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VwGH vom 16.12.2015, Ro 2015/21/0037

VwGH vom 16.12.2015, Ro 2015/21/0037

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W182 2108737-1/3E, betreffend Bescheidaufhebung in einer Angelegenheit nach § 56 AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei:

X L in W, vertreten durch Mag. Dr. Vera Weld, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Stephansplatz 10/5.2), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Mitbeteiligte wurde erstmals im Oktober 2002 im Bundesgebiet aufgegriffen. Sie gab an, chinesische Staatsangehörige zu sein und sich seit August 2002 in Österreich zu befinden. Wegen "Mittellosigkeit" verhängte die Bundespolizeidirektion Wien gegen sie ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot.

Im März 2003 stellte die Mitbeteiligte einen Asylantrag. Dieser wurde mit unbekämpft gebliebenem Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen; zugleich wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Mitbeteiligten in die Volksrepublik China gemäß § 8 Asylgesetz 1997 zulässig sei.

2006 erging gegen die Mitbeteiligte neuerlich ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot, nunmehr wegen "Schwarzarbeit". Mit Bescheid vom wurde gegen sie schließlich eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem fünfjährigen Einreiseverbot (jetzt wieder gestützt auf "Mittellosigkeit") erlassen. Die Erwirkung eines Heimreisezertifikates war allerdings weiterhin nicht möglich.

Am stellte die Mitbeteiligte einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 Abs. 1 AsylG 2005. In einer über Auftrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erstatteten Stellungnahme gab sie an, sich seit zwölf Jahren in Österreich zu befinden; in dieser Zeit habe sie über vier Monate hindurch (bis ) über ein vorläufiges asylrechtliches Aufenthaltsrecht verfügt. Zur Zeit lebe sie in der "chinesischen Community" von Zuwendungen chinesischer Freundinnen und Freunde; sobald ihr ein "Visum" ausgestellt werde, könne sie jedoch in sämtlichen Chinarestaurants als Küchenhilfe "genommen werden". Seit 1994 sei sie mit einem chinesischen Staatsangehörigen verheiratet, der bereits seit Jänner 1999 durchgehend in Österreich aufhältig sei; sie strebe einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet an, weil sie hier mit ihrem Mann zusammenleben könne und ihr eine Trennung von ihm nicht möglich sei.

Mit Bescheid vom wies das BFA den Antrag der Mitbeteiligten gemäß § 56 AsylG 2005 ab. Gegen sie bestehe eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem fünfjährigen Einreiseverbot. Das stelle einen absoluten Versagungsgrund nach § 60 AsylG 2005 dar. (Überdies) seien die individuellen Interessen der Mitbeteiligten am Weiterverbleib in Österreich "aufgrund der gesamten Aktenlage" nicht zu bejahen, da die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der fremdenpolizeilichen und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen höher zu werten seien.

Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Darin führte sie u.a. aus, dass das BFA ihre "Integrationsverfestigung in beruflicher, sprachlicher und persönlicher Hinsicht" unberücksichtigt gelassen habe.

Mit Erkenntnis vom gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der Beschwerde gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 3 FPG statt und behob den Bescheid des BFA ersatzlos. (Zwar) sei die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels - abgesehen von dem vom BFA herangezogenen Versagungsgrund auch wegen Nichtvorliegens der zwingenden Voraussetzung nach § 56 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 - jedenfalls ausgeschlossen. Gemäß den im Spruch des Erkenntnisses genannten Bestimmungen wäre allerdings die abweisende Entscheidung über den Antrag nach § 56 AsylG 2005 unter einem mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden gewesen. § 59 Abs. 5 FPG stehe dem nicht entgegen, zumal das Unterbleiben einer Rückkehrentscheidung "in der vorliegenden Konstellation im Hinblick auf Art. 8 EMRK" ein erhebliches Rechtsschutzdefizit bewirken würde. In Bezug auf die von der Mitbeteiligten behauptete Integrationsverfestigung in beruflicher, sprachlicher und persönlicher Hinsicht samt der behaupteten allfälligen familiären Anbindung könne insbesondere in Zusammenschau mit ihrem nunmehr über zwölf Jahre andauernden faktischen Aufenthalt im Bundesgebiet ein maßgeblich geänderter Sachverhalt (gemeint: im Verhältnis zur zuletzt erlassenen Rückkehrentscheidung) im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens der Mitbeteiligten im Sinne von Art. 8 EMRK "a priori nicht völlig ausgeschlossen werden". Für den Fall, dass sich der Sachverhalt seit Erlassung der Rückkehrentscheidung iVm dem Einreiseverbot vom September 2012 in diesem Sinn verändert hätte, würde - sehe man von der Verpflichtung zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung ab - insoweit keine einer gerichtlichen Überprüfung zugängliche behördliche Beurteilung erfolgen.

