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VwGH vom 20.12.2017, Ra 2015/13/0003

VwGH vom 20.12.2017, Ra 2015/13/0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der U AG in W, vertreten durch die Engin-Deniz Reimitz Hafner Rechtsanwälte KG in 1010 Wien, Marc-Aurel-Straße 6/5, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7104477/2014, betreffend Einheitswertfeststellung (Wertfortschreibung zum ) und Grundsteuermessbescheid (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Feststellungsbescheid vom stellte das Finanzamt für die verfahrensgegenständliche Liegenschaft zum einen Einheitswert von 213.500,-- EUR sowie einen gemäß dem AbgÄG 1982 um 35 % erhöhten Einheitswert von 288.200,-- EUR fest. Bei der Berechnung des Einheitswerts berücksichtigte das Finanzamt eine Kürzung um 30 % gemäß § 53 Abs. 7 lit. a BewG 1955. Mit Grundsteuermessbescheid vom selben Tag setzte das Finanzamt auf Basis des erhöhten Einheitswerts den Grundsteuermessbetrag zum mit 570,92 EUR fest.

2 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vom brachte die Revisionswerberin vor, das auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft befindliche Gebäude sei 1894 errichtet worden und unterliege daher dem Vollanwendungsbereich des MRG. Der Anteil der von der gesetzlichen Mietzinsbeschränkung betroffenen nutzbaren Fläche betrage 85,6 %, weshalb bei der Berechnung des Einheitswerts eine Kürzung um 60 % statt um 3 % gemäß § 53 Abs. 7 lit. a BewG 1955 zu erfolgen habe. Der Berufung war eine Zinsliste für die verfahrensgegenständliche Liegenschaft beigefügt, der die Vorschreibung der Hauptmiete, der Betriebskosten sowie des Erhaltungsbeitrags für Jänner 2005 aufgeschlüsselt nach den einzelnen Mietobjekten zu entnehmen war.

3 In Beantwortung eines telefonischen Vorhalts vom legte die Revisionswerberin eine Zinsliste für Jänner 2003 vor. Neben den einzelnen Mietobjekten war handschriftlich "a HMZ", "Kat" oder "RW" angemerkt. Im Begleitschreiben vom führte die Revisionswerberin erklärend aus: "Am linken Rand haben wir zusätzliche Informationen beigefügt und geben Ihnen anbei die nötige Zeichenerklärung.

a HMZ ......... angemessener Hauptmietzins

Kat ............... Kategoriemiete

RW .............. Richtwertmiete"

4 Mit Berufungsvorentscheidung vom änderte das belangte Finanzamt den Feststellungsbescheid dahingehend ab, dass es den Einheitswert zum mit 228.800,-- EUR und den um 35 % erhöhten Einheitswert mit 308.800,-- EUR festsetzte, wobei es nur eine Kürzung des Einheitswerts von 25 % gemäß § 53 Abs. 7 lit. a BewG 1955 berücksichtigte. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, dass ein "angemessener Hauptmietzins" keine "Mietzinsbeschränkung" im Sinne des § 53 Abs. 7 lit. a BewG darstelle und für leerstehende Mietobjekte kein Abschlag zu gewähren sei. Basierend auf dem erhöhten Einheitswert setzte das Finanzamt den Grundsteuermessbetrag zum mit 612,12 EUR fest.

5 Im Vorlageantrag vom vertrat die Revisionswerberin die Ansicht, dass auch der "angemessene Hauptmietzins" eine gesetzliche Beschränkung des zulässig zu vereinbarenden Hauptmietzinses darstelle und daher ein "durch gesetzliche Vorschriften beschränkter" Mietzins im Sinne des § 53 Abs. 7 lit. a BewG 1955 sei.

6 Mit Bescheid vom hob der unabhängige Finanzsenat den Feststellungsbescheid und den Grundsteuermessbescheid sowie die Berufungsvorentscheidung des Finanzamts in Erledigung der Berufung nach § 289 Abs. 1 BAO idF vor dem FVwGG 2012 auf und verwies die Sache zur Durchführung noch ausstehender Sachverhaltsermittlungen an die Abgabenbehörde erster Instanz zurück. In der Begründung führte der unabhängige Finanzsenat aus, dass es sich bei einem "Richtwertmietzins" im Sinne des § 16 Abs. 2 bis 4 MRG, anders als bei einem "angemessenen Hauptmietzins" nach § 16 Abs. 1 MRG, um einen "durch gesetzliche Vorschriften beschränkten Mietzins" handle. Im "gegenständlichen Fall" sei entscheidend, für welche Flächen zum maßgeblichen Stichtag tatsächlich ein "durch gesetzliche Vorschriften beschränkter Mietzins" entrichtet worden sei. Aus den "im Berufungsfall" vorgelegten Unterlagen lasse sich nicht feststellen, inwieweit "nun tatsächlich Mietzinse nach dem Richtwertsystem (bzw. für vor dem Inkrafttreten des 3. WÄG vermietete Wohnungen nach den seinerzeitigen Bestimmungen des MRG) entrichtet wurden und inwieweit auf Grund der Bestimmung des § 16 Abs. 1 MRG Hauptmietzinse ohne die Beschränkungen der Abs. 2 bis 5 entrichtet wurden". Da die fehlenden Sachverhaltsermittlungen einen anders lautenden Bescheid nach sich ziehen könnten, sei die Sache nicht entscheidungsreif.

