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VwGH vom 22.06.2016, Ra 2015/12/0034

VwGH vom 22.06.2016, Ra 2015/12/0034

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, die Hofräte Dr. Zens und Dr. Pfiel, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Artmann, über die außerordentliche Revision des Bundesministers für Justiz in 1070 Wien, Museumstraße 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W106 2103347-1/8E, betreffend Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses (mitbeteiligte Partei: R N in W, vertreten durch Mag. Matthias Prückler, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Florianigasse 16/8), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Aufwandersatzbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte wurde am als Vertragsbediensteter des Justizwachdienstes für exekutivdienstliche Aufgaben des Bundesministeriums für Justiz/Justizanstalten aufgenommen. Das Dienstverhältnis wurde durch Ernennung auf eine Planstelle der Verwendungsgruppe E2b mit Wirksamkeit vom in ein provisorisches öffentlichrechtliches Dienstverhältnis übergeleitet. Seit wurde der Mitbeteiligte in der Justizanstalt Wien-Josefstadt, zuletzt im Wachzimmer, verwendet und ihm mit Wirksamkeit vom der Dienstgrad Revierinspektor als Verwendungsbezeichnung zuerkannt.

2 Mit Bescheid vom kündigte die Vollzugsdirektion als damalige Dienstbehörde das provisorische öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis zum Mitbeteiligten gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 iVm § 10 Abs. 4 Z 4 und § 42 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist mit Ablauf des auf.

3 Dies begründete die Dienstbehörde im Wesentlichen damit, dass dem Mitbeteiligten seit dem Jahr 2012 immer wieder Dienstpflichtverletzungen anzulasten gewesen seien, die eine Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses unumgänglich machten. So sei der Mitbeteiligte mit Disziplinarerkenntnis vom schuldig erkannt worden, am in Wien während der Ausübung seines Dienstes in der Justizanstalt entgegen Punkt 6.1. Vollzugsordnung (VZO) und entgegen der ausdrücklichen Untersagung der Einbringung, Lagerung und des Konsums von Alkohol durch die schriftliche Dienstanweisung der Anstaltsleitung vom sowie entgegen der mündlichen Weisung der Anstaltsleitung in einer Dienstbesprechung, wo mit Wirkung vom die Ausgabe von alkoholischen Getränken in der Beamtenkantine untersagt wurde (Alkoholverbot), verstoßen zu haben, indem er während der Dienstzeit mehrere Gläser mit Wein vermischtes Coca Cola zu sich genommen und um etwa etwa 09.45 Uhr eine Alkoholisierung von 0,34 mg/l Atemluftalkohol aufgewiesen habe. Er habe dadurch gegen seine Verpflichtung verstoßen, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch und mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen sowie in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe und dadurch Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 1 und 2 sowie § 44 Abs. 1 BDG 1979 iVm der dienstlichen Weisung der Anstaltsleitung der Justizanstalt Wien-Josefstadt vom , die das Einbringen alkoholischer Getränke und Rauschmittel in die Justizanstalt verbietet, begangen und gegen den Erlass des Bundesministeriums für Justiz, JMZ 413005-III8/89 vom , sowie gegen die darauf gegründete Verfügung 58Z56/89 der Justizanstalt Wien-Josefstadt vom und gegen die mündliche Weisung der Anstaltsleitung der Justizanstalt Wien-Josefstadt anlässlich einer Dienstbesprechung mit Wirksamkeit vom verstoßen und hierdurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 91 BDG 1979 begangen. Er sei hiefür gemäß § 92 Abs. 1 Z 1 BDG 1979 mit der Disziplinarstrafe des Verweises bestraft worden.

