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VwGH vom 21.02.2012, 2011/23/0514

VwGH vom 21.02.2012, 2011/23/0514

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des M, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Türkenstraße 25/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/100.796/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegen den Beschwerdeführer, einen mazedonischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot wegen Mittellosigkeit erlassen; am wurde er nach Mazedonien abgeschoben.

Am wurde der Beschwerdeführer wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet festgenommen, am erfolgte wiederum seine Ausreise.

Am reiste der Beschwerdeführer erneut illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde vom Bundesasylamt mit Bescheid vom abgewiesen; unter einem wurde die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mazedonien festgestellt. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Beschwerdeführer am zurückgezogen.

Am heiratete der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerin V. Ein im Hinblick darauf am gestellter Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom rechtskräftig abgewiesen.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß§ 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend hielt die belangte Behörde eingangs fest, dass sich der Beschwerdeführer seit Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG somit vorlägen.

In Ansehung des § 66 FPG ging die belangte Behörde im Hinblick auf seinen beinahe fünfjährigen Aufenthalt in Österreich und seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zwar von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben aus. Dieser Eingriff sei jedoch dringend geboten, weil den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen und deren Einhaltung durch den Normadressaten aus der Sicht der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein besonders hoher Stellenwert zukomme. Gegen diese Regelungen habe der Beschwerdeführer in gravierender Weise verstoßen. Da die Eheschließung zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, zu dem der Beschwerdeführer nicht mit einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet habe rechnen dürfen, erfahre die Bindung zu seiner Ehefrau eine nicht unerhebliche Relativierung. Der jahrelange unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers sowie die Tatsache, dass er bereits in der Vergangenheit trotz eines bestehenden Aufenthaltsverbotes nach Österreich zurückgekehrt sei, beeinträchtigten das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens. Demgegenüber hätten die gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers in den Hintergrund zu treten. Mangels besonderer, zu seinen Gunsten sprechender Umstände sah sich die belangte Behörde nicht in der Lage, im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens von der Erlassung der Ausweisung Abstand zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im April 2009 geltende Fassung.

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Unstrittig ist, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig negativ abgeschlossen ist. Nach der Aktenlage bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG beim Beschwerdeführer vorläge. Der Beschwerdeführer räumt auch selbst ein, dass ihm noch kein Aufenthaltstitel erteilt worden sei. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang gleichheitsrechtliche Bedenken anspricht, genügt es, auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 18.968, hinzuweisen. Die belangte Behörde ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei.

Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist in Form einer Gesamtbetrachtung unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen vorzunehmen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0156).

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt. Dieser Einwand ist im Ergebnis berechtigt.

Zwar durfte die belangte Behörde zutreffend von einem großen öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und eines geordneten Fremdenwesens ausgehen. Sie durfte auch davon ausgehen, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise des Beschwerdeführers durch seine in der Vergangenheit erfolgte Einreise nach Österreich trotz eines bestehenden Aufenthaltsverbotes verstärkt werde. Allerdings hat die belangte Behörde die aufrechte Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin nicht im erforderlichen Ausmaß berücksichtigt und sich nicht mit den konkreten Auswirkungen der Ausweisung des Beschwerdeführers auf seine Situation und auf die seiner Ehefrau auseinandergesetzt. Zwar lässt sich den Verwaltungsakten entnehmen, dass jedenfalls die erstinstanzliche Behörde zwischenzeitig Zweifel am Bestehen eines Familienlebens des Beschwerdeführers mit seiner Ehefrau hatte. Die belangte Behörde legte ihrer Beurteilung aber das Bestehen einer aufrechten Ehe zugrunde. Ausgehend davon ist der belangten Behörde aber vorzuwerfen, dass sie die gebotene Interessenabwägung nach § 66 FPG vor dem Hintergrund der in der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes in Anlehnung an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hervorgestrichenen Kriterien nur unzureichend vorgenommen hat. Insoweit kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe der Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2009/21/0031, und Zl. 2007/21/0493, verwiesen werden.

Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Berücksichtigung der genannten Kriterien zu einem anderen Ergebnis ihrer Interessenabwägung gekommen wäre, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einem relevanten Verfahrensmangel belastet. Der Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
XAAAE-94025