkeit des Bf. verhindert. Die über die Jahre aufgelaufenen Verfahrenskosten hätten die finanziellen Reserven des Bf. mittlerweile zur Gänze erschöpft. Es sei daher nicht auszuschließen, dass die österreichische Steuerforderung den Bf. in den Konkurs treiben werde. Damit wäre aber das Berufsverbot endgültig, weil es sich bei der Konkurseröffnung eindeutig um einen Ausschließungsgrund für die berufliche Zulassung handle (§ 5 Abs. 1 lit. 6 BWG bzw. § 13 Abs. 3 GewO).
Die Gründe für die persönliche Unbilligkeit durch Existenzgefährdung würden somit in der Länge des Finanzstrafverfahrens liegen, welches das zuständige Finanzamt als Finanzstrafbehörde erster Instanz zu verantworten habe.
Nach einheitlicher Judikatur der österreichischen Höchstgerichte sei die zivilrechtliche Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes (§ 9 StPO bzw. § 57 Abs. 6 FinStrG) unzulässig, wenn der Geschädigtem im betreffenden Strafverfahren verurteilt werde: (...) Deswegen hätten die ermittelnden Finanz- und Anklagebehörden nach dem Aufforderungsschreiben des Bf. an die Finanzprokuratur vom , worin die zivilrechtlichen Ersatzansprüche wegen der vorliegenden Konventionsverletzungen angemeldet worden seien, alles darangesetzt, mit allen nur denkbaren Mitteln die strafgerichtliche Verurteilung des Bf. zu bewirken.
Dies habe in der Folge dazu geführt, dass die im Dienste der Strafrechtspflege ermittelnde Finanzbehörde der Justiz am einen Schlussbericht ohne Beweisurkunden übermittelt habe. Eine solche Vorgangsweise könnte jedoch nach der Rechtsprechung des OGH den Tatbestand des Amtsmissbrauches iSd § 302 StGB erfüllen: (...)
(...) komme erschwerend dazu, dass das allfällig (eventuell) strafrechtlich relevante Verhalten der Finanzbehörde im gegenständlichen Ermittlungsverfahren nach Ansicht des Bf. nicht nur die Errichtung einer rechtswidrigen Prozesssperre umfasse, sondern dass diese von einer amtsmissbräuchlichen Urkundenunterdrückung gefolgt und begleitet worden sei (...)
(...)
Im Übrigen sei der Beweis dafür, dass die alleinige Ursache der momentanen Existenzlage des Bf. im Fehlverhalten der Finanzbehörde bei den strafgerichtlichen Erhebungen wurzle, bereits in den Beilagen zur Berufungsschrift enthalten (...)"
Auf der Grundlage dieses vom Bundesfinanzgericht als Begründung für das Unterbleiben von Beweisaufnahmen (Seite 65 des angefochtenen Erkenntnisses) "nicht bestrittenen" Vorbringens beurteilte es die Frage der "persönlichen Unbilligkeit" der Einhebung der Abgaben im angefochtenen Erkenntnis wie folgt:
"Eine persönliche Unbilligkeit liegt im Besonderen dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdet, wobei es allerdings nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, besonderer finanzieller Schwierigkeiten oder Notlagen bedarf, sondern es genügt, wenn etwa die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme ().
Dazu führte der Bf. im Verfahrenshilfeantrag vom , der inhaltlich nach seinen Angaben auch weiterhin zutreffe, an, über keinerlei Einkommen und Vermögen zu verfügen. Im dazu ergangenen Bewilligungsbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , 33 Cg 23/10, wurde Folgendes festgestellt:
'Der Kläger lebt derzeit in einer finanziell sehr angespannten Situation. Er hat kein Einkommen, bewohnt eine Mietwohnung und bezahlt dafür Euro 220,00. Er hat keine Vermögenswerte. Die Aufwendungen des täglichen Lebens wie auch der Miete werden durch Zuwendungen von Freunden und Bekannten beglichen. Der Kläger hat Steuerschulden in der Höhe von rund Euro 757.000,00.'
