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VwGH vom 31.01.2013, 2011/23/0502

VwGH vom 31.01.2013, 2011/23/0502

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des C, vertreten durch DDr. Peter Lewisch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/399397/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, reiste am illegal nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom wurde gegen ihn gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 des Fremdengesetzes 1997 ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot rechtskräftig erlassen, weil er am von Organen der Zollbehörde bei einer unzulässigen Beschäftigung im Sinn des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (konkret dem Einsortieren von Waren bei einem Verkaufsstand) betreten worden war. Sein Asylantrag wurde mit dem am rechtskräftig gewordenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates abgewiesen. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom abgelehnt.

Am stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Asylantrag, der mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, rechtskräftig seit , wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom wiederum abgelehnt.

Mit Bescheid vom erließ die Bundespolizeidirektion Wien gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, dass das Aufenthaltsverbot auf die Dauer von zehn Jahren befristet werde.

Die belangte Behörde hielt zunächst fest, dass gegen den Beschwerdeführer bereits einmal, mit Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom , ein Aufenthaltsverbot "wegen Mittellosigkeit" erlassen worden sei. Weiters verwies sie auf seine Angaben bei seiner Einvernahme am , denen zufolge er im Jahr 2006 aus Österreich ausgereist und erst Anfang August 2008 wieder hierher zurückgekehrt sei. Er habe ausgesagt, im Besitz von EUR 25,-- zu sein und seit seiner Wiedereinreise bei verschiedenen Bekannten Unterkunft genommen zu haben, ohne sich behördlich anzumelden. Auf Grund seiner Mittellosigkeit erachtete die belangte Behörde den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 7 FPG als erfüllt. Daran könne auch die - nicht näher konkretisierte - Behauptung des Beschwerdeführers, für seinen Lebensunterhalt werde von Bekannten gesorgt, nichts ändern, zumal damit kein Rechtsanspruch auf eine Unterstützungsleistung nachgewiesen werde. Es sei somit die Annahme gerechtfertigt, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche "Ordnung, Ruhe und Sicherheit" gefährde, weil die Gefahr bestehe, der Beschwerdeführer könnte sich die Mittel zu seinem Unterhalt illegal beschaffen.

In Ansehung des § 66 FPG erachtete die belangte Behörde den mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers als zulässig. Das öffentliche Interesse an der Verhängung des Aufenthaltsverbotes überwiege nämlich sein Privatinteresse an einem weiteren Inlandsaufenthalt, zumal er im Bundesgebiet weder über familiäre noch über berufliche Bindungen verfüge. Daran könne auch sein nicht näher substantiiertes Vorbringen, für ein Kind in Polen sorgepflichtig zu sein und "früher einmal gemeinsam mit einer Lebensgefährtin und dem Kind in Wien gelebt zu haben", nichts ändern.

Die belangte Behörde erachtete schließlich auch die von ihr vorgenommene Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes als gerechtfertigt und verwies diesbezüglich darauf, dass gegen den Beschwerdeführer bereits im Jahr 2002 "aufgrund des selben (jetzt angelasteten) Tatbestands" ein Aufenthaltsverbot erlassen worden sei und er sich auch davon nicht habe abhalten lassen, "ungeachtet neuerlicher oder fortbestehender Mittellosigkeit wieder nach Österreich einzureisen".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Oktober 2008 geltende Fassung.

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Als bestimmte Tatsache iSd Abs. 1 hat gemäß § 60 Abs. 2 Z 7 FPG zu gelten, wenn ein Fremder (von einer hier nicht maßgeblichen Ausnahme abgesehen) den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0305, mwN). Dass der Beschwerdeführer einen derartigen Nachweis erbracht hätte, wird auch in der Beschwerde nicht geltend gemacht. Es ist somit nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 7 FPG als erfüllt erachtete.