4 Mit Disziplinarerkenntnis vom sei der Mitbeteiligte schuldig erkannt worden, am als zum Vorführdienst eingeteilter Justizwachebeamter entgegen der Pflicht nach Punkt 6.6.1.2 Abs. 1 VZO für Justizanstalten es unterlassen zu haben, einen Untersuchungshäftling nach dessen Vorführung in der Besucherzone der Justizanstalt Wien-Josefstadt wieder in dessen Haftraum zurückzubringen und einzuschließen. Dadurch habe er erneut die allgemeinen Dienstpflichten der Beamten nach § 41 Abs. 1 BDG 1979 verletzt und hierdurch eine Dienstpflichtverletzung nach § 91 BDG 1979 begangen, wofür er nach § 92 Abs. 1 Z 2 BDG 1979 mit einer Geldbuße von EUR 300,-- bestraft worden sei.

5 Mit Einleitungsbeschluss vom sei gegen den Mitbeteiligten gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 erneut ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, weil der Verdacht bestehe, er habe die allgemeine Dienstpflicht nach § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 sowie die durch Punkt 5 Abs. 5, Punkt 8 und Punkt 18 der Eskorteordnung näher konkretisierten dienstlichen Aufgaben neuerlich dadurch schuldhaft verletzt, dass er es am in Wien als zur Aufsicht über den zur medizinischen Behandlung in das Kaiser-Franz-Josef-Spital ausgeführten Insassen eingeteilter Beamter unterlassen habe, sich im Rahmen der Eskorte über die Fluchtmöglichkeiten und sonstigen Gefahrenmomente in geschlossenen Räumen ein Bild zu verschaffen, entsprechende Maßnahmen zur Verhinderung einer Flucht zu ergreifen, insbesondere allfälligen Sicherheitsrisiken bei der Abnahme der Handfesseln während einer medizinischen Behandlung durch entsprechende Maßnahmen zu begegnen, sowie sich nicht ständig in unmittelbarer Nähe des Insassen aufgehalten zu haben, wodurch er dem Insassen zunächst das unbegleitete Verlassen des Krankenzimmers und in weiterer Folge auch die Flucht ermöglicht habe, wodurch er Dienstpflichtverletzungen nach § 91 BDG 1979 begangen habe.

6 Am sei dem Mitbeteiligten durch die Leiterin der Justizanstalt Wien-Josefstadt gemäß § 109 Abs. 2 BDG 1979 eine schriftliche Ermahnung erteilt worden, weil er seine Anstaltsschlüssel am nicht wie vorgesehen in dem entsprechenden Kästchen am Wachzimmer, sondern in den Fächern, welche bestimmungsgemäß für Parteien vorgesehen seien, verwahrt habe. Auch durch dieses Verhalten habe er wiederum gegen die allgemeinen Dienstpflichten nach § 43 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen.

7 Am sei erneut eine schriftliche Anzeige der Leiterin der Justizanstalt Wien-Josefstadt eingelangt, wonach der Mitbeteiligte am nach Dienstschluss sein mit Munition gefülltes Reservemagazin nicht wie vorgesehen im betreffenden Waffenkästchen, sondern in seinem Spind verwahrt habe. Dieser sei am kommissionell geöffnet worden, nachdem bei einer Waffenkontrolle das Fehlen des Ersatzmagazins bemerkt worden sei. Auch diesbezüglich müsse eine Disziplinaranzeige gegen den Mitbeteiligten erstattet werden, habe er dadurch doch zum wiederholten Mal die ihm nach § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 obliegenden allgemeinen Dienstpflichten schuldhaft verletzt und eine erhebliche Gefährdung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben verursacht.

8 Die Dienstbehörde kam im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung zum Ergebnis, dass die dem Mitbeteiligten zur Last gelegten wiederholten Pflichtverletzungen, insbesondere im Hinblick auf den Zweck des provisorischen Dienstverhältnisses, die Eignung des Beamten für den konkreten Dienst zu prüfen, hinreichend schwerwiegend und damit nicht bloß "geringfügig" seien, um den Kündigungsgrund des § 10 Abs. 4 Z 4 BDG 1979 zu verwirklichen.