Diese gerichtlich getroffenen Feststellungen, die der Verantwortung des Bf. entsprechen, werden der Entscheidung zu Grunde gelegt.
Eine Unbilligkeit ist nach der Judikatur jedoch dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte ().
Da es infolge der Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden zu keiner Auswirkung der Abgabeneinhebung auf die Einkommens- und Vermögenslage des Nachsichtswerbers kommen kann, liegt keine Unbilligkeit der Einhebung im Sinne des § 236 BAO vor ().
Aus dem Vorbringen des Bf., dass nach der Judikatur des VwGH die rechtserhebliche Tatsache einer Unbilligkeit dann als gegeben anzunehmen sei, wenn das Verhalten der Behörde ursächlich für die Entstehung der Unbilligkeit gewesen sei, lässt sich nichts gewinnen, da aus den angeführten Erkenntnissen vom , 865/74, und vom , 500/74, lediglich hervorgeht, dass ein Verhalten der Behörde, das zu einer erhöhten Abgabenvorschreibung geführt hat, eine Unbilligkeit darstellen kann.
Auch geht der Hinweis auf das VwGH-Erkenntnis vom , 2006/15/0259, ins Leere, weil der Ausspruch des VwGH, dass der Umstand, dass der dortige Bf. 'infolge eines Gebührenstreits und seiner Erkrankung keine Aufträge mehr erhalten hat und gezwungen war, seinen Betrieb einzustellen, allenfalls eine persönliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung begründen könnte', aus dem Zusammenhang gegriffen ist und damit ergänzt werden muss, dass 'das Ausbleiben von Betriebseinnahmen allenfalls zu einer persönlichen Unbilligkeit der Abgabeneinhebung infolge wirtschaftlicher Notlage hätte führen können. Die Bestimmung des § 236 BAO bietet hingegen keine Handhabe dafür, den Abgabepflichtigen Schäden auszugleichen, die ihm im Rahmen seiner betrieblichen Tätigkeit zugefügt wurden oder die auf Gesetzesbestimmungen zurückzuführen sind, welche mit der Abgabenerhebung selbst in keinem Zusammenhang stehen.'
Unzweifelhaft ist im gegenständlichen Fall aber genau das Gegenteil der Fall, da durch das lange Strafverfahren der Bf. eben keine Einnahmen lukrieren konnte, die versteuert hätten werden können.
Anderes lässt sich auch aus dem zitierten Kommentar von Stoll, BAO, 1994, Seite 2422, nicht ableiten.
Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Ist die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu verneinen, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum (; sowie Stoll, BAO, 583)."
Eine Revision gegen diese Entscheidung erklärte das Bundesfinanzgericht mit folgender Begründung für nicht zulässig:
"Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig."
Mit Beschluss vom , E 1774/2014-9, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Mit Schriftsatz vom erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.
Das Finanzamt tritt den Ausführungen in der Revision zu deren Zulässigkeit in der Revisionsbeantwortung nicht entgegen. Es beantragt die Abweisung der Revision als unbegründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Revision ist schon im Hinblick auf die dazu ins Treffen geführten Fragen des am in Kraft getretenen Verfahrensrechtes zulässig. Sie ist in diesen Punkten allerdings nicht berechtigt.
Geltend gemacht wird - unter zutreffendem Hinweis auf § 323 Abs. 42 BAO (keine Berufungsvorlage vor dem ) - die Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes mangels Herbeiführung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 BAO durch das Finanzamt. Hiezu wird u.a. dargelegt, der mit Schreiben vom vom Revisionswerber erklärte Verzicht auf eine Beschwerdevorentscheidung sei nicht wirksam gewesen, weil ein solcher Verzicht nur im Rechtsmittel und nicht in einem nachträglichen Schriftsatz erfolgen könne. In Erledigung der Säumnisbeschwerde vom wäre das Bundesfinanzgericht daher verpflichtet gewesen, das Finanzamt zur Nachholung einer Beschwerdevorentscheidung "innerhalb einer Frist bis zu drei Monaten" aufzufordern. Da eine solche "Fristsetzung" unterblieben sei, sei es nicht zum Übergang der Zuständigkeit zur Erledigung des Rechtsmittels vom auf das Bundesfinanzgericht gekommen.
