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VwGH vom 18.09.2015, Ra 2015/12/0019

VwGH vom 18.09.2015, Ra 2015/12/0019

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, die Hofräte Dr. Zens und Dr. Pfiel sowie die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Artmann, über die außerordentliche Revision des Mag. Dr. EN in K, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AB-14-4307, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Ruhestandsversetzung gemäß § 21 Abs. 2 lit. b DPL 1972 (vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich belangte Behörde:

Niederösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Revisionswerber steht als Landesbeamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich.

Am beantragte er seine Versetzung in den dauernden Ruhestand aus dem Grunde des § 21 Abs. 2 lit. b der Dienstpragmatik der Niederösterreichischen Landesbeamten 1972, LGBl. 2200 (im Folgenden: DPL 1972).

Mit seiner Säumnisbeschwerde vom machte der Revisionswerber den Übergang der Entscheidungspflicht auf das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich geltend.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in Erledigung dieser Säumnisbeschwerde den Antrag des Revisionswerbers vom zurück. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig sei.

Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in dem genannten Erkenntnis (auszugsweise) Folgendes aus:

"Im vorliegenden Fall ist die Rechtsfrage entscheidend, ob § 21 Abs. 2 lit.b DPL 1972 dem Beschwerdeführer eine Antragsbefugnis und somit ein verletzbares Recht auf Entscheidung über seinen Antrag auf eine Sachentscheidung einräumt.

Diese Frage ist aus folgendem Grund zu verneinen:

Dem eindeutigen Gesetzeswortlaut zufolge normiert § 21 Abs. 2 lit.b DPL 1972 eine amtswegige Entscheidungspflicht, ohne dem Beamten ein subjektives Recht auf eine Sachentscheidung einzuräumen.

Der Rechtsprechung zufolge hat jede Partei des Verwaltungsverfahrens Anspruch auf Erlassung eines Bescheides, wenn ein Antrag oder eine Berufung offen ist. Der Anspruch ist auch gegeben, wenn der Antrag oder die Berufung zurückzuweisen sind. In diesem Fall hat die Partei Anspruch auf Erlassung eines zurückweisenden Bescheides. Auch im Streit um Parteistellung und Antragsbefugnis besteht, insoweit diese zur Entscheidung stehen, Parteistellung und entsprechende Entscheidungspflicht der Behörde (). Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat daher ungeachtet der als Anregung interpretierbaren Eingabe vom die mit der gegenständlichen Säumnisbeschwerde geltend gemachte Entscheidungspflicht wahrzunehmen. Mangels gesetzlicher Grundlage für die Annahme einer Antragsbefugnis kann der Antrag vom nur durch Zurückweisung erledigt werden.

...

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird."

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Revisionswerber macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Erkenntnisses sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er beantragt, der Verwaltungsgerichtshof möge das angefochtene Erkenntnis aufheben.

In der Revision wird als Zulässigkeitsgrund die Rechtsfrage ins Treffen geführt, ob ein niederösterreichischer Landesbeamter eine Antragsbefugnis im Hinblick auf die Ruhestandsversetzung wegen dauernder Dienstunfähigkeit habe. Ein solches Antragsrecht sei im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/12/0076, bejaht worden.

Die vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich belangte Niederösterreichische Landesregierung erstattete eine Revisionsbeantwortung, in welcher die Zurückweisung der Revision infolge klarer Rechtslage, hilfsweise deren Abweisung als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 21 Abs. 1 bis 3 DPL 1972 in der Fassung dieses Paragrafen

nach dem Landesgesetz LGBl. 2200-74 lautet:

"§ 21

Dauernder Ruhestand

(1) Der Beamte tritt mit Ablauf des Jahres, in welchem er das 65. Lebensjahr vollendet, von Gesetzes wegen in den dauernden Ruhestand.

(2) Der Beamte ist von der Landesregierung in den dauernden Ruhestand zu versetzen:

a) wenn er durch vier aufeinanderfolgende

Kalenderjahre den zu erwartenden Arbeitserfolg trotz

nachweislicher Ermahnungen nicht aufgewiesen hat;

b) wenn er dienstunfähig ist und die Wiedererlangung

der Dienstfähigkeit voraussichtlich ausgeschlossen ist;

c) wenn er bereits seit drei Jahren in den zeitlichen

Ruhestand versetzt ist und im Falle des § 20 Abs. 1 lit.c darum ansucht;

d) wenn er darum ansucht und das 65. Lebensjahr vollendet hat;

e) wenn er darum ansucht, das 62. Lebensjahr vollendet hat und eine ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit von 480 Monaten (40 Jahren) aufweist;

f) wenn er darum ansucht, das 60. Lebensjahr vollendet hat und eine nach dem vollendeten 18. Lebensjahr zurück gelegte ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit von 504 Monaten (42 Jahren), davon mindestens 120 Schwerarbeitsmonate innerhalb der letzten 240 Kalendermonate vor dem Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand, aufweist. Dem Beamten, der die Anspruchsvoraussetzungen zum Zeitpunkt der Vollendung des 60. Lebensjahres oder danach erfüllt, bleiben diese auch bei einer späteren Versetzung in den Ruhestand gewahrt;

g) wenn er darum ansucht, nach dem geboren ist, das 62. Lebensjahr vollendet hat und eine beitragsgedeckte Gesamtdienstzeit von 42 Jahren aufweist.