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - der vom Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde Folge und sprach aus, dass der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 10 Abs. 4 Z 4 BDG 1979 aufgehoben (offensichtlich gemeint: ersatzlos behoben) werde. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

10 In der Begründung stellte das Bundesverwaltungsgericht zunächst den Verfahrensgang dar, gab das Beschwerdevorbringen wider und ging anschließend von folgenden "Feststellungen (Sachverhalt)" aus (Schreibweise im Original):

"Der (Mitbeteiligte) versieht seit als Justizwachebeamter Dienst in der Justizanstalt Josefstadt. Im Oktober 2012 sind erstmals Anschuldigungen gegen mehrere Beamte - auch gegen den (Mitbeteiligten) - wegen des Verbringens von Gegenständen wie Handys und Drogen in die Justizanstalt sowie wegen des Verdachts sexueller Beziehungen zu Haftinsassinnen erhoben worden und wurde darüber auch wiederholt medial berichtet. Mit diesem Vorwurf sowie der im Raum stehenden Suspendierung sowie eines Strafverfahrens von einem Personalvertreter konfrontiert, hat den (Mitbeteiligten) derart psychisch belastet, dass er am in der Beamtenkantine mehrere Gläser Coca-Cola mit Rotwein vermischt konsumierte und dadurch eine Alkoholisierung von 0,34 mg/l Atemluftalkoholgehalt erreichte. Wegen dieser dienstlichen Verfehlung wurde über den (Mitbeteiligten) mit Disziplinarerkenntnis vom rechtskräftig die Disziplinarstrafe des Verweises verhängt.

Eine Suspendierung des (Mitbeteiligten) ist nicht erfolgt. Das strafgerichtliche Verfahren gegen den (Mitbeteiligten) wegen § 302 Abs. 1 StGB wurde mit Verfügung der StA Wien vom eingestellt.

Mit rechtskräftigem Disziplinarerkenntnis vom wurde über den (Mitbeteiligten) wegen unterlassener Rückführung eines in der Besucherzone aufhältigen Häftlings in den Haftraum am die Disziplinarstrafe einer Geldbuße in Höhe von EUR 300,-- verhängt. Nach den unwidersprochenen Angaben des (Mitbeteiligten) in der mündlichen Verhandlung hat zu keiner Zeit eine reale Fluchtmöglichkeit für den Häftling bestanden und hat sich der Häftling lediglich für einige Minuten in der geschlossenen Abteilung aufgehalten, ehe er von den Beamten in den Haftraum zurückgeführt wurde. Seitens der Behördenvertreterin wird bestätigt, dass in der Angelegenheit nur der (Mitbeteiligte) als Hauptverantwortlicher für den Dienst disziplinär belangt wurde, über den zweiten Dienst versehenden Beamten wurde eine schriftliche Ermahnung ausgesprochen. Der Rechtsvertreter stellte glaubhaft klar, dass der (Mitbeteiligte) den Häftling aufgrund der mittels einer Skizze dargestellten räumlichen Situation visuell nicht wahrnehmen konnte, weil dieser für kurze Zeit die Gangseite gewechselt hatte, er dem (Mitbeteiligten) daher für diese Zeit visuell verborgen geblieben ist.

In sachverhaltsmäßiger Hinsicht unbestritten ist, dass das mit Beschluss der Disziplinarkommission vom gegen den (Mitbeteiligten) eingeleitete Disziplinarverfahren in Angelegenheit Verletzung der Aufsichtspflicht gegenüber einem zur Krankenbehandlung in eine Krankenanstalt ausgeführten Insassen, nach der am vor der Disziplinarkommission durchgeführten Verhandlung mit einem Freispruch ausgegangen ist. Obgleich das Disziplinarerkenntnis bis dato nicht schriftlich ausgefertigt wurde, haben die gegen den (Mitbeteiligten) in dieser Angelegenheit erhobenen Dienstpflichtverletzungen bei der Beurteilung der verfahrensgegenständlichen Kündigung außer Betracht zu bleiben.

