VwGH vom 17.09.2012, 2011/23/0506
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Andreas Peyrer-Heimstätt, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 16/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , betreffend 1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist, Zl. E1/351558/2008, und
2. Zurückweisung der Berufung, Zl. E1/112270/2008, jeweils in einer Angelegenheit nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom wies die Bundespolizeidirektion Wien den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am Berufung. Mit Schreiben vom teilte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien dem Beschwerdeführer mit, dass die Berufung als verspätet angesehen werde, und räumte ihm Gelegenheit zur Stellungnahme ein.
Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und führte unter einem die Berufung erneut aus.
Mit Bescheid vom hat die Bundespolizeidirektion Wien den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) "abgelehnt".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde zum einen der Berufung gegen den Bescheid vom betreffend die Wiedereinsetzung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid; zum anderen wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid vom betreffend die Ausweisung des Beschwerdeführers als verspätet zurück.
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde zunächst aus, dass der erstinstanzliche Ausweisungsbescheid nach dem "formell unbedenklichen Zustellnachweis" am durch Hinterlegung und Bereithaltung zur Abholung beim Postamt 1140 Wien rechtswirksam zugestellt worden sei. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer angegeben, die Hinterlegungsanzeige nicht in seinem Postfach, sondern am auf der Hausbrieffachanlage liegend vorgefunden zu haben, worauf er den Bescheid am behoben habe. Die zuständige Zustellerin habe bei ihrer Einvernahme am angegeben, sie könne sich hinsichtlich des "Verständigungszettels" genau erinnern; dieser sei "hundertprozentig in die Hausbrieffachanlage (im richtigen Fach) eingelegt" worden. Der Beschwerdeführer habe das letzte Fach in der Hausbrieffachanlage, dieses Postfach sei auch laufend geleert worden. Weiters verwies die belangte Behörde auf den Bericht über eine am durchgeführte Erhebung im Wohnhaus des Beschwerdeführers. Die zwei dabei angetroffenen Hausparteien hätten angegeben, sich an "keine Mängel oder Fehlzustellungen sowie an kein aufgebrochenes oder beschädigtes Postfach" erinnern zu können; die Hausbrieffachanlage sei in ordnungsgemäßem Zustand gewesen.
Der Beschwerdeführer habe - so die belangte Behörde weiter - vorgebracht, dass die Angaben der Zustellerin im Hinblick auf die verstrichene Zeitspanne zu relativieren seien. Außerdem habe es gerade in letzter Zeit Fehlzustellungen gegeben; so habe er etwa am einen an eine andere Hauspartei adressierten Brief in seinem Brieffach vorgefunden.
Die belangte Behörde erachtete die Ausführungen des Beschwerdeführers als nicht ausreichend, um damit erfolgreich den Gegenbeweis gegen den vorliegenden Zustellnachweis zu führen. Dem (nicht näher konkretisierten) Vorbringen des Beschwerdeführers, "das Zustellorgan müsse die Hinterlegungsanzeige wohl in ein nicht ihm zugehöriges Brieffach eingelegt haben und der Besitzer dieses Brieffaches habe sie dann erst am auf die Hausbrieffachanlage gelegt", stehe die Aussage des Zustellorgans entgegen, "die Hinterlegungsanzeige hundertprozentig in das richtige Brieffach eingelegt zu haben". Dem weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers, es habe "gerade in letzter Zeit, so am " Fehlzustellungen gegeben, hielt die belangte Behörde entgegen, dass aus allfälligen Fehlzustellungen im November 2008 nicht darauf geschlossen werden könne, dass die hier gegenständliche Hinterlegungsanzeige im Februar 2008 nicht in das Brieffach des Beschwerdeführers eingelegt worden sei, zumal die damals zuständige Zustellerin seit November 2008 nicht mehr im Postdienst stehe.
Gestützt auf diese Beweisergebnisse ging die belangte Behörde davon aus, dass der erstinstanzliche Ausweisungsbescheid am rechtswirksam durch Hinterlegung zugestellt worden sei. Die am erhobene Berufung sei demnach verspätet. Dass der Beschwerdeführer durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, die zweiwöchige Berufungsfrist einzuhalten, bzw. dass ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe, habe er nicht glaubhaft machen können.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
1. Zum Wiedereinsetzungsantrag:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG ist u.a. gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Eine Frist ist versäumt, wenn sie zu laufen begonnen hat und ungenützt verstrichen ist. Hängt der Fristenlauf von der Zustellung eines behördlichen Schriftstücks an die Partei ab, so beginnt die Frist dann nicht zu laufen - und kann deshalb auch nicht versäumt werden - wenn die Zustellung wegen Mängeln unwirksam ist (siehe dazu das Erkenntnis vom , Zl. 2008/09/0327, mwN).