Eine Säumnisbeschwerde gemäß § 284 Abs. 1 BAO in der hier maßgeblichen Fassung des FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, kann u. a. dann erhoben werden, wenn das Finanzamt seiner gesetzlichen Pflicht zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung nicht binnen sechs Monaten ab Einbringung einer Beschwerde nachgekommen ist (vgl. in diesem Sinn Ellinger/Sutter/Urtz , BAO3 § 284 Anm 7). Gemäß § 284 Abs. 2 BAO hat das Verwaltungsgericht der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden. Gemäß § 284 Abs. 3 BAO geht die Zuständigkeit zur Entscheidung erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.
Die Erteilung eines Auftrages gemäß § 284 Abs. 2 BAO hat zwingend zu erfolgen und liegt nicht im Ermessen des Verwaltungsgerichts. Da für den Beginn der Frist des § 284 Abs. 2 BAO der Zeitpunkt des Einlangens der Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgericht maßgeblich ist, hat dieses dafür Vorsorge zu treffen, dass die Auftragserteilung zeitgerecht, somit so rasch als möglich, erfolgt. Unterbleibt trotz bestehender Verpflichtung die Auftragserteilung, so geht dennoch nach Ablauf der Frist die Entscheidungszuständigkeit gemäß § 284 Abs. 3 BAO auf das Verwaltungsgericht über (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz , a.a.O., Anm 15 und 17; einen Fristenlauf schon vor Auftragserteilung impliziert auch die in § 285 Abs. 2 BAO vorgesehene Hemmung der Frist durch einen Mängelbehebungsauftrag).
Letzteres steht dem in der Revision vertretenen Standpunkt, bei Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses sei die Zuständigkeit zur Erledigung des Rechtsmittels noch nicht auf das Bundesfinanzgericht übergegangen gewesen, entgegen, sodass der darauf gestützte Einwand der Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes nicht berechtigt ist.
Der Revisionswerber macht auch geltend, das Bundesfinanzgericht hätte in Senatsbesetzung entscheiden müssen, weil er dies in seinem Schriftsatz vom beantragt habe. Das Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung habe ihm die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit genommen, im Vorlageantrag einen solchen Antrag zu stellen, weshalb der stattdessen im Schriftsatz vom gestellte Antrag nicht verspätet gewesen sei.
Die Entscheidung über eine Beschwerde obliegt gemäß § 272 Abs. 2 BAO u.a. dann dem Senat, wenn dies in der Beschwerde oder im Vorlageantrag beantragt wird. Gemäß § 323 Abs. 37 BAO gehört diese Vorschrift zu denen, die auch auf alle am unerledigten Berufungen anzuwenden sind. Den ihm schon nach damaliger Rechtslage (§ 282 Abs. 1 Z 1 BAO i.d.F. vor dem FVwGG 2012) zustehenden Antrag auf Entscheidung in Senatsbesetzung hatte der Revisionswerber in der Berufung nicht gestellt, zu einem Vorlageantrag kam es in der Folge nicht. Das in der Revision ins Treffen geführte Argument, durch das rechtswidrige Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung sei dem Revisionswerber die Möglichkeit zur entsprechenden Antragstellung im Vorlageantrag genommen worden, steht in einem Spannungsverhältnis zu der von ihm in der Säumnisbeschwerde erhobenen Behauptung, er habe bei Einbringung der Berufung mit deren Vorlage noch vor dem (und somit ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung oder Eintritt einer Verpflichtung dazu) gerechnet und davon ausgehend auch den Schriftsatz vom schon an das Bundesfinanzgericht gerichtet, und es widerspricht auch dem im Schriftsatz vom