VwGH vom 01.03.2016, Ra 2015/11/0097

VwGH vom 01.03.2016, Ra 2015/11/0097

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des B D in T (Tschechische Republik), vertreten durch die Huber Ebmer Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Schillerstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-300492/9/Re/BZ/TK, betreffend Übertretung des AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Wels), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der ELTA s.r.o., einer Gesellschaft mit näher bezeichnetem Sitz in der Tschechischen Republik, für schuldig erkannt, dass diese am auf einer näher bezeichneten Baustelle in Wels hinsichtlich vier namentlich genannter slowakischer Arbeitnehmer die Lohnunterlagen, die zur Überprüfung des jenen gebührenden Entgelts erforderlich seien, nicht bereitgehalten habe. Wegen Übertretung des § 7d Abs. 1 iVm § 7i Abs. 2 AVRAG wurde über den Revisionswerber eine Geldstrafe in Höhe von EUR 500,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

Weiters wurde ausgesprochen, dass die Erhebung einer ordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

1.1. In der Begründung traf das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens entsprechende Sachverhaltsfeststellungen zum objektiven Tatbestand. In der rechtlichen Beurteilung setzte es sich sodann mit dem Vorbringen des Revisionswerