VwGH vom 22.02.2012, 2009/16/0138

VwGH vom 22.02.2012, 2009/16/0138

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der X Privatstiftung in G, vertreten durch Dr. Peter Wagner, Dr. Walter Müller, Dr. Wolfgang Graziani-Weiss, Mag. Bernhard Scharmüller, Prof. Dr. Alfred Haslinger und DDr. Heinz Mück, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Kroatengasse 7, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Wels vom , Zl. Jv 1205/09v-33, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem am 18. und am gefertigten Schriftsatz beantragten zwei Vorstandsmitglieder der beschwerdeführenden Privatstiftung (Beschwerdeführerin) die Löschung des Vorstandsmitgliedes Ing. Dkfm. Dr. E.H. im Firmenbuch und die Eintragung des Mag. R.M. als Vorstandsmitglied in das Firmenbuch. Dieser Antrag wurde beim Landesgericht Wels am im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht und dort unter dem Aktenzeichen Y protokolliert.

Mit Beschluss vom , welcher im elektronischen Rechtsverkehr einem der beiden antragstellenden Vorstandsmitglieder, einem Rechtsanwalt, zugestellt wurde, wurde dieser aufgefordert, binnen einer Frist von 14 Tagen die Antragslegitimation der anmeldenden Vorstandsmitglieder nachzuweisen. Gemäß § 7 der Stiftungsurkunde sei deren Vorstandsmandat im Jahr 2005 abgelaufen; eine Wiederbestellung sei zwar zulässig, jedoch nicht aktenkundig. In diesem Zusammenhang sei auch die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Bestellungsorganes nachzuweisen.

Mit einem mit "Urkundenvorlage" überschriebenen Schriftsatz vom übermittelten die antragstellenden Vorstandsmitglieder der Beschwerdeführerin dem Landesgericht Wels einen Umlaufbeschluss der Stifter der Beschwerdeführerin über die Bestellung von Beiratsmitgliedern bis , einen Umlaufbeschluss der Stifter der Beschwerdeführerin über die Bestellung der Beiratsmitglieder bis und einen Beschluss des Beirates der Beschwerdeführerin über die Bestellung der Vorstandsmitglieder für weitere fünf Jahre. Diese Urkundenvorlage erfolgte am ebenfalls im elektronischen Rechtsverkehr. Dem in den vorgelegten Verwaltungsakten enthaltenen Ausdruck aus den elektronischen Rechtsverkehrsunterlagen des Landesgerichtes Wels ist zu entnehmen, dass diese Eingabe unter "Neuer Antrag zu einer bestehenden Firma" mit der Firmenbuchnummer der Beschwerdeführerin eingebracht wurde. Für diese Eingabe wurde das Aktenzeichen Z vergeben.

Der elektronisch als PDF-Dokument übermittelte Schriftsatz vom weist auf dem Deckblatt das Aktenzeichen Y und die Firmenbuchnummer der Beschwerdeführerin auf. Auf Seite 2 weist der Schriftsatz folgenden Text auf: "Gemäß dem Beschluss des Landesgerichtes Wels vom , zugestellt am , werden dem Gericht nachfolgende Urkunden vorgelegt:

1. ...

...

L am"

Die am beantragte Eintragung wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Wels vom vorgenommen.

Am wurden vom Konto des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin eine Gerichtsgebühr von 168 EUR zu Y sowie ein weiterer Betrag von 168 EUR zu Z abgebucht.

