VwGH vom 24.05.2016, Ro 2016/01/0001

VwGH vom 24.05.2016, Ro 2016/01/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching und die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision der revisionswerbenden Parteien 1. R B, 2. K L,

3. A L, 4. B L, alle in W, alle vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, gegen die je am mündlich verkündeten und am schriftlich ausgefertigten Erkenntnisse, 1) Zl. W151 2117713-1/11E, 2) Zl. W151 2117714-1/11E, 3) Zl. W151 2117715-1/11E, 4) Zl. W151 2117716-1/11E, des Bundesverwaltungsgerichts, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Asylangelegenheit (belangte Behörde: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien sind afghanische Staatsangehörige und Mitglieder einer Familie. Die erst- und zweitrevisionswerbenden Parteien sind Ehegatten, die dritt- und viertrevisionswerbenden Parteien deren Kinder.

2 Am beantragten die revisionswerbenden Parteien internationalen Schutz; sie wurden am zum Asylverfahren in Österreich zugelassen.

3 Die belangte Behörde entschied über diese Anträge in weiterer Folge nicht. Am brachten die revisionswerbenden Parteien Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerden) ein.

4 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht die Säumnisbeschwerden gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG ab (A.) und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig (B.).

5 In seiner Begründung führte es zusammengefasst aus, die revisionswerbenden Parteien treffe kein Verschulden an der Verfahrensverzögerung. Weiters sei klarzustellen, dass eine zu geringe personelle Besetzung einer Behörde gewöhnlich das Verschulden an der Verzögerung der Verfahrensführung nicht ausschließe. Die Verzögerung in der Erledigung der Anträge sei jedoch nicht auf ein überwiegendes Verschulden der belangten Behörde sondern auf von dieser unbeeinflussbare und unüberwindliche Hindernisse zurückzuführen.

6 In Österreich seien deutlich erhöhte Antragszahlen im Bereich des Asylrechts festzustellen: im Jahr 2013 hätten 17.053, im Jahr 2014 bereits 28.027 Fremde einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt; im Jahr 2015 seien bis Ende Oktober 68.631 Anträge gestellt worden, das seien um 288,57 % mehr als im Jahr 2014, das seinerseits um 60,1% mehr Anträge als das Jahr 2013 aufweise.

7 Aus diesem Grund sei es zu einer erheblichen Mehrbelastung der belangten Behörde gekommen; diese Mehrbelastung habe zu erheblichen, auch in anderen Verfahren zu beobachtenden Verzögerungen geführt.

8 Aus der Stellungnahme der belangten Behörde (vom ) gehe klar hervor, dass gerade die - von den revisionswerbenden Parteien geforderten - Maßnahmen, wie Neueinstellung und Schulung von Personal, erfüllt worden seien. Die belangte Behörde sei jährlich für 15.750 asylrechtliche und

13.500 fremdenrechtliche Entscheidungen, 5.200 Entscheidungen über Aufenthaltstitel, 2.300 Abschiebungen, 10.800 Ausstellungen von Dokumenten und 5.450 Kostenentscheidungen eingerichtet; dieses Entscheidungsvolumen sei im Hinblick auf die Antragszahlen vor der Einrichtung der belangten Behörde mit nachvollziehbar und hinreichend. Auch habe die belangte Behörde bereits zu Beginn der zweiten Jahreshälfte 2014 eine Personalaufstockung beantragt und seien noch 2014 erste Personalerweiterungsmaßnahmen gesetzt worden. Dennoch habe sich schon 2014 ein Rückstau von 12.000 Asylverfahren aufgebaut. Da sich die Antragszahlen 2015 weiter erhöht hätten, seien der belangten Behörde ab 2016 weitere 125 Planstellen zugewiesen sowie 75 Arbeitsplätze eingerichtet worden. Es dürfe nicht übersehen werden, dass in einem derart sensiblen Bereich wie dem Fremden- und Asylwesen ungeschulte Mitarbeiter nicht einsetzbar seien bzw. die eingesetzten Mitarbeiter einer besonderen Schulung bedürften.

9 Aus einer Zusammenschau der - in dieser Höhe nicht zu erwartenden - Steigerung der Asylantragszahlen sowie der nachvollziehbaren und an die bisherige Situation hinreichend angepassten Organisation des Bundesamtes sei zu schließen, dass der seit etwa September 2014 im Wesentlichen andauernde, erhebliche Zustrom von Asylwerbern, die die belangte Behörde nicht nur administrativ zu betreuen sondern im Rahmen der Grundversorgung auch unterzubringen habe, ein unbeeinflussbares und unüberwindliches Hindernis darstelle, das die Sachverhaltsfeststellungen in einer Anzahl von Verfahren verhindert habe. Die belangte Behörde treffe daher an der Verfahrensverzögerung der Erledigung der gegenständlichen Anträge "keine Schuld".

10 Zur Zulässigkeit der Revision führte das Verwaltungsgericht aus: Zwar habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Frage, ob die Behörde in einem konkreten Fall ein überwiegendes Verschulden an der Verzögerung der Verfahrenserledigung im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG treffe, keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG betreffe (Hinweis auf den hg. Beschluss vom , Ra 2014/06/0057). Die Frage, ob eine Massenfluchtbewegung für die belangte Behörde eine Grundlage darstelle, davon auszugehen, dass kein überwiegendes Verschulden an der Verzögerung der Verfahrenserledigung vorliege, scheine aber eine größere Anzahl von Verfahren zu betreffen. Dazu gebe es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

11 Gegen diese Erkenntnisse richtet sich die vorliegende Revision. Die Bundesministerin für Inneres erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Abweisung der Revision beantragte.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen zulässige - Revision erwogen:

13 § 73 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG lautet auszugsweise:

" § 73. (1) Die Behörden sind verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. ...

(2) ..."

14 § 8 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, lautet:

" Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde

§ 8. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(2) In die Frist werden nicht eingerechnet:

1. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

2. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union."

15 Die Revision führt zusammengefasst aus, dass weder von der belangten Behörde noch vom Verwaltungsgericht dargelegt worden sei, in welcher Weise der gegenständliche Fall von der Überlastung der belangten Behörde betroffen sei bzw. warum andere Fälle vorgezogen worden seien. Eine andere Möglichkeit als die Säumnisbeschwerde, Bewegung in die Bearbeitung eines Asylantrags zu bringen, sei nicht vorgesehen. Die Säumnisbeschwerde sei daher ein unabdingbares Mittel um eine Bearbeitung eines Antrags herbeizuführen. Eine "Fristsetzung" zur Erledigung der Asylanträge entbehre einer nachvollziehbaren Grundlage und würde andere Asylwerber benachteiligen und dazu zwingen, routinemäßig den Verwaltungsgerichtshof anzurufen, um die konkrete Entscheidungsfrist in Erfahrung zu bringen. Tatsächlich sei die Verfahrensdauer für Asylwerber gegenwärtig ein Glücksspiel, manche Verfahren seien in wenigen Wochen abgeschlossen, andere benötigten Jahre, ohne dass zwischen den einzelnen Fällen für Außenstehende ein Unterschied erkennbar wäre. Von kaum einem anderen Verfahren hingen allerdings vergleichbare Kosten in finanzieller und menschlicher Hinsicht ab. Zu bedenken sei, dass Asylwerber, solange ein Verfahren nicht abgeschlossen sei, in der Regel vom Arbeitsmarkt und Weiterbildungsmaßnahmen abgeschnitten seien, woraus auch finanzielle Schäden für Österreich abzuleiten seien. Davon abgesehen müsse die EU- und völkerrechtliche Verpflichtung Österreichs zur Aufnahme von Flüchtlingen auch unter humanitären Gesichtspunkten gesehen werden. Mit dem Ausbleiben des Abschlusses des Asylverfahrens sei auch der Familiennachzug unterbunden. Selbst wenn der Anstieg der Antragszahlen für die belangte Behörde überraschend gekommen sein mag, sei dies keine hinreichende Erklärung, warum die Behörde nicht vom Innen- und Finanzministerium mit ausreichenden Mittel ausgestattet worden sei, um die Anträge in einem angemessenen Zeitraum zu bearbeiten und den Rückstau abzuarbeiten. Jedenfalls könne keine Rede davon sein, dass ein unbeeinflussbares und unüberwindbares Hindernis in der Bearbeitung der Asylanträge vorgelegen wäre.

16 Damit zeigt die Revision keine zur Aufhebung der gegenständlichen Erkenntnisse führende Rechtswidrigkeit auf:

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat in Fällen der Verletzung der Entscheidungspflicht zur Frage des überwiegenden Verschuldens der Behörde bereits ausgesprochen, dass der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG bzw. nach § 8 Abs. 1 VwGVG nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern "objektiv" zu verstehen ist, als ein solches "Verschulden" dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/10/0063). Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ein überwiegendes Verschulden der Behörde darin angenommen, dass diese die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2012/07/0087, mwN).

18 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der allgemeine Hinweis auf die Überlastung der Behörde die Geltendmachung der Entscheidungspflicht nicht vereiteln kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2877/78, mwN).

19 Von einem bloß "allgemeinen Hinweis auf die Überlastung der Behörde" kann in der vorliegenden, spezifischen Konstellation jedoch keine Rede sein.

20 Nach den unstrittigen Feststellungen der angefochtenen Erkenntnisse ist die belangte Behörde mit einem - spätestens im Jahr 2015 in voller Intensität einsetzenden - als massenhaft zu bezeichnenden Neuanfall an Asylverfahren bzw. mit einer außergewöhnlich hohen Gesamtzahl an offenen Asyl- und Fremdenrechtsangelegenheiten konfrontiert. Die Bundesministerin für Inneres weist in der Revisionsbeantwortung ergänzend darauf hin, dass im Laufe des Jahres 2015 kontinuierlich neue "Rekordwerte" erreicht worden seien, von März bis Oktober 2015 seien die monatlichen Antragszahlen um 318% gestiegen. Schließlich seien im Jahr 2015 insgesamt 88.340 Asylanträge in Österreich gestellt worden.

21 In diesem Zusammenhang ist weiters darauf zu verweisen, dass nach der jüngst erfolgten, am im Bundesgesetzblatt kundgemachten, Änderung des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 24/2016, dessen § 19 folgender Absatz 6 angefügt wurde:

"(6) Das Bundesverwaltungsgericht kann in einem Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) das Bundesamt mit der Einvernahme des Asylwerbers beauftragen."

Weiters wurde in § 22 folgender Absatz 1 eingefügt:

"(1) Abweichend von § 73 Abs. 1 AVG ist über einen Antrag auf internationalen Schutz längstens binnen 15 Monaten zu entscheiden". Gemäß dem neu eingefügten Abs. 15 des § 73 AsylG 2005 treten diese Änderungen mit in Kraft und tritt der neue § 22 Abs. 1 mit Ablauf des außer Kraft.

In den Gesetzesmaterialien (AB 1097 BlgNR, 25. GP, S. 7 f) wird

dazu ausgeführt:

"§ 19 Abs. 6:

Ist ein Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) anhängig, ist es vor dem Hintergrund der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Verwaltung sowie dem aktuellen Migrationsgeschehen bestehenden quanititativen Herausforderungen für das BVwG gerechtfertigt, dass das BVwG bei Säumnisbeschwerden das Bundesamt mit gewissen Ermittlungsschritten betrauen kann. Gemäß dem neuen Abs. 6 ist daher vorgesehen, dass das BVwG - im Rahmen des Säumnisverfahrens -

das Bundesamt mit der Einvernahme des Asylwerbers beauftragen kann, um zu vermeiden, dass das Gericht im Säumnisfalle Verfahren ohne eine Einvernahme des Bundesamtes gem. § 19 Abs. 2 zu führen hat.

