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VwGH vom 22.11.2012, 2011/23/0524

VwGH vom 22.11.2012, 2011/23/0524

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landesgerichtsstraße 18/1/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1320/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im Alter von 13 Jahren am nach Österreich ein. Er verfügte zunächst über Sichtvermerke und in der Folge über eine Aufenthaltsbewilligung.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , bestätigt durch das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3, 148 zweiter Fall, § 15 StGB sowie wegen des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt, wobei ein Strafteil in der Dauer von 16 Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Dem gerichtlichen Schuldspruch zufolge habe der Beschwerdeführer im Dezember 2000 durch die Vorspiegelung seiner Zahlungswilligkeit und -fähigkeit und durch die Verwendung gefälschter Personalausweise Angestellte bzw. Verfügungsberechtigte von Unternehmen zur Ausfolgung bzw. Freischaltung von Mobiltelefonen verleitet und dadurch diese Unternehmen am Vermögen geschädigt. Weiters habe er im November 2000 durch die Vorlage einer tatsachenwidrigen Schadensmeldung und einer tatsachenwidrigen Diebstahlsanzeige hinsichtlich eines Pkw ein Versicherungsunternehmen zur Auszahlung eines Geldbetrages in der Höhe von mindestens S 250.000,-- zu verleiten versucht. Schließlich habe er im September 2000 vor einer Behörde die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung wissentlich vorgetäuscht, indem er angegeben habe, besagter Pkw sei von unbekannten Tätern gestohlen worden.

Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt. Vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht betreffend die Verurteilung vom wurde abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert. Dem gerichtlichen Schuldspruch zufolge habe der Beschwerdeführer am eine Zollbeamtin dadurch vorsätzlich am Körper verletzt, dass er ihr einen Faustschlag gegen die Brust versetzte, wodurch sie mit einem Bein gegen eine Leitplanke stieß und Prellungen am Brustkorb und am linken Oberschenkel erlitt.

Trotz dieser Straftaten wurde dem Beschwerdeführer mit ein Niederlassungsnachweis erteilt. Am heiratete der Beschwerdeführer die serbische Staatsangehörige B.

Mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB als Beteiligter gemäß § 12 dritter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr rechtskräftig verurteilt. Vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht betreffend die Verurteilung vom wurde abgesehen. Dem gerichtlichen Schuldspruch zufolge habe der Beschwerdeführer im Juni 2005 zur Ausführung der Veruntreuung eines Geldbetrages in der Höhe von über EUR 12.000,-- dadurch beigetragen, dass er zunächst zusagte, zwecks Verschleierung der Tat einen Überfall zu fingieren, sodann einen Dritten damit beauftragte und in der Folge den veruntreuten Geldbetrag für den Haupttäter verwahrte.

Im Hinblick auf die dargestellten Verurteilungen erließ die Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten rechtskräftig verurteilt, weil er am einem Dritten durch das Versetzen von Schlägen eine Platzwunde, eine Schwellung und Schürfwunden zugefügt habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung keine Folge und bestätigte diesen mit der Maßgabe, dass das Aufenthaltsverbot für eine Dauer von zehn Jahren erlassen werde.

Im Hinblick auf die gerichtlichen Verurteilungen und das zugrunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers erachtete die belangte Behörde den in § 60 Abs. 2 Z 1 FPG normierten Tatbestand als verwirklicht und die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 60 Abs. 1 iVm § 56 FPG als gegeben. Ausgehend von der gravierenden kriminellen Energie des Beschwerdeführers würde sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet "eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit" darstellen. Dieser Schluss sei (auch) deshalb zulässig, weil der Beschwerdeführer wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung beruhe wie eine zuvor von ihm begangene strafbare Handlung, zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden sei.

In Ansehung des § 66 FPG verwies die belangte Behörde auf den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit Mitte 1991. Er verfüge über familiäre Bindungen zu seinen Eltern und drei Geschwistern, die - bis auf einen Bruder - alle die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen würden, sowie zu seiner Ehegattin und zwei gemeinsamen Kindern. Laut seinen eigenen Angaben habe er in Österreich fünfeinhalb Jahre die Schule besucht. Die belangte Behörde anerkannte daher einen massiven Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben des Beschwerdeführers, sie erachtete die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen) aber dennoch als dringend geboten. Angesichts des wiederkehrenden strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers, der seine von hoher krimineller Energie gekennzeichneten Straftaten in regelmäßigen Abständen und zum Teil auch gewerbsmäßig begangen habe, könne keinesfalls eine Verhaltensprognose zu seinen Gunsten gestellt werden. Im Hinblick darauf, dass er nur mit Unterbrechungen und bei ständig wechselnden Arbeitgebern einer Beschäftigung nachgegangen sei, relativiere sich auch seine berufliche Integration. Den somit geschmälerten privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stünden die hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen, insbesondere an der Einhaltung der strafrechtlichen Normen, gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers (und seiner Familie) keinesfalls schwerer wiegen würden als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.

Im Hinblick auf die Art und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten könne sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet auch unter Berücksichtigung seiner familiären Situation im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens nicht in Kauf genommen werden. Hinsichtlich der Dauer des Aufenthaltsverbotes erschien der belangten Behörde eine Befristung von zehn Jahren als ausreichend. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer wiederholt Vermögensdelikte begangen und auch vor körperlicher Gewalt nicht zurückgeschreckt habe, könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes aber nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Juni 2009 geltende Fassung.

