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VwGH vom 25.04.2017, Ro 2016/01/0005

VwGH vom 25.04.2017, Ro 2016/01/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching und Mag. Brandl sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des F K in I, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W117 2112729-2/2E, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Umstände der Anhaltung gemäß BFA-VG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Niederösterreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im August 2015 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag wurde der Revisionswerber um

8.30 Uhr gemäß § 40 Abs. 2 BFA-VG festgenommen und bis 13.47 Uhr in der Polizeiinspektion Traiskirchen EASt angehalten.

2 Mit Schriftsatz vom brachte der Revisionswerber gegen die Festnahme am , die Anhaltung von 08.30 Uhr bis 13.47 Uhr und die Umstände der Anhaltung eine auf § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 BFA-VG sowie Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützte Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein.

3 Mit Beschluss vom leitete das BVwG die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Umstände der Anhaltung richtete, gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) weiter. Das LVwG rückübermittelte die Beschwerde formlos mit Schreiben vom unter Hinweis auf die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Z 3 BVA-VG und die Rechtsansicht, dass die Beschwerdegründe in die Zuständigkeit des BVwG fielen.

4 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das BVwG die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Umstände der Anhaltung richtet, gemäß §§ 5, 7 BFA-VG und § 88 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) wegen Unzuständigkeit zurück und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

5 Begründend führte das BVwG aus, die Maßnahmenbeschwerde betreffend die Modalitäten der Anhaltung des Revisionswerbers im Rahmen seiner Festnahme gemäß § 40 BFA-VG falle in die Zuständigkeit des LVwG Niederösterreich. Gemäß § 5 BFA-VG obliege der Vollzug der Anhaltung eines Fremden nach § 40 BFA-VG der Landespolizeidirektion, in deren Sprengel sich der Fremde aufhalte. Damit solle klargestellt werden, dass diese Vollzugsaufgaben nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) fielen. Da es sich um eine der Landespolizeidirektion zurechenbare Maßnahme handle, sei das BVwG zur Behandlung der gegen sie erhobenen Beschwerde unzuständig.

Soweit die Beschwerde die über die Dauer der Anhaltung hinausgehenden Umstände der Anhaltung rüge, liege eine Beschwerde gemäß § 88 SPG vor, wofür das LVwG Niederösterreich zuständig sei. Deshalb sei die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Modalitäten der Anhaltung richte, als Beschwerde gemäß § 88 SPG nach § 6 AVG iVm § 17 VwGVG zuständigkeitshalber an das LVwG Niederösterreich weiterzuleiten. Da das LVwG Niederösterreich seine Zuständigkeit verneint habe, sei ein entsprechender Beschluss zu fällen.

Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil zur Rechtsfrage der Zuständigkeit für Beschwerden hinsichtlich der Anhaltemodalitäten nach erfolgter Festnahme gemäß BFA-VG Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.

6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende ordentliche Revision. In der von ihr erstatteten Revisionsbeantwortung teilte die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde die vom Revisionswerber zur Zuständigkeit vertretene Rechtsansicht.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen zulässige - Revision erwogen:

8 Gemäß § 40 Abs 2 BFA-VG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Asylwerber oder Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor das BFA festzunehmen, unter anderem wenn dieser Fremde nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist (Z 1). Der Vollzug der Anhaltung eines Fremden gemäß § 40 BFA-VG obliegt gemäß § 5 BFA-VG der Landespolizeidirektion, in deren Sprengel sich der Fremde aufhält.

9 Die Zuständigkeit zur Entscheidung über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teils des BFA-VG (dazu gehören die Anhaltungen nach § 40 Abs. 2 BFA-VG) kommt gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG dem BVwG zu.

10 Das gilt - wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ro 2016/21/0016, betreffend eine Beschwerde gegen die Modalitäten der Abschiebung nach § 46 FPG, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat - auch insoweit, als sich eine Beschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht (nur) gegen die Maßnahme als solche, sondern gegen deren Modalitäten richtet. § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG sieht gerade für "allgemeine" Maßnahmenbeschwerden eine Zuständigkeit des BVwG vor; es gibt keinen Grund, diese Regelung nur auf Beschwerden gegen die Maßnahmen als solche und nicht auch auf Beschwerden gegen die Modalitäten ihrer Durchführung zu beziehen. Allerdings können die Modalitäten der Durchführung einer anderen Behörde anzurechnen sein als die Maßnahme als solche, sodass im Verfahren vor dem BVwG jeweils unterschiedliche belangte Behörden zu bezeichnen und beizuziehen wären (vgl. oben zitiertes hg. Erkenntnis Ro 2016/21/0016 sowie hg. Erkenntnis vom , Ra 2016/18/0335). Entgegen den Ausführungen des BVwG lässt sich die von ihm im angefochtenen Beschluss zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Schubhaftbeschwerde nach §§ 82 f FPG (alt) auf die nunmehr geltende Rechtslage nicht übertragen.

11 Hinsichtlich der Angelegenheiten unter anderem des 1. Hauptstücks des 2. Teils des BFA-VG ist die Zuständigkeit des BFA - einer Bundesbehörde - zur Vollziehung vorgesehen (vgl. insbesondere § 3 Abs. 1 Z 1 und 3 BFA-VG). Diese Angelegenheiten werden demnach in unmittelbarer Bundesverwaltung vollzogen. Bei der Durchführung einzelner vom BFA angeordneter bzw. diesem zuzurechnender Maßnahmen - wie etwa Anhaltungen nach § 40 BFA-VG - durch die Landespolizeidirektionen (vgl. § 5 BFA-VG) handelt es sich um eine Vollziehung in unmittelbarer Bundesverwaltung. Die Landespolizeidirektionen - bei denen es sich um Bundesbehörden im organisatorischen Sinn handelt - werden bei der Vollziehung von Angelegenheiten unter anderem des 1. Hauptstücks des 2. Teiles des BFA-VG nach dem Willen des Gesetzgebers nicht im Rahmen der Sicherheitsverwaltung tätig. Ausgehend davon kommt in diesen Angelegenheiten - entgegen der Meinung des BVwG - auch nicht § 88 Abs. 1 SPG als Rechtsgrundlage für eine an das Landesverwaltungsgericht zu richtende Maßnahmenbeschwerde gegen eine Landespolizeidirektion in Betracht (vgl. oben zitiertes hg. Erkenntnis Ro 2016/21/0016).

12 Das BVwG ist daher für die Entscheidung über die Maßnahmenbeschwerde des Revisionswerbers auch insoweit zuständig, als sie sich gegen die Modalitäten der Anhaltung gemäß § 40 Abs. 2 BFA-VG richtet.

13 Der angefochtene Zurückweisungsbeschluss erweist sich somit als verfehlt und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

14 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am