Zur schriftlichen Ermahnung vom ist festzustellen, dass der (Mitbeteiligte) am vor Verlassen seines Dienstes den Anstaltsschlüssel nicht vorschriftsgemäß im dem dafür vorgesehen versperrt hatte. Unbestritten blieb, dass zu den jeweiligen Schlüsselkästchen nur der betreffende Bedienstete einen Schlüssel besitzt und ein Reserveschlüssel im Wachzimmer aufbewahrt wird. Eine Zutrittsmöglichkeit für Parteien besteht nicht.

Zur schriftlichen Meldung vom betreffend vorschriftswidrige Verwahrung des mit Munition gefüllten Reservemagazins im Spind anstatt in dem dafür vorgesehenen Waffenkästchen ist festzustellen, dass hiezu am eine Disziplinaranzeige an die Disziplinarkommission erstattet wurde, die Einleitung des Disziplinarverfahrens bis dato jedoch nicht erfolgt ist. Zum diesbezüglichen Vorfall gab der (Mitbeteiligte) glaubhaft an, in der Nacht auf den unter bereits gesundheitlicher Beeinträchtigung einen anstrengenden Nachtdienst gehabt zu haben. Er war vom 02. bis krankheitsbedingt vom Dienst abwesend. Das Versperren seines Reservemagazins im Spind anstatt im Waffenkästchen war ihm nicht bewusst und ein bloßes Versehen. Gerügt wird vom (Mitbeteiligten), dass man mit ihm vor der Spindöffnung und Erstattung der Anzeige keinen telefonischen Kontakt gesucht hat, sondern wieder gleich Anzeige erstattet hatte."

11 Nach Darstellung des Inhalts von Gesetzesbestimmungen und Wiedergabe von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs führte das Verwaltungsgericht rechtlich aus, die belangte Behörde habe die - teilweise bereits disziplinär geahndeten - Pflichtverletzungen des Mitbeteiligten als laufende Sorglosigkeiten und Schlampereien gewertet, weil sie eine permanente Gefahrenquelle für die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt darstellten und zu einem endgültigen Vertrauensverlust in die Dienstverrichtung durch den Mitbeteiligten geführt hätten. Dieser Rechtsansicht könne nicht gefolgt werden, weil nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens von einer permanenten Gefahrenquelle für die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt durch Fehlleistungen des Mitbeteiligten keine Rede sein könne.

12 Im Vorfall der Alkoholisierung im Dienst am durch das Konsumieren mehrerer Gläser mit Coca Cola vermischten Weins liege zweifellos eine Dienstpflichtverletzung, die auch disziplinär geahndet worden sei. Es sei dabei jedoch festzustellen, dass dies der einzige Vorfall im Zusammenhang mit einem Alkoholkonsum während der zehnjährigen Dienstzeit des Mitbeteiligten gewesen sei, der glaubwürdig auf eine nervliche Belastung durch die Konfrontation mit dem gegen mehrere Beamte der Justizanstalt erhobenen Vorwürfe wegen strafrechtlicher Delikte zurückzuführen sei. Dass sich die strafrechtlichen Vorwürfe gegen den Mitbeteiligten als haltlos herausgestellt hätten, gelte durch die Einstellung des Strafverfahrens gegen ihn als erwiesen.

13 Zum Vorfall vom , betreffend einer unterlassenen Rückführung eines in der Besucherzone aufhältigen Häftlings in den Haftraum, weswegen über den Mitbeteiligten eine Geldbuße in Höhe von EUR 300,-- verhängt worden sei, habe er glaubhaft dargestellt, dass für den bloß wenige Minuten dauernden, für den Mitbeteiligten nicht sichtbaren Aufenthalt des Häftlings keinerlei Fluchtmöglichkeit bestanden habe, weil sich dieser im abgesperrten Areal befunden habe. Eine Gefährdung eines Justizwachebediensteten oder eines Mithäftlings sei durch diesen Vorfall nicht gegeben gewesen.

14 Der von der Behörde herangezogene, dem Einleitungsbeschluss vom zu Grunde liegende Verdacht einer Dienstpflichtverletzung habe nach dem am von der Disziplinarkommission verkündeten Freispruch des Revisionswerbers bei der Beurteilung der verfahrensgegenständlichen Kündigung außer Betracht zu bleiben.

15 Die nicht vorschriftsgemäße Verwahrung des Anstaltsschlüssels nach Dienstschluss am , die der schriftlichen Ermahnung vom zu Grunde gelegen sei, stelle einen bloßen Flüchtigkeitsfehler dar. Das Beweisverfahren habe ergeben, dass keine anstaltsfremde Person bzw. kein Häftling eine Zugriffsmöglichkeit auf den Schlüssel gehabt habe.

16 In gleicher Weise verhalte es sich mit dem Vorwurf der nicht vorschriftsgemäßen Verwahrung des mit Munition gefüllten Reservemagazins am . Dabei werde nicht verkannt, dass der Umgang mit Waffen - hier ein mit Munition gefülltes Reservemagazin - besondere Sorgfalt erfordere und die diesen Umgang und deren Aufbewahrung regelnden Vorschriften strikt einzuhalten seien. Im gegebenen Zusammenhang sei jedoch nicht außer Betracht zu lassen, dass der Mitbeteiligte das Reservemagazin in seinem Spind eingeschlossen habe. Sowohl für den Waffenschrank als auch für die Spinde verfüge nur der jeweilige Beamte über einen Schlüssel und gebe es hiefür an bestimmter Stelle deponierte Reserveschlüssel. Nach den Angaben der Behördenvertreterin in der Verhandlung würden Reinigungsarbeiten in den Räumen, in denen sich die Spinde und die Waffenschränke befänden, von Häftlingen unter strenger Bewachung vorgenommen. Unter diesem Aspekt mache es daher keinen Unterschied, ob Waffen und dergleichen in den Waffenschränken oder im Spind eingeschlossen würden. Auch stelle sich berechtigt die Frage, warum man vor Erstattung einer Meldung bzw. in der Folge einer Disziplinaranzeige nicht zunächst das persönliche Gespräch mit dem Mitbeteiligten gesucht habe. Der Verdacht, man habe auf allfällige Verfehlungen von ihm besonderes Augenmerk gelegt, sei daher nicht von der Hand zu weisen.

17 Davon ausgehend kam das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass die dem Mitbeteiligten angelasteten Verfehlungen, wobei der vom disziplinären Freispruch vom erfasste Vorfall unberücksichtigt zu bleiben habe, bloß geringfügige Dienstpflichtverletzungen bzw. eng umgrenzte Sorglosigkeiten darstellten, welche jedoch in der Gesamtschau keine begründeten Zweifel an der Eignung des Mitbeteiligten für den Justizwachdienst hätten aufkommen lassen. Die Verfehlungen stünden weder einzeln betrachtet noch in ihrer Gesamtheit ihrer Schwere nach in einem Verhältnis zur Schwere der Ahndung in Form einer Kündigung. Der vom Mitbeteiligten in der mündlichen Verhandlung gewonnene persönliche Eindruck habe auch keine Zweifel an seiner charakterlichen Eignung für die vorgesehene Beamtenlaufbahn erweckt. Es sei der Beschwerde daher Folge zu geben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben gewesen.

18 Die Unzulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG begründete das Verwaltungsgericht zusammengefasst damit, dass Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu lösen gewesen seien.

19 Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Bundesministers für Justiz aus dem Grund der Rechtswidrigkeit des Inhalts. Der Mitbeteiligte erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung.

20 Nach Vorlage der Akten durch das Verwaltungsgericht hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

21 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

22 Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

23 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision zusammengefasst vor, das Bundesverwaltungsgericht sei mit seiner Beurteilung, die dem Mitbeteiligten angelasteten Verfehlungen stellten bloß geringfügige Dienstpflichtverletzungen bzw. eng umgrenzte Sorglosigkeiten dar, welche weder einzeln noch in der Gesamtheit ihrer Schwere nach in einem Verhältnis zur Schwere der Ahndung in Form einer Kündigung stünden, von der - näher dargestellten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen.

