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VwGH 31.03.2017, Ra 2015/13/0026

VwGH 31.03.2017, Ra 2015/13/0026

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
BAO §266 Abs4 idF 2013/I/014;
RS 1
Nach der Bestimmung des § 266 Abs. 4 BAO kann das Verwaltungsgericht auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers erkennen, wenn es die Abgabenbehörde unter Setzung einer angemessenen Nachfrist zur Vorlage der Akten aufgefordert hat. Die Nachfrist des § 266 Abs. 4 BAO ist eine verlängerbare behördliche Frist, die mit einem an die Abgabenbehörde gerichteten (verfahrensleitenden) Beschluss zu setzen ist (vgl. Ritz, BAO5, § 266 Tz 7, sowie idS § 25a Abs. 3 VwGG).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wimberger, BA, über die Revision des Finanzamtes Wien 8/16/17 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7103582/2010, betreffend Körperschaftsteuer 2008 (mitbeteiligte Partei: EGmbH in W, vertreten durch die ASKG Steuerberatungs GmbH in 1030 Wien, Marxergasse 25/4), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, brachte am die (elektronischen) Abgabenerklärungen für das Jahr 2008 beim Finanzamt ein und wurde mit Bescheid vom zur Körperschaftsteuer 2008 veranlagt. Die Veranlagung erfolgte zunächst erklärungsgemäß.

2 Mit Bescheid vom hob das Finanzamt den Bescheid vom gemäß § 299 BAO auf. Gleichzeitig erließ es einen neuen Körperschaftsteuerbescheid 2008 und führte zur Begründung u.a. aus, die Mitbeteiligte habe im Jahr 2008 eine Beteiligung an der X GmbH um 40.000 EUR verkauft und den Buchwert der Beteiligung in Höhe von 127.252,31 EUR ausgebucht, woraus ihr ein Veräußerungsverlust in Höhe von 87.252,31 EUR erwachsen sei. Im gleichen Zeitraum sei eine Ausschüttung der X GmbH in Höhe von 200.000 EUR gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988 steuerfrei gestellt worden. Nach § 12 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 dürfe ein Verlust anlässlich der Veräußerung nur insoweit abgezogen werden, als nachgewiesen sei, dass der Verlust nicht mit Einkommensverwendungen im Sinne des § 8 Abs. 2 und 3 KStG 1988 (insbesondere Ausschüttungen) der Körperschaft, an der die Beteiligung bestehe, in ursächlichem Zusammenhang stehe. Ein solcher Zusammenhang sei gegenständlich zweifellos gegeben, weil Veräußerungsverlust und Ausschüttung im gleichen Zeitraum angefallen seien.

3 Die Mitbeteiligte berief gegen den Körperschaftsteuerbescheid vom und brachte in der Berufung vom vor, dass sie im Jahr 1996 "Gründungsmitglied" der X GmbH gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Gründung habe es weder stille Reserven noch Bilanzgewinne gegeben. Zum Zeitpunkt des Verkaufs habe der Anteil an der X GmbH "33,33%" betragen. 50% der Anteile habe die Mitbeteiligte anlässlich der Gründung und weitere 50% im Jahr 2005 erworben. Bei der ausgeschütteten Dividende handle es sich um Bilanzgewinne der Jahre 2006 und 2007, die durch Verkauf/Liquidation von Beteiligungen der X GmbH entstanden seien, die diese Gesellschaft schon vor 2005 gehalten habe. "Diesbezüglich wurde(n) natürlich beim Erwerbspreis diese stillen Reserven berücksichtigt. Daher ist ein Zusammenhang zwischen (gemeint wohl: dem 2005) erworbenen Anteil und stillen Reserven sicherlich gegeben." Bezüglich des bei der Gründung erworbenen Kapitalanteils bestehe kein solcher Zusammenhang, weshalb der Veräußerungsverlust aliquot (50%) abziehbar sei. "Es fällt diesbezüglich natürlich die 1/7 Regelung an."

4 Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom ab und begründete die Abweisung im Wesentlichen damit, dass Verluste anlässlich der Veräußerung einer Beteiligung nur abziehbar seien, wenn sie nicht mit einer Einkommensverwendung im Sinne des § 8 Abs. 2 und 3 KStG 1988 in Zusammenhang stünden. Eine Einschränkung auf beim Anteilserwerb bestehende, thesaurierte Gewinne oder eingekaufte stille Reserven sei aus dem Gesetz nicht ableitbar. Die X GmbH habe im Jahr 2008 200.000 EUR an die Mitbeteiligte ausgeschüttet. Im gleichen Jahr sei der Mitbeteiligten aus der Anteilsveräußerung ein Verlust von 87.252,31 EUR erwachsen. Daher bestehe die gesetzliche Vermutung, dass Veräußerungsverlust und Ausschüttung in Zusammenhang stünden. Gegenteiliges sei von der Mitbeteiligten nicht nachgewiesen worden.