Mit Schriftsatz vom begehrte die Beschwerdeführerin die Rückzahlung eines Betrages von 168 EUR mit der Begründung, es sei eine Eingabengebühr von zweimal 168 EUR eingezogen worden, während die unter Z erfasste Eingabe zu keinem Beschluss geführt habe, weil kein Antrag gestellt, sondern nur eine Urkundenvorlage durchgeführt worden sei, wie auch dem anliegenden PDF-Dokument klar zu entnehmen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Rückzahlungsantrag ab. Der Vertreter der Beschwerdeführerin habe mit seiner am elektronisch übermittelten Eingabe die abgeforderten Urkunden vorgelegt, jedoch bei der elektronischen Übermittlung auf den bereits anhängigen Geschäftsfall zu Y nicht verwiesen. Diesem Umstand zufolge sei vom System ein neuer Geschäftsfall und somit eine neue Eingabe zu Z ausgelöst worden. Der vom Vertreter der Beschwerdeführerin am zusätzlich ausgelöste zweite Geschäftsfall sei mit Verfügung des Firmenbuchgerichts Wels vom zur Kenntnis genommen und mit der Statuseintragung "ve" (für "Verfahrensende") als erledigt zum Akt genommen worden.

Die Pflicht zur Entrichtung der Eingabengebühr werde vom Ausgang des Verfahrens nicht berührt; dies gelte auch dann, wenn die Eingabe zu keiner Eintragung im Firmenbuch geführt habe. Der Anspruch auf die Gebühr werde, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt werde, bei Eingabengebühren mit der Überreichung der Eingabe begründet. Gemäß § 89d Abs. 1 der Verordnung über elektronische Eingaben und Erledigungen (elektronischer Rechtsverkehr) gälten elektronische Eingaben als bei Gericht angebracht, wenn ihre Daten zur Gänze bei der Bundesrechenzentrum GmbH eingelangt sind. § 1 Abs. 2 ERV normiere betreffend die Zulässigkeit des elektronischen Rechtsverkehrs, dass ein zur Verbesserung zurückgestellter verfahrenseinleitender Schriftsatz in der Form zu verbessern sei, dass er unter Hinweis auf das mitgeteilte Aktenzeichen als Ersteingabe im Sinne der Schnittstellenbeschreibung nach § 5 Abs. 2 in elektronischer und verbesserter Form neuerlich eingebracht werde. Sonstige zur Verbesserung zurückgestellte Schriftsätze könnten elektronisch als Folgeeingabe eingebracht werden. Verbesserungen im Firmenbuchverfahren seien als Folgeantrag im Sinne der Schnittstellenbeschreibung nach § 5 Abs. 2 einzubringen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin im Recht "auf Nichteinzug von Gebühren bzw. auf Rückzahlung eingezogener Gebühren" verletzt erachtet.

Die belangte Behörde reichte eine Gegenschrift ein und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Z 2 des Gerichtsgebührengesetzes - GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr bei Eingabengebühren mit der Überreichung der Eingabe begründet.

Nach Tarifpost (TP) 10 I lit. a Z 11 GGG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 114, und der Verordnung BGBl. II Nr. 252/2006 beträgt die Eingabengebühr für Eingaben bei Privatstiftungen ins Firmenbuch 175 EUR.

Nach Anmerkung 1 zu TP 10 GGG unterliegen der Eingabengebühr nach TP 10 I lit. a Anträge auf Eintragungen in das Firmenbuch, sonstige verfahrenseinleitende Anträge auf Vornahme einer Amtshandlung des Firmenbuchgerichts, Einreichungen gemäß §§ 277 bis 281 UGB sowie Rechtsmittel in Firmenbuchsachen.

Gemäß der im Beschwerdefall anzuwendenden, durch Artikel 1 der Gerichtsgebühren- und Insolvenzrechts-Novelle 2006, BGBl. I Nr. 8, eingefügten und durch Artikel 23 des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, wieder aufgehobenen Anmerkung 3a zu TP 10 GGG ermäßigt sich die Eingabengebühr um 7 EUR, wenn sämtliche Urkunden, die auf Grund der mit der Eingabe beantragten Eintragung oder sonst zur Aufbewahrung bei Gericht in die Urkundensammlung des Firmenbuchs aufzunehmen sind, in elektronischer Form übermittelt werden.