Gemäß § 17 Abs. 2 ZustG, idF des Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetzes 2007, BGBl. I Nr. 5/2008, ist der Empfänger im Fall der Zustellung durch Hinterlegung von dieser schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Eine Hinterlegung ohne schriftliche Verständigung oder auf Grund einer fehlerhaften Verständigung entfaltet keine Rechtswirkungen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2009/09/0127).
Der Beschwerdeführer hat in seinem Wiedereinsetzungsantrag vorgebracht, die Hinterlegungsanzeige nicht in seinem Postfach, sondern (und dies erst am ) oben auf den Hauspostkästen vorgefunden zu haben. Wird aber die Verständigung von der Hinterlegung - wie vom Beschwerdeführer behauptet - nicht in die (für die Abgabestelle des Beschwerdeführers bestimmte) Abgabeeinrichtung eingelegt, dann wäre die Zustellung durch Hinterlegung nicht rechtswirksam erfolgt. Diesfalls hätte die Berufungsfrist erst mit dem tatsächlichen Zukommen des Bescheides am zu laufen begonnen; der Beschwerdeführer, der am Berufung erhoben hat, hätte keine Frist versäumt und es läge somit kein Wiedereinsetzungsgrund vor (vgl. dazu auch das Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0827).
Daran vermag auch der Verweis des Beschwerdeführers auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes, Zl. 2007/11/0103 bzw. Zl. 2005/07/0166, nichts zu ändern, zumal dort - anders als im hier vorliegenden Fall - das Vorbringen jeweils auf die unverschuldete Versäumung der Frist nach einer unbestrittenermaßen rechtswirksamen Zustellung abzielte. Demgegenüber geht die Beschwerde davon aus, dass die "unwirksame Zustellung des Ausweisungsbescheides vom durch Hinterlegung erst durch die tatsächliche Übernahme des Bescheides am geheilt" worden sei.
Die belangte Behörde hat daher dem Wiedereinsetzungsantrag schon ausgehend vom Vorbringen des Beschwerdeführers zu Recht im Ergebnis keine Folge gegeben.
2. Zur Zurückweisung der Berufung:
Der Beschwerdeführer bestreitet auch in Bezug auf diese Frage, dass die Zustellung durch Hinterlegung rechtswirksam erfolgt sei.
Gemäß § 22 Abs. 1 ZustG ist die Zustellung vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden.
Im vorliegenden Fall ist dem Zustellnachweis zu entnehmen, dass die Zustellung durch Hinterlegung mit (Beginn der Abholfrist) erfolgte. Der vom Zusteller erstellte Zustellnachweis ist eine öffentliche Urkunde, die den Beweis dafür erbringt, dass die Zustellung den Angaben auf dem Zustellschein entsprechend erfolgt ist. Dem Empfänger steht der Gegenbeweis offen, allerdings hat er die Behauptung, es lägen Zustellmängel vor, auch entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzubieten, die geeignet sind, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen (vgl. erneut das Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0827).
Der Beschwerdeführer bringt diesbezüglich - wie schon im Verwaltungsverfahren - vor, er habe die Hinterlegungsanzeige nicht in seinem Hausbrieffach, sondern - und zwar erst am - auf der Hausbrieffachanlage liegend vorgefunden. Die belangte Behörde hat daraufhin die Einvernahme des zuständigen Zustellorgans und die Durchführung einer Erhebung im Wohnhaus des Beschwerdeführers veranlasst. Im Zuge ihrer Einvernahme hat die Zustellerin angegeben, die Hinterlegungsanzeige "hundertprozentig" in das richtige Fach eingelegt zu haben; es gebe vier Hausparteien im gegenständlichen Haus, der Beschwerdeführer habe das letzte Fach in der Hausbrieffachanlage. Weiters hat die belangte Behörde dargestellt, dass die erfolgte Befragung von Hausparteien keine Hinweise auf Mängel bei der Zustellung in der Vergangenheit ergeben habe. Ausgehend von diesen Erhebungsergebnissen ist die behördliche Auffassung, dem Beschwerdeführer sei mit seinem Vorbringen der Gegenbeweis der inhaltlichen Unrichtigkeit der öffentlichen Urkunde (nämlich der Angaben auf dem Zustellnachweis) nicht gelungen, aber nicht zu beanstanden. Daran vermag auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf die zwischen der Zustellung und der Einvernahme des Zustellorgans vergangene Zeit (von knapp acht Monaten) nichts zu ändern.
Die Beweiswürdigung der belangten Behörde begegnet somit im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , VwSlg. 11.894 A/1985) keinen Bedenken. Die belangte Behörde durfte daher ihrer Beurteilung zugrunde legen, dass die Hinterlegungsanzeige am in das Hausbrieffach des Beschwerdeführers eingelegt wurde und der Beginn der Berufungsfrist der war. Da die Berufung des Beschwerdeführers erst am erhoben wurde, war ihre Zurückweisung als verspätet nicht als rechtswidrig zu erkennen.
3. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am