gestellten und in der Säumnisbeschwerde aufrechterhaltenen Verzicht auf eine Beschwerdevorentscheidung, auf dessen Unwirksamkeit sich die Revision nun stützt. Unterbleibt die gesetzlich vorgesehene Beschwerdevorentscheidung und wird deshalb Säumnisbeschwerde erhoben, so geschieht auch dies in der Regel noch in der Erwartung, dass es zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung kommen wird. Im vorliegenden Fall kann davon, dass in diesem Sinn darauf vertraut worden sei, es werde auch nach Erhebung der Säumnisbeschwerde noch Gelegenheit dazu bestehen, in einem Vorlageantrag die Entscheidung in Senatsbesetzung zu beantragen, aber nicht die Rede sein, weshalb der diesbezüglichen Argumentation des Revisionswerbers schon im Ansatz nicht zu folgen ist. Auf die Frage, ob sich aus einer durch die Nichteinhaltung von Verfahrensvorschriften durch Abgabenbehörde und Verwaltungsgericht bewirkten Enttäuschung eines solchen Vertrauens im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehene Antragsmöglichkeiten ergeben könnten, muss daher nicht eingegangen werden.
Die Revision ist jedoch aus anderen Gründen berechtigt.
Fällige Abgabenschulden können gemäß § 236 Abs. 1 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Die dazu ergangene Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005 konkretisiert das Erfordernis der Unbilligkeit wie folgt (§ 3 in der durch BGBl. II Nr. 449/2013 modifizierten Fassung):
"§ 1. Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein.
§ 2. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung
1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;
2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.
§ 3. Eine sachliche Unbilligkeit liegt bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches
1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die
a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde geäußert oder
b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung oder im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
3. zu einer internationalen Doppelbesteuerung führt, deren Beseitigung ungeachtet einer Einigung in einem Verständigungsverfahren die Verjährung oder das Fehlen eines Verfahrenstitels entgegensteht."
Die in den §§ 2 und 3 der Verordnung aufgezählten Fälle schließen Fälle anderer Art nicht aus ("insbesondere"). Es ist aber auch § 1 der Verordnung nicht dahingehend auszulegen, dass ein Sachverhalt mit Merkmalen sowohl der sachlichen als auch der persönlichen Unbilligkeit die in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilende Voraussetzung der Unbilligkeit im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO nur erfüllt, wenn eine dieser Komponenten auch für sich allein genommen dafür ausreichen würde. Die Beurteilung erfordert in solchen Fällen eine Gesamtschau.
Im vorliegenden Fall hat der Revisionswerber im Antrag auf Nachsicht vom Februar 2013 sachliche Unbilligkeit der Einhebung wegen Unionsrechts- und Verfassungswidrigkeit der Abgabenbescheide geltend gemacht und dazu auch in den Schriftsätzen vom 14. Juli und vom noch umfangreiches Vorbringen erstattet. Auf diese Nachsichtsgründe stützt sich die Revision, wie sowohl dem Revisionspunkt ("Ablehnung der Gewährung der Nachsicht nach § 236 BAO aufgrund der persönlichen Unbilligkeit") als auch der Bezugnahme auf die ursprünglich geltend gemachten Gründe (Seite 25 der Revision: "nicht im Rahmen der vorliegenden außerordentlichen Revision") zu entnehmen ist, nicht.
