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VwGH vom 10.05.2010, 2009/16/0105

VwGH vom 10.05.2010, 2009/16/0105

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Mag. Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Ing. EP in L, vertreten durch die Widter Mayrhauser Wolf Rechtsanwälte OEG in 1220 Wien, Wagramerstraße 135, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom , GZ. RV/0527-K/07, betreffend Abweisung eines Antrages auf Einstellung der Exekution, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des gepfändeten Kraftfahrzeuges wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Finanzamt führte am gegen den Beschwerdeführer auf Grund eines Rückstandsausweises vom über EUR 11.436,54 Exekution. Dabei händigte der Vollstrecker dem Beschwerdeführer den Vollstreckungsauftrag ebenfalls vom aus. Neben diversen Einrichtungsgegenständen wurden auch zwei Teleskopwanderstöcke, ein Kopierer und ein Pkw Mazda (Baujahr 1989) gepfändet. Dabei stellte der Vollstrecker fest, dass der Pkw zwar auf den Beschwerdeführer angemeldet sei, dass der Beschwerdeführer aber angegeben habe, keinen Führerschein zu besitzen und sich mit diesem Auto fahren zu lassen.

Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer u.a. die Einstellung der Exekution und "die Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit, das ist der 'Vollstreckungsauftrag' vom und vom , welcher ohne leserlicher Unterschrift und ohne Namensbeifügung ist". Dabei brachte er vor, dass es sich bei den Teleskopwanderstöcken und den Pkw um unpfändbare Gegenstände handle, weil er zu 70 % invalid und gehbehindert und auf die genannten Gegenständen angewiesen sei. Er besitze einen Bundesinvalidenpass mit dem Zusatz, dass ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei. Den (kleinen, billigen) Handkopierer benötige er als Inhaber eines Gewerbescheines zur Unternehmensberatung für Zwecke der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit, weswegen auch dieser unpfändbar sei.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Einstellung der Exekution auf die am gepfändeten Gegenstände ab. Begründend führte das Finanzamt aus, bei den Teleskopwanderstöcken handle es sich nicht um wegen körperlicher Gebrechen notwendige Hilfsmittel. Solche stünden dem Beschwerdeführer ebenfalls zur Verfügung und seien aus diesem Grunde nicht gepfändet worden. Da der Beschwerdeführer lediglich Pensionseinkünfte beziehe, könne es sich bei dem Kopierer nicht um einen zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstand handeln. Bei dem Pkw handle es sich nicht um ein Invaliden-Kfz, das bei schwerster Gehbehinderung als Hilfsmittel gemäß § 29 Z. 13 AbgEO in Betracht käme.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Vollstreckungsauftrag sei ein behördeninterner, nicht normativer Rechtsakt. Die vom Beschwerdeführer angesprochenen Voraussetzungen, insbesondere die Namhaftmachung eines einschreitenden Beamten, träfen (nur) auf normative Rechtsakte und somit Bescheide zu.

Es sei daher lediglich zu prüfen, ob unpfändbare Sachen oder der Pfändung entzogene Sachen gepfändet worden seien. Hinsichtlich der Teleskopwanderstöcke habe der einschreitende Beamte festgestellt, dass der Beschwerdeführer über die notwendigen Hilfsmittel verfüge und diese auch nicht gepfändet worden seien. Hinsichtlich des Pkw werde darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer selbst angebe, über keine Lenkerberechtigung zu verfügen. Er habe im Zuge der Pfändung angegeben, sich von seiner Nichte mit seinem Auto fahren zu lassen. Das Vorbringen, wonach er auf die Benützung des eigenen Fahrzeuges unbedingt angewiesen sei, stehe im Widerspruch mit der Tatsache, dass er über keine Lenkerberechtigung verfüge. Erhebungen der Finanzprokuratur hätten ergeben, dass ihn seine Nichte entweder mit dem beschwerdegegenständlichen oder mit ihrem eigenen Fahrzeug fahre. Das gepfändete Fahrzeug stelle daher kein Hilfsmittel im Sinne des § 29 Z. 13 AbgEO dar, weil es der Beschwerdeführer nicht benützen könne. Dass es sich um ein uraltes, wertloses Fahrzeug handle, möge zwar richtig sein, die Abgabenbehörde sei jedoch verpflichtet, exekutionsrechtliche Maßnahmen zu treffen, um den unberichtigt aushaftenden Abgabenrückstand wenigstens teilweise einbringlich zu machen. Der Vermerk im Behindertenpass, wonach für den Beschwerdeführer die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel unzumutbar sei, sei nachträglich eingetragen worden und vermöge daran, dass der Beschwerdeführer das gepfändete Fahrzeug mangels Lenkerberechtigung nicht benützen könne, nichts zu ändern.