Auch die weitere Beurteilung, aus der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers resultiere die Gefahr einer illegalen Mittelbeschaffung und die Gefährdungsannahme nach § 60 Abs. 1 FPG sei somit gerechtfertigt, ist nicht zu beanstanden. Zwar stützte sich das im Jahr 2002 gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot entgegen der behördlichen Feststellung nicht auf seine Mittellosigkeit, sondern auf die Betretung bei einer unerlaubten Tätigkeit. Dessen ungeachtet konnte die belangte Behörde dieses Aufenthaltsverbot für ihre - zutreffende - Gefährdungsprognose heranziehen, zumal die Verwirklichung des Tatbestands sowohl der Z 7 (Mittellosigkeit) als auch der Z 8 (Betretung bei einer unerlaubten Tätigkeit) des § 60 Abs. 2 FPG die Gefahr nach sich zieht, der Fremde könnte sich die Mittel für seinen Unterhalt illegal (etwa in Form einer unerlaubten Erwerbstätigkeit) beschaffen. Diese Gefahr hat sich beim Beschwerdeführer aber bereits einmal manifestiert. Vor diesem Hintergrund kommt auch dem Beschwerdevorbringen, wonach "keinerlei Anhaltspunkte" für eine negative Zukunftsprognose bestünden bzw. "auch in Hinkunft nicht damit zu rechnen" sei, dass sich der Beschwerdeführer Mittel zu seinem Unterhalt illegal beschaffen könnte, keine Berechtigung zu. Daran vermag auch der Hinweis des Beschwerdeführers darauf, er sei der öffentlichen Hand bislang nicht zur Last gefallen, nichts zu ändern, zumal er laut eigenen Angaben (bezogen auf den Bescheiderlassungszeitpunkt) erst seit etwa zwei Monaten wieder im Bundesgebiet aufhältig sei.

Auch die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung begegnet im Ergebnis keinen Bedenken:

Der Beschwerdeführer rügt zwar, im Hinblick auf sein in Polen lebendes Kind (das die polnische Staatsangehörigkeit besitze) stelle die Verhängung des Aufenthaltsverbotes einen Verstoß gegen das Recht auf Familienleben dar. Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass nach dem Unionsrecht die Ausschreibung im Schengener Informationssystem (als Folge der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes durch einen Mitgliedstaat) nicht in jedem Fall der Erteilung eines Aufenthalts- oder Einreisetitels (durch einen anderen Mitgliedstaat) im Wege steht (siehe des Näheren das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0413, mwN). Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer weder behauptet, dass sein Kind auf die Pflege und Obsorge durch ihn angewiesen sei, noch dargelegt, in welcher Weise - und zwar ungeachtet des Umstandes, dass er laut eigenen Angaben die beiden vergangenen Jahre in Indien verbracht hat - enge persönliche Beziehungen zu diesem bestünden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde dem nicht näher konkretisierten Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem in Polen lebenden Kind keine maßgebliche Bedeutung beigemessen und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als zulässig iSd § 66 FPG angesehen hat.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang einen Verstoß gegen die Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) moniert, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, dass er entgegen seiner Auffassung kein Familienangehöriger iSd Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie ist, zumal Verwandte eines Unionsbürgers in gerader aufsteigender Linie nur dann erfasst werden, wenn ihnen vom Unionsbürger Unterhalt gewährt wird. Im Übrigen leben der Beschwerdeführer und sein Kind nicht zusammen.

Der Beschwerdeführer rügt noch die unterbliebene Einvernahme der Mutter seines Kindes. Damit wird aber schon deshalb kein relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt, weil ein konkretes Beweisthema im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht wurde (und auch in der Beschwerde nicht näher dargelegt wird).

Schließlich erachtet der Beschwerdeführer die von der belangten Behörde vorgenommene Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes von fünf auf zehn Jahre als rechtswidrig. Entgegen der Beschwerdeauffassung führt die damit einhergehende Verschlechterung seiner rechtlichen Situation für sich genommen aber nicht zu einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. Auf ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (als einer administrativ-rechtlichen Maßnahme) ist nämlich das AVG anzuwenden, das eine dem § 51 Abs. 6 VStG vergleichbare Bestimmung nicht enthält. Es besteht somit kein Verbot der reformatio in peius, d.h., dass der Bescheid von der Berufungsbehörde auch zum Nachteil des Berufungswerbers abgeändert werden kann (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 98/18/0128, und darauf Bezug nehmend etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2006/18/0469).

Es kann der belangten Behörde im vorliegenden Fall aber auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie - abweichend von der erstinstanzlichen Behörde - im Hinblick auf das erste, im Jahr 2002 gegen den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot, dessen Durchsetzung der Beschwerdeführer infolge Stellung von nicht berechtigten Asylanträgen verhinderte, und seine erneute illegale (und mittellose) Einreise in das Bundesgebiet die Auffassung vertrat, ein verlässlicher Wegfall der von ihm ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit könne nicht vor Verstreichen eines Zeitraums von zehn Jahren angenommen werden. Da der Verwaltungsgerichtshof - wie bereits dargelegt - den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat, ist es für den vorliegenden Fall auch unbeachtlich, dass ein Aufenthaltsverbot wegen Mittellosigkeit nach der aktuell geltenden Rechtslage (vgl. § 53 Abs. 2 Z 6 FPG idF BGBl. I Nr. 50/2012) in der Regel höchstens für fünf Jahre erlassen werden kann.

Der Beschwerdeführer zeigt auch keine Umstände auf, die die belangte Behörde dazu hätten veranlassen müssen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens abzusehen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am