Das - oben auszugsweise wiedergegebene - Vorbringen zu den im Rechtsmittelverfahren zusätzlich geltend gemachten Nachsichtsgründen, auf die sich die Revision bezieht, betrifft trotz seiner Zusammenfassung unter dem Begriff der "persönlichen Unbilligkeit" auch Fragen der sachlichen Unbilligkeit. Der rein persönlichen Unbilligkeit ist der Gesichtspunkt zuzuordnen, dass der Revisionswerber nicht über die Mittel zur Begleichung der Abgaben verfügt und Maßnahmen zu ihrer Hereinbringung, wie er dazu geltend macht, für ihn "dem endgültigen Verlust der beruflichen Zulassung gleichkommen" würden. Mit der im Berufungsschriftsatz vorangestellten Behauptung, "gerade die Handlungen und Unterlassungen der Finanzbehörde im Zuge der Betreibung der gegenständlichen Abgabenforderung" hätten die existenzgefährdende finanzielle Lage des Revisionswerbers verschuldet, kommt jedoch ein (von den ursprünglich geltend gemachten Nachsichtsgründen verschiedener) Gesichtspunkt der sachlichen Unbilligkeit ins Spiel.
Dies findet auch darin Ausdruck, dass sich der Revisionswerber, wie oben wiedergegeben, in diesem Zusammenhang auf Entscheidungen (Erkenntnisse vom , 500/74, ÖStZB 1975, 41, und vom , 865/74, ÖStZB 1975, 40) sowie auf Ausführungen von Stoll (BAO-Kommentar (1994), 2422) beruft, die die sachliche Unbilligkeit betreffen. Die Ausführungen von Stoll handeln von "Verfahrensfolgen", die "objektiv schuldrechtliche Positionen verursachen, die mit dem Attribut der sachlichen Unbilligkeit behaftet sind" (a.a.O., 2421) und erwähnen Fallkonstellationen, auf die sich nun § 3 der zuvor zitierten Verordnung bezieht. "Verfahrensmäßige Besonderheiten" des Zustandekommens "und der Durchsetzung" des Abgabenanspruches führt Stoll auch an anderer Stelle als mögliche Gründe einer "sachlichen" Unbilligkeit der Einhebung an (a.a.O., 2430).
In Bezug auf die rein persönliche Unbilligkeit im Sinne des § 2 Z 1 der Verordnung (Gefährdung der Existenz) hält das Bundesfinanzgericht dem Revisionswerber die von ihm selbst schon bei der Geltendmachung dieser Gründe erwähnte Judikatur entgegen, wonach eine solche Unbilligkeit nicht gegeben sei, wenn die beantragte Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte. Es trifft - anders als vom Bundesfinanzgericht angenommen - aber nicht zu, dass es in diesem Zusammenhang und angesichts des dazu hier erstatteten Vorbringens genügt, auf die Bewilligung der Verfahrenshilfe und die aktuelle Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung zu verweisen.
Der Gesichtspunkt eines nicht erwartbaren Sanierungseffektes wurde in der älteren Praxis im Rahmen der Ermessensübung berücksichtigt (vgl. in diesem Sinn etwa auch noch die Erkenntnisse vom , 89/15/0100, und vom , 87/13/0094), in dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 89/14/0196, ÖStZB 1990, 238, aber zur Verneinung des in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilenden Vorliegens der Unbilligkeit herangezogen (vgl. Stoll , a.a.O., 2436). Schon in diesem Erkenntnis, an das die seither ständige Rechtsprechung zu diesem Thema anknüpft (vgl. vor allem das in der Folge oft zitierte Erkenntnis vom , 95/15/0053), wurde aber ausdrücklich hervorgehoben, dass im damals gegebenen Fall einer Mehrheit von Gläubigern das Fehlen einer realistischen Hoffnung auf einen Ausgleich ausschlaggebend war und die Nachsicht nur den anderen Gläubigern zugutegekommen wäre (vgl. ähnlich aus neuerer Zeit etwa auch das Erkenntnis vom , 2008/15/0010, VwSlg 8655/F). Auf einen Fall wie den vorliegenden, in dem vorgebracht wird, es gebe abgesehen von der antragsgegenständlichen Abgabenschuld "keine weiteren namhaften Verbindlichkeiten", ist dies von vornherein schwer übertragbar.
Das Bundesfinanzgericht hat aber auch verkannt, dass der Revisionswerber in Bezug auf diese Rechtsprechung damit argumentiert hatte, Maßnahmen zur Hereinbringung der Forderung würden für ihn "dem endgültigen Verlust der beruflichen Zulassung gleichkommen". Das oben auszugsweise wiedergegebene Vorbringen enthielt dazu Einzelheiten über die Voraussetzungen einer Tätigkeit im beruflichen Umfeld des Revisionswerbers, wobei neben dem Strafverfahren, das sich seiner Berufstätigkeit jahrelang entgegenstellte, auch auf das Erfordernis von "geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen" und auf die Schädlichkeit einer Konkurseröffnung für eine Wiederaufnahme der Berufstätigkeit hingewiesen wurde. Wenn der Revisionswerber an anderer Stelle seine nunmehrige Vermittelbarkeit für eine seiner früheren Qualifikation entsprechende Tätigkeit mit Rücksicht auf die Folgen des in die Länge gezogenen Strafverfahrens in Zweifel zog, so war dem Argument, Versuche zur Einhebung der Abgabenforderung würden zu einer (weiteren) Beeinträchtigung seiner Erwerbsfähigkeit führen, damit noch nicht jede Berechtigung genommen.
Die dem Verweis auf die Uneinbringlichkeit folgenden Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes betreffen den Aspekt des revisionsgegenständlichen Vorbringens, der der sachlichen Unbilligkeit zuzuordnen ist. Das Bundesfinanzgericht führt ins Treffen, das kritisierte Verhalten der Finanzbehörde habe anders als in den Fällen der Erkenntnisse vom und vom nicht zu einer zu hohen Abgabenvorschreibung geführt, und es hält dem Revisionswerber auch aus dem Erkenntnis vom , 2006/15/0259, Aussagen entgegen, die die sachliche Unbilligkeit betreffen. Der Revisionswerber verfolgte im vorliegenden Verfahren aber nicht das Ziel, "Schäden auszugleichen, die ihm im Rahmen seiner betrieblichen Tätigkeit zugefügt wurden oder die auf Gesetzesbestimmungen zurückzuführen sind, welche mit der Abgabenerhebung selbst in keinem Zusammenhang stehen". Er machte geltend, die Finanzbehörde habe zu dem Zweck, auf ihn Druck auszuüben, damit er die jetzt vom Nachsichtsbegehren betroffenen Abgaben entrichte, das wegen deren Nichtentrichtung in Gang gekommene Strafverfahren in rechtswidriger Weise blockiert, ihn damit während der unvertretbar langen Dauer dieses Verfahrens und darüber hinaus finanziell und beruflich ruiniert und ihn so außerstande gesetzt, die Abgaben nunmehr zu entrichten, wozu er andernfalls "mühelos im Stande gewesen" wäre.
Diese Behauptungen werden im angefochtenen Erkenntnis "nicht bestritten". Geht man von ihnen aus, so liegen im Sinne der zuvor zitierten Kommentarmeinung ( Stoll , a.a.O., 2430) "Besonderheiten" in der "Durchsetzung des Abgabenanspruches" vor, die eine Nachsicht nahelegen könnten. Kann es unter dem Gesichtspunkt der persönlichen Unbilligkeit ausreichen, wenn Vermögensgegenstände verschleudert werden müssten (§ 2 Z 2 der zitierten Verordnung), so muss es unter dem Gesichtspunkt der sachlichen Unbilligkeit auch beachtlich sein, wenn die Finanzbehörde ohne rechtlichen Grund ein der Betreibung der Forderungen dienendes Verhalten gesetzt haben sollte, das den Abgabepflichtigen mit schwerwiegenden, in den Abgabenvorschriften nicht vorgesehenen Nachteilen belastete.
In Bezug auf beide Aspekte des revisionsgegenständlichen Vorbringens - die dabei nicht isoliert, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen waren - hat das Bundesfinanzgericht somit rechtlich wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am