VwGH vom 21.12.2016, Ra 2015/13/0023

VwGH vom 21.12.2016, Ra 2015/13/0023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wimberger, BA, über die Revision des A in W, vertreten durch die Malainer Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Hegelgasse 8 / Top 25, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7102959/2012, betreffend u.a. Einkommensteuer 2010, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Anfechtung (betreffend Einkommensteuer 2010) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber war im Streitjahr 2010 zu 50 % beteiligter Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, über deren Vermögen im Februar 2009 der Konkurs eröffnet worden war. Im April 2010 schloss er mit mehreren Gläubigern der GmbH Vereinbarungen, in denen er sich persönlich zur teilweisen Begleichung von Schulden der GmbH verpflichtete. Diese Verpflichtungen standen unter der auflösenden Bedingung einer Erstattung von Strafanzeigen oder einer Inanspruchnahme persönlicher Haftungen in Bezug auf den Revisionswerber und seinen Mitgeschäftsführer im Zusammenhang mit der Insolvenz. Mit Vereinbarungen vom Dezember 2010 übernahm der Revisionswerber auch die persönliche Haftung für die Zahlung der Zwangsausgleichsquote im Zwangsausgleich der GmbH, der im Jänner 2011 zur Aufhebung des Konkurses führte. Die Geltendmachung der vom Revisionswerber auf der Grundlage dieser Vereinbarungen im Mai und im Dezember 2010 geleisteten Zahlungen sowie von ihm getragener Anwaltskosten als Betriebsausgaben im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bildet den ersten Streitpunkt des vorliegenden Verfahrens.

2 Im Einkommensteuerbescheid vom für das Jahr 2010 erkannte das Finanzamt diese Aufwendungen nicht an. Es wertete schon die Zahlungen auf Grund der Vereinbarungen vom April 2010 als solche zur Herbeiführung des späteren Zwangsausgleiches für die GmbH und sah darin sowie in den Zahlungen auf Grund der Vereinbarungen vom Dezember 2010 und den vom Revisionswerber getragenen Anwaltskosten Einlagen des Revisionswerbers in seiner Eigenschaft als Gesellschafter.

3 In der dagegen mit Schriftsatz vom erhobenen Berufung machte der Revisionswerber vor allem geltend, die Vereinbarungen vom April 2010 hätten noch nichts mit einer beabsichtigten Herbeiführung eines Zwangsausgleiches zu tun gehabt. Sie hätten - wie auch die Zahlungen vom Dezember 2010 - der Abwehr einer strafgerichtlichen Verurteilung und damit der Erhaltung der Einkünfte des Revisionswerbers als Geschäftsführer auch anderer Gesellschaften gedient. Auch die Anwaltskosten hätten Leistungen betroffen, die der Revisionswerber in diesem Zusammenhang persönlich und nicht für die GmbH in Anspruch genommen habe.

4 Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung mit einem ausführlichen Vorlagebericht vom dem unabhängigen Finanzsenat vor.

5 Mit einem "Ersuchen um Ergänzung" vom hielt das Finanzamt dem Revisionswerber vor, es sei bekannt geworden, dass er im Oktober 2010 seinen Kommanditanteil an einer Liegenschaftsvermietungs-KG veräußert habe. Bei dieser KG habe es sich um eine "vermögensverwaltende Personengesellschaft" gehandelt. Beim Verkauf des Anteils an ihr sei "hinsichtlich der Grundstücksquote die Spekulationsfrist für Grundstücke anzuwenden", die im Hinblick auf die Gründung der Gesellschaft im Jahr 2006 im Jahr 2010 noch nicht abgelaufen gewesen sei. Der Revisionswerber werde daher ersucht, die auf seinen "Anteil entfallenden Anschaffungskosten der von der (...) KG vermieteten Liegenschaft bekanntzugeben und nachzuweisen" sowie mitzuteilen, ob er den Kommanditanteil im Privat- oder Betriebsvermögen gehalten habe.

6 Die Vertreter des Revisionswerbers übermittelten dem Finanzamt mit Schreiben vom den Jahresabschluss der KG zum , aus dem die Höhe der Anschaffungskosten des Revisionswerbers "für die Beteiligung" hervorgehe. Er habe sie im Privatvermögen gehalten und weise darauf hin, dass "gemäß Entscheidung des UFS die Veräußerung eines Geschäftsanteils an einer Personengesellschaft, die grundstücksverwaltend ist, der Spekulationsfrist von einem Jahr unterliegt".