(3) Der Beamte kann von Amts wegen aus wichtigen dienstlichen Interessen in den dauernden Ruhestand versetzt werden, wenn er die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 lit.g erfüllt oder das 65. Lebensjahr vollendet hat und entweder Anspruch auf Ruhegenuß in der Höhe der Ruhegenußbemessungsgrundlage hat oder sich im zeitlichen Ruhestand befindet."

Die außerordentliche Revision ist - entgegen der den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden Rechtsauffassung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich - zulässig, weil letzteres eine Antragslegitimation des Landesbeamten auf Vornahme der in § 21 Abs. 2 lit. b DPL 1972 vorgesehenen Maßnahme verneint hat, ohne sich in diesem Zusammenhang auf einen eindeutigen Gesetzeswortlaut (vgl. hiezu die tieferstehenden Ausführungen) oder auf diesbezügliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen zu können.

Anders als die Niederösterreichische Landesregierung in ihrer Revisionsbeantwortung meint, schließt der Wortlaut des § 21 Abs. 2 lit. b DPL 1972, wonach der Beamte von der Landesregierung in den dauernden Ruhestand zu versetzen ist, wenn er dienstunfähig ist und die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit voraussichtlich ausgeschlossen ist, die Zulässigkeit eines auf diese rechtsgestaltende Maßnahme gerichteten Antrages des Landesbeamten keinesfalls aus. Zunächst findet sich eine diesbezügliche ausdrückliche Anordnung in der genannten Bestimmung nicht.

Ein auf einen solchen Ausschluss gerichteter Wille des Landesgesetzgebers ist - ebenfalls im Gegensatz zu den Ausführungen der Niederösterreichischen Landesregierung in ihrer Revisionsbeantwortung - auch nicht aus dem Systemzusammenhang der in Rede stehenden Bestimmung mit anderen Buchstaben des § 21 Abs. 2 DPL 1972 zu erschließen. Wenn in § 21 Abs. 2 lit. c bis g DPL 1972 die Wortfolge "wenn er darum ansucht" verwendet wird, so deshalb, weil der Niederösterreichische Landesgesetzgeber damit zum Ausdruck brachte, dass die dort vorgesehenen Fälle einer Ruhestandsversetzung - vorbehaltlich der Ermächtigung des Abs. 3 leg. cit., in manchen dieser Fälle auch eine amtswegige Ruhestandsversetzung vorzunehmen - nur über Antrag des Landesbeamten wahrzunehmen sind. Keinesfalls kann somit aus dem Fehlen der vorzitierten, in § 21 Abs. 2 lit. c bis g DPL 1972 enthaltenen Wortfolge in lit. b leg. cit. auf die Unzulässigkeit eines Antrages auf Ruhestandsversetzung geschlossen werden.

Allgemein gilt, dass das Antragsrecht einer Partei nicht notwendigerweise eine darauf gerichtete ausdrückliche gesetzliche Anordnung voraussetzt (vgl. in diesem Zusammenhang etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2013/12/0126, und vom , Zl. 2015/21/0001, sowie das dort zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 160/2014 u.a.).

In dem zuletzt genannten Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof zur Zulässigkeit eines gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehenen Antrages auf Ausstellung einer nach dem Fremdenpolizeigesetz vorgesehenen Karte für Geduldete etwa Folgendes ausgeführt:

"2.2. Wie die Bundesregierung ausführt, dient die behördliche Pflicht zur Ausstellung einer Karte für Geduldete 'auch dem Schutz der Interessen spezifischer Einzelpersonen', weshalb der Verpflichtung der Behörde zur Ausstellung dieser Karte (arg. 'hat' gegenüber dem früheren 'kann') ein entsprechendes Recht eines Fremden gegenübersteht. Dieses subjektive öffentliche Recht begründet in Verbindung mit § 8 AVG die Parteistellung des Fremden in einem Verfahren über die Ausstellung der Karte - und damit einen Anspruch auf eine meritorische Entscheidung über dieses Recht, aus dem sich wieder ein Antragsrecht auf Ausstellung der Karte ergibt (vgl. )."