§ 10 Abs. 3 AsylG 2005 und § 52 Abs. 3 FPG stellten somit gegenüber § 59 Abs. 5 FPG die spezielleren Normen dar. Da es aber an einer Judikatur zu diesen mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (FNG) eingeführten Bestimmungen fehle, sei die Revision gegen das Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Über die sodann erhobene Revision des BFA hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch das BVwG - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:

1. Das BVwG hat die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt, weil es an Judikatur zu den §§ 52 Abs. 3 und 59 Abs. 5 FPG sowie zu § 10 Abs. 3 AsylG 2005 (jeweils in der Fassung des FNG) fehle. Dieser auch vom BFA in seiner Revision geteilten Einschätzung ist insoweit beizutreten, als zum Verhältnis der erwähnten Vorschriften zueinander in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bislang noch nicht Stellung genommen wurde. In diesem Zusammenhang bedarf es aber auch ergänzend einiger zum Teil berichtigender Klarstellungen in Bezug auf einzelne vom BVwG in der Begründung seines Erkenntnisses angesprochene Bestimmungen des - mit dem FNG neu gestalteten und mit der Überschrift "Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen" versehenen - 7. Hauptstückes des AsylG 2005. 2.1. Im genannten Hauptstück des AsylG 2005 werden zunächst in einem 1. Abschnitt die einzelnen Aufenthaltstitel und ihre (spezifischen) Erteilungsvoraussetzungen dargestellt. Im vorliegenden Fall spielen der in § 55 AsylG 2005 geregelte "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" sowie der in § 56 AsylG 2005 behandelte "Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen" eine Rolle. Im Einzelnen bestimmen diese Vorschriften:

"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine 'Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine 'Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen."

"Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen

§ 56. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf begründeten Antrag, auch wenn er sich in einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem Bundesamt befindet, eine 'Aufenthaltsberechtigung plus' erteilt werden, wenn der Drittstaatsangehörige jedenfalls

1. zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich seit fünf Jahren durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist,

2. davon mindestens die Hälfte, jedenfalls aber drei Jahre, seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen ist und

3. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) erreicht wird.

(2) Liegen nur die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 2 vor, ist eine 'Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen.

(3) Die Behörde hat den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 kann auch durch Vorlage einer einzigen Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 26) erbracht werden. Treten mehrere Personen als Verpflichtete in einer Erklärung auf, dann haftet jeder von ihnen für den vollen Haftungsbetrag zur ungeteilten Hand."

2.2. Der 2. Abschnitt des 7. Hauptstückes des AsylG 2005 - übertitelt mit "Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln" - enthält Verfahrensbestimmungen. Gegenständlich ist auf die §§ 58 und 60 AsylG 2005 Bedacht zu nehmen. Diese Normen haben - § 58 auszugsweise; seit Inkrafttreten des FNG mit wurde lediglich dessen hier nicht wiedergegebener zweiter Absatz novelliert - inklusive Überschrift folgenden Wortlaut:

"Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) ... (4)

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) ... (9)

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) ... (13)"

"Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

§ 60. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und

4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn

1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können oder

2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde."

