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VwGH vom 11.05.2017, Ro 2015/21/0040

VwGH vom 11.05.2017, Ro 2015/21/0040

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Halm-Forsthuber, über die Revision des N Z, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W137 2109480-1/3E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste im Juni 2015 von Deutschland kommend illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am von Sicherheitsorganen festgenommen wurde. Der Revisionswerber, der am bereits in Spanien die Gewährung von internationalem Schutz begehrt hatte, stellte dann auch in Österreich einen darauf gerichteten Antrag. Bei der hierauf vorgenommenen Vernehmung hatte der Revisionswerber zunächst die Beantwortung von Fragen zu seinem Reiseweg und zu seinen Voraufenthalten verweigert, jedoch später angegeben, wieder nach Deutschland zurückkehren zu wollen.

2 In der Folge ordnete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) über den Revisionswerber mit Mandatsbescheid vom die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung (nach Spanien) und zur Sicherung der Abschiebung (dorthin) an. Als maßgebliche Rechtsgrundlagen wurden Art. 28 der Dublin III-VO (Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung)) iVm § 76 Abs. 2 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und § 9a Abs. 4 FPG-Durchführungsverordnung (FPG-DV) sowie § 57 Abs. 1 AVG genannt.

3 Aus Anlass der gegen die Verhängung der Schubhaft mit dem genannten Bescheid und gegen die darauf gegründete Anhaltung erhobenen Beschwerde stellte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm Art. 28 Dublin III-VO, § 76 Abs. 2 Z 4 FPG und § 9 Abs. 4a (gemeint: § 9a Abs. 4) FPG-DV fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. Die Annahme von erheblicher Fluchtgefahr iSd Art. 28 Abs. 2 iVm Art. 2 lit. n Dublin III-VO stützte das BVwG erkennbar insbesondere darauf, dass es im Sinne der Z 6 lit. c des § 9a Abs. 4 FPG-DV aufgrund des bisherigen Verhaltens des Mitbeteiligten wahrscheinlich sei, dass er die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat (Deutschland) beabsichtige. Des Weiteren sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (ordentliche) Revision, zu der keine Revisionsbeantwortungen erstattet wurden und über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage gemäß § 30a Abs. 6 VwGG erwogen hat:

5 Die Revision behauptet der Sache nach auch die Gesetzwidrigkeit des vom BVwG im bekämpften Fortsetzungsausspruch herangezogenen § 9a Abs. 4 FPG-DV (in der hier maßgeblichen Fassung BGBl II Nr. 143/2015). Dazu genügt es auf das (mittlerweile ergangene) Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , V 152/2015 u.a., zu verweisen, mit dem (aus Anlass anderer Verfahren) vom BVwG gestellte Anträge auf Feststellung, dass § 9a Abs. 4 und § 21 Abs. 9 FPG-DV (in der genannten Fassung) gesetzwidrig waren, abgewiesen wurden. Der Verfassungsgerichtshof ging dabei mit näherer Begründung davon aus, dass § 76 FPG (idF vor dem FrÄG 2015) eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die erlassene Durchführungsverordnung dargestellt habe, wobei es für die Gesetzmäßigkeit der FPG-DV ohne Bedeutung sei, ob die BMI auch intendierte, damit Art. 2 lit. n der Dublin III-VO umzusetzen.

6 Eine andere Frage ist, ob die Umsetzung der Vorgaben des Art. 2 lit. n der Dublin III-VO mittels Verordnung der BMI unionsrechtskonform war. Das wird in der vorliegenden Revision auch in erster Linie bestritten und dazu vom Revisionswerber im Ergebnis der Standpunkt vertreten, hierfür wäre die Erlassung eines Gesetzes im formellen Sinn notwendig gewesen.

7 Dem ist beizupflichten, wobei insoweit des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom heutigen Tag, Ra 2015/21/0108, verwiesen werden kann. Dort vertrat der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf das , Rs Al Chodor, zusammengefasst die Meinung, dass § 9a Abs. 4 FPG-DV (in der genannten Fassung) am Maßstab des Art. 2 lit. n Dublin III-VO in seiner Auslegung durch den EuGH keine taugliche Rechtsgrundlage für die Festlegung der Kriterien von Fluchtgefahr dargestellt habe. Es hätte hierfür eines Gesetzes im formellen Sinn, wie es dann auch am in Kraft getreten ist (§ 76 Abs. 3 FPG idF des FrÄG 2015), bedurft.

8 Demnach erweist sich der vorliegend bekämpfte Ausspruch über die Zulässigkeit der Fortsetzung der gegen den Revisionswerber verhängten Schubhaft als inhaltlich rechtswidrig, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

9 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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Schlagworte:
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5

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