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VwGH vom 31.01.2013, 2011/23/0517

VwGH vom 31.01.2013, 2011/23/0517

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/529.402/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der seit Juli 2001 im Bundesgebiet behördlich gemeldete Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, heiratete am in Wien eine österreichische Staatsbürgerin und stellte am darauffolgenden Tag unter Berufung auf diese Ehe nach § 49 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung.

Mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat rechtskräftig verurteilt, weil er am anlässlich einer Grenzkontrolle eine verfälschte deutsche Aufenthaltsbefugnis vorgewiesen hatte. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten rechtskräftig verurteilt, weil er im Jahr 1992 anlässlich einer Grenzkontrolle einen verfälschten Wiedereinreisesichtvermerk vorgewiesen hatte.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde gegen den Beschwerdeführer in erster Instanz ein befristetes Aufenthaltsverbot (in erster Linie) wegen des Eingehens einer so genannten Scheinehe erlassen. Dieses Aufenthaltsverbot wurde über Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG behoben, weil das rechtsmissbräuchliche Eingehen der Scheinehe bereits mehr als fünf Jahre zurücklag.

Bereits zuvor war der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls (einer Jacke) nach den §§ 15, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 iVm § 21 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) wegen Gefährdung öffentlicher Interessen und wegen unzulässiger "Inlandsantragstellung" abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0868, mittlerweile als unbegründet abgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

In ihrer Begründung stellte die belangte Behörde zunächst fest, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt über einen Aufenthaltstitel verfügt habe und sich demnach seit Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Somit würden die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG zur Erlassung der Ausweisung vorliegen.

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG verwies die belangte Behörde auf den langjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers und auf die Beziehungen zu seiner Mutter und zu seinen beiden Kindern, die alle in Österreich leben würden. Daher sei mit der Ausweisung ein Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier zur Wahrung eines geordneten Fremdenwesens) dringend geboten, zumal der Beschwerdeführer die fremdenpolizeilichen Bestimmungen, denen im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein hoher Stellenwert zukomme, jahrelang missachtet habe und auch nach der rechtskräftigen Abweisung seines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer nicht davor zurückgeschreckt, in fremdes Vermögen einzugreifen bzw. zum Nachweis einer Einreiseberechtigung verfälschte Dokumente vorzuweisen.

Die familiären Bindungen des Beschwerdeführers - so die belangte Behörde weiter - seien in ihrem Gewicht dadurch relativiert, dass er nie im Besitz eines Aufenthaltstitels gewesen sei und daher nicht mit einem ständigen Weiterverbleib im Inland habe rechnen dürfen. Die belangte Behörde ließ es dahingestellt, ob es sich bei der Ehe des Beschwerdeführers um eine Scheinehe handle. Da jedenfalls seit dem kein gemeinsamer Wohnsitz mehr bestehe, komme dem Umstand der Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin nur eine untergeordnete Rolle zu. Der Beschwerdeführer sei von 2005 bis Juni 2008 geringfügig beschäftigt gewesen, allerdings ohne über eine Beschäftigungsbewilligung zu verfügen. Vor diesem Hintergrund erachtete die belangte Behörde die Erlassung der Ausweisung im Ergebnis als iSd § 66 FPG zulässig. Mangels besonderer, zugunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände sah sie auch keinen Grund, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des Ermessens Abstand zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Mai 2009 geltende Fassung.

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer zu keiner Zeit über einen Aufenthaltstitel verfügte. Die belangte Behörde ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei.

Die Beschwerde wendet jedoch ein, dass die Ausweisung im Hinblick auf die (noch aufrechte) Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin nicht auf § 53 Abs. 1 FPG, sondern auf die §§ 87 iVm 86 FPG zu stützen gewesen wäre. Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - zu der hier maßgeblichen Rechtslage - die Rechtsgrundlage für die Ausweisung unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Familienangehöriger von Österreichern, die ihr unionsrechtlich zustehendes Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen haben, nicht § 86 Abs. 2 FPG, sondern § 53 Abs. 1 FPG ist (vgl. etwa jüngst das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0458, mwN). Die Beschwerdeausführungen geben keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang gleichheitsrechtliche Bedenken anspricht, genügt es, auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 18.968, hinzuweisen.

Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0326, mwN).

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung. Er verweist dazu auf seinen ca. achtjährigen Inlandsaufenthalt, auf die familiären Beziehungen zu seinen in Österreich lebenden Eltern (wobei seine Mutter die österreichische Staatsbürgerschaft besitze) und zu seinen zwei Kindern sowie darauf, dass er mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei.

Dem zuletzt genannten Umstand hat die belangte Behörde angesichts dessen, dass nach dem kein gemeinsamer Wohnsitz der Ehegatten mehr bestand, zu Recht nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen. Daran vermag auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, ein Familienleben zwischen Ehepartnern könne unabhängig von einem tatsächlichen Zusammenleben bestehen, nichts zu ändern, zumal er nicht konkret darlegt, in welcher Weise er ungeachtet der (bezogen auf den Bescheiderlassungszeitpunkt) seit fast fünf Jahren fehlenden Haushaltsgemeinschaft tatsächlich ein Familienleben mit seiner Ehefrau führt.

Die familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu seiner Mutter und zu seinen beiden Kindern hat die belangte Behörde ihrer Interessenabwägung zugrunde gelegt und ausgehend davon einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Zwar ist der Beschwerde einzuräumen, dass das Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes mit seiner - die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden - Mutter das Gewicht der Bindung zu dieser zu verstärken vermag, allerdings ist für die Beurteilung der daraus ableitbaren Beziehungen auch die Volljährigkeit der beteiligten Personen zu berücksichtigen. Hinsichtlich seiner beiden Söhne, die nach dem Akteninhalt (entgegen den Altersangaben in der Beschwerde von 10 bzw. 18 Jahren) zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung 17 bzw. 19 Jahre alt waren und die über - von der Mutter des Beschwerdeführers abgeleitete - Aufenthaltstitel verfügten, macht der Beschwerdeführer zwar ein "ausgesprochen gutes familiäres Verhältnis" geltend und verweist auf "regelmäßige Besuche". Damit bringt er aber weder vor, dass seine Söhne auf die Pflege und Obsorge durch ihn angewiesen wären, noch wird das Bestehen enger persönlicher Bindungen näher substantiiert. Die belangte Behörde hat in diesem Zusammenhang iSd § 66 Abs. 2 Z 8 FPG auch zutreffend berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer mangels Aufenthaltstitels nicht damit rechnen durfte, sich dauerhaft im Bundesgebiet niederlassen zu können. Daran vermögen auch die Beschwerdeausführungen nichts zu ändern, bei Einbringung des Antrags auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sei eine Inlandsantragstellung zulässig gewesen. Da erst der Erteilung der beantragten Niederlassungsbewilligung konstitutive Wirkung zugekommen wäre, war der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich nie rechtmäßig und er wäre nach Inkrafttreten des NAG am verpflichtet gewesen, die Entscheidung über seinen Antrag im Ausland abzuwarten (vgl. dazu das zum Aufenthaltstitelverfahren des Beschwerdeführers ergangene Erkenntnis vom , Zl. 2008/22/0868).

Auch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte berufliche Integration kann im vorliegenden Fall nicht zu einer entscheidungserheblichen Verstärkung seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet führen. Dem steht zunächst ebenfalls entgegen, dass auch die (zumal nur geringfügige) Beschäftigung des Beschwerdeführers in einem Zeitraum erfolgte, in dem er nicht mit einem dauerhaften Verbleib in Österreich rechnen durfte. Darüber hinaus wird auch in der Beschwerde nicht dargelegt, auf der Grundlage welcher Bestimmung die Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers rechtmäßig gewesen sein soll.

Der Beschwerdeführer rügt noch, die belangte Behörde habe seine Verurteilungen herangezogen, obwohl diese bereits Jahre zurückliegen würden und davon auszugehen sei, dass diese bereits getilgt seien. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass eine Tilgung der Verurteilungen (angesichts der zuletzt erfolgten Verurteilung vom Juni 2005) noch nicht erfolgt ist (laut einem im Akt befindlichen Strafregisterauszug tritt die Tilgung im Jänner 2012 ein). Es ist aber auch deshalb nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde diese Verurteilungen und das zugrunde liegende strafbare Verhalten des Beschwerdeführers bei ihrer Interessenabwägung berücksichtigte, weil nach § 66 Abs. 2 Z 6 FPG die Frage der strafgerichtlichen Unbescholtenheit für die Beurteilung des Privat- und Familienlebens herangezogen werden kann. Im Übrigen konnten die - wenn auch schon länger zurückliegenden - Straftaten des Beschwerdeführers im Rahmen der Beurteilung seines Gesamtverhaltens auch vor dem Hintergrund herangezogen werden, dass es sich dabei (zumindest auch) um fremdenrechtlich relevante Verstöße gehandelt hat.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde zu Recht das große öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften gegenübergestellt. Dieses Interesse hat der Beschwerdeführer durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet, den er auch nach der rechtskräftigen Abweisung seines Antrags auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung noch fortsetzte, aber erheblich beeinträchtigt.

Ausgehend davon hätte die belangte Behörde aus den dargelegten Umständen aber nicht ableiten müssen, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers aus Österreich unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK am Maßstab der in § 66 Abs. 2 FPG angeführten Kriterien unzulässig sei. Diese Umstände stellen sich nämlich auch in Verbindung mit seinem ca. achtjährigen Aufenthalt im Inland insgesamt nicht als so außergewöhnlich dar, dass unter dem genannten Gesichtspunkt von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und der weitere Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich akzeptiert werden müssen.

Entgegen der Beschwerdeansicht erweist sich der angefochtene Bescheid auch als ausreichend begründet. Die in der Beschwerde geltend gemachten Umstände hätten die belangte Behörde schließlich auch nicht dazu veranlassen müssen, das ihr eingeräumte Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers auszuüben.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am