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VwGH vom 24.02.2011, 2009/16/0108

VwGH vom 24.02.2011, 2009/16/0108

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des W in S, vertreten durch Dr. Manfred Korn, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 37, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates vom , GZ. RV/0304-S/02, betreffend Haftung für Umsatzsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/15/0129, verwiesen. Aus diesem ergibt sich, dass der Beschwerdeführer vom bis Geschäftsführer der K GmbH war, welche ihrerseits in diesem Zeitraum persönlich haftende Gesellschafterin der K GmbH Co KG gewesen ist.

Mit Bescheid vom nahm das Finanzamt den Beschwerdeführer als Haftungspflichtigen für aushaftende Umsatzsteuer des Jahres 1995 der K GmbH Co KG in Höhe von S 1,152.055,-- (EUR 83.723,--) in Anspruch.

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe unter Beachtung des Gebotes der anteiligen Befriedigung aller Gläubiger die Abgabenverbindlichkeiten 1995 nicht schlechter behandelt als andere Verbindlichkeiten. Eine weitergehende Befriedigung der Forderungen sei damals nicht möglich gewesen. Zum Beweis für dieses Vorbringen biete er die Bücher und Papiere der Gesellschaft an und sei zur Abgabe von erforderlichen Konkretisierungen und zur Mitwirkung an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes bereit. Es werde auch eine Liquiditätsaufstellung beigebracht werden.

Mit Bescheid vom gab die damalige Finanzlandesdirektion für Salzburg der Berufung keine Folge.

Mit dem bereits genannten hg. Erkenntnis vom hob der Verwaltungsgerichtshof die Berufungsentscheidung vom mit der Begründung auf, dass sich aus der Konkurseröffnung (am ) über die K GmbH Co KG und über deren Komplementärin allein noch nicht zwingend die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen ergebe. Diese sei erst dann anzunehmen, wenn im Lauf des Insolvenzverfahrens feststehe, dass die Abgabenforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden könne. Angesichts der bevorstehenden Ausgleichstagsatzung sei die Uneinbringlichkeit in Höhe der angebotenen Quote von 20 % noch keineswegs festgestanden. Da der Beschwerdeführer in voller Höhe zur Haftung herangezogen worden sei, sei der Berufungsbescheid vom wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben gewesen. Bei diesem Verfahrensergebnis sei auf die weitere Verfahrensrüge, bei Gewährung des Parteiengehörs (insbesondere Aufnahme der in der Berufung angebotenen Beweise) hätte der Beschwerdeführer aufzeigen können, mit welcher Quote die Abgabenschuld auch ohne sein schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten uneinbringlich geworden wäre, nicht weiter einzugehen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung teilweise Folge gegeben und der erstinstanzliche Haftungsbescheid dahingehend abgeändert, dass die haftungsbegründenden Abgabenschuldigkeiten auf S 712.648,56 (EUR 51.791,32) herabgesetzt wurden. Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Zwangsausgleich mit der angebotenen 20 %-Quote am angenommen und der Konkurs mit Beschluss des Landesgerichtes vom aufgehoben worden sei. Der in Haftung gezogene Betrag sei um diese - in der Folge auch entrichtete - 20 %-Quote auf den nunmehr aushaftenden Betrag an Umsatzsteuer 1995 von EUR 51.791,32 einzuschränken gewesen.

Hinsichtlich des schuldhaften Verhaltens des Geschäftsführers sei darauf hinzuweisen, dass es sich bei der in Haftung gezogenen Umsatzsteuer 1995 ausschließlich um Beträge handle, die von der Primärschuldnerin nicht in die Buchhaltung aufgenommen worden seien. Sie resultierten aus Schlussrechnungen für große Bauvorhaben und seien dem Finanzamt weder gemeldet noch abgeführt worden. Laut Bericht der Betriebsprüfung vom seien Schlussrechnungen für Aufträge der Landesregierung in den Büchern nicht erfasst worden. Die Nichtabfuhr dürfte in der mangelnden Liquidität und der bereits damals drückenden Schuldenlage des Unternehmens begründet gewesen sein. Für die im Rahmen der Betriebsprüfung erfolgte Festsetzung der Umsatzsteuer seien (nur) die von den Auftraggebern bestätigten Zahlungen herangezogen worden. Es könne keinem Zweifel unterliegen, dass die ordnungsgemäße Erfassung vereinnahmter Beträge und die nach dem UStG 1994 gebotene Abfuhr der Umsatzsteuer zu den grundlegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen des Geschäftsführers als handelndem Organ der Gesellschaft gehöre.

