VwGH vom 19.04.2016, Ro 2015/22/0010

VwGH vom 19.04.2016, Ro 2015/22/0010

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision der Bundesministerin für Inneres gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW- 151/V/083/28569/2014-5, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien; mitbeteiligte Partei: A A W in Wien, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem - im zweiten Rechtsgang ergangenen - Bescheid der belangten Behörde wurde der Zweckänderungsantrag der mitbeteiligten Partei, einer indonesischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" gemäß § 45 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen. Die belangte Behörde begründete dies - auf das Wesentliche zusammengefasst - damit, dass ein Umstieg von einer Aufenthaltsbewilligung zu einem Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" nicht möglich sei.

2 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom gab das Verwaltungsgericht Wien der dagegen erhobenen Beschwerde statt und erteilte der mitbeteiligten Partei den beantragten Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU".

Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die mitbeteiligte Partei ab über eine "Legitimationskarte als Mitglied des Verwaltungs- technischen Personals bei der Botschaft der Republik Indonesien in Österreich" verfügt habe, die bis verlängert worden sei. Ab habe die mitbeteiligte Partei über eine Aufenthaltsbewilligung "Studierende" verfügt, ab über eine Aufenthaltsbewilligung "Schüler". In weiterer Folge habe sie ab über eine Aufenthaltsbewilligung "Künstler - unselbständig" und schließlich ab über eine bis gültige Aufenthaltsbewilligung "Künstler - selbständig" verfügt. Es liege kein absoluter Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 NAG vor. Die mitbeteiligte Partei sei als selbständige Künstlerin tätig, sie sei pflichtversichert und habe in den Jahren 2013 und 2014 Einkünfte zwischen EUR 13.000,- und EUR 14.000,- lukriert.

In seinen rechtlichen Erwägungen verweist das Verwaltungsgericht auf die Regelung des § 2 Abs. 3 NAG, der zufolge der rechtmäßige Aufenthalt eines Fremden auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung nicht als Niederlassung im Sinn des § 2 Abs. 2 NAG gelte. § 45 NAG übernehme diese Systematik und schränke die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" auf Drittstaatsangehörige ein, die in den letzten fünf Jahren ununterbrochen zur Niederlassung berechtigt gewesen seien. Nach dem Gesetzeswortlaut des NAG seien Künstler, die über eine Aufenthaltsbewilligung verfügten, nicht als niedergelassen anzusehen.

Die Richtlinie 2003/109/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen kenne die im NAG vorgenommene Unterscheidung zwischen Niederlassungsbewilligung und Aufenthaltsbewilligung nicht. Im vorliegenden Fall käme einzig die Ausnahmebestimmung des Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2003/109 in Betracht, wonach die Richtlinie (unter anderem) auf Drittstaatsangehörige, deren Aufenthaltsgenehmigung förmlich begrenzt wurde, keine Anwendung finde. Diese Bestimmung sei nach den (zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangenen) Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom in der Rs C-502/10, Mangat Singh , dahin auszulegen, dass eine einer speziellen Personengruppe erteilte befristete Aufenthaltsgenehmigung, deren Gültigkeit unbegrenzt verlängert werden könne, ohne dass jedoch Aussicht auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung bestehe, nicht unter den Begriff der förmlich begrenzten Aufenthaltsgenehmigung falle, soweit eine solche förmliche Begrenzung den Drittstaatsangehörigen nicht daran hindere, in dem betreffenden Mitgliedstaat langfristig ansässig zu sein, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts sei. Aufenthaltsbewilligungen nach § 61 NAG - so das Verwaltungsgericht weiter - seien unbegrenzt verlängerbar. Da die vom EuGH in der zitierten Entscheidung ins Treffen geführten Kriterien im vorliegenden Fall erfüllt seien, sei der Inlandsaufenthalt der mitbeteiligten Partei nicht unter den Ausnahmetatbestand des Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2003/109 zu subsumieren.