3.1. Die Mitbeteiligte begehrte die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005. Die besondere Erteilungsvoraussetzung nach Abs. 1 Z 2 dieser Bestimmung, wonach der antragstellende Drittstaatsangehörige jedenfalls drei Jahre seines festgestellten durchgängigen Aufenthaltes im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältig gewesen sein muss, war allerdings evident nicht erfüllt; bereits im Verfahren vor dem BFA (im Rahmen der aufgetragenen Stellungnahme) hatte die Mitbeteiligte eingeräumt, (nur) für die Dauer von vier Monaten über ein vorläufiges asylrechtliches Aufenthaltsrecht verfügt zu haben. Soweit sie in ihrer Stellungnahme vor dem BFA und insbesondere in der Beschwerde gegen dessen Bescheid eine "Integrationsverfestigung" geltend gemacht hat, hätte aber - weil nach ihrem Vorbringen allenfalls "gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten" - abstrakt an einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 gedacht werden können. Daran knüpfen der Sache nach auch die Überlegungen des BVwG an, wenn es in der Vorgangsweise des BFA bzw. in der unterbliebenen Erlassung einer Rückkehrentscheidung (oder des die Kehrseite einer Rückkehrentscheidung bildenden Abspruches nach § 9 Abs. 3 BFA-VG, dass diese Maßnahme auf Dauer unzulässig sei, was zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 von Amts wegen führen müsste) "in der vorliegenden Konstellation im Hinblick auf Art. 8 EMRK" ein erhebliches Rechtsschutzdefizit erblickt. Die Abweisung des verfahrensgegenständlichen Antrages nach § 56 AsylG 2005 wäre daher nach Ansicht des BVwG gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 und gemäß § 52 Abs. 3 FPG unter einem mit einer eine Prüfung nach Art. 8 EMRK inkludierenden Rückkehrentscheidung zu verbinden gewesen. Die Regelung des § 59 Abs. 5 FPG habe demgegenüber zurückzutreten.

3.2. Die eben erwähnten Bestimmungen (§ 10 Abs. 3 AsylG 2005 idF des FNG-Anpassungsgesetzes, § 52 Abs. 3 sowie § 59 Abs. 5 FPG idF des FNG) ordnen - unter nachstehenden Paragraphenüberschriften - an:

"Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10. (3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

"Rückkehrentscheidung

§ 52. (3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird."

"Besondere Verfahrensbestimmungen

§ 59. (5) Besteht gegen einen Drittstaatsangehörigen bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung, so bedarf es bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung, es sei denn, es sind neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 hervorgekommen."

3.3. Die ErläutRV (1803 BlgNR 24. GP 67) zu § 59 Abs. 5 FPG führen aus:

"Der vorgeschlagene Abs. 5 dient der Verfahrensökonomie und normiert, dass eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung grundsätzlich auch bei den genannten nachfolgenden Verfahrenshandlungen als Rechtsgrundlage für die Außerlandesbringung dient und es somit nicht der Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung bedarf. Diese Bestimmung soll naturgemäß nicht gelten, wenn neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 hervorkommen, das heißt dem Bundesamt neue Tatsachen, die eine nochmalige Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes erfordern, bekannt werden."

3.4. Der sowohl in § 59 Abs. 5 FPG selbst als auch in den eben zitierten Materialien mit seinen Absätzen 2 und 3 angesprochene § 53 FPG (idF des FNG-Anpassungsgesetzes) lautet - auszugsweise - wie folgt:

"Einreiseverbot

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

...

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

...

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) ... (6)"

4. Dem BVwG ist einzuräumen, dass der Wortlaut des § 59 Abs. 5 FPG missglückt ist. Vor allem die Bezugnahme auf alle "nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005", bei denen es bei Existenz einer aufrechten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung "bedarf", ist sprachlich offenkundig verfehlt. So versteht es sich etwa - um nur die primäre "Verfahrenshandlung" nach dem 7. Hauptstück des FPG herauszugreifen - von selbst, dass es im Zuge einer Abschiebung (oder allenfalls auch für eine solche) bei Bestehen einer aufrechten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung keiner wiederholten Rückkehrentscheidung bedarf. Insoweit kann der Bestimmung daher, nimmt man sie wörtlich, keine sinnvolle Handlungsanweisung entnommen werden. Dessen ungeachtet scheint aber auch vor dem Hintergrund der wiedergegebenen ErläutRV erkennbar, worum es geht: Existiert bereits eine rechtskräftige und noch aufrechte Rückkehrentscheidung (gemäß dem jüngst ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2015/20/0082 bis 0087, muss es allerdings eine solche sein, die mit einem Einreiseverbot verbunden ist), die als Titel für eine Außerlandesbringung des Drittstaatsangehörigen herangezogen werden kann, so "bedarf" es ausnahmsweise - sofern nicht aufgrund "neu hervorgekommener" Tatsachen eine Neubemessung des bestehenden Einreiseverbotes erforderlich ist - entgegen den diesbezüglichen gesetzlichen Anordnungen (in § 10 AsylG 2005 bzw. in § 52 FPG) nicht der Erlassung einer wiederholten - unter dem Blickwinkel der beabsichtigten Außerlandesbringung entbehrlichen - Rückkehrentscheidung (samt Einreiseverbot).

Für die Rückkehrentscheidungs-Tatbestände nach § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 bzw. nach § 52 Abs. 2 Z 1 FPG (weil ein Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatssicherheit zurückgewiesen wurde) ergibt sich das im Grunde auch aus § 16 Abs. 2 Z 1 iVm Z 2 BFA-VG. Neben dem Fall, dass ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen und damit eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verbunden ist, wird dort nämlich auch der Konstellationen gedacht, dass ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht, also keine neue Rückkehrentscheidung mit der Zurückweisung verbunden wird (vgl. auch § 16 Abs. 4 BFA-VG). In den ErläutRV zum FNG-Anpassungsgesetz (2144 BlgNR 24. GP 11) heißt es dazu entsprechend:

"(Abs. 2) normiert, dass einer Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz bei Vorliegen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt. Dies gilt unabhängig davon, ob die aufenthaltsbeendende Maßnahme mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist oder bereits eine Rückkehrentscheidung besteht, deren Durchführung auf Grund des Antrags auf

internationalen Schutz vorübergehend unzulässig wird. ... Die neue

Formulierung zielt lediglich darauf ab, dass nunmehr § 59 (Abs. 5) FPG folgend ein neuerlicher Ausspruch einer Rückkehrentscheidung unter bestimmen Voraussetzungen entfallen kann, an der bisherigen Systematik des AsylG 2005 ändert dies nichts."

Nochmals ist daher festzuhalten, dass es bei Bestehen einer als Titel für eine Außerlandesbringung nach wie vor tauglichen Rückkehrentscheidung (mit Einreiseverbot) grundsätzlich nicht der Erlassung einer neuen Rückkehrentscheidung (samt Einreiseverbot) "bedarf", was indes nur heißen kann, dass dann eine neue Rückkehrentscheidung zu unterbleiben hat. Da § 59 Abs. 5 FPG insoweit keine Einschränkung zu entnehmen ist, erfasst das alle Rückkehrentscheidungs-Tatbestände des § 10 AsylG 2005 einerseits und § 52 FPG andererseits und somit auch die im vorliegenden Fall einschlägigen § 10 Abs. 3 AsylG 2005 bzw. § 52 Abs. 3 FPG.

5.1. Ergebnis ist, dass im vorliegenden Fall (es existierten nach wie vor Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot aus dem September 2012) letztlich im Sinn der Revision und entgegen der Ansicht des BVwG mit der Abweisung des Antrags der Mitbeteiligten auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 keine wiederholte Rückkehrentscheidung - bzw. gegebenenfalls, wenn die Beurteilung nach § 9 BFA-VG für den Fall der Verhängung einer solchen aufenthaltsbeendenden Maßnahme eine Verletzung von Art. 8 EMRK ergeben hätte, kein Abspruch nach § 9 Abs. 3 BFA-VG über die dauernde Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung - zu ergehen hatte. Das vom BVwG erblickte "erhebliche Rechtsschutzdefizit" (siehe dazu oben 3.1.) besteht nicht. Anders als das BVwG meint, steht einem Drittstaatsangehörigen nämlich zur Geltendmachung seines Privat- und Familienlebens im Sinn von Art. 8 EMRK der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zur Verfügung, der nach Maßgabe des Vorliegens weiterer Voraussetzungen (§ 55 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005) entweder als "Aufenthaltsberechtigung plus" oder als "Aufenthaltsberechtigung" auszustellen ist, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (§ 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005). Ist ein Drittstaatsangehöriger der Ansicht, Letzteres sei der Fall, so ist er daher auf § 55 AsylG 2005 zu verweisen, für eine Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG im Rahmen eines an das Verfahren nach § 56 AsylG 2005 geknüpften Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung (auf den inhaltlichen Gleichklang der Beurteilung eines Eingriffs in das Privat- und Familienleben eines Fremden bei Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung einerseits und der Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 andererseits wurde zuletzt im hg. Erkenntnis vom , Ra 2015/21/0101, Punkte 3.3. und 3.4. der Entscheidungsgründe, hingewiesen) besteht kein Bedürfnis. Das würde letztlich auch dem sich aus § 58 Abs. 6 AsylG 2005 ergebenden Grundsatz der Antragsbindung zuwiderlaufen.

5.2. Das BVwG hat § 55 AsylG 2005 zwar in seine Überlegungen miteinbezogen, dabei jedoch die Ansicht vertreten, einem erfolgversprechenden Antrag nach dieser Bestimmung stünde von vornherein der Versagungsgrund nach § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 entgegen.

Der Ansicht des BVwG ist indes nicht beizutreten.

Auszugehen ist von § 58 Abs. 10 erster Satz AsylG 2005, wonach Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 als unzulässig zurückzuweisen sind, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Die ErläutRV (1803 BlgNR 24. GP 50) legen dazu dar:

"Der neue (Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung ist die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolgt nun durch das Bundesamt. Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass - im Rahmen einer Neubewertung - wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird."

Gemäß diesen Ausführungen hat also im Rahmen eines Verfahrens nach § 55 AsylG 2005 auch eine Neubewertung einer Rückkehrentscheidung, die mit einem Einreiseverbot nach § 53 Abs. 2 oder 3 FPG verbunden ist, im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens zu erfolgen. Ergibt diese Neubewertung, dass ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinn des Art. 8 EMRK vorliegt, so ist der begehrte Aufenthaltstitel, ungeachtet des bestehenden Einreiseverbotes nach § 53 Abs. 2 und 3 FPG, zu erteilen und die Rückkehrentscheidung wird gemäß § 60 Abs. 3 Z 2 FPG gegenstandslos, sodass auch dem - deshalb ebenfalls gegenstandslos werdenden - Einreiseverbot der Boden entzogen ist. Vor diesem Hintergrund ist die vom BVwG angesprochene allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 dergestalt einschränkend auszulegen, dass sie sich - wie die inhaltlich ähnliche Erteilungsvoraussetzung nach § 60 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 ausdrücklich - nur auf Aufenthaltstitel nach den §§ 56 und 57 AsylG 2005 beziehen kann. Dieses Verständnis liegt auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nahe, ermöglicht es doch, Einreiseverbote, die mangels fristgerechter Ausreise des Drittstaatsangehörigen keiner Verkürzung oder Aufhebung nach § 60 Abs. 1 oder 2 FPG zugänglich sind, bei zwingenden Gründen des Art. 8 EMRK im Wege der Antragstellung nach § 55 AsylG 2005 gegenstandslos werden zu lassen (zur gebotenen Beachtung von Gründen des Art. 8 EMRK im Zusammenhang mit der Aufhebung von Einreiseverboten siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 74/12).

5.3. Nach dem Gesagten wäre mit der Mitbeteiligten ausgehend von der - von der Revision nicht in Frage gestellten und daher hier nicht näher geprüften - Auffassung des BVwG, es könne im Verhältnis zur zuletzt erlassenen Rückkehrentscheidung eine maßgebliche Sachverhaltsänderung nicht ausgeschlossen werden, zwar im Sinn des § 58 Abs. 6 AsylG 2005 zu erörtern gewesen, ob sie einen Antrag nach § 55 AsylG 2005 stellen wolle. Die ersatzlose Aufhebung des Abweisungsbescheides des BFA, weil die Erlassung einer Rückkehrentscheidung hätte geprüft werden müssen, war hingegen verfehlt, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Wien, am