5 Am stellte die Mitbeteiligte die Anträge auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz sowie auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und brachte ergänzend vor, die X GmbH habe per über 1,289.000 Aktien der Y Rt., einer an der Budapester Börse notierten Gesellschaft, verfügt. Der Buchwert der Aktien habe 205.446,81 EUR und der Kurswert ca. 550.000 EUR betragen. Die hier in Rede stehende Ausschüttung der X GmbH sei am beschlossen worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kurswert der Aktien (472.000 EUR) immer noch weit über deren Buchwert gelegen. Im Juni 2008 habe die Y Rt. Konkurs angemeldet, wodurch deren Aktien wertlos geworden seien. Im November 2008 habe die Mitbeteiligte ihre Anteile an der X GmbH veräußert. Allein durch den Konkurs der Y Rt. habe sich der Wert der X GmbH zwischen Februar und November 2008 um 472.000 EUR vermindert, wobei jedem Gesellschafter 1/3 des Wertverlustes (ca. 157.000 EUR) zuzurechnen sei. Der Veräußerungsverlust von 87.252,31 EUR stehe daher in keinem Zusammenhang mit der im Februar 2008 getätigten Ausschüttung, weshalb er in voller Höhe anzuerkennen sei.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Berufung (nunmehr Beschwerde) dahingehend statt, dass es den Veräußerungsverlust von 87.252,31 EUR bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2008 zur Gänze in Ansatz brachte. Zur Begründung wird im angefochtenen Erkenntnis zunächst ausgeführt, das Bundesfinanzgericht könne gemäß § 266 Abs. 4 BAO, soweit die Abgabenbehörde die Vorlage von Akten unterlässt, nach erfolgloser Aufforderung unter Setzung einer angemessenen Nachfrist auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers erkennen. "Mit Datum vom , vom und vom hat das BFG die Finanzbehörde ersucht den Steuerakt vorzulegen, jedoch kam diese der Aufforderung bis dato nicht nach, so dass das BFG aufgrund der ha aufliegenden Unterlagen zu entscheiden hatte". Nach teilweiser Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen der §§ 8 und 12 KStG 1988 sowie der Rz 1224 und 1226 der Körperschaftsteuerrichtlinien 2001 wird im angefochtenen Erkenntnis sodann Folgendes ausgeführt:

"Wie die (Mitbeteiligte) jedoch vermittels der, dem Vorlageantrag beigehefteten Belege nachweisen konnte, stand der Veräußerungsverlust in keinem Zusammenhang mit der Ausschüttung. So erfolgte die Ausschüttung der im Jahr 2007 von der (X GmbH) erwirtschafteten Gewinns mit Gesellschafterbeschluss vom . Die Generalversammlung der (Y Rt.) hat jedoch erst am beschlossen wegen Zahlungsunfähigkeit ein Liquidationsverfahren gegen sich selbst einzuleiten. Da es sich bei der (X GmbH) um eine Holdinggesellschaft handelt, deren einziges Vermögen in der Beteiligung an verschiedenen Gesellschaften besteh(t), hatte der Konkurs der (Y Rt.) direkten Einfluss auf den Wert der Gesellschaft. Der (Mitbeteiligten) war daher insofern Recht zu geben."

7 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für unzulässig, "da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundlegende Bedeutung zukommt".

8 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision des Finanzamtes, zu deren Zulässigkeit dargelegt wird, dass "höchstgerichtliche Rechtsprechung zum konkreten Anwendungsbereich des § 266 Abs. 4 BAO" fehle und die Revision auch insofern zulässig sei, "als die vom BFG angenommen Rechtsfolge, dass der Verlust aus der Veräußerung einer zum Anlagevermögen gehörigen Beteiligung iSd § 10 KStG 1988 im Jahr der Veräußerung in voller Höhe gewinnmindernd in Abzug gebracht werden kann, gegen die gesetzliche Bestimmung des § 12 Abs. 2 (gemeint wohl: Abs. 3) Z 2 KStG 1988 verstößt und sich daher bei richtiger rechtlicher Beurteilung nicht aus dem Gesetz ergibt".