§ 45 NAG sei insofern nicht richtlinienkonform, als er Drittstaatsangehörige mit einer Aufenthaltsbewilligung ausnahmslos als nicht langfristig ansässig ansehe. Die entsprechenden Richtlinienbestimmungen seien hinreichend bestimmt, um einer unmittelbaren Anwendbarkeit zugänglich zu sein. Die mitbeteiligte Partei habe sich daher zu Recht auf ein ihr unmittelbar aus der Richtlinie zukommendes subjektives Recht berufen. Abschließend legte das Verwaltungsgericht gestützt auf Art. 4 der Richtlinie 2003/109 dar, dass die mitbeteiligte Partei zu berücksichtigende "Anwartschaftszeiten" im Ausmaß von sechs Jahren und zwei Monaten erworben habe. Ihr komme daher - unmittelbar auf Grundlage der Richtlinie 2003/109 - die Rechtsstellung einer langfristig Aufenthaltsberechtigten zu.

Da es betreffend Sachverhalte, die sich nach Inkrafttreten des NAG ereignet hätten, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur gegenständlich zu lösenden Rechtsfrage gebe, wurde die ordentliche Revision für zulässig erklärt.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision der Bundesministerin für Inneres.

Die Revisionswerberin verweist zur Zulässigkeit der Revision ebenfalls auf fehlende hg. Rechtsprechung zur Frage, ob einem Drittstaatsangehörigen, der über eine Aufenthaltsbewilligung "Künstler" verfüge, ohne bereits vor Inkrafttreten des NAG über eine "Niederlassungsbewilligung - Künstler" nach dem Fremdengesetz 1997 verfügt zu haben, ein direkter Umstieg auf einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" möglich sei. Der EuGH habe im Urteil C-502/10 zu dieser Frage keine konkrete Aussage getroffen, sondern die Prüfung den nationalen Gerichten übertragen.

4 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Abweisung der Revision beantragte. Sie vertritt darin - nach Wiedergabe der Ausführungen des EuGH in seinem Urteil C-502/10 - die Auffassung, dass es nicht auf die konkreten nationalen Regelungen ankomme, sondern darauf, ob eine Begrenzung den Betroffenen daran hindere, langfristig in einem Mitgliedstaat ansässig zu sein. Der EuGH habe die Bedeutung dessen unterstrichen, ob eine Bewilligung auch über fünf Jahre hinaus und unbegrenzt verlängert werden könne. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes - so die mitbeteiligte Partei weiter - werde auch durch die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom , 2011/22/0202, gestützt.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Das Verwaltungsgericht und die Revisionswerberin weisen zutreffend darauf hin, dass es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage gibt, inwieweit einem Drittstaatsangehörigen, der über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt (ohne bereits über eine Niederlassungsbewilligung nach dem Fremdengesetz 1997 verfügt zu haben), ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" nach § 45 NAG zukommen kann. Die Revision ist somit zulässig.

7 Die maßgeblichen Rechtsvorschriften des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 40/2014, lauten auszugsweise:

" Begriffsbestimmungen

§ 2. ...

(2) Niederlassung ist der tatsächliche oder zukünftig beabsichtigte Aufenthalt im Bundesgebiet zum Zweck

1. der Begründung eines Wohnsitzes, der länger als sechs Monate im Jahr tatsächlich besteht;


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2.
der Begründung eines Mittelpunktes der Lebensinteressen oder
3.
der Aufnahme einer nicht bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit.

(3) Der rechtmäßige Aufenthalt eines Fremden auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 Abs. 1 Z 10) gilt nicht als Niederlassung im Sinne des Abs. 2.

...

Arten und Form der Aufenthaltstitel

§ 8. (1) Aufenthaltstitel werden erteilt als:

...

10. "Aufenthaltsbewilligung" für einen vorübergehenden befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet zu einem bestimmten Zweck (§§ 58 bis 69).

...

Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU"

§ 45. (1) Drittstaatsangehörigen, die in den letzten fünf Jahren ununterbrochen zur Niederlassung berechtigt waren, kann ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" erteilt werden, wenn sie


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1.
die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
2.
das Modul 2 der Integrationsvereinbarung (§ 14b) erfüllt haben.

(2) Zur Niederlassung berechtigten Drittstaatsangehörigen ist die Zeit eines unmittelbar vorangehenden rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 Abs. 1 Z 10) oder eines Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" (§ 57 AsylG 2005) zur Hälfte auf die Fünfjahresfrist gemäß Abs. 1 anzurechnen. ...

...

Künstler

§ 61. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine Aufenthaltsbewilligung als Künstler ausgestellt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen; eine Haftungserklärung ist zulässig; und

1. im Fall der Unselbständigkeit eine schriftliche Mitteilung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gemäß § 20d Abs. 1 Z 6 AuslBG vorliegt oder

2. im Fall der Selbständigkeit, deren Tätigkeit überwiegend durch Aufgaben der künstlerischen Gestaltung bestimmt ist, sofern ihr Unterhalt durch das Einkommen gedeckt wird, das sie aus ihrer künstlerischen Tätigkeit beziehen.

..."

8 Die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen lauten auszugsweise:

" Artikel 3

Anwendungsbereich

(1) Diese Richtlinie findet auf Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten.

(2) Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf Drittstaatsangehörige,

a) die sich zwecks Studiums oder Berufsausbildung aufhalten;

...

e) die sich ausschließlich vorübergehend wie etwa als Au-pair oder Saisonarbeitnehmer, als von einem Dienstleistungserbringer im Rahmen der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen entsendete Arbeitnehmer oder als Erbringer grenzüberschreitender Dienstleistungen aufhalten oder deren Aufenthaltsgenehmigung förmlich begrenzt wurde;

...

Artikel 4

Dauer des Aufenthalts

(1) Die Mitgliedstaaten erteilen Drittstaatsangehörigen, die sich unmittelbar vor der Stellung des entsprechenden Antrags fünf Jahre lang ununterbrochen rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufgehalten haben, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten.

(2) In die Berechnung des Zeitraums gemäß Absatz 1 fließen die Zeiten nicht ein, in denen sich der Drittstaatsangehörige aus den in Artikel 3 Absatz 2 Buchstaben e) und f) genannten Gründen im betreffenden Mitgliedstaat aufgehalten hat.

In den in Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a) genannten Fällen, in denen dem betreffenden Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltstitel gewährt wurde, auf dessen Grundlage ihm die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt werden kann, fließen die Zeiten, in denen er sich zwecks Studiums oder Berufsausbildung in dem Mitgliedstaat aufgehalten hat, nur zur Hälfte in die Berechnung des Zeitraums gemäß Absatz 1 ein.

..."

9 In den Erwägungsgründen dieser Richtlinie wird unter anderem Folgendes bestimmt:

"(4) Die Integration von Drittstaatsangehörigen, die in den Mitgliedstaaten langfristig ansässig sind, trägt entscheidend zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts bei, der als eines der Hauptziele der Gemeinschaft im Vertrag angegeben ist.

...

(6) Die Dauer des Aufenthalts im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats sollte das Hauptkriterium für die Erlangung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten sein. Der Aufenthalt sollte rechtmäßig und ununterbrochen sein, um die Verwurzlung der betreffenden Person im Land zu belegen. Eine gewisse Flexibilität sollte vorgesehen werden, damit Umstände berücksichtigt werden können, die eine Person veranlassen können, das Land zeitweilig zu verlassen.

..."

10 Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die über eine Aufenthaltsbewilligung verfügende mitbeteiligte Partei - gemessen am Wortlaut des NAG (§ 2 Abs. 3 in Verbindung mit § 45 Abs. 1) - nicht zur Niederlassung berechtigt war und insoweit keinen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" hätte.

11 Das Verwaltungsgericht hat aber ebenso darauf verwiesen, dass nach den Erläuterungen (RV 952 BlgNR 22. GP 137) mit § 45 NAG die diesbezüglichen Bestimmungen der Richtlinie 2003/109 umgesetzt werden sollen. Ausgehend davon war zu prüfen, ob die innerstaatliche Regelung mit den Vorgaben der Richtlinie in Einklang steht. Unstrittig ist, dass der Aufenthalt der mitbeteiligten Partei rechtmäßig war und ununterbrochen mehr als fünf Jahre angedauert hat. Die fallbezogen einzig in Betracht kommende Ausnahmebestimmung, die einer Anwendbarkeit der Richtlinie 2003/109 entgegenstehen könnte, ist Art. 3 Abs. 2 Buchst. e, wonach die Richtlinie keine Anwendung auf Drittstaatsangehörige findet, deren Aufenthaltsgenehmigung förmlich begrenzt wurde.

12 Der EuGH hat sich in seinem Urteil vom in der Rs C-502/10 mit dieser Ausnahmebestimmung befasst und dabei Folgendes ausgesprochen:

"Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2003/109/EG (...) ist dahin auszulegen, dass eine einer speziellen Personengruppe erteilte befristete Aufenthaltsgenehmigung, deren Gültigkeit unbegrenzt verlängert werden kann, ohne dass jedoch Aussicht auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung besteht, nicht unter den Begriff ‚Aufenthaltsgenehmigung(, die) förmlich begrenzt wurde' fällt, soweit eine solche förmliche Begrenzung den Drittstaatsangehörigen nicht daran hindert, in dem betreffenden Mitgliedstaat langfristig ansässig zu sein, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist."

13 Die Revisionswerberin verweist darauf, dass die Mitgliedstaaten die Bedingungen des Aufenthaltes für Drittstaatsangehörige bestimmen und in diesem Zusammenhang Aufenthaltsgenehmigungen förmlich begrenzen können. Das NAG differenziere klar zwischen Aufenthaltstiteln, die zur Niederlassung berechtigten, und Aufenthaltsbewilligungen, die (nur) zu einem vorübergehenden befristeten Aufenthalt berechtigten und keinen direkten Umstieg auf einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" ermöglichten. Diese Differenzierung sei nicht unionsrechtswidrig, weil es den Mitgliedstaaten offen stehe, für unterschiedliche Aufenthaltszwecke Aufenthaltstitel mit verschiedenen Berechtigungsumfängen vorzusehen.

14 Dazu ist zunächst auf die Rn. 41 des EuGH-Urteils in der Rs C-502/10 zu verweisen, wonach "eine Aufenthaltsgenehmigung nicht bereits deshalb als ‚förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung' im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2003/109 angesehen werden (kann), weil sie im Sinne des nationalen Rechts eines Mitgliedstaats förmlich begrenzt ist." Aus der förmlichen Begrenzung einer Aufenthaltsgenehmigung - so der EuGH weiter - ergebe sich für sich genommen nicht, ob der Drittstaatsangehörige möglicherweise ungeachtet einer solchen Begrenzung im Mitgliedstaat langfristig ansässig wird (Rn. 50 des Urteils Rs C-502/10). In der Rn. 51 des zitierten Urteils hält der EuGH Folgendes fest:

"Somit kann, wenn nicht die Verwirklichung der mit der Richtlinie verfolgten Ziele gefährdet und dieser damit ihre praktische Wirksamkeit genommen werden soll, eine förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung im Sinne des nationalen Rechts, deren förmliche Begrenzung den betreffenden Drittstaatsangehörigen aber nicht daran hindert, langfristig ansässig zu sein, nicht als förmlich begrenzte Aufenthaltsgenehmigung im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2003/109 eingestuft werden ..."

15 Soweit in dieser Randnummer auf die mit der Richtlinie 2003/109 verfolgten Ziele abgestellt wird, ist auf die Erwägungsgründe 4, 6 und 12 sowie auf Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie zu verweisen, aus denen hervorgeht, dass das vorrangige Ziel der Richtlinie die Integration von Drittstaatsangehörigen ist, die in den Mitgliedstaaten langfristig ansässig sind, und dass die Dauer des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts von fünf Jahren die Verwurzelung der betreffenden Person im Land belegt und somit, dass sie dort langfristig ansässig ist (siehe auch die Rn. 45 und 46 des Urteils C-502/10).

16 Zwar kommt dem Umstand, dass eine Aufenthaltsgenehmigung immer wieder - auch über eine Dauer von fünf Jahren hinaus und insbesondere unbegrenzt - verlängert werden kann, nur Indizwirkung dafür zu, dass die förmliche Begrenzung die langfristige Ansässigkeit nicht verhindert, allerdings spricht der EuGH in diesem Zusammenhang von einem "wichtigen Indiz" (Rn. 54 des Urteils C-502/10). Eine Aufenthaltsbewilligung "Künstler" nach § 61 NAG kann über eine Dauer von fünf Jahren hinaus und auch unbegrenzt verlängert werden (vgl. demgegenüber § 66 NAG, der für Sozialdienstleistende eine davon abweichende - die Verlängerungsmöglichkeit ausschließende - Regelung enthält). Auch die Möglichkeit einer Zweckänderung auf einen (nach dem NAG zur Niederlassung berechtigenden) Aufenthaltstitel ist - bei Vorliegen der entsprechenden Erteilungsvoraussetzungen - für Inhaber einer Aufenthaltsbewilligung nach § 61 NAG nicht ausgeschlossen (siehe die Erläuterungen RV 330 BlgNR 24. GP 41 f).

17 Ausgehend davon kann in der - die Definition des Begriffs "Niederlassung" nach § 2 Abs. 2 NAG einschränkenden - Regelung des § 2 Abs. 3 NAG, wonach der Aufenthalt auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung nicht als Niederlassung gilt, für sich genommen keine förmliche Begrenzung im Sinn des Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2003/109 gesehen werden. Weder ist ersichtlich noch vermag die Revisionswerberin aufzuzeigen, dass die nationale Regelung geeignet wäre, zu verhindern, dass der Inhaber einer solchen Aufenthaltsbewilligung tatsächlich langfristig ansässig wird. Auch aus dem Umstand, dass eine Aufenthaltsbewilligung nur zum befristeten Aufenthalt berechtigt, lässt sich dafür nichts gewinnen, zumal auch - nach dem NAG zur Niederlassung berechtigende - Aufenthaltstitel zumeist bzw. zunächst nur befristet erteilt werden.

18 Soweit die Revisionswerberin die bewusste Differenzierung im NAG zwischen verschiedenen Kategorien von Aufenthaltsberechtigungen ins Treffen führt, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2011/22/0202, (wenn auch basierend auf einem nicht gänzlich vergleichbaren Sachverhalt) festgehalten hat, dass die Richtlinie 2003/109 hinsichtlich des Erfordernisses des ununterbrochenen Aufenthaltes von mindestens fünf Jahren nicht zwischen Niederlassungsbewilligung und Aufenthaltsbewilligung differenziert. Das Normieren unterschiedlicher Berechtigungsumfänge bedeutet für sich genommen noch nicht, dass ein eingeschränkter Berechtigungsumfang den Drittstaatsangehörigen daran hindert, langfristig ansässig zu sein, zumal der Gesetzgeber durch die in § 45 Abs. 2 NAG festgelegte "Hälfteanrechnung" auch dem Aufenthalt im Rahmen einer Aufenthaltsbewilligung eine Verfestigungswirkung zuerkennt. Gleiches gilt auch für den von der Revisionswerberin ins Treffen geführten "klaren Zweck eines vorübergehenden Aufenthalts" für Inhaber einer Aufenthaltsbewilligung "Künstler".

19 Die Revisionswerberin bringt vor, der mitbeteiligten Partei habe bewusst sein müssen, dass eine Aufenthaltsbewilligung "Künstler" nicht zur Niederlassung berechtige und dass sich in der Beantragung einer solchen Aufenthaltsbewilligung der Wille widerspiegle, nicht langfristig ansässig zu sein. Hätte die mitbeteiligte Partei die Absicht gehabt, sich niederzulassen, hätte sie einen Aufenthaltstitel beantragen müssen.

Der bloße Umstand, dass die mitbeteiligte Partei nach Inkrafttreten des NAG (und somit in Kenntnis des § 2 Abs. 3 NAG) eine Aufenthaltsbewilligung "Künstler" - und nicht einen zur Niederlassung berechtigenden Aufenthaltstitel - beantragt hat, spiegelt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht ihren Willen wider, nicht langfristig in Österreich ansässig sein zu wollen, zumal die Erteilung eines die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit ermöglichenden Aufenthaltstitels und die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "Künstler" an jeweils unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft ist.

20 Im Ergebnis ist die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, dass die innerstaatliche Ausgestaltung der Aufenthaltsbewilligung "Künstler" den Drittstaatsangehörigen nicht daran hindere, langfristig ansässig zu sein, die vorliegende Konstellation daher nicht unter die Ausnahme des Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2003/109 falle und der mitbeteiligten Partei daher unmittelbar auf Grund der genannten Richtlinie die Rechtsstellung als langfristig Aufenthaltsberechtigte zukomme, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

21 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

22 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am