§§ 22 Abs. 1, 73 Abs. 15 und 75 Abs. 24:

Verfahren über Anträge auf internationalen Schutz sind entsprechend allgemeinen verwaltungsrechtlichen Vorschriften grundsätzlich binnen sechs Monaten abzuschließen (§ 73 Abs. 1 AVG). Gemäß § 73 Abs. 1 AVG kann in den Verwaltungsvorschriften anderes bestimmt werden. Art. 31 der Richtlinie 2013/32/EU zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung) (Verfahrens-RL) sieht für bestimmte Fälle bzw. bei Vorliegen besonderer Umstände die Möglichkeit vor, eine deutlich längere Entscheidungsfrist vorzusehen.

Gemäß Art. 31 Abs. 3, 2. Unterabsatz b der Verfahrens-RL können die Mitgliedstaaten die Sechsmonatsfrist um höchstens neun weitere Monate verlängern, wenn eine große Anzahl von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gleichzeitig internationalen Schutz beantragt, so dass es in der Praxis sehr schwierig ist, das Verfahren innerhalb der Frist von sechs Monaten abzuschließen. In ausreichend begründeten Fällen kann entsprechend Art. 31 Abs. 3, 3. Unterabsatz Verfahrens-RL diese Frist um weitere drei Monate verlängert werden, wenn dies zur angemessenen und vollständigen Prüfung des Antrages erforderlich ist.

Im Jahr 2015 hat sich die Anzahl an Anträgen auf internationalen Schutz im Vergleich zum Vorjahr mit rund 90.000 Anträgen verdreifacht. Insbesondere im zweiten Halbjahr 2015 hat die Anzahl der Anträge pro Monat oftmals deutlich über 10.000 betragen; im Jahr 2014 schwankten die monatlichen Antragszahlen hingegen zwischen 1.500 bis - zu Jahresende - maximal rund 4.200. Im Jahr 2015 traf das Bundesamt mit 36.227 Statusentscheidungen nach dem Asylgesetz bereits doppelt so viele Entscheidungen wie im Jahr 2014. Dies konnte insbesondere durch eine Personalaufstockung von 206 neuen Mitarbeitern ermöglicht werden. Unbeschadet dieser Personalaufstockung hat sich aufgrund des starken Zustroms Schutzsuchender im Jahr 2015 die Anzahl an offenen Verfahren mehr als verdoppelt (31.000 offene Asylverfahren zu Beginn des Jahres 2015 im Vergleich zu 80.000 offene Asylverfahren Ende Februar 2016). Die Abarbeitung dieser Verfahren bedarf daher trotz der erfolgten Personalaufstockung bereits aus derzeitiger Sicht jahrelanger Arbeit, weshalb ein erneuter Zustrom Schutzsuchender in einem vergleichbaren Ausmaß den bestehenden ‚Rückstau' an Asylverfahren weiter verstärken würde. Vor diesem Hintergrund und den allgemeinen organisatorischen Rahmenbedingungen wie etwa die Personalausstattung und die zur Verfügung stehenden nichtamtlichen Dolmetscher kann daher eine Entscheidung innerhalb von sechs Monaten nicht gewährleistet werden.

Somit liegt derzeit ein Anwendungsfall des Art. 31 Abs. 3,

2. Unterabsatz b der Verfahrens-RL vor und wird vorübergehend die maximale Entscheidungsfrist auf insgesamt 15 Monate verlängert. Es handelt sich hierbei aber um eine Entscheidung im Einzelfall, so dass auch im Sinne des Erwägungsgrunds Nr. 19 der Verfahrens-RL die Flexibilität besteht, bestimmte Verfahren prioritär zu führen.

...

Die Regelung wird befristet für zwei Jahre eingeführt; die Belastung für das Bundesamt wird entsprechend den Prognosen für 2016 und der Erledigung der bis dahin anfallenden Verfahren für diesen Zeitraum jedenfalls den angeführten Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 3, 2. Unterabsatz b Verfahrens-RL entsprechen.