7 Mit Erkenntnis vom , 2010/13/0131 (Vorerkenntnis), hob der Verwaltungsgerichtshof aufgrund einer Amtsbeschwerde des Finanzamts den Bescheid des unabhängigen Finanzsenats auf. Der Amtsbeschwerde komme zwar insofern kein Erfolg zu, als sie sich gegen die Qualifikation des "Richtwertmietzinses" als den Mietzins beschränkende Vorschrift im Sinne des § 53 Abs. 7 lit. a BewG wende. Jedoch führte der Verwaltungsgerichtshof weiter aus, dass der unabhängige Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz grundsätzlich in der Sache zu entscheiden habe (reformatorische Entscheidung) und die bloß kassatorische Erledigung nach § 289 Abs. 1 BAO (idF vor dem FVwGG 2012) die Ausnahme darstelle. Mit den allgemein gehaltenen Hinweisen auf befürchtete zeitliche Verzögerungen bei Durchführung der noch als notwendig erachteten Ermittlungen durch den unabhängigen Finanzsenat selbst (wozu die Amtsbeschwerde im Übrigen auch auf ohnedies aktenkundige Zinslisten mit den notwendigen Informationen zu den Mietzinsen hinweise) habe dieser die Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz (vor allem die dazu erforderliche Ermessensübung) nicht gesetzmäßig begründet.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Bundesfinanzgericht in dem von ihm nach Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG fortgesetzten Verfahren die (als Beschwerde zu behandelnde) Berufung des Revisionswerbers ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

9 Für die Ermittlung des Abschlags nach § 53 Abs. 7 lit. a BewG 1955 sei maßgeblich, für welche Flächen zum tatsächlich ein "durch gesetzliche Vorschriften beschränkter Mietzins" entrichtet worden sei. Bei der Ermittlung des Anteils der von der Mietzinsbeschränkung betroffenen nutzbaren Fläche seien die Wohnräume mit ihrer tatsächlich nutzbaren Fläche, die gewerblichen oder öffentlichen Zwecken dienenden Räume jedoch nur mit ihrer halben nutzbaren Fläche anzusetzen. Aus der von der Revisionswerberin zum maßgeblichen Stichtag vorgelegten Zinsliste gehe hervor, dass auf der bewertungsgegenständlichen Liegenschaft zum Teil Geschäftslokale und zum Teil Wohnungen vermietet worden seien. Leerstehungen und Eigennutzungen habe es zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben. Für den Großteil der Flächen sei ein angemessener Hauptmietzins verrechnet worden. Ausgehend von einer für die Ermittlung des Abschlags nach § 53 Abs. 7 lit. a BewG 1955 zu berücksichtigenden Fläche von 313,02 m2, gelangte das Bundesfinanzgericht auf Grund der "zum vorgelegten aktuellen Zinsliste" zum Ergebnis, dass lediglich eine 30 %ige Kürzung vorzunehmen sei. Da der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis geklärt habe, für welche Mietzinse eine für die Kürzung nach § 53 Abs. 7 lit. a BewG 1955 relevante gesetzliche Beschränkung bestehe, liege keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, in der zu ihrer Zulässigkeit u.a. vorgebracht wird, das Bundesfinanzgericht habe kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren zur Feststellung der Flächen des Hauses, die einer Mietzinsbeschränkung im Sinne des § 53 Abs. 7 lit. a BewG 1955 unterlägen, durchgeführt. Die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts sei weiters unvertretbar, habe sich dieses doch ausschließlich auf handschriftliche Vermerke in der Zinsliste gestützt, obwohl aus dem übrigen Inhalt der Zinsliste unschwer zu erkennen sei, dass die angegebenen (tatsächlichen) Mietzinshöhen einzelner Mietobjekte "nie und nimmer" einem angemessenen Hauptmietzins entsprechen könnten. Vielmehr handle es sich hier zum Teil noch um "Kategoriemietzinse". Wäre das Bundesfinanzgericht seiner Verpflichtung zur amtswegigen Sachverhaltsermittlung nachgekommen und hätte es der Revisionswerberin Parteiengehör gewährt, hätte es festgestellt, dass sich die handschriftlichen Vermerke auf den Zinslisten lediglich auf die bei einer Neuvermietung maßgeblichen Mietzinskategorien bezogen hätten.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verfahrensakten durch das Bundesfinanzgericht und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch das belangte Finanzamt erwogen:

12 Die Revision ist im Rahmen der zu den Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorgebrachten Verfahrensmängel zulässig und begründet.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Vorerkenntnis ausgesprochen, dass allgemein gehaltene Hinweise auf befürchtete zeitliche Verzögerungen bei der Durchführung noch als notwendig erachteter Ermittlungen durch den unabhängigen Finanzsenat selbst nicht genügten, um die Zurückverweisung der Sache an das belangte Finanzamt, vor allem die dazu erforderliche Ermessensentscheidung, gesetzmäßig zu begründen. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof auch "im Übrigen" auf das Vorbringen in der Amtsbeschwerde zu aktenkundigen Zinslisten mit den nach Ansicht des Finanzamts notwendigen Informationen zu den Mietzinsen verwiesen.

