VwGH vom 28.04.2011, 2009/16/0135
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Finanzamts Freistadt Rohrbach Urfahr gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. RV/0840- L/05, betreffend Schenkungssteuer (mitbeteiligte Partei: P R), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Notariatsakt vom hat der Vater der Mitbeteiligten an diese 10% der Kommanditanteile an der "G GesmbH Co KG", an die Schwester der Mitbeteiligten die restlichen 90% der Kommanditanteile übertragen. Zudem hat der Vater der Mitbeteiligten die Miteigentumsanteile, mit denen Wohnungseigentum am Geschäftslokal, in dem das Unternehmen der KG ("H") betrieben wird, verbunden ist, je zur Hälfte der Mitbeteiligten und ihrer Schwester übertragen.
Für diese Erwerbsvorgänge setzte das beschwerdeführende Finanzamt mit Bescheiden vom Grunderwerbsteuer und Schenkungssteuer in nicht bestrittener Höhe fest. Bei der Berechnung der von der Mitbeteiligten zu entrichtenden Schenkungssteuer berücksichtigte das beschwerdeführende Finanzamt gemäß § 15a Abs. 4 letzter Satz ErbStG einen Freibetrag - entsprechend dem von ihr erworbenen Anteil - mit 10% von EUR 365.000,--, somit - ohne Berücksichtigung der übertragenen Liegenschaft - einen Freibetrag in der Höhe von EUR 36.500,--.
Nach einer abweisenden Berufungsvorentscheidung des beschwerdeführenden Finanzamtes über die Berufung der Mitbeteiligten wurde die Vorlage der Berufung der Mitbeteiligten beantragt.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung Folge gegeben und den bei ihr bekämpften Bescheid aufgehoben.
Nach der - hier noch interessierenden - Begründung habe - zusammengefasst - das beschwerdeführende Finanzamt bei der Auslegung des § 15a Abs. 4 letzter Satz ErbStG nicht berücksichtigt, dass im Beschwerdefall ein Betrieb in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft geführt worden sei und die Geschäftsräumlichkeiten vom Unternehmer als Sonderbetriebsvermögen genutzt worden seien. Dieses Sonderbetriebsvermögen sei in die Berechnung des Gesamtwertes des übertragenen Betriebes einzubeziehen, weshalb der Freibetrag nicht nach dem Verhältnis der Kommanditanteile, sondern nach dem Verhältnis der Werte des gesamten übertragenen Vermögens einschließlich des Sonderbetriebsvermögens zu berechnen sei. Danach sei nicht ein Verhältnis gemäß den übertragenen Kommanditanteilen von 10 zu 90, sondern von annähernd 50 zu 50 gegeben, weshalb sich für die Mitbeteiligte ein entsprechender Freibetrag ergebe, der den Wert des unentgeltlich erworbenen Vermögens übersteige.
Schenkungssteuer sei daher nicht zu entrichten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde
wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und
eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 15a ErbStG 1955 wurde mit dem Steuerreformgesetz 2000, BGBl. I Nr. 106/1999, eingeführt und lautete auszugsweise in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung (durch BGBl. I Nr. 59/2001 erfolgte die Anpassung des Schilling-Betrags in einen Euro-Betrag):
"§15a. (1) Erwerbe von Todes wegen und Schenkungen unter Lebenden von Vermögen gemäß Abs. 2, sofern der Erwerber eine natürliche Person ist und der Geschenkgeber das 55. Lebensjahr vollendet hat oder wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen in einem Ausmaß erwerbsunfähig ist, dass er nicht in der Lage ist, seinen Betrieb fortzuführen oder die mit seiner Stellung als Gesellschafter verbundenen Aufgaben oder Verpflichtungen zu erfüllen, bleiben nach Maßgabe der Abs 3 und 4 bis zu einem Wert von 365.000 EUR (Freibetrag) steuerfrei.
(2) Zum Vermögen zählen nur
1. inländische Betriebe und inländische Teilbetriebe, die der Einkunftserzielung gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 des Einkommensteuergesetzes 1988, in der jeweils geltenden Fassung, dienen;
2. Mitunternehmeranteile, das sind Anteile an inländischen Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, wenn der Erblasser oder Geschenkgeber im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld mindestens zu einem Viertel unmittelbar am Vermögen der Gesellschaft beteiligt ist;
3. Kapitalanteile, das sind Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften, wenn der Erblasser oder Geschenkgeber im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld mindestens zu einem Viertel des gesamten Nennkapitals unmittelbar beteiligt ist.
(3) Der Freibetrag (Freibetragsteil gemäß Abs. 4) steht bei jedem Erwerb von Vermögen gemäß Abs. 2 zu, wenn Gegenstand der Zuwendung des Erblassers (Geschenkgebers) ist
Tabelle in neuem Fenster öffnen
1. | ein Anteil von mindestens einem Viertel des Betriebes, |
2. | ein gesamter Teilbetrieb oder ein Anteil des Teilbetriebes, vorausgesetzt der Wert des Teilbetriebes oder der Anteil desselben beträgt mindestens ein Viertel des gesamten Betriebes, |
3. | ein Mitunternehmeranteil oder ein Kapitalanteil in dem im Abs. 2 Z 2 und 3 angeführten Ausmaß. |
(4) Der Freibetrag steht beim Erwerb
1. eines Anteiles eines Betriebes nur entsprechend dem Anteil des erworbenen Vermögens zu;
2. eines Teilbetriebes oder eines Anteiles daran nur in dem Verhältnis zu, in dem der Wert des Teilbetriebes (Anteil des Teilbetriebes) zum Wert des gesamten Betriebes steht;
3. eines Mitunternehmeranteiles (Teil eines Mitunternehmeranteiles) oder Kapitalanteiles (Teil eines Kapitalanteiles) nur in dem Ausmaß zu, der dem übertragenen Anteil am Vermögen der Gesellschaft oder am Nennkapital der Gesellschaft entspricht;
Bei einem Erwerb durch mehrere Erwerber steht jedem Erwerber unter Berücksichtigung der Z 1 bis 3 der seinem Anteil am erworbenen Vermögen entsprechende Teil des Freibetrages zu."
Im Beschwerdefall ist ausschließlich strittig, ob - wie die belangte Behörde meint - der Wert der neben den Kommanditanteilen übertragenen Liegenschaft als Sonderbetriebsvermögen in die Berechnung des Verhältnisses der Anteile der von der Mitbeteiligten und ihrer Schwester erworbenen Vermögensteile gemäß § 15a Abs. 4 letzter Satz ErbStG einzubeziehen ist oder ob es nur auf das Verhältnis der übertragenen Kommanditanteile zueinander ankommt.
Ausgangspunkt der Überlegungen im Beschwerdefall ist die Übertragung von Kommanditanteilen zu 10% an die Mitbeteiligte und zu 90% an ihre Schwester. Kommanditanteile sind Vermögen gemäß § 15a Abs. 2 Z 2 ErbStG, also Mitunternehmeranteile. Das sind Anteile an inländischen Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, wenn der Erblasser oder Geschenkgeber im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld mindestens zu einem Viertel unmittelbar am Vermögen der Gesellschaft beteiligt ist. Der Freibetrag (Freibetragsteil) steht bei jedem Erwerb von Vermögen gemäß Abs. 2 Z 3 leg. cit. zu, wenn Gegenstand der Zuwendung des Erblassers (Geschenkgebers) ein Mitunternehmeranteil oder ein Kapitalanteil in dem im Abs. 2 Z 2 und 3 leg. cit. angeführten Ausmaß, das ist ein Anteil von mindestens einem Viertel am Vermögen der Gesellschaft, ist (§ 15a Abs. 3 Z 3 ErbStG). Der einzelne Erwerb muss demnach mindestens ein Viertel aller Mitunternehmeranteile umfassen.
Geht man zunächst davon aus, dass die übertragene Liegenschaft nicht in die Anteilsberechnung einzubeziehen ist, könnte für die Mitbeteiligte auch der vom beschwerdeführenden Finanzamt herangezogene Anteil von 10% nicht als Freibetragsteil berücksichtigt werden, weil der von ihr erworbene Mitunternehmeranteil die Mindestgröße von einem Viertel das auch den nicht übertragenen Anteil der Komplementär GesmbH enthaltenden Gesamtvermögens gar nicht erreicht hat (§ 15a Abs. 3 Z 3 ErbStG). Bei einem so geringen Anteil steht überhaupt kein Freibetrag zu.
Wendet man sich der Beantwortung der Frage nach der Berücksichtigung der Liegenschaft im gegebenen Zusammenhang zu, gibt der Gesetzeswortlaut hinreichend Auskunft:
§ 15a Abs. 2 Z 2 ErbStG umschreibt Mitunternehmeranteile als Anteile an bestimmten inländischen Gesellschaften. Solche Anteile werden - ausgehend von 100% - in einem rechnerisch zu ermittelnden Prozentsatz ausgedrückt, ohne etwas über den Wert der Anteile auszusagen. Der Wert aller Mitunternehmeranteile, woraus sich der Wert des erworbenen Mitunternehmeranteiles ergibt, muss zur Beurteilung des Umstandes, inwieweit Steuerfreiheit gemäß § 15a Abs. 1 ErbStG besteht, ermittelt werden.
Davon zu unterscheiden ist die im Beschwerdefall wesentliche Beantwortung der Frage, wie bei einem Erwerb mehrerer Anteile durch mehrere Personen die Berechnung des Verhältnisses der Freibeträge zueinander durchzuführen ist. Gemäß § 15a Abs. 4 letzter Satz ErbStG steht jedem Erwerber unter Berücksichtigung der Z 1 bis 3 der seinem Anteil am erworbenen Vermögen entsprechende Teil des Freibetrages zu; bei Mitunternehmeranteilen in dem Ausmaß, der dem übertragenen Anteil am Vermögen der Gesellschaft entspricht (Abs. 4 Z 2 leg. cit.). Der hier verwendete Begriff des Vermögens - auch an anderen Stellen in § 15a ErbStG zu finden - ist im Sinne der Aufzählung im Abs. 2 leg. cit. zu verstehen. Mitunternehmeranteile sind Vermögen in diesem Sinne (Abs. 2 Z 2 leg. cit.).
Verlangt § 15a Abs. 4 letzter Satz ErbStG eine Aufteilung des Freibetrages nach den Anteilen am erworbenen Vermögen, ist darunter im gegebenen Zusammenhang nur die tatsächlich erworbene Quote am Mitunternehmeranteil oder am Teil eines Mitunternehmeranteiles zu verstehen, auf die damit verbundenen Werte kommt es nicht an. Daher kann auch Sonderbetriebsvermögen bei dieser Aufteilung nicht nach seinem Wert berücksichtigt werden.
An dieser Beurteilung vermag auch der Hinweis in den ErläutRV zur Einführung des § 15a ErbStG (1766 BlgNR XX. GP, S 69) "Der Erwerb von Wirtschaftsgütern aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers ist begünstigt, wenn er unmittelbar mit dem Erwerb des Mitunternehmeranteils erfolgt", nichts zu ändern, weil damit nicht gesagt wird, dass Sonderbetriebsvermögen unabhängig vom Mitunternehmeranteil für den Fall der Aliquotierung des Freibetrages zu berücksichtigen ist.
Die belangte Behörde hat entgegen dieser Rechtslage die der Mitbeteiligten übertragene Liegenschaftshälfte wertmäßig in die Berechnung des von ihr erworbenen Mitunternehmeranteils einbezogen, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am