9 Die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Die Revision ist zulässig und begründet.

12 § 266 Abs. 4 BAO idF des Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetzes 2012 (FVwGG 2012), BGBl. I Nr. 14/2013, lautet:

"(4) Soweit die Abgabenbehörde die Vorlage von Akten (Abs. 1 bzw. bezüglich Maßnahmenbeschwerden oder Säumnisbeschwerden auf Verlangen des Verwaltungsgerichtes) unterlässt, kann das Verwaltungsgericht nach erfolgloser Aufforderung unter Setzung einer angemessenen Nachfrist auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers erkennen."

13 Das Bundesfinanzgericht hat über die dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegende Beschwerde auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers erkannt und dies damit begründet, dass es die Finanzbehörde "mit Datum vom , vom und vom " erfolglos um Vorlage des Steueraktes ersucht habe. In den vorgelegten Akten des Bundesfinanzgerichtes liegt dazu ein "Post-it" mit den Vermerken "Akt angefordert " und "bis dato nicht eingelangt " ein. Weiters eine - mit dem händischen Datumsvermerk "" versehene - E-Mail wie folgt:

"An: (P, Silvia)

Betreff: Str Nr (Mitbeteiligte)

3. Aktenanforderung

Sg. Mag. (P) ich ersuche um Vorlage o.a. Aktes zur Zahl RV/7103582/2010

Mit freundlichen Grüßen

(...)"

14 § 266 Abs. 4 BAO wurde mit dem FVwGG 2012 eingeführt und folgt nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (2007 BlgNR 24. GP 19) im Wesentlichen dem Vorbild der bisherigen §§ 38 Abs. 2 zweiter Satz VwGG und 20 Abs. 2 letzter Satz VfGG.

15 Nach der Bestimmung des § 266 Abs. 4 BAO kann das Verwaltungsgericht auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers erkennen, wenn es die Abgabenbehörde unter Setzung einer angemessenen Nachfrist zur Vorlage der Akten aufgefordert hat. Die Nachfrist des § 266 Abs. 4 BAO ist eine verlängerbare behördliche Frist, die mit einem an die Abgabenbehörde gerichteten (verfahrensleitenden) Beschluss zu setzen ist (vgl. Ritz, BAO5, § 266 Tz 7, sowie idS § 25a Abs. 3 VwGG). Diesen Anforderungen entsprechen die Aufforderungen des Bundesfinanzgerichtes zur Aktenvorlage nicht. Hinsichtlich der ersten Aufforderung zur Aktenvorlage - die laut angefochtenem Erkenntnis am "" erfolgt sein soll - liegt nur ein "Postit" mit dem Vermerk "Akt angefordert " vor. Wer binnen welcher Frist zur Vorlage des Aktes aufgefordert wurde, ist nicht feststellbar. Dass am eine weitere Aufforderung zur Aktenvorlage erfolgte, wird vom Finanzamt in Abrede gestellt und ist durch den Vermerk "bis dato nicht eingelangt " nicht dokumentiert. Die Aufforderung vom stellt schon deswegen keine Aufforderung zur Aktenvorlage iSd § 266 Abs. 4 BAO dar, weil sie nicht an die Abgabenbehörde gerichtet war und keine Frist enthält, bis zu welcher die Aktenvorlage zu erfolgen habe. Das Bundesfinanzgericht hat daher trotz Fehlens einer erfolglosen "Aufforderung" im Sinne des § 266 Abs. 4 BAO auf Grund der Behauptungen der Mitbeteiligten entschieden und das angefochtene Erkenntnis schon deshalb mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

16 Das revisionswerbende Finanzamt ist aber auch mit dem Vorbringen im Recht, wonach sich das Bundesfinanzgericht über die gesetzliche Bestimmung des § 12 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 hinweggesetzt habe. Nach dieser Bestimmung sind abzugsfähige Abschreibungen auf den niedrigeren Teilwert (§ 6 Z 2 lit. a des Einkommenssteuergesetzes 1988) oder Verluste anläßlich der Veräußerung oder eines sonstigen Ausscheidens einer zum Anlagevermögen gehörenden Beteiligung im betreffenden Wirtschaftsjahr und den nachfolgenden sechs Wirtschaftsjahren zu je einem Siebentel zu berücksichtigen. Nach dieser Bestimmung - von deren Anwendbarkeit gemäß den Ausführungen in der Berufung vom offensichtlich auch die Mitbeteiligte ausging ("Es fällt diesbezüglich natürlich die 1/7 Regelung an.") - wäre ein aus der Veräußerung der X GmbH resultierender, abziehbarer Verlust im Jahr 2008 mit lediglich einem Siebentel zu berücksichtigen.

Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

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Norm
BAO §266 Abs4 idF 2013/I/014;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2015130026.L00
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Fundstelle(n):
YAAAE-94110