24 Der Mitbeteiligte hält die außerordentliche Revision für unzulässig, weil es sich bei der Beurteilung einer Dienstpflichtverletzung regelmäßig um eine Einzelfallentscheidung handle.

25 Die Revision ist aus den von der revisionswerbenden Partei aufgezeigten Gründen zulässig. Zwar ist eine Dienstpflichtverletzung und ihre Eignung, als Grund für die Auflösung eines provisorischen Dienstverhältnisses herangezogen zu werden, jeweils nach den Umständen des konkreten Einzelfalls zu beurteilen. Dennoch weicht das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts auch in einer solchen Frage dann von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts ab, wenn es in seine Einzelfallbeurteilung Aspekte einbezieht, welche nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs bedeutungslos sind oder seine Beurteilung auf Umstände stützt, die nach dieser Judikatur für sich allein genommen eine solche nicht rechtfertigten und solcherart die in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu der in Rede stehenden Rechtsfrage entwickelten Grundsätze verkennt (siehe das Erkenntnis vom , Ra 2014/12/0015).

26 Dies ist hier aus folgenden Gründen der Fall:

27 Die §§ 10 und 20 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 lauten (auszugsweise):

"Provisorisches Dienstverhältnis

§ 10. (1) Das Dienstverhältnis ist zunächst provisorisch.

(2) Das provisorische Dienstverhältnis kann mit Bescheid

gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt während der ersten

sechs Monate des Dienstverhältnisses

(Probezeit)

....................................................................

1 Kalendermonat,

nach Ablauf der Probezeit

............................................ 2 Kalendermonate

und nach Vollendung des zweiten Dienstjahres ...........

3 Kalendermonate.

Die Kündigungsfrist hat mit Ablauf eines Kalendermonates zu enden.

(3) Während der Probezeit ist die Kündigung ohne Angabe von Gründen, später nur mit Angabe des Grundes möglich. ...

(4) Kündigungsgründe sind insbesondere:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
...
4.
pflichtwidriges Verhalten,
5.
...
Auflösung des Dienstverhältnisses