Aus diesen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes folgt, dass das Antragsrecht Ausfluss der Parteistellung und letztere wiederum eine Folge der Einräumung subjektiver Rechte durch eine bestimmte materiell-rechtliche Bestimmung ist. Für das Bestehen eines Antragsrechtes ist es daher nicht maßgeblich, ob ein solches gesetzlich ausdrücklich eingeräumt wird, sondern vielmehr, ob die zugrundeliegende materiell-rechtliche Anordnung dem Antragsteller subjektive Rechte einräumt oder nicht.

Diese Erwägungen sind auch auf die hier vom Revisionswerber beantragte Rechtsgestaltung zu übertragen, zumal § 8 AVG aus dem Grunde des § 1 Abs. 1 DVG im Dienstrechtsverfahren grundsätzlich Anwendung findet. Der die erstgenannte Bestimmung für dienstrechtliche Verfahren präzisierende § 3 DVG steht dem Vorgesagten nicht entgegen. Mit dieser Bestimmung soll nämlich klargestellt werden, dass im Dienstrechtsverfahren grundsätzlich nur der Beamte selbst Partei ist, sofern dessen Rechte oder Pflichten aus einem solchen Dienstverhältnis Gegenstand des Verfahrens sind (vgl. hiezu auch Walter/Thienel , Verwaltungsverfahren17, Anm. 1 zu § 3 DVG).

Ob durch Rechtsvorschriften subjektive Rechte eingeräumt werden, ist - nach dem Vorgesagten - eine Frage der Auslegung der betreffenden Vorschriften des materiellen Rechtes. Nicht jede Norm des Verwaltungsrechtes gewährt auch eine subjektive Berechtigung. Ein subjektives öffentliches Recht ist dann zu bejahen, wenn eine zwingende Vorschrift - und damit eine sich daraus ergebende Rechtspflicht der Verwaltung - nicht allein dem öffentlichen Interesse, sondern (zumindest auch) dem Interesse Einzelner zu dienen bestimmt ist (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. Ra 2014/03/0039, mwH). Maßgeblich für das Bestehen eines subjektiven Rechtes ist somit, dass für die gesetzliche Festlegung einer verpflichtenden Norm nicht ausschließlich öffentliche Interessen, sondern zumindest auch das Interesse einer im Besonderen betroffenen und damit von der Allgemeinheit abgrenzbaren Person maßgebend war (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom , Zl. Ro 2014/10/0065).

Dass aber die in § 21 Abs. 2 lit. b DPL 1972 enthaltene Verpflichtung der Landesregierung, einen Beamten in den dauernden Ruhestand zu versetzen, wenn er dienstunfähig ist und die Wiedererlangung der Dienstfähigkeit voraussichtlich ausgeschlossen ist, neben öffentlichen Interessen auch dem Schutz des Individualinteresses eines dauernd dienstunfähigen Beamten nicht ungeachtet seiner dauernden Dienstunfähigkeit in einem Aktivdienstverhältnis zum Land Niederösterreich verbleiben zu müssen, dient, ist offenkundig und bedarf keiner weiteren Erörterung.

Im Einklang mit dem Vorgesagten hat der Verwaltungsgerichtshof auch - wie der Revisionswerber zutreffend ausführt - in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2004/12/0076, die Zulässigkeit eines Antrages eines niederösterreichischen Landesbeamten auf Versetzung in den dauernden Ruhestand aus dem Grunde des § 21 Abs. 2 lit. b DPL 1972 zumindest implizit bejaht. Die dort erfolgte Aufhebung eines einen Antrag auf Versetzung in den dauernden Ruhestand abweisenden Bescheides der Niederösterreichischen Landesregierung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und die in diesem Zusammenhang erteilten Aufträge auf Verfahrensergänzung setzten nämlich die Zulässigkeit des dem Verfahren zugrunde liegenden Antrages voraus. Anders als die Niederösterreichische Landesregierung in ihrer Revisionsbeantwortung offenbar meint, ändert an dem Vorgesagten auch der Umstand nichts, dass der Verwaltungsgerichtshof in den Entscheidungsgründen dieses Erkenntnisses die Auffassung vertrat, die belangte Behörde hätte aus dem Grunde des § 8 Abs. 1 DVG den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln gehabt. Diese Äußerung betrifft die auch im Verfahren über einen zulässigen Antrag bestehende prozessuale Pflicht der Verwaltungsbehörde, den für die Beurteilung des zulässigen Antrages maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln und kann somit keinesfalls dahingehend verstanden werden, dass der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten hätte, die dort gegenständliche Ruhestandsversetzung hätte nur von Amts wegen und nicht auf Grund des abgewiesenen Antrages des damaligen Beschwerdeführers erfolgen dürfen.

Aus den oben dargestellten Erwägungen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht veranlasst, von der in dem zitierten Erkenntnis vom implizit zum Ausdruck gebrachten Auffassung der Zulässigkeit eines Antrages auf Ruhestandsversetzung gemäß § 21 Abs. 2 lit. b DPL 1972 abzugehen.

Indem das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die oben aufgezeigte Rechtslage verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am