7 Das Finanzamt übermittelte die vorgelegten Unterlagen mit einem Begleitschreiben und einem ergänzten Vorlagebericht vom dem unabhängigen Finanzsenat, wobei es darauf hinwies, dass zum "Thema Spekulationsfrist bei Veräußerung eines Anteiles an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft" zur Zl. 2012/13/0021 eine Amtsbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof anhängig sei.

8 Mit Bescheid vom - der in den vorgelegten Akten nicht enthalten und im angefochtenen Erkenntnis nicht erwähnt ist - setzte der unabhängige Finanzsenat nach dem Vorbringen sowohl in der Revision als auch in der Revisionsbeantwortung die Entscheidung über die Berufung im Hinblick auf das beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Verfahren gemäß § 281 BAO aus. Mit Erkenntnis vom , 2012/13/0021, gab der Verwaltungsgerichtshof der erwähnten Amtsbeschwerde Folge.

9 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom änderte das inzwischen zuständig gewordene Bundesfinanzgericht den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 -

durch Berücksichtigung eines Spekulationsgewinns aus der Veräußerung des Kommanditanteils, die den zweiten Streitpunkt des Verfahrens bildet - zum Nachteil des Revisionswerbers ab. Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, "da das vorliegende Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht".

10 Das Finanzamt hat zu der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der es die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

1. Zu den strittigen Betriebsausgaben:

12 Die Beurteilung der Frage, inwieweit die strittigen Ausgaben im Zusammenhang mit der Insolvenz der GmbH vom Revisionswerber in seiner Eigenschaft als Gesellschafter oder gleich einem Fremdgeschäftsführer zur Erhaltung seiner Einkünfte als Geschäftsführer dieser sowie anderer Gesellschaften getätigt wurden, setzt beweiswürdigende Erwägungen voraus, die im angefochtenen Erkenntnis auch ansatzweise enthalten sind. So wird etwa dargelegt, "eine konkrete Darstellung der vom Bf. tatsächlich getätigten strafbaren Handlungen" sei nicht erfolgt und es seien "auch keine entsprechende(n) Nachweise erbracht" worden; der Revisionswerber habe dieses Vorbringen "weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht". Es erscheine auch "unglaubwürdig, dass die Gläubiger in Ansehung der hohen Forderungen von einer Strafanzeige bzw. der Geltendmachung der Haftung des Geschäftsführers abgesehen hätten, wenn die Voraussetzungen eines strafbaren Verhaltens vorgelegen wären". An anderer Stelle heißt es, "Grundlage für die Vereinbarung mit den Gläubigern" sei "die Erreichung der Zustimmung der Gläubiger zum Sanierungsplan und die Möglichkeit der Fortführung der GmbH" gewesen. Da die GmbH nicht über ausreichende Mittel zur Leistung der Quoten verfügt habe, seien "diese sowie" die erste Zwangsausgleichsrate vom Revisionswerber geleistet worden. Die Zahlungen seien "in wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Einlage des Gesellschafters in die GmbH zu beurteilen". Auch die honorierten Anwaltsleistungen hätten "Rechtsberatung iZm der Vorbereitung des Zwangsausgleichsantrages" betroffen, wobei der Zwangsausgleich die GmbH und nicht den Revisionswerber persönlich betroffen habe.

13 Der Revisionswerber kritisiert diese Ausführungen als bloße Mutmaßungen ohne ordentliches Ermittlungsverfahren und macht u. a. geltend, das Bundesfinanzgericht habe keine "Anstrengungen unternommen", "um die materielle Wahrheit zu ermitteln".

14 Dazu ist anzumerken, dass es sich bei den diesen Streitpunkt betreffenden Erwägungen des Bundesfinanzgerichtes - mit nur minimalen sprachlichen Änderungen und einem Einschub zu älterer Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes betreffend Haftungs- und Schuldübernahmen durch geschäftsführende Gesellschafter - um eine Abschrift des ersten Vorlageberichtes des Finanzamtes handelt. Dies gilt im Besonderen für die oben wiedergegebenen beweiswürdigenden Aussagen, was in Verbindung mit deren Kürze und dem Fehlen einer Prüfung von Gegenargumenten keine eigenständige Auseinandersetzung des Bundesfinanzgerichtes mit dem der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt erkennen lässt. Näher muss darauf im Hinblick auf die Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes zum zweiten Streitpunkt jedoch nicht eingegangen werden.