§ 20. (1) Das Dienstverhältnis wird aufgelöst durch


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
...
2.
Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses,
3.
..."
28 Wenn der Revisionswerber in seiner Revision unter Hinweis auf einschlägige Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs ausführt, dass entgegen der Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts ein pflichtwidriges Verhalten des Mitbeteiligten im Sinn des § 10 Abs. 4 Z 4 BDG 1979 vorliege, das die Dienstbehörde zur Kündigung des provisorischen öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses berechtigt habe, ist er im Recht.
29 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs verfolgt die Einrichtung des provisorischen Dienstverhältnisses den Zweck, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst zu prüfen und nur Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu übernehmen, die allen Anforderungen entsprechen, die an einen Beamten im allgemeinen, wie in Anbetracht der Verwendung, für die er aufgenommen wurde, gestellt werden müssen. Es ist demnach die Zweckbestimmung des der Definitivstellung des öffentlichrechtlichen Bediensteten vorgeschalteten provisorischen Dienstverhältnisses, den Beamtennachwuchs nochmals in der Weise prüfen zu können, dass alle sich nicht voll bewährenden Amtsträger noch vor Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sie sich nicht eignen, ausgeschlossen werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Gründe, die zur Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses führen, eine längere oder eine kürzere Zeit zurückliegen; denn die Dienstbehörde hat nach dem Gesagten das Recht und die Pflicht, vor der Definitivstellung eines Beamten sein ganzes dienstliches und außerdienstliches Verhalten während des provisorischen Dienstverhältnisses zu prüfen. Es ergibt sich aber auch weder aus der sprachlichen Bedeutung des Wortes "Verhalten" noch aus der Bestimmung des § 10 Abs. 4 Z 4 BDG 1979, dass von einem pflichtwidrigen Verhalten im Sinn der angeführten Vorschrift etwa nur dann gesprochen werden kann, wenn zeitlich andauernde oder wiederkehrende Handlungen des Beamten vorliegen. Auch die einmalige Tat eines Beamten kann - ungeachtet eines sonstigen dienstlichen oder außerdienstlichen Wohlverhaltens - derart schwerwiegend sein, dass durch sie der Kündigungsgrund des § 10 Abs. 4 Z 4 BDG 1979 verwirklicht wird.
30 Eine Verletzung einer Dienstpflicht durch den in einem provisorischen Dienstverhältnis stehenden Beamten ist nur dann nicht geeignet, den Kündigungsgrund des "pflichtwidrigen Verhaltens" nach § 10 Abs. 4 Z 4 BDG 1979 zu begründen, wenn die nur zu einem bestimmten Zeitpunkt unterlaufene Pflichtverletzung geringfügig ist, auf bloßer Nachlässigkeit beruht, einmaliger Art war und keine Wiederholung besorgen lässt, also insgesamt ihrer Schwere nach in keinem Verhältnis zur Schwere der Ahndung in Form einer Kündigung steht (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis vom , 2011/12/0165, mwN).
31 Im vorliegenden Fall steht unbestritten fest, dass über den Mitbeteiligten wegen seines dienstlichen (Fehl
)Verhaltens bereits zwei Disziplinarstrafen verhängt wurden. Schon aus diesem Grund kann im hier zu beurteilenden Fall nicht davon gesprochen werden, dass lediglich eine zu einem bestimmten Zeitpunkt unterlaufene Pflichtverletzung einmaliger Art vorliege, und keine Wiederholung zu besorgen wäre.
32 Rechtskräftige disziplinarbehördliche Verurteilungen entfalten im Verfahren zur Kündigung des provisorischen Beamtendienstverhältnisses überdies Bindungswirkung (vgl. das Erkenntnis vom , 2001/12/0217), sodass die darin festgestellten Dienstpflichtverletzungen auch dem Kündigungsverfahren zu Grunde zu legen sind. Aus dem Umstand, dass über den Mitbeteiligten in jenen Verfahren die Disziplinarstrafe des Verweises bzw. der Geldbuße verhängt wurden, ist hingegen zu seinen Gunsten nichts zu gewinnen. So entspricht es auch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Frage der Kündigung eines provisorischen Beamtendienstverhältnisses wegen pflichtwidrigen Verhaltens im Sinn des § 10 Abs. 4 Z 4 BDG 1979 losgelöst von der in einem allfälligen Disziplinarverfahren verhängten Disziplinarstrafe zu beurteilen ist (vgl. des Näheren das Erkenntnis vom , 96/12/0235).