Mit Erkenntnis des Spruchsenates vom sei der Beschwerdeführer der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 und der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 FinStrG schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe von S 200.000,-- verhängt worden. Die haftungsgegenständliche Umsatzsteuer 1995 sei im strafbestimmenden Wertbetrag enthalten gewesen. Hinterzogene Abgaben seien von vornherein einer Gleichbehandlung nicht zugänglich.

Das Berufungsvorbringen, wonach der Beschwerdeführer 1995 Abgabenverbindlichkeiten nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten, werde durch die Aktenlage widerlegt. Richtig sei, dass 1995 andere Verbindlichkeiten bedient worden seien, nicht jedoch die in Rede stehenden Umsatzsteuern, die nicht im Rechenwerk aufgenommen worden seien. Ob andere Abgaben (anteilig) entrichtet worden seien, sei nicht relevant, weil es im gegenständlichen Berufungsverfahren allein um die in Haftung gezogene Umsatzsteuer 1995 gehe. Da 1995 der Geschäftsbetrieb des Unternehmens in vollem Umfang aufrecht gewesen sei, hätten Lieferanten, Banken und andere Gläubiger bedient werden müssen. Die verkürzten Umsatzsteuerbeträge seien demgegenüber dem Finanzamt nicht einmal angezeigt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem "Recht auf Nichtinanspruchnahme als Haftender gemäß §§ 9, 80 BAO" verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs. 1 BAO haben u.a. die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich war, widrigenfalls angenommen wird, dass die Pflichtverletzung schuldhaft war. Nur der Vertreter wird in der Regel jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht (vgl. beispielsweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/16/0092, mwN).

Der Vertreter haftet nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern nur im Umfang der Kausalität zwischen seiner schuldhaften Pflichtverletzung und dem Entgang der Abgaben. Reichten die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden aus und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und den Abgabengläubiger somit benachteiligt hat, dann erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf den Betrag, um den der Abgabengläubiger bei gleichmäßiger Befriedigung aller Forderungen mehr erlangt hätte, als er infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich erhalten hat. Der Nachweis, welchen Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt allerdings dem Vertreter. Weist er nach, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, dann haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und dem tatsächlich bezahlten Betrag. Tritt der Vertreter diesen Nachweis nicht an, dann kann ihm die uneinbringliche Abgabe allerdings zur Gänze vorgeschrieben werden (vgl. für viele die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2006/15/0010, und vom , Zl. 2007/13/0137).

Hat der Vertreter in dieser Hinsicht nicht nur ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete, sachbezogene Behauptungen aufgestellt, die nicht schon von vornherein aus rechtlichen Gründen unmaßgeblich sind, so hat ihn die Behörde zu einer Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die es ihr, nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens, ermöglichen, zu beurteilen, ob der Vertreter ohne Verstoß gegen die ihm obliegende Gleichbehandlungspflicht vorgegangen ist und ob und in welchem Ausmaß ihn deshalb eine Haftung trifft. Kommt der Geschäftsführer dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zu der Annahme berechtigt, dass er seiner Verpflichtung schuldhaft nicht nachgekommen ist. Konsequenterweise haftet der Vertreter dann für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden zur Gänze (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/16/0206, mwN).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Hinterziehung der haftungsgegenständlichen Umsatzsteuer für 1995, welche zweifellos eine erhebliche Pflichtverletzung darstellt. Er wendet sich gegen die Haftungsinanspruchnahme zunächst mit dem Vorbringen, dass sich im Falle "sämtlicher Meldungen" die Verbindlichkeiten der K GmbH Co KG um diese Umsatzsteuer (rund S 1,3 Mio) erhöht hätten, was zum sofortigen Konkursantrag geführt hätte. Dieses Vorbringen kann aber der Beschwerde schon deswegen nicht zum Erfolg verhelfen, als - auch erhebliche - wirtschaftliche Schwierigkeiten die abgabenrechtliche Pflichtverletzung in Form einer Abgabenhinterziehung nicht zu entschuldigen vermögen.

Der Beschwerdeführer rügt auch, die belangte Behörde habe sich mit seinem Vorbringen hinsichtlich der Erfüllung des Gleichbehandlungsgebotes, welches er durch das Angebot von konkreten Beweismitteln untermauert hätte, nicht in ausreichendem Ausmaß auseinandergesetzt.

Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren die Gleichbehandlung der Abgabenforderungen behauptet und ausdrücklich die Bereitschaft zu weiteren Konkretisierungen, zur Mitwirkung an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie zur Beibringung einer Liquiditätsaufstellung bekundet.

Die belangte Behörde hat ungeachtet dieser Angebote den angefochtenen Bescheid erlassen und sich auf die - nicht weiter begründete - Feststellung beschränkt, dass das Vorbringen hinsichtlich der Gleichbehandlung durch die Aktenlage widerlegt werde. Auf welche Aktenteile sich die belangte Behörde dabei zu stützen vermeinte, hat sie jedoch nicht offengelegt.

Die Abgabenbehörde durfte allein aus dem Umstand, dass der Geschäftsbetrieb der Primärschuldnerin 1995 noch "in vollem Umfang aufrecht" gewesen sei, noch nicht den Schluss ziehen, dass der Abgabengläubiger bei der Befriedigung seiner Forderungen benachteiligt worden sei. Dass zum - im Übrigen von der belangten Behörde nicht konkretisierten - Fälligkeitszeitpunkt der haftungsgegenständlichen Umsatzsteuer konkrete Forderungen anderer Gläubiger (wenigstens teilweise) befriedigt worden seien, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Darüber hinaus kann der belangten Behörde nicht darin beigepflichtet werden, dass es auf die (anteilige) Entrichtung anderer Abgabenforderungen desselben Abgabengläubigers nicht ankomme. Eine solche wird bei der Beurteilung der Gleichbehandlung dann zu berücksichtigen sein, wenn der Fälligkeitszeitpunkt anderer Abgaben desselben Abgabengläubigers mit jenem der haftungsgegenständlichen Umsatzsteuer zusammenfällt. Diesbezüglich hat die belangte Behörde aber ebenfalls keine Feststellungen getroffen. Die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach "hinterzogene Abgaben von vornherein einer Gleichbehandlung nicht zugänglich" seien, können vom Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollzogen werden, schließlich wurde der Beschwerdeführer als Geschäftsführer nach §§ 9 und 80 BAO und nicht als Täter eines vorsätzlichen Finanzvergehens nach § 11 BAO zur Haftung herangezogen.

Im Beschwerdefall wäre es jedenfalls an der Behörde gelegen gewesen, Präzisierungen und Beweise vom Geschäftsführer abzufordern, um konkrete Feststellungen über seine Entlastungsbehauptungen treffen zu können. Sie hätte den Beschwerdeführer zur rechnerischen Darlegung jener Beträge auffordern müssen, deren Entrichtung zu der Abgabenfälligkeit in Gegenüberstellung mit den sonstigen Verbindlichkeiten unter Berücksichtigung der geleisteten Zahlungen dem Gebot der Gleichbehandlung aller Forderungen entsprochen hätte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/16/0206, mwN).

Da die belangte Behörde einen entsprechenden Vorhalt nicht erlassen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Der Beschwerdeführer rügt im Übrigen, dass die belangte Behörde ihre Ermessensentscheidung nicht begründet habe. Er bringt dazu vor, dass er vor der Konkurseröffnung dem Unternehmen erhebliche Privatmittel zugeführt habe, um dessen Fortbestand zu sichern. Von seinem "Fehlverhalten" bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides seien mehr als dreizehn Jahre vergangen, in denen er erkennbares Bemühen gezeigt habe, den eingetretenen Schaden so weit wie möglich gut zu machen. Mittlerweile habe er auch die Primärschuldnerin erfolgreich weitergeführt, ohne dass es zu einem weiteren Konkursverfahren oder einer sonstigen Schädigung von Gläubigern gekommen wäre.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung auch die Verfahrensdauer, insbesondere die aus den vorgelegten Akten ersichtliche achtjährige Untätigkeit der Berufungsbehörden nach Aufhebung der Berufungsentscheidung vom , zu berücksichtigen haben, welche im Beschwerdefall - sollten nicht außergewöhnliche Gründe vorliegen - der Inanspruchnahme zur vollen Haftung entgegenstünde.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde daher auch ihre Ermessensentscheidung zu begründen haben.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am