2. Zur Annahme eines Spekulationsgewinns:

15 Gemäß § 30 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung vor dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, waren Spekulationsgeschäfte u.a. "Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung beträgt:

a) Bei Grundstücken und anderen Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, nicht mehr als zehn Jahre. Für Grundstücke, bei denen innerhalb von zehn Jahren nach ihrer Anschaffung Herstellungsaufwendungen in Teilbeträgen gemäß § 28 Abs. 3 abgesetzt wurden, verlängert sich die Frist auf 15 Jahre.

b) Bei anderen Wirtschaftsgütern, insbesondere bei Wertpapieren im Sinne des § 1 Abs. 1 des Depotgesetzes, bei sonstigen Beteiligungen und Forderungen, nicht mehr als ein Jahr."

16 Der Revisionswerber rügt - zu Unrecht - die Verkürzung des Instanzenzuges durch die Einbeziehung des Gewinns aus einem solchen Geschäft erst im Rechtsmittelverfahren, erachtet sich aber auch im Recht auf Wahrung des Parteiengehörs verletzt und bringt vor, die KG sei nur Mieterin der von ihr verwalteten Liegenschaft gewesen. Es fehlten die Voraussetzungen dafür, "kurzerhand die Differenz zwischen Veräußerungserlös und Anschaffungskosten (...) des Kommanditanteils" in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Mangels Übertragung eines Grundstückes habe kein Veräußerungsgeschäft gemäß § 30 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 vorgelegen.

17 Dem begegnet die Revisionsbeantwortung mit detaillierten Ausführungen über die diese Liegenschaft betreffenden Verhältnisse. Die Liegenschaft sei auf Grund eines Leasingvertrages im wirtschaftlichen Eigentum der KG gestanden, sodass die Aussagen in dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2012/13/0021, auf den vorliegenden Fall entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht anwendbar seien.

18 Das Bundesfinanzgericht legte seiner Beurteilung dieses Streitpunktes die im genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes u.a. enthaltene Aussage zugrunde, Beteiligungen an betrieblich tätigen Mitunternehmerschaften seien ertragsteuerlich "nicht als eigene Wirtschaftsgüter", sondern als aliquote Beteiligung an jedem aktiven und passiven Wirtschaftsgut des Beteiligungsunternehmens anzusehen. Erziele eine Gesellschaft als solche keine betrieblichen Einkünfte, so stelle die Beteiligung notwendiges Betriebsvermögen der Gesellschafter dar und seien bei den Gesellschaftern die Anteile an den in der Gesellschaft befindlichen Wirtschaftsgütern anzusetzen.

19 Nach Feststellungen über Anschaffungskosten und Veräußerungserlös des Kommanditanteils des Revisionswerbers sowie Wiedergabe der Ansicht des Finanzamtes, bei Veräußerung des Kommanditanteils einer "grundstücksverwaltenden" Personengesellschaft liege "eine (anteilige) Grundstücksveräußerung" vor, wird vom Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis schließlich dargelegt, "dass entsprechend dem bei der ertragsteuerlichen Behandlung von Personengesellschaften allgemein nach der Judikatur des VwGH geltenden Durchgriffsprinzip die Beteiligung an der vermögensverwaltenden KG als eigenständiges Wirtschaftsgut zu werten ist und damit das Vorliegen von Einkünften aus Spekulationsgeschäften nach § 30 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG festzustellen ist."

20 Dieser Gedankengang ist - gemessen an der erklärten Absicht, der Entscheidung die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde zu legen - nicht nachvollziehbar, weil die Beteiligung an der Gesellschaft danach gerade kein eigenständiges Wirtschaftsgut wäre und sich mit der Ansicht, sie wäre eines, auch nicht das Vorliegen von Einkünften aus einer Grundstücksveräußerung begründen ließe. Nimmt man an, das Bundesfinanzgericht habe hier das Gegenteil des von ihm Gesagten zum Ausdruck bringen wollen, so fehlt es auch in diesem Fall an Feststellungen über das Grundstück oder die Grundstücke, die der Revisionswerber durch die Verfügung über seinen Kommanditanteil veräußert haben soll. Neue Ausführungen in der Revisionsbeantwortung des Finanzamts über das (bloß) wirtschaftliche Eigentum der KG an der von ihr verwalteten Liegenschaft ändern nichts am Fehlen der für die Subsumtion unter den herangezogenen Tatbestand erforderlichen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis über die im Vorhalt des Finanzamtes vom nur in allgemeiner Form angesprochene "Grundstücksquote".

21 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

22 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am