Wenn der Beschwerdeführer meine, das Kopiergerät sei für seine Berufsausübung als Unternehmensberater unverzichtbar, so werde ihm entgegnet, dass er laut Abgabenkonto beim Finanzamt lediglich Pensionseinkünfte beziehe, sodass es sich bei dem gepfändeten Kopiergerät nicht um einen zur Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit unbedingt notwendigen Gegenstand handeln könne. Das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers stehe objektiv im Widerspruch zur Aktenlage und den getroffenen Feststellungen des Finanzamtes.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich - immerhin erkennbar - in seinem Recht auf Einstellung der Vollstreckung verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 3 AbgEO haben sich die Vollstrecker zu Beginn der Amtshandlung (vor Durchführung der erteilten Aufträge) unaufgefordert über ihre Person auszuweisen und eine Ausfertigung des Auftrages der Abgabenbehörde auf Durchführung der Vollstreckung (Vollstreckungsauftrag) auszuhändigen.

Gemäß § 16 Z 2 AbgEO ist außer in den in den §§ 12 bis 14 angeführten Fällen die Vollstreckung unter gleichzeitiger Aufhebung aller bis dahin vollzogenen Vollstreckungsakte auf Antrag oder von Amts wegen einzustellen, wenn die Vollstreckung auf Sachen oder Forderungen geführt wird, die nach den geltenden Vorschriften überhaupt oder einer abgesonderten Vollstreckung entzogen sind.

Der Vollstreckung entzogen sind nach § 29 Abs. 1 Z 1 AbgEO (idF der Novelle BGBl. I Nr. 161/2005) die dem persönlichen Gebrauch oder dem Haushalt dienenden Gegenstände, soweit sie einer bescheidenen Lebensführung des Abgabenschuldners und der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder entsprechen oder wenn ohne weiteres ersichtlich ist, dass durch deren Verwertung nur ein Erlös erzielt werden würde, der zum Wert außer allem Verhältnis steht.

Weiters sind nach § 29 Abs. 1 Z 8 AbgEO (idF der Novelle BGBl. I Nr. 161/2005) der Vollstreckung entzogen die Hilfsmittel zum Ausgleich einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung oder einer Sinnesbehinderung und Hilfsmittel zur Pflege des Abgabenschuldners oder der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder sowie Therapeutika und Hilfsgeräte, die im Rahmen einer medizinischen Therapie benötigt werden.

Durch die Novelle BGBl. I Nr. 161/2005 wurde dem § 29 AbgEO ein Abs. 2 angefügt, in welchem bestimmt wurde, dass der Vollstrecker Gegenstände geringen Werts auch dann nicht zu pfänden hat, wenn offenkundig ist, dass die Fortsetzung oder Durchführung der Exekution einen die Kosten dieser Exekution übersteigenden Ertrag nicht ergeben wird.

Die Vorschriften des § 29 AbgEO sind von Amts wegen wahrzunehmen. Werden sie verletzt, hat der Abgabepflichtige die Möglichkeit, einen auf § 16 Z 2 AbgEO gestützten Einstellungsantrag zu stellen, über den die Abgabenbehörde mit Bescheid abzusprechen hat ( Liebeg , Abgabenexekutionsordnung, Rz 2 zu § 29).

Der Beschwerdeführer rügt, der Vollstreckungsauftrag habe weder eine leserliche Unterschrift noch eine leserliche Namensbeifügung enthalten und sei daher "rechtlich nicht existent geworden".

