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VwGH vom 24.06.2010, 2009/16/0127

VwGH vom 24.06.2010, 2009/16/0127

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der M alias M Y alias E in L, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Glawitsch, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , GZ. RV/0870- L/07, betreffend Gewährung von Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine armenische Staatsangehörige, beantragte mit einem ausgefüllten, mit datierten Formblatt "Beih 1" die Gewährung der Familienbeihilfe für ihre vier minderjährigen Kinder. Im Antragsformular führte sie an, sie sei am und ihr Ehemann, ein russischer Staatsangehöriger sei am nach Österreich eingereist.

Den vorgelegten Verwaltungsakten ist ein Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom enthalten, womit ein Asylantrag einer Tochter der Beschwerdeführerin im Instanzenzug abgewiesen wurde und aus dem sich ergibt, dass der Beschwerdeführerin, der Mutter der Bescheidadressatin, mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom "kein Asyl, aber subsidiärer Schutz (Refoulement-Verbot) erteilt" worden sei.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der Familienbeihilfe "ab Apr. 2007" mit der Begründung ab, Personen, die nicht österreichische Staatsbürger seien, hätten nach § 3 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhielten.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin mit der Begründung, ihr sei mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom subsidiärer Schutz gewährt worden, weshalb sie gemäß § 3 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 168/2006 Anspruch auf Familienbeihilfe habe, zumal sie unselbständig erwerbstätig sei und keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalte. Sie stellte "die Berufungsanträge", ihr für ihre Kinder rückwirkend ab Familienbeihilfe zu gewähren.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin "für April 2007" als unbegründet ab. Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe nach der Neuregelung der Ansprüche von Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, durch das Fremdenrechtspaket 2005, BGBl. I Nr. 100, nur mehr für die Personen, die auch zur Niederlassung in Österreich berechtigt seien, wobei diese Berechtigung nach den Bestimmungen des ebenfalls im Rahmen des Fremdenrechtspaketes 2005 erlassenen Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes erteilt werde. Die Arten und Formen der Aufenthaltstitel seien in den §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes aufgezählt.

Nach Zitierung des § 3 Abs. 4 und 5 FLAG idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 168/2006 und dem Hinweis, dass die Novellierung mit in Kraft getreten sei, führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe im Jahr 2007 bis einschließlich April 2007 Anspruch auf eine Leistung nach dem Grundversorgungsgesetz gehabt, weshalb die Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 3 Abs. 4 FLAG im April 2007 nicht vorgelegen seien.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin ersichtlich im Recht verletzt erachtet, Familienbeihilfe gewährt zu erhalten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und reichte eine Gegenschrift ein, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 - FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die dort näher genannte Voraussetzungen erfüllen.

Die Familienbeihilfe wird nach § 10 Abs. 2 FLAG vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Die Familienbeihilfe wird nach § 10 Abs. 3 leg. cit. höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt.

Die Frage, ob für einen bestimmten Anspruchszeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum ist der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruchs für ein Kind kann somit von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2009/16/0119, mwN).

Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen, zu denen auch die Familienbeihilfe zählt, ist ein zeitraumbezogener Abspruch. Ein derartiger Abspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderungen erfahren haben, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom ).

Im Antragsvordruck ist das vorgesehene Feld, ab wann die Familienbeihilfe beantragt wird, nicht ausgefüllt. Damit hat die Beschwerdeführerin die Möglichkeit einer rückwirkenden Beantragung nicht ausgeschöpft und ist - da auch im weiteren Verwaltungsverfahren bis zur Entscheidung des Finanzamtes der Antrag nach der Aktenlage nicht auf davor liegende Zeiträume ausgedehnt wurde - davon auszugehen, dass die Familienbeihilfe vom Tag der Antragstellung an begehrt wurde. Der Zeitraum, über den das Finanzamt mit Bescheid vom abzusprechen hatte, beginnt sohin mit dem Monat April 2007. Für vor diesem Zeitraum gelegene Monate sprach das Finanzamt insoweit zutreffend nicht ab.

Die Befugnis der belangten Behörde, nach § 289 BAO in der Sache selbst zu entscheiden, erstreckte sich auf die Sache des erstinstanzlichen Bescheides, nämlich auf die Zuerkennung der Familienbeihilfe für den Zeitraum ab April 2007.

Insoweit zu Recht hat die belangte Behörde daher mit dem angefochtenen Bescheid entgegen dem Antrag in der Berufung, der Beschwerdeführerin rückwirkend ab Familienbeihilfe zu gewähren, über die Gewährung der Familienbeihilfe "für April 2007" und nicht auch für davor liegende Monate entschieden. Da die belangte Behörde aber über die Berufung " für " und nicht " ab " April 2007 entschieden hat, ist den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akten zufolge die Berufung betreffend Mai 2007 und allfällige Folgemonate bis zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage demnach allerdings noch offen.

§ 3 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, lautet:

"§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens 60 Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde.

(3) Ist der Elternteil, der den Haushalt überwiegend führt (§ 2a Abs. 1), nicht österreichischer Staatsbürger, genügt für dessen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn der andere Elternteil österreichischer Staatsbürger ist oder die Voraussetzungen nach Abs. 1 oder 2 erfüllt."

§ 3 FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl. I Nr. 100, ist auf Personen, die vor dem einen Asylantrag gestellt haben und deren Asylverfahren am noch anhängig war, noch nicht anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/15/0170, und in seither ständiger Rechtsprechung etwa das erwähnte hg. Erkenntnis vom ).

Da der Asylantrag der Beschwerdeführerin vor dem gestellt wurde und das Asylverfahren noch anhängig war, ist im vorliegenden Beschwerdefall noch § 3 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes anzuwenden.

Dem Argument der belangten Behörde in der Gegenschrift, das erstmalige Vorbringen in der Beschwerde, "dass sich die Beschwerdeführerin seit dem Jahr 2001 im Asylverfahren befinde", stelle ein nach § 41 Abs. 1 VwGG unzulässiges neues Vorbringen dar, ist entgegenzuhalten, dass sich dieser Umstand bereits aus dem in den Verwaltungsakten befindlichen oben erwähnten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom eindeutig ergibt.

Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid auf die im Beschwerdefall noch nicht anzuwendende Rechtslage des § 3 FLAG idF des Fremdenrechtspaketes 2005 gestützt und sich deshalb nicht mit dem aus dem Verwaltungsverfahren ersichtlichen und im Hinblick auf § 3 Abs. 2 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes bedeutsamen Umstand auseinandergesetzt, dass die Beschwerdeführerin bereits im März 2001 nach Österreich eingereist ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am