VwGH vom 27.01.2010, 2009/16/0129
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des Finanzamtes Salzburg-Land, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom , GZ. RV/0481-S/07, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Juli 2003 bis Juni 2006 (mitbeteiligte Partei: J N in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Rückforderung für die Monate Juli 2003 bis April 2004 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im Übrigen (Rückforderung für die Monate Mai 2005 bis Juni 2006) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt vom Mitbeteiligten, einem Staatsangehörigen des Kamerun, Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge gemäß § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG zurück, welche der Mitbeteiligte für seinen am geborenen Sohn R. für den Zeitraum Juli 2003 bis Juni 2006 bezogen hatte. Der Mitbeteiligte und seine Familie hätten nur eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung bis zum Abschluss des Asylverfahrens in Österreich, weshalb kein Anspruch auf Familienbeihilfe für diesen Zeitraum bestanden habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde auf Grund einer Berufung des Mitbeteiligten den erwähnten Bescheid des Finanzamtes vom hinsichtlich der Monate Juli 2003 bis April 2004 und Mai 2005 bis Juni 2006 (ersatzlos) auf; im Übrigen wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.
Der Mitbeteiligte sei am illegal nach Österreich gekommen und habe am gleichen Tag einen Asylantrag gestellt. Er sei ab Mai 2006 (richtig wohl: Mai 2005) 60 Kalendermonate in Österreich aufhältig. Seine Ehefrau, ebenfalls eine Staatsangehörige des Kamerun, sei am illegal nach Österreich eingereist und habe am gleichen Tag einen Asylantrag gestellt. Der Sohn R. des Mitbeteiligten sei am in Österreich geboren. Die Asylverfahren des Mitbeteiligten, der Ehefrau des Mitbeteiligten und des gemeinsamen Sohnes R. seien noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.
Für den Zeitraum Juli 2003 bis April 2004 sei § 3 FLAG idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 367/1991 anzuwenden. Der Beschwerdeführer sei seit "Asylwerber, sodass er den Status eines Flüchtlings im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom , BGBl. Nr. 55/1955, und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974," gehabt habe. Daher habe er für den Zeitraum Juli 2003 bis April 2004 Anspruch auf Familienbeihilfe.
Für den Zeitraum ab Mai 2004 sei § 3 FLAG in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, anzuwenden. Da der Mitbeteiligte keiner Beschäftigung nachgegangen sei, sich von Mai 2004 bis April 2005 noch nicht 60 Monate ständig im Bundesgebiet aufgehalten habe und ihm auch nicht Asyl gewährt worden sei, bestehe für diese Monate kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Da sich der Mitbeteiligte ab Mai 2005 (nunmehr) 60 Monate ständig im Bundesgebiet aufhalte, habe er für den Zeitraum ab Mai 2005 Anspruch auf Familienbeihilfe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde, soweit die Zeiträume Juli 2003 bis April 2004 und Mai 2005 bis Juni 2006 betroffen sind.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG haben Personen unter in dieser Bestimmung festgelegten Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder.
§ 3 FLAG idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 367/1991 lautet:
"§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt.
(2) Abs. 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens 60 Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und für Flüchtlinge im Sinne des Art. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom , BGBl. Nr. 55/1955, und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974.
(3) Ist der Elternteil, der den Haushalt überwiegend führt (§ 2a Abs. 1), nicht österreichischer Staatsbürger, genügt für dessen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn der andere Elternteil österreichischer Staatsbürger ist oder die Voraussetzungen nach Abs. 1 oder 2 erfüllt."
Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a EStG 1988 in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 59/2001 steht einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 50,90 Euro für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes anzuwenden.
§ 3 Abs. 2 FLAG idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 367/1991 stellt nicht auf das Vorliegen eines Bescheides über die Zuerkennung von Asyl ab. Das Fehlen eines Bescheides über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft allein reicht nicht aus, einem Antragsteller die Flüchtlingseigenschaft für Zwecke des Familienlastenausgleiches zu versagen. Daher hat die diese Bestimmung anwendende Abgabenbehörde selbständig materiell zu prüfen, ob der betreffenden Person Flüchtlingseigenschaft zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/15/0051, VwSlg 7.940/F).
Die belangte Behörde hat bei der davon ausgehend von ihr vorzunehmenden materiellen Prüfung allein aus dem Stellen eines Asylantrages bereits abgeleitet, dass dem Mitbeteiligten Flüchtlingseigenschaft zukomme, und damit allerdings die Rechtslage verkannt. Die belangte Behörde hätte angesichts des offenen Asylverfahrens die Entscheidung über die Berufung gemäß § 281 BAO aussetzen können. Andernfalls hätte sie die Rechtsfrage der Flüchtlingseigenschaft des Mitbeteiligten anhand von Sachverhaltsfeststellungen zu beantworten gehabt, die sie ausgehend von einem Vorbringen des Mitbeteiligten, zu dem er aufzufordern gewesen wäre, nach eigenen Erhebungen und im Ergebnis einer von ihr vorzunehmenden Beweiswürdigung zu treffen gehabt hätte.
Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er die Monate Juli 2003 bis April 2004 betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Umfang der Anfechtung des angefochtenen Bescheides erstreckt sich nicht auf die Monate Mai 2004 bis April 2005.
Soweit die Beschwerde die Monate ab Mai 2005 betrifft, gleicht der vorliegende Beschwerdefall jenem die Ehefrau des Mitbeteiligten und den gemeinsamen Sohn J. betreffenden Beschwerdefall, den der Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/16/0128, entschieden hat. Aus den Gründen jenes Erkenntnisses, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, war auch die vorliegende Beschwerde, soweit sie den Zeitraum ab Mai 2005 betrifft, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am