14 Im fortgesetzten Verfahren hat das Bundesfinanzgericht nur (ohne die noch im Bescheid vom für erforderlich gehaltenen Erhebungen) aufgrund der in den Verfahrensakten einliegenden Zinsliste die Feststellung getroffen, dass es zum in der bewertungsgegenständlichen Liegenschaft keine Leerstehungen und Eigennutzungen gegeben habe und lediglich 10,87 % (313,03 m2) der Gesamtfläche von einer Mietzinsbeschränkung betroffen seien, die bei der Ermittlung der Kürzung nach § 53 Abs. 7 lit. a BewG 1955 berücksichtigt werden müssten.

15 Das Bundesfinanzgericht hat sich dabei offenkundig auf die handschriftlichen Anmerkungen am linken Rand der Zinsliste ("a HMZ", "Kat", "RW") gestützt, ohne auf die übrigen Angaben in der Zinsliste einzugehen und die sich daraus ergebenden Ungereimtheiten aufzuklären. So hätten - worauf die Revision zu Recht verweist - die gravierenden Unterschiede zwischen den in der Zinsliste ausgewiesenen Mietzinsen für die einzelnen Mietobjekte für das Bundesfinanzgericht Anlass für weitere Erhebungen sein müssen, um abzuklären, ob für diese Mietobjekte zum tatsächlich ein "angemessener Hauptmietzins" bezahlt wurde. Auch legt das Bundesfinanzgericht beispielsweise nicht dar, weshalb in der Zinsliste handschriftlich neben den Wohnungen Top 24, 25 und 27 "a HMZ" vermerkt ist, bei diesen aber eine "Leerstehung" ausgewiesen ist.

16 Soweit in der Revisionsbeantwortung vorgebracht wird, das Bundesfinanzgericht sei im fortgesetzten Verfahren an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes zur fehlenden Notwendigkeit weiterer Ermittlungen gebunden gewesen und es habe deshalb nur die aktenkundigen Zinslisten seiner Entscheidung zugrunde zu legen gehabt, verkennt das belangte Finanzamt, dass der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis lediglich die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz als nicht gesetzmäßig begründet beurteilt (und in keiner Weise über die Maßgeblichkeit der "aktenkundigen Zinslisten" abgesprochen) hat.

17 Zwar weist das Finanzamt in der Revisionsbeantwortung zu Recht darauf hin, dass die in den Akten einliegenden Zinslisten von der Revisionswerberin selbst im Verfahren vorgelegt wurden. Da sich aus diesen die Zuordnung der einzelnen Mietobjekte der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft zu den einzelnen Mietzinskategorien aber nicht zweifelsfrei ergibt, hätte das Bundesfinanzgericht der Revisionswerberin im fortgesetzten Verfahren Gelegenheit geben müssen, dazu Stellung zu nehmen. Die Revisionswerberin hätte in diesem Fall die Möglichkeit gehabt, das Revisionsvorbringen, wonach es sich bei den handschriftlichen Anmerkungen um die bei einer Neuvermietung maßgeblichen Mietzinskategorien handle, im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht zu erstatten. Dem Vorbringen der Revisionswerberin steht daher, entgegen der vom Finanzamt in der Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht, nicht das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu berücksichtigende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) entgegen.

18 In diesem Zusammenhang hätte das Bundesfinanzgericht insbesondere auch auf den in den Verwaltungsakten einliegenden Aktenvermerk des Finanzamts zum telefonischen Vorhalt vom eingehen müssen und abzuklären gehabt, welche Unterlagen das Finanzamt tatsächlich abverlangt hat. So ist dem Aktenvermerk u.a. der Hinweis: "Beachtung der Neuvermietungen! (nach Freiwerden von Mietobjekten mit Altmiete)" zu entnehmen, sodass das Vorbringen der Revisionswerberin, wonach es sich bei den handschriftlichen Anmerkungen um die zukünftige Vermietungsmöglichkeit handle, nicht von vornherein von der Hand zu weisen ist. Auch das Begleitschreiben der Revisionswerberin vom zur Vorlage der Zinsliste enthält keinen eindeutigen Hinweis darauf, dass es sich bei den handschriftlichen Anmerkungen um die Angabe handelt, "ob für die einzelnen Wohnungen, Büros oder Geschäftsflächen ein angemessener Hauptmietzins, eine Kategoriemiete oder eine Richtwertmiete zur Zahlung gelange", wie dies das Bundesfinanzgericht in der Sachverhaltswiedergabe im angefochtenen Erkenntnis ausführt.

19 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, sodass es gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben war.

20 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am