Durch die Verlängerung der Entscheidungsfrist wird auch sichergestellt, dass der Rechtschutz vollumfänglich gewährleistet werden kann, während im Fall der Säumnis und der Entscheidung durch ein Verwaltungsgericht eine Entscheidungsebene des Verfahrens entfällt. Die Verpflichtung der Behörden, entsprechend ihren Möglichkeiten rasch, d.h. ohne unnötigen Aufschub, zu entscheiden, wird davon nicht berührt."

22 Demnach geht auch der Gesetzgeber davon aus, dass infolge des starken Zustroms Schutzsuchender im Jahr 2015 "eine Entscheidung innerhalb von sechs Monaten nicht gewährleistet werden kann" und hat deshalb die Verlängerung der Entscheidungsfrist (auf 15 Monate) für geboten erachtet. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Verpflichtung der Behörden, entsprechend ihren Möglichkeiten ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden, nicht berührt wird.

23 Die dargestellt extrem hohe Zahl an Verfahren stellt für die belangte Behörde - ungeachtet der vom Bund getroffenen bzw. weiterhin zu treffenden personellen Maßnahmen zur Verfahrensbewältigung - sohin unzweifelhaft eine extreme Belastungssituation dar, die sich in ihrer Exzeptionalität von sonst allenfalls bei (anderen) Behörden auftretenden, herkömmlichen Überlastungszuständen ihrem Wesen nach, und sohin grundlegend, unterscheidet.

24 Für den Verwaltungsgerichtshof ist es - auch mit Blick auf die erwähnten Gesetzesmaterialien - notorisch, dass sich in einer derartigen Situation die Einhaltung von gesetzlichen Erledigungsfristen in bestimmten Fällen als schwierig erweisen kann, zumal die Verpflichtung der belangten Behörde, dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung möglich ist, in der dargestellten Ausnahmesituation zwangsläufig an Grenzen stoßen muss.

25 Diese Ausnahmesituation unterscheidet sich sohin deutlich von den bisher vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung vorgefundenen Ausgangslagen (wie etwa im Erkenntnis vom , 2008/07/0036, wonach eine Verletzung der Organisationspflicht der Behörde darin erblickt wurde, dass sie nicht Vorsorge getroffen hatte, dass trotz der Pensionierung des zuständigen Mitarbeiters ein anderer Bearbeiter mit der Behandlung des Antrags befasst wurde).

26 Nach dem Gesagten kann dem Verwaltungsgericht daher nicht entgegen getreten werden, wenn es - wie im vorliegenden Fall, d.h. eines spätestens ab dem Jahr 2015 bei der belangten Behörde anhängig gewordenen Asylverfahrens - bei der Verschuldensbeurteilung die dargestellte außergewöhnliche Belastungssituation der belangten Behörde in besonderer Weise ins Kalkül zieht und dabei berücksichtigt, dass die Verletzung der sechsmonatigen Entscheidungsfrist alleine auf diese Belastungssituation zurückzuführen ist.

27 Das Verwaltungsgericht hat damit hinreichende Gründe für das Vorliegen unüberwindlicher, einer im Sinne des § 8 VwGVG iVm § 73 Abs. 1 AVG fristgerechten Entscheidung entgegen stehender Hindernisse dargelegt (vgl. demgegenüber etwa das hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/08/0102, sowie das erwähnte hg. Erkenntnis Ra 2015/10/0063).

28 Ausgehend von diesen Grundsätzen ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob in derartigen Fällen die belangte Behörde an der Nichteinhaltung der Erledigungsfrist ein Verschulden trifft, im Falle der Erhebung einer Säumnisbeschwerde nach § 8 VwGVG der Einzelfallbeurteilung durch das Verwaltungsgericht obliegt.

29 Der Verwaltungsgerichtshof ist nach dem Revisionsmodell hingegen nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern - diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. die mit dem Beschluss vom , Ro 2014/01/0033, beginnende, seither ständige hg. Rechtsprechung; vgl. weiters den hg. Beschluss vom , Ra 2014/06/0057, wonach die Frage, ob die Behörde in einem konkreten Fall ein überwiegendes Verschulden an der Verzögerung der Verfahrenserledigung trifft, keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung betrifft).

30 Die gegenständliche Revision erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Wien, am