VwGH vom 31.01.2013, 2011/23/0513
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Mag. Ewald Scheucher, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Lindengasse 39, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/268.038/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, beantragte im Oktober 2000 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Zweck des Studiums. Diese Aufenthaltserlaubnis wurde ihm ab dem erteilt und in der Folge mehrfach, zuletzt mit einer Gültigkeit bis zum , verlängert. Bereits am war der Beschwerdeführer von der Bundespolizeidirektion Wien darüber belehrt worden, dass seinem nächsten Verlängerungsantrag nicht stattgegeben werden dürfe, sollte er keinen Nachweis über einen entsprechenden Studienerfolg beibringen.
Der Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers vom wurde von der Niederlassungsbehörde - im Hinblick darauf, dass (erneut) kein ausreichender Studienerfolgsnachweis vorgelegt wurde - zunächst nicht erledigt und der Akt wegen des Fehlens allgemeiner Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 25 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) der Fremdenpolizeibehörde übermittelt.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom , zugestellt am , wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (belangte Behörde) den Beschwerdeführer gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.
Einleitend stellte die belangte Behörde zunächst dar, dass der Beschwerdeführer im Sommersemester 2006 und im Wintersemester 2006/2007 ein Praktikum am "Kollegium Bosniakum" absolviert habe, ohne dass dieses Praktikum gemäß § 3 Abs. 5 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes beim Arbeitsmarktservice vorab angezeigt worden wäre. Weiters führte sie aus, dass der Beschwerdeführer von Oktober 2006 "bis dato" lediglich vier Prüfungen erfolgreich abgelegt habe. Die geforderten 16 ECTS-Anrechnungspunkte habe er nie erreicht und somit den von ihm zu erwartenden Studienerfolg nicht erbracht. Der Beschwerdeführer habe dies zwar damit erklärt, dass seine (in Bosnien lebende) Mutter Anfang des Jahres 2006 (schwer) erkrankt sei, weshalb er von Juli bis September 2006 bei ihr gewesen sei und auch im Wintersemester 2006/2007 oft nach Bosnien reisen habe müssen. Er selbst habe unter Depressionen gelitten und zwischen Februar und November 2006 seien sporadisch Angst- und Ohnmachtsanfälle aufgetreten. Diesem Vorbringen hielt die belangte Behörde insbesondere entgegen, dass der Beschwerdeführer jegliche Erklärung dafür schuldig geblieben sei, warum er auch in den nachfolgenden Semestern den erforderlichen Studienerfolg nicht erbringen habe können.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers angesichts der strengen Zweckbindung der (zum Zweck des Studiums) erteilten Aufenthaltstitel und im Hinblick auf seinen unzureichenden Studienerfolg die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Studienwesens gefährde und damit den in § 11 Abs. 2 Z 1 NAG genannten öffentlichen Interessen in erheblichem Ausmaß widerstreite, sodass ein Versagungsgrund vorliege.
Im Rahmen ihrer Interessenabwägung nach § 66 FPG verwies die belangte Behörde auf den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit Oktober 2000. Der Beschwerdeführer verfüge nach der Aktenlage weder über familiäre noch berufliche Bindungen, er habe allerdings - "nicht näher ausgeführte" - umfangreiche soziale Kontakte geltend gemacht. Angesichts dieser Umstände sei zwar von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei. Die aus dem mehrjährigen Aufenthalt und den behaupteten sozialen Kontakten ableitbaren persönlichen Interessen des Beschwerdeführers seien in ihrem Gewicht dadurch entscheidend gemindert, dass sein Aufenthalt nur zum vorübergehenden Zweck des Studiums berechtigt gewesen sei, er aber seit mehreren Jahren keinen (ausreichenden) Studienerfolg aufzuweisen habe. Der Beschwerdeführer habe auch nicht in Abrede gestellt, dass nach wie vor Bindungen zu seiner in Bosnien lebenden Mutter bestünden. Seine Unbescholtenheit und Selbsterhaltungsfähigkeit sowie das Vorliegen eines Versicherungsschutzes könnten sein Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet ebenso wenig entscheidend verstärken wie seine Beteuerung, sein Studium nunmehr zielstrebig und ernsthaft fortsetzen zu wollen. Bei Abwägung der Interessenlagen kam die belangte Behörde zur Auffassung, dass die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wiegen würden als das in der Verwirklichung des genannten Versagungsgrundes liegende hohe öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse. Mangels sonstiger zu seinen Gunsten sprechender Umstände sah sie auch keinen Grund, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des Ermessens Abstand zu nehmen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG bzw. des NAG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die im März 2009 geltende Fassung.
Der Beschwerdeführer verfügte unstrittig über einen (zuletzt bis zum verlängerten) Aufenthaltstitel zum Zweck des Studiums und hielt sich während eines - über seinen rechtzeitigen Antrag eingeleiteten - Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet auf. Er konnte daher gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 FPG ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund im Sinn des Fehlens einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 1 oder 2 NAG entgegenstand (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0188, und jüngst das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0136, jeweils mwN).
Vorab ist anzumerken, dass die Beschwerde eingehende Ausführungen im Zusammenhang mit dem vom Beschwerdeführer im Jahr 2006 absolvierten Praktikum und der unterbliebenen Anzeige beim Arbeitsmarktservice enthält. Diesem Vorbringen kommt allerdings deshalb keine Relevanz zu, weil die belangte Behörde - worauf sie in ihrer Gegenschrift auch zutreffend hinweist - diese Umstände im angefochtenen Bescheid lediglich dargestellt, die Ausweisung aber nicht darauf, sondern allein auf den fehlenden Studienerfolg gestützt hat.
Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, dass der Beschwerdeführer die Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 NAG, wonach der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen (iSd § 11 Abs. 4 Z 1 NAG) widerstreiten darf, nicht erfülle, weil er sich seit Oktober 2000 zu Studienzwecken im Bundesgebiet aufgehalten habe, mittlerweile aber seit vielen Jahren keinen ausreichenden Studienerfolg erbracht habe.
Diese Ansicht kann nicht als rechtswidrig erkannt werden:
Gemäß § 64 Abs. 3 NAG (der für die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für Studierende die Erbringung eines Studienerfolgsnachweises nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften verlangt) iVm § 75 Abs. 6 des Universitätsgesetzes 2002 - UG wäre für einen ausreichenden Studienerfolg der Nachweis der positiven Beurteilung von Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten (acht Semesterstunden) während des vorausgegangenen Studienjahres erforderlich gewesen. Auch die Beschwerde gesteht aber zu, es sei unzweifelhaft, "dass der Beschwerdeführer den geforderten Studienerfolgsnachweis im Ausmaß von 8 Semesterwochenstunden … nicht erbracht" habe. Daran vermag auch das weitere Beschwerdevorbringen, er sei nunmehr "sehr motiviert, sein Studium zielstrebig fortzusetzen", und er habe im Jänner und März (laut dem mit der Beschwerde vorgelegten Erfolgsnachweis: Februar) 2009 drei Prüfungen (im Umfang von 11 ECTS-Punkten) erfolgreich abgelegt, nichts zu ändern.
Der Beschwerdeführer macht allerdings Gründe iSd § 64 Abs. 3 zweiter Satz NAG geltend, wonach trotz Fehlens des Studienerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden kann, wenn Gründe vorliegen, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind: Es sei ihm nämlich auf Grund seiner persönlichen Situation im Jahr 2006 unmöglich gewesen, zielstrebig seinem Studium nachzugehen, weil er unter immer wieder auftretenden Angst- und Ohnmachtsanfällen und unter Depressionen gelitten habe. Sein psychischer Zustand habe sich erst nach dem erfolgreichen Praktikum (das er laut eigenen Angaben im Sommersemester 2006 und im Wintersemester 2006/2007 absolviert habe) wieder gebessert.
Schon die belangte Behörde hat diesem Vorbringen des Beschwerdeführers aber zutreffend entgegengehalten, dass er damit keine Gründe aufzeigt, die ihn in dem der Bescheiderlassung vorausgegangenen Studienjahr (dem Studienjahr 2007/2008) gehindert hätten, den erforderlichen Studienerfolg zu erbringen. Gründe iSd § 64 Abs. 3 zweiter Satz NAG liegen daher für den hier maßgeblichen Zeitraum jedenfalls nicht vor.
Somit ist es auch nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde im Aufenthalt des Beschwerdeführers zum ausschließlichen Zweck des Studiums, ohne dass er einen ausreichenden Studienerfolg aufweisen konnte, eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Studienwesens (iSd § 11 Abs. 4 Z 1 NAG) gesehen hat. Sie ist daher zu Recht vom Fehlen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 1 NAG und von der Verwirklichung des Tatbestandes des § 54 Abs. 1 Z 2 FPG ausgegangen.
Die Beschwerde wendet sich weiters gegen die gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung der belangten Behörde. Sie verweist diesbezüglich insbesondere auf den mehr als achtjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich, sein großes "soziales Netzwerk" und seine zahlreichen Freunde.
Die belangte Behörde hat den langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie die - allerdings nicht näher präzisierten - sozialen Kontakte ihrer Interessenabwägung zugrunde gelegt und auch ausreichend berücksichtigt. Sie ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass die daraus ableitbaren persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich in ihrem Gewicht dadurch entscheidend gemindert werden, dass sein Aufenthalt bisher nur für den - vorübergehenden - Zweck des Studiums berechtigt war, er aber seit mehreren Jahren keinen ausreichenden Studienerfolg vorzuweisen habe. Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenübergestellt. Zutreffend vertrat sie auch die Ansicht, weder die Krankenversicherung des Beschwerdeführers noch seine Selbsterhaltungsfähigkeit, seine Unbescholtenheit oder die Beteuerung, sein Studium nunmehr zielstrebig verfolgen zu wollen, könnten zu einer maßgeblichen Verstärkung seiner Interessen an einem Verbleib in Österreich führen. Wenn sie nach Abwägung der wechselseitigen Interessen zur Auffassung gelangte, die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers würden nicht schwerer wiegen als das in der Verwirklichung des genannten Versagungsgrundes liegende hohe öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse, ist dies nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Die Beschwerde zeigt auch keine Gründe auf, wonach das Ermessen durch die belangte Behörde nicht in gesetzmäßiger Weise ausgeübt worden wäre.
Soweit der Beschwerdeführer schließlich noch als Verfahrensmangel geltend macht, die Fremdenpolizeibehörden wären verpflichtet gewesen, die Entscheidung der MA 35 über den Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers abzuwarten, ist auf die Regelung des § 25 NAG zu verweisen, aus der sich ergibt, dass die Niederlassungsbehörde im Fall des Fehlens einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung den Antrag zunächst nicht selbst meritorisch zu erledigen, sondern - im Hinblick auf eine allfällige Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme - die Fremdenpolizeibehörde zu verständigen hat.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am