VwGH vom 18.04.2012, 2009/16/0136

VwGH vom 18.04.2012, 2009/16/0136

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Gold, über die Beschwerde der B M GmbH in M, vertreten durch Mag. Hubertus P. Weben, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 5/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom , GZ. ZRV/0035-Z2L/09, betreffend Erstattung von Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 610,60 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gesellschaft mbH (Beschwerdeführerin) führte in den Jahren 2002 und 2003 durch eine Spedition als indirekt vertretenden Anmelder Waren ein, darunter in den jeweiligen Rechnungen als "Kites" bezeichnete Lenkdrachen. Dabei wurde in den betreffenden Zollanmeldungen die Warennummer 95039032 angegeben.

Im Gefolge einer zollbehördlichen Prüfung bei der Beschwerdeführerin teilte das damalige Hauptzollamt Linz der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom mit, dass für näher angeführte Waren bei der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr Eingangsabgaben mit einem näher angeführten Betrag entstanden, jedoch lediglich mit einem näher angeführten geringeren Betrag buchmäßig erfasst worden seien. Der Differenzbetrag von rund 202.000 EUR sei "gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK nachzuerheben". Weiters sei eine Abgabenerhöhung im Betrag von 2.841,59 EUR zu entrichten.

Mit Schriftsatz vom beantragte die Beschwerdeführerin die Erstattung nach Art. 236 Zollkodex eines Eingangsabgabenbetrages in Höhe von 14.212,17 EUR für in acht näher bezeichneten, im Jahr 2002 angenommenen Zollanmeldungen erfasste Lenkdrachen, für welche laut Bescheid vom Eingangsabgaben nachträglich buchmäßig erfasst und welche bei der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zu Unrecht in die Warennummer 95039032 eingereiht worden seien. Tatsächlich seien diese Lenkdrachen unter die Warennummer 95039037 einzureihen.

Diesem Antrag wurde im Instanzenzug hinsichtlich eines Zollbetrages von 9.614,01 EUR mit Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Linz Wels vom stattgegeben.

Mit Schriftsatz vom beantragte die Beschwerdeführerin die Erstattung nach Art. 236 Zollkodex eines Zollbetrages in Höhe von 42.055,04 EUR für in 21 weiteren näher bezeichneten, in den Jahren 2002 und 2003 angenommenen Zollanmeldungen erfasste Lenkdrachen, für welche laut Bescheid vom Eingangsabgaben nachträglich buchmäßig erfasst und welche bei der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zu Unrecht in die Warennummer 95039032 eingereiht worden seien. Tatsächlich seien diese Lenkdrachen unter die Warennummer 95039037 einzureihen.

Eine gegen die Berufungsvorentscheidung vom auch Einfuhren aus dem Jahr 2003 ansprechende Administrativbeschwerde wies die belangte Behörde mit Bescheid vom , GZ. ZRV/0038-Z2 L/07, mit der Begründung ab, mit dem erwähnten Antrag vom seien lediglich die in der stattgebenden Berufungsvorentscheidung des Zollamtes erfassten Einfuhren aus dem Jahr 2002 angesprochen gewesen.

Das Zollamt gab dem Antrag vom mit Bescheid vom teilweise, nämlich mit einem Erstattungsbetrag von 815,72 EUR an Zoll statt. Das Mehrbegehren wurde wegen Verfristung zurückgewiesen. Der Erstattungsbetrag ergebe sich dadurch, dass der bei der Nachforderung der Zollbeträge mit Bescheid vom zugrunde gelegte Zollsatz nicht hätte angewendet werden dürfen, sondern bei Einreihung der Waren unter die KN-Position 9503903700 ein niedrigerer Zollsatz hätte angewendet werden müssen. Soweit die ursprüngliche buchmäßige Erfassung bei der Einfuhr der in Rede stehenden Waren betroffen sei, sei der Antrag außerhalb der in Art. 236 Zollkodex gesetzten dreijährigen Frist gestellt worden.