Dieses Vorbringen geht insofern ins Leere, als es sich bei dem Vollstreckungsauftrag lediglich um einen Auftrag der Abgabenbehörde an den Vollstecker zur Vornahme einer Vollstreckung, also um einen behördeninternen, nicht normativen Rechtsakt handelt. Durch die bloße Aushändigung des Vollstreckungsauftrages an eine Partei des Abgabenvollstreckungsverfahrens ändert sich an der Rechtsnatur des Vollstreckungsauftrages nichts (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/17/0100).

Weiters rügt der Beschwerdeführer, der Vollstrecker hätte die Teleskopwanderstöcke, den Kopierer und den Pkw nicht pfänden dürfen, und begründet dies damit, dass nach § 29 Abs. 2 AbgEO der Verkehrswert dieser Gegenstände dermaßen gering gewesen sei, dass die Durchführung der Exekution einen die Kosten der Exekution übersteigenden Betrag mit Sicherheit nicht erbracht hätte. Diesem Vorbringen steht aber das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschende Neuerungsverbot entgegen.

Hinsichtlich der Teleskopwanderstöcke und des Pkw ist jedoch zu prüfen, ob deren Pfändung die Bestimmung des § 29 Abs. 1 Z 8 AbgEO (wegen körperlicher Gebrechen notwendige Hilfsmittel) entgegensteht. Diese Pfändungsschutzbestimmung kann sich grundsätzlich auf alle Sachen beziehen, die notwendig sind, um ein körperliches Gebrechen möglichst wettzumachen. Es muss sich also nicht unbedingt um Sachen handeln, die aus rein medizinischer Sicht als Behelf für einen Körperbehinderten geschaffen und verwendet werden (vgl. das zur vergleichbaren Pfändungsschutzbestimmung des (damaligen) § 251 Z 13 EO ergangenen , mwN).

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde zwar vor, auf die Teleskopwanderstöcke angewiesen zu sein, er tritt aber der Feststellung der belangten Behörde, dass er über die notwendigen Hilfsmittel verfüge und diese auch nicht gepfändet worden seien, nicht entgegen.

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde iZm dem Pkw festgestellt, dass der Beschwerdeführer über keine Lenkerberechtigung verfüge und von seiner Nichte entweder mit diesem oder deren eigenem Fahrzeug gefahren werde. Da er es nicht selbst benutzen könne, stelle das Fahrzeug kein der Pfändung entzogenes Hilfsmittel dar. Daran vermöge auch die - nachträglich erfolgte - Eintragung im Bundesbehindertenpass, wonach dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar sei, nichts zu ändern.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren auch behauptet, auf den Pkw angewiesen zu sein, und zur Untermauerung seines Vorbringens einen Behindertenpass, ausgestellt vom Bundessozialamt, vorgelegt. In diesem wurde der Grad der Behinderung mit 70 % ausgewiesen und der Beschwerdeführer als gehbehindert bezeichnet.

Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde nicht in ausreichendem Maße auseinander gesetzt. Insbesondere hat sie keine Feststellungen über das tatsächliche Ausmaß der Gehbehinderung des Beschwerdeführers und die sich - unter Berücksichtigung seiner sonstigen Lebensumstände - daraus ergebende Notwendigkeit der Verwendung dieses Kfz getroffen. Allein der Umstand, dass ein Behinderter eine andere Person als Lenker benötigt, um seinen Pkw zu benutzen, reicht noch nicht hin, um diesem Fahrzeug den Pfändungsschutz nach § 29 Abs. 1 Z 8 AbgEO abzusprechen. Auch wenn die Frage, ob ein Gegenstand der Exekution entzogen ist, grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Pfändung zu beurteilen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/15/0002, mwN), so ergibt sich aus der Feststellung, dass die Eintragung über die Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel durch den Beschwerdeführer in dessen Behindertenpass "nachträglich" erfolgt sei, noch nicht zwingend, dass diese Unzumutbarkeit nicht bereits im Zeitpunkt der Pfändung bestanden hat.

Auf Grund dieses Begründungsmangels belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der Pfändung des Pkw wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am