Nach Anmerkung 4 zu TP 10 GGG wird die Pflicht zur Entrichtung der Eingabengebühr vom Ausgang des Verfahrens nicht berührt; dies gilt auch dann, wenn die Eingabe zu keiner Eintragung im Firmenbuch geführt hat.

Nach § 30 Abs. 2 Z 1 GGG sind Gebühren zurückzuzahlen, wenn sie ohne Zahlungsauftrag entrichtet wurden, sich aber in der Folge ergibt, dass überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde. Über einen Rückzahlungsantrag entscheidet nach § 30 Abs. 3 GGG der Präsident des Gerichtshofes erster Instanz mit Bescheid.

Die belangte Behörde stützt sich darauf, dass die in Rede stehende Eingabe vom im elektronischen Rechtsverkehr nicht auf den zu Y bereits anhängigen Geschäftsfall verwiesen habe. Nach der Verordnung über elektronische Eingaben und Erledigungen sei ein zurückgestellter verfahrenseinleitender Schriftsatz zu verbessern und unter Hinweis auf das mitgeteilte Aktenzeichen als Ersteingabe im Sinne der Schnittstellenbeschreibung nach § 5 Abs. 2 der Verordnung neuerlich einzubringen. Dies sei nicht erfolgt, denn wie die belangte Behörde in der Gegenschrift ausführt, sei die am elektronisch übermittelte Eingabe als "neuer Antrag zu einer bestehenden Firma" betitelt worden.

Die Beschwerdeführerin führt in der Rechtsrüge zutreffend aus, dass der Inhalt der am übermittelten Eingabe keinerlei Antrag enthielt. Ungeachtet der "elektronischen" Bezeichnung als neuer Antrag seien die angeschlossenen Schriftstücke als Urkundenvorlage und als einzelne vorzulegende Urkunden und nicht als Antrag zu werten.

Zunächst ist klarzustellen, dass Anmerkung 1 zu TP 10 GGG nicht jegliche Eingabe, sondern nur Eingaben mit bestimmten Anträgen der Eingabengebühr nach TP 10 I lit. a unterwirft.

Ob es sich um einen Antrag im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung handelt, ist jedoch nicht nach der gewählten Überschrift einer Urkunde oder im elektronischen Rechtsverkehr nach der Eingabe in eine "Maske" zu beurteilen, sondern danach, ob ein auf eine Amtshandlung des Gerichtes abzielendes Begehren gestellt wird. Dies liegt im Beschwerdefall zweifelsfrei nicht vor, weshalb die am eingebrachte Eingabe nicht der Gebühr nach TP 10 I lit. a unterlag.

Soweit sich die belangte Behörde auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr, BGBl. II Nr. 481/2005, stützt, ist sie darauf hinzuweisen, dass diese Verordnung aufgrund des § 89b Abs. 2 des Gerichtsorganisationsgesetzes - GOG und nicht in Durchführung des Gerichtsgebührengesetzes ergangen ist und daher zur Frage der Erfüllung des Gerichtsgebührentatbestandes insoweit nichts beizutragen vermag. Das Einbringen der Eingabe bei Gericht (§ 5 der Verordnung) ist unbestritten; strittig ist die Frage, ob die Eingabe einen (neuen) Antrag enthielt.

Der Hinweis der belangten Behörde auf § 2 Z 2 GGG geht deshalb ins Leere, weil diese Bestimmung für das Entstehen der Eingabengebührenschuld voraussetzt, dass es sich überhaupt um eine gebührenpflichtige Eingabe handelt und lediglich - wenn diese Voraussetzung gegeben ist - den Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld regelt.

Auch die Bestimmung der Anmerkung 4 zu TP 10 GGG, wonach es für die Eingabengebühr unerheblich ist, wie das Verfahren ausgegangen ist und ob die Eintragung zu einer Eintragung im Firmenbuch geführt hat, setzt voraus, dass die konkrete Eingabe überhaupt von der Eingabengebühr (Anmerkung 1 zu TP 10) erfasst ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am