Eine dagegen mit Schriftsatz vom erhobene Berufung wies das Zollamt mit Berufungsvorentscheidung vom ab.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom Administrativbeschwerde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die (Administrativ )Beschwerde ab. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges hielt die belangte Behörde fest, der Nacherhebungsbescheid vom ersetze die jeweiligen erstmaligen unrichtigen buchmäßigen Erfassungen und Bescheide nicht zur Gänze. Bei der nachträglichen buchmäßigen Erfassung werde der gesamte geschuldete Betrag lediglich festgestellt, ein Leistungsgebot der Abgabenbehörde werde aber nur hinsichtlich des Differenzbetrages ausgesprochen. Dieser Differenzbetrag ergebe sich im konkreten Verfahren nur aus der zollwertrechtlichen Betrachtung. Daher habe die Frist für einen auf einer unrichtigen Tarifierung beruhenden Erstattungsantrag, sofern diese Tarifierung nicht Gegenstand des Nachforderungsbescheides gewesen sei, mit Mitteilung der Abgaben bezüglich der Verzollung zu laufen begonnen. Auf das Wissen oder Wissenmüssen um die richtige Tarifierung stelle der Gesetzgeber nicht ab.

Bei Stellen des Erstattungsantrages im Kalenderjahr 2007 sei diese Frist bereits abgelaufen gewesen. Durch die Falschtarifierung sei die Beschwerdeführerin weder gehindert gewesen, eine Berufung gegen die Zollanmeldungen (gemeint: die Mitteilungen der ursprünglichen buchmäßigen Erfassung) einzubringen oder einen Erstattungsantrag zu stellen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin im Recht auf "richtige Einreihung ihrer Anmeldungen in den Zolltarif und auf Rückerstattung nicht geschuldeter Abgaben" verletzt erachtet.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. 217 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 302 vom , (Zollkodex - ZK) muss jeder einer Zollschuld entsprechende Einfuhrabgabenbetrag - von hier nicht interessierenden Fällen abgesehen - unmittelbar bei Vorliegen der erforderlichen Angaben von den Zollbehörden berechnet und in die Bücher oder in sonstige stattdessen verwendete Unterlagen eingetragen werden (buchmäßige Erfassung).

Entsteht eine Zollschuld durch die Annahme der Zollanmeldung einer Ware u.a. zum Zollverfahren der Überführung in den zollrechtlichen freien Verkehr, so erfolgt gemäß Art. 218 Abs. 1 ZK die buchmäßige Erfassung des dieser Zollschuld entsprechenden Betrages unmittelbar nach Berechnung dieses Betrages, spätestens jedoch am zweiten Tag nach dem Tag, an dem die Ware überlassen worden ist. Jedoch kann der Gesamtbetrag der Abgaben auf die Waren, die ein und derselben Person innerhalb eines von den Zollbehörden festgesetzten Zeitraums von höchstens 31 Tagen überlassen worden sind, am Ende dieses Zeitraums in einem Mal buchmäßig erfasst werden, sofern die Entrichtung dieses Gesamtbetrags gesichert worden ist. Die buchmäßige Erfassung erfolgt innerhalb von fünf Tagen nach Ablauf des betreffenden Zeitraums.

Ist der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach Art. 218 buchmäßig erfasst oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden, so hat die buchmäßige Erfassung des zu erhebenden Betrags oder des nachzuerhebenden Restbetrags gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK innerhalb von zwei Tagen nach dem Tag zu erfolgen, an dem die Zollbehörden diesen Umstand feststellen und in der Lage sind, den gesetzlich geschuldeten Betrag zu berechnen sowie den Zollschuldner zu bestimmen (nachträgliche buchmäßige Erfassung).

Gemäß Art. 221 Abs. 1 ZK ist der Abgabenbetrag dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist.