33 Es ist die Feststellung einer Pflichtverletzung im Disziplinarverfahren aber auch nicht notwendige Voraussetzung für eine Kündigung wegen pflichtwidrigen Verhaltens (siehe das Erkenntnis vom , 98/12/0278, mwN). Da dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 zudem eine dem § 7 Abs. 3 Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz entsprechende Regelung fremd ist (vgl. dazu das Erkenntnis vom , 98/12/0150), entspricht es nicht dem Gesetz, wenn das Bundesverwaltungsgericht allein im Hinblick auf den Ausgang des mit Einleitungsbeschluss vom eingeleiteten Disziplinarverfahrens das darin dem Mitbeteiligten angelastete Verhalten im Kündigungsverfahren unberücksichtigt ließ. Auch diesbezüglich wäre eine Auseinandersetzung mit der vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung auf Sachverhaltsebene und eine allfällige Berücksichtigung bei der Beurteilung, ob darin ein pflichtwidriges Verhalten im Sinn des § 10 Abs. 4 Z 4 BDG 1979 zu erblicken ist, das die Dienstbehörde zur Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses berechtigt, erforderlich gewesen (vgl. das zu einem nach § 259 Z 4 StPO erfolgten Freispruch ergangene Erkenntnis vom , 87/12/0085). Anders als der Mitbeteiligte meint, wurde nach dem Gesagten hingegen der Vorwurf der vorschriftswidrigen Verwahrung des mit Munition befüllten Reservemagazins zu Recht in die Beurteilung miteinbezogen, auch wenn wegen dieses Verhaltens ein Disziplinarverfahren nicht eingeleitet wurde.
34 Entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts kann auch nicht für den Mitbeteiligten ins Treffen geführt werden, dass es im Rahmen seines etwa zehnjährigen Dienstverhältnisses nur zu einer disziplinären Verurteilung wegen Alkoholkonsums während des Dienstes kam. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 10 BDG 1979 ist es nämlich gleichgültig, ob Gründe, die zur Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses führen, längere oder kürzere Zeit zurückliegen; eine Dienstbehörde hat das Recht und die Pflicht, vor der Definitivstellung eines Beamten sein ganzes dienstliches und außerdienstliches Verhalten während des provisorischen Dienstverhältnisses zu prüfen. Maßgeblich ist daher das Verhalten des Beamten während des gesamten provisorischen Dienstverhältnisses, das auch nicht durch ein (Wohl
)Verhalten während eines längeren Zeitraums vor der Dienstpflichtverletzung aufgehoben werden kann (vgl. in diesem Sinn auch das Erkenntnis vom , 2006/12/0075).
35 Auch die vom Bundesverwaltungsgericht entsprechend dem Vorbringen des Mitbeteiligten angenommene und zu dieser Dienstpflichtverletzung führende nervliche Belastung auf Grund unberechtigter Anschuldigungen hat nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen. So standen die Vorwürfe unmittelbar im Zusammenhang mit der Ausübung seiner Dienstpflichten, sodass nicht auszuschließen ist, dass er im Fall einer Fortsetzung seines Dienstverhältnisses weitere Male mit einem solchen Verdacht konfrontiert würde. Andererseits kann aus dem festgestellten Umgang des Mitbeteiligten mit diesen - inhaltlich unberechtigten - Vorwürfen durchaus der Schluss gezogen werden, dass er insoweit den Anforderungen, die an einen Beamten in dieser Verwendung gestellt werden müssen, nicht entsprach.
36 Daraus, dass bei der unterlassenen Rückführung des Häftlings aus der Besucherzone in den Haftraum für diesen keinerlei Fluchtmöglichkeit bestand, bei der vorschriftswidrigen Verwahrung des Anstaltsschlüssels - die zu einer schriftlichen Ermahnung des Mitbeteiligten führte - eine Zugriffsmöglichkeit von Unbefugten auf den Schlüssel nicht bestand, oder es unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit der Verwahrung des mit Munition gefüllten Reservemagazins keinen Unterschied machte, ob diese vorschriftsgemäß oder vorschriftswidrig erfolgte, ist entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts für den Mitbeteiligten ebenfalls nichts zu gewinnen. Auch diese bereits von der Dienstbehörde herangezogenen Umstände stellen Pflichtwidrigkeiten dar, unabhängig davon, ob durch diese eine Gefährdung anderer Beamten oder Häftlinge eingetreten ist oder nicht (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom , 2002/12/0280, u.a.).
37 Der im angefochtenen Erkenntnis in den Raum gestellte Verdacht, "man" (gemeint wohl: die Dienstbehörde) habe auf allfällige Verfehlungen des Mitbeteiligten besonderes Augenmerk gelegt, führt jedenfalls nicht dazu, dass ein feststehendes pflichtwidriges Verhalten in einem milderen Licht zu beurteilen wäre. So hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs niemand einen Anspruch darauf, dass sich eine Behörde, die sich in anderen Fällen (allenfalls) rechtswidrig verhält, auch ihm gegenüber rechtswidrig verhalte (vgl. etwa das Erkenntnis vom , 2011/12/0124).
38 Indem das Bundesverwaltungsgericht bei der Feststellung und der Beurteilung des maßgeblichen Sachverhalts diese Rechtslage verkannte, belastete es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
39 Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.
40 Ein Kostenersatz findet gemäß § 47 Abs. 4 VwGG nicht statt.
Wien, am