VwGH 26.07.2017, Ra 2015/13/0038
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und den Hofrat Dr. Nowakowski sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des N, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in W, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7103135/2013, betreffend Umsatzsteuer 1993 bis 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 240,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Gesellschaftsvertrag vom schlossen sich der Revisionswerber und Dr. G, zwei Steuerberater, zur G OHG zusammen. Am wurde die G OHG in die G KG umgewandelt. Der Revisionswerber war Komplementär, Dr. G Kommanditist der G KG. Als Prokurist war Dr. M tätig. Die G KG ist infolge der Übertragung des Betriebs an den Revisionswerber seit im Firmenbuch gelöscht.
2 Das angefochtene Erkenntnis erging im fortgesetzten Verfahren nach dem - zuletzt - aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2012/15/0019. In diesem Erkenntnis, das ebenfalls bereits in einem fortgesetzten Verfahren erging und auf dessen Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, vertrat der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen den Standpunkt, dass zur Anerkennung eines Vorsteuerabzugs aus der Verrechnung von Geschäftsführertätigkeiten zwischen verschiedenen Wirtschaftstreuhandgesellschaften (Drittgeschäftsführung) die entsprechenden Verträge an jenen Kriterien zu messen seien, die für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen entwickelt worden seien.
3 Mit Vorhalt vom forderte das Bundesfinanzgericht den Revisionswerber im fortgesetzten Verfahren auf, Unterlagen betreffend die Auslagerung der Geschäftsführung vorzulegen.
4 Mit Schriftsatz vom legte der Revisionswerber dem Bundesfinanzgericht eine mit datierte "Kooperationsvereinbarung" vor, die seitens der T-GmbH und der G KG (damals noch: OHG) vom Revisionswerber und seitens der N-GmbH von deren Geschäftsführer Dr. N unterzeichnet worden war. Diese lautete auszugsweise wie folgt:
"...
(Die T-GmbH, die G OHG und die N-GmbH) üben ab ihre wirtschaftstreuhänderische Tätigkeit in Kanzleigemeinschaft in den von (der T GmbH) angemieteten Räumlichkeiten in (...) aus. (Die T-GmbH) wird den Aufwand für die Miete der Räumlichkeiten sowie eine Miete für Infrastruktur und bewegliches Vermögen (der G OHG) und (der N-GmbH) anteilig zu Selbstkosten in Rechnung stellen, wobei die Weiterverrechnung im Verhältnis der tatsächlich von den drei Gesellschaften dienst- oder werkvertraglich beschäftigten Mitarbeiter erfolgt.
Die Geschäftsführung (der T-GmbH) erfolgt durch den (arbeitsrechtlich) dienstvertraglich beschäftigten (Revisionswerber). Die Geschäftsführung (der N-GmbH) erfolgt durch den (auf der Grundlage eines unentgeltlichen Auftragsverhältnisses tätig werdenden) (Dr. N). Die Geschäftsführung (der G OHG) wird von (der T-GmbH) auf entgeltlicher Grundlage dergestalt übernommen, dass (die T-GmbH) an (die G OHG) 50 % der jeweiligen Bruttobezüge (des Revisionswerbers) als diesbezügliches Entgelt weiterverrechnet.
(Die T-GmbH) und (die N-GmbH) beschäftigen jeweils eigenes Personal auf dienst- oder werkvertraglicher Grundlage. (Die T-GmbH) stellt (der G OHG) das für deren wirtschaftstreuhänderische Tätigkeit erforderliche Personal auf werkvertraglicher Grundlage gegen Entgelt zu Selbstkosten wie folgt zur Verfügung:
..."
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom erkannte das Bundesfinanzgericht im fortgesetzten Verfahren die Vorsteuer betreffend die Verrechnung der Geschäftsführertätigkeit durch die T-GmbH nicht an. Begründend führte das Bundesfinanzgericht aus, in der Kooperationsvereinbarung vom seien die G KG (damals noch OHG), die T-GmbH und die N-GmbH angeführt. Der Revisionswerber sei Gesellschafter-Geschäftsführer der G KG, Alleingesellschafter-Geschäftsführer der T-GmbH und Gesellschafter-Geschäftsführer der N-GmbH. Aufgrund des Naheverhältnisses der Beteiligten sei ein Fremdvergleich durchzuführen.
6 Der "Passus" betreffend die Geschäftsführung in der Kooperationsvereinbarung vom laute: "Die Geschäftsführung der (G OHG) wird von der (T-GmbH) dergestalt übernommen, dass die (T-GmbH) an die (G OHG) 50 % der jeweiligen Bruttobezüge des (Revisionswerbers) als diesbezügliches Entgelt weiterverrechnet."
7 Diese Vereinbarung sei aus mehreren Gründen nicht fremdüblich. So würden Fremde ein fixes Honorar vereinbaren und nicht 50 % eines Bruttogehalts. Mangels Angabe der Bruttobezüge sei nicht ersichtlich, wie hoch das Honorar für die Geschäftsführung tatsächlich sei. Weiters könnten sich die Bruttobezüge jederzeit ändern und wäre damit das Honorar ungewiss. Auch sei die Formulierung, wonach die Geschäftsführung dergestalt übernommen werde, dass die T-GmbH an die G KG 50 % der jeweiligen Bruttobezüge des Revisionswerbers als diesbezügliches Entgelt weiterverrechne, unbestimmt. Eine Geschäftsführung könne ja wohl nicht in der Weiterverrechnung eines Honorars bestehen. Andere Vereinbarungen betreffend die Übertragung der Geschäftsführung an einen Dritten würden nicht existieren. Es sei aus dieser Vereinbarung auch nicht zu ersehen, dass der Revisionswerber von der Geschäftsführung der KG ausgeschlossen wäre. Überhaupt würden Vereinbarungen darüber fehlen, inwieweit eine Auslagerung der Geschäftsführung erfolge. Die Vereinbarung habe somit keinen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt. Unter Fremden wäre es auch nicht üblich, in einer Vereinbarung betreffend die Übertragung der Geschäftsführung andere Personen - im gegenständlichen Fall die N-GmbH - in der Vereinbarung anzuführen. Die konkrete Vereinbarung sei nur durch die Verflechtungen der Vertragsparteien, insbesondere durch die Funktion des Revisionswerbers in den einzelnen Gesellschaften, erklärbar. Da die Merkmale für die Anerkennung von Verträgen zwischen Gesellschaften mit gleichlaufenden Interessen nicht vorlägen, sei die Vereinbarung zwischen der G KG und der T-GmbH steuerlich nicht anzuerkennen. Ein Leistungsaustausch zwischen der G KG und der T-GmbH liege nicht vor, weshalb ein Abzug der daraus resultierenden Vorsteuerbeträge nicht in Betracht komme. Die Revision sei nicht zulässig, da Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Anwendung der Regeln für Verträge zwischen nahen Angehörigen auf Verträge zwischen Gesellschaften und deren Gesellschaftern bestehe.
8 Über die dagegen erhobene Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verfahrensakten durch das Bundesfinanzgericht - das belangte Finanzamt hat keine Revisionsbeantwortung erstattet - in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
9 In der Revision wird zur Zulässigkeit iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zunächst vorgebracht, das Bundesfinanzgericht sei von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen (Hinweis auf das Erkenntnis vom , 2004/13/0025), wonach vertragliche Beziehungen zwischen nahen Angehörigen anzuerkennen seien, wenn sie nach außen ausreichend zum Ausdruck kämen, einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt hätten und auch zwischen Fremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären. Dies treffe entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts auf den relevanten Teil der Kooperationsvereinbarung vom zu. Das Bundesfinanzgericht habe den festgestellten Sachverhalt daher "unrichtig unter den zitierten Leitsatz des Verwaltungsgerichtshofes subsumiert".
10 Schon mit diesem Vorbringen ist der Revisionswerber im Recht:
11 Wesentlich ist bereits, dass der "Passus" in der Kooperationsvereinbarung zur Geschäftsführung im angefochtenen Erkenntnis nicht korrekt wiedergegeben wird. Laut der Kooperationsvereinbarung wird nämlich die Geschäftsführung "auf entgeltlicher Grundlage" dergestalt übernommen, dass die T-GmbH an die G OHG 50 % der Bruttobezüge des Revisionswerbers als diesbezügliches Entgelt weiterverrechnet. Damit entbehrt aber der Vorwurf des Bundesfinanzgerichts, wonach "eine Geschäftsführung (...) nicht darin bestehen (kann), dass ein Honorar weiterverrechnet wird", jeder Grundlage. Dass es bei der Übertragung der gesamten Geschäftsführung einer Aufzählung der damit im Einzelnen verbundenen Aufgaben bedürfte, vermag der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls nicht zu erkennen.
12 Die Kooperationsvereinbarung vom weist weiters die Gehaltsverrechnung des Geschäftsführerbezugs als Teil einer umfassenden Kooperation zwischen drei Wirtschaftstreuhandgesellschaften aus. Was davon nicht fremdüblich sein soll, wird im angefochtenen Erkenntnis nicht nachvollziehbar dargestellt. Auch ist die - nicht näher begründete - Kritik an der Tatsache der Einbeziehung mehrerer Personen in die Kooperationsvereinbarung nicht verständlich.
13 Soweit das Bundesfinanzgericht die Entgeltsvereinbarung mangels Festlegung eines fixen Betrags als nicht fremdüblich qualifiziert, lässt sich dem angefochtenen Erkenntnis nicht entnehmen, auf welches Wissen sich das Bundesfinanzgericht bei der Bestimmung üblicher Inhalte einer solchen Kooperationsvereinbarung stützt. Auch hätte das Bundesfinanzgericht dem Revisionswerber dazu Parteiengehör zu gewähren gehabt, sodass der Revisionswerber die Möglichkeit gehabt hätte, das Vorbringen in der Revision zur Fremdüblichkeit von "cost sharing"-Verträgen im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht geltend zu machen.
14 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
15 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2015130038.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAE-94115