Ist der zu entrichtende Abgabenbetrag in der Zollanmeldung als Hinweis vermerkt worden, so können die Zollbehörden gemäß Art. 221 Abs. 2 ZK vorsehen, dass die Mitteilung nach Abs. 1 nur erfolgt, wenn der angegebene Abgabenbetrag nicht mit dem von ihnen ermittelten Betrag übereinstimmt. Wird von der im vorstehenden Unterabsatz genannten Möglichkeit Gebrauch gemacht, so gilt unbeschadet des Art. 218 Abs. 1 zweiter Unterabsatz ZK die Überlassung der Waren durch die Zollbehörden als Mitteilung des buchmäßig erfassten Abgabenbetrags an den Zollschuldner.

Gemäß § 74 Abs. 1 des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) gilt die Mitteilung nach Artikel 221 Abs. 1 ZK als Abgabenbescheid.

Gemäß Art. 236 Abs. 1 ZK werden Einfuhrabgaben - von hier nicht interessierenden Fällen betrügerischen Vorgehens des Beteiligten abgesehen - insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Art. 220 Abs. 2 ZK buchmäßig erfasst worden ist.

Gemäß Art. 236 Abs. 2 ZK erfolgt die Erstattung der Einfuhrabgaben auf Antrag und ist der Antrag vor Ablauf einer Frist von drei Jahren nach Mitteilung der betreffenden Abgaben an den Zollschuldner bei der zuständigen Zollstelle zu stellen. Die Frist wird verlängert, wenn der Beteiligte nachweist, dass er in Folge eines unvorhersehbaren Ereignisses oder höherer Gewalt gehindert war, den Antrag fristgerecht zu stellen.

Die Beschwerdeführerin trägt vor, beim Bescheid vom handle es sich um einen Nacherhebungsbescheid, der Einfuhrabgaben für einen bestimmten individuellen Einfuhrvorgang erneut festsetze, indem er einen bisher verwendeten Zollsatz neu bestätige und lediglich den Zollwert korrigiere. Bei der Aufschlüsslung in dem durch die Zollprüfung ausgelösten Bescheid handle es sich um die neue Bewertung eines Sachverhaltes, nämlich der Einfuhr an sich und somit um einen neuen, allumfassenden Bescheid aller Einfuhren in den geprüften Zeiträumen. Letztlich werde der Vorgang der Einfuhr dahingehend neu bewertet, dass eine bescheidmäßige Feststellung erfolge, wonach die Einfuhren in den geprüften Zeiträumen nur mehr derart als geändert zu bewerten seien, dass sie mit einem geänderten Zollwert angesetzt werden müssten, auf den ein bestimmter Zollsatz anzuwenden sei. Die Zollanmeldungen, deren Erstattung die Beschwerdeführerin geltend gemacht habe, bildeten ebenfalls Bestandteil des der Zollprüfung folgenden Bescheides vom . Da dieser Bescheid den Sachverhalt der geprüften Einfuhren insgesamt neu bewerte, laufe die Dreijahresfrist des Art. 236 ZK für den gesamten Nacherhebungsbescheid neu an.

Die Beschwerdeführerin verkennt, dass die Abgaben, deren Erstattung sie mit ihrem Antrag vom begehrte, zT bereits unmittelbar im Gefolge der betreffenden Einfuhren in Jahren 2002 und 2003 buchmäßig erfasst worden sind und diese buchmäßige Erfassung der Beschwerdeführerin damals mitgeteilt wurde oder gemäß Art. 221 Abs. 2 ZK durch die Überlassung der Waren durch die Zollbehörden als mitgeteilt galten.

Der sogenannte "Nachforderungsbescheid", die Mitteilung der nachträglichen buchmäßigen Erfassung, erfasste - wie die belangte Behörde zutreffend ausführt - eben nur den Differenzbetrag. Der erklärende Hinweis, woraus sich diese Differenz ergebe, nämlich aus der Feststellung des gesamten geschuldeten Einfuhrabgabenbetrages abzüglich des bereits buchmäßig erfassten Abgabenbetrages bewirkt nicht, dass die bereits einmal buchmäßig erfassten und mitgeteilten Abgaben neuerlich rechtswirksam mitgeteilt werden. Gegenstand einer solchen Mitteilung nach Art. 221 ZK bildet nicht die in einem Abgabenbescheid vorzunehmende Abgabenfestsetzung, weshalb eine solche Mitteilung die Wirkung eines Abgabenbescheides erst kraft der Fiktion des § 74 Abs. 1 ZollR-DG erhält.

Während es bei Abgabenbescheiden außerhalb des Anwendungsbereiches des Zollkodex einer Aufhebung eines Abgabenbescheides (etwa nach § 299 BAO oder im Wege einer Wiederaufnahme nach § 303 BAO) und einer Neufestsetzung in geänderter (Gesamt )Höhe bedarf oder im Fall der Selbstberechnung die Festsetzung durch einen Bescheid nach § 201 BAO in der Höhe des gesamten, nicht nur des nachzufordernden Abgabenbetrages (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/13/0065, mwN) zu erfolgen hat, lässt die Mitteilung einer nachträglichen buchmäßigen Erfassung nach Art. 221 ZK eine allenfalls vorangegangene Mitteilung der buchmäßigen Erfassung eines (Teil )Betrages einer Eingangsabgabeschuld unberührt.

Die belangte Behörde hat daher richtig erkannt, dass die Fristen zur Stellung eines Erstattungsantrages nach Art. 236 ZK hinsichtlich der (ursprünglich) buchmäßig erfassten und mitgeteilten Abgaben einerseits und der nachträglich buchmäßig erfassten und mitgeteilten Abgaben andererseits getrennt zu laufen begonnen haben (vgl. auch Witte, Zollkodex5, Rz 55 zu Art. 236).

Die Beschwerdeführerin führt ins Treffen, als ein, eine Fristverlängerung iSd Art. 236 Abs. 2 ZK auslösendes unvorhergesehenes Ereignis sei die im Unternehmen durchgeführte Zollprüfung im April 2003 zu erblicken. Sie habe "aus rein faktischen Gründen" vom Antrag auf Erstattung von Einfuhrabgaben abgesehen oder absehen müssen, weil sie "auf Grund der 'Übermacht' der Zollverwaltung im Rahmen der Zollprüfung keine Chance" gesehen habe, "sich der Festsetzung des Zollsatzes zu entziehen". Abgesehen davon, dass dies - soweit darin ein Sachverhaltsvorbringen gesehen werden kann - im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht worden ist und damit gegen das vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) verstößt, vermag die Beschwerdeführerin damit nicht darzutun, dass sie durch "die Zollprüfung" gehindert gewesen wäre, einen Antrag auf Erstattung zu stellen.

Soweit die Beschwerdeführerin im angefochtenen Bescheid die Angabe des jeweiligen genauen Tages der Mitteilung der ursprünglichen buchmäßigen Erfassung zu jeder einzelnen der 21 Einfuhren vermisst, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie im Verwaltungsverfahren den mit diesen jeweiligen Mitteilungen beginnenden Fristablauf nicht bekämpft hat, sondern sich auf die insoweit vermeintliche Rechtserheblichkeit des Bescheides vom gestützt hat. Weshalb jene Mitteilungen nicht entsprechend der oben angeführten Art. 217 ff ZK innerhalb der dort vorgesehenen Fristen ergangen sein sollten oder als ergangen hätten gelten sollen, zeigt auch die Beschwerdeführerin nicht auf.

Soweit die Beschwerdeführerin letztlich ihren Antrag auf Erstattung vom auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 239 ZK als Antrag auf Erstattung aus Billigkeitsgründen geprüft wissen möchte, ist ihr entgegenzuhalten, dass schon wegen des in Art. 239 ZK normierten Fristlaufes von zwölf Monaten nach der Mitteilung der Abgaben an den Zollschuldner und weil die Beschwerdeführerin nicht darlegt, durch welchen im Verwaltungsverfahren behaupteten Sachverhalt ein auch nach Art. 239 ZK zur Fristverlängerung führender begründeter Ausnahmefall gegeben wäre, eine solche Prüfung auf sich beruhen kann.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am