Der Beschwerdeführer bestreitet die dargestellten gerichtlichen Verurteilungen nicht, er wendet sich aber gegen die von der belangten Behörde angenommene Gefährdungsprognose.

Dazu ist zunächst Folgendes festzuhalten: Der Beschwerdeführer verfügte ab April 2003 über einen Niederlassungsnachweis, der gemäß § 11 Abs. 1 Abschnitt C lit. a und b der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung mit Inkrafttreten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes am als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" bzw. "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" weiter galt. Ein Aufenthaltsverbot durfte gegen ihn daher nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des - im Wege des § 61 Z 2 FPG anzuwendenden - § 56 Abs. 1 FPG, der gegenüber § 60 Abs. 1 FPG ein höheres Gefährdungsmaß verlangt, erlassen werden (vgl. grundlegend zum System der abgestuften Gefährdungsprognosen im FPG das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0603).

Zwar stützte die belangte Behörde das gegenständliche Aufenthaltsverbot im Spruch ihres Bescheides lediglich auf § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 FPG. Dadurch wurde der Beschwerdeführer aber nicht in Rechten verletzt, weil die belangte Behörde in der Begründung das Vorliegen der Voraussetzungen des § 56 FPG prüfte. Diesbezüglich verwies sie zutreffend darauf, dass der Beschwerdeführer wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung beruhe wie eine zuvor von ihm begangene strafbare Handlung, zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten (nämlich im vorliegenden Fall von einem Jahr) verurteilt worden sei, womit sie der Sache nach die Voraussetzung des § 56 Abs. 2 Z 2 FPG als gegeben ansah. Sie durfte auch heranziehen, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes in regelmäßigen Abständen - zum Teil auch gewerbsmäßig - Straftaten begangen habe, wobei er sich auch durch die Verbüßung einer Haftstrafe und die offene Probezeit nicht von der Begehung eines weiteren Vermögensdeliktes abhalten ließ. Soweit der Beschwerdeführer seinen einschlägigen Rückfall im Bereich der Gewaltkriminalität als "Verteidigungshandlung" bezeichnet, ist dem zu erwidern, dass diese Darstellung in dem im Akt befindlichen Urteil vom keine Deckung findet. Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, er habe nach der Haftentlassung am sein Leben neu geordnet und keinen Kontakt mehr zu seinem "vormaligen Freundeskreis". Dazu ist allerdings anzumerken, dass die Zeit des Wohlverhaltens bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides von knapp zwei Jahren seit der Entlassung aus der Haft bzw. von etwas über eineinhalb Jahren seit der letzten Verurteilung angesichts der über einen Zeitraum von sechs Jahren immer wieder sowohl im Bereich der Gewalt- als auch der Eigentumskriminalität auftretenden Straffälligkeit des Beschwerdeführers noch als zu kurz anzusehen ist, um einen Wegfall der von ihm ausgehenden Gefahr annehmen zu können. Im Hinblick darauf erachtete die belangte Behörde zu Recht das Vorliegen einer schweren Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit (iSd § 56 Abs. 1 FPG) als gegeben.

Der Beschwerdeführer macht hinsichtlich der Gefährdungsannahme geltend, dass die (zur Verurteilung im Jahr 2001 führenden) Vermögensdelikte im Zusammenhang mit seinen finanziellen Problemen auf Grund seines Konsums von Marihuana und seiner Automatenspielsucht zu sehen seien und dass er diese Abhängigkeiten nunmehr überwunden habe. Diesbezüglich legt er auch eine Bestätigung vom über eine (in Serbien) erhaltene Therapie, die einen stationären Aufenthalt vom 9. Juni bis zum umfasste, vor.

Damit vermag der Beschwerdeführer die Gefährdungsannahme der belangten Behörde jedenfalls nicht in Zweifel zu ziehen. Selbst wenn zwischen den Abhängigkeiten des Beschwerdeführers und seiner Straffälligkeit ein Konnex bestanden haben sollte, ergibt sich nämlich schon aus der vorgelegten Bestätigung, dass die diesbezügliche Therapie noch nicht abgeschlossen ist.

Der Beschwerdeführer wendet sich darüber hinaus noch gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung. Er verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf seinen ca. achtzehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet sowie auf die familiären Bindungen zu seinen Eltern, seinen Geschwistern, seiner Ehefrau und den zwei gemeinsamen Kindern.

Die belangte Behörde hat die lange Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie seine familiären Bindungen bei ihrer - entgegen der Beschwerdeauffassung ausreichend begründeten - Interessenabwägung aber ohnehin berücksichtigt und ausgehend davon einen massiven Eingriff in sein Privat- und Familienleben zugestanden. Sie stellte diesen persönlichen Interessen aber zu Recht das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen der vorliegenden Art gegenüber.

Auch wenn dem Beschwerdeführer zuzugestehen ist, dass seine berufliche Integration angesichts seiner Beschäftigungszeiten (er bringt diesbezüglich vor, in den 14 Jahren seiner Berufstätigkeit lediglich zwölf Monate - davon vier Monate aus gesundheitlichen Gründen - nicht gearbeitet zu haben) nicht ohne weiteres als relativiert angesehen werden kann, führen auch die beruflichen Bindungen letztlich nicht zu einer entscheidungserheblichen Verstärkung seines Interesses an einem Verbleib im Bundesgebiet.

Zusammenfassend ist es daher nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde kein Überwiegen des persönlichen Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem großen öffentlichen Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes annahm und somit die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter Ziele (hier zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen der vorliegenden Art) als dringend geboten erachtete. Die mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Auswirkungen auf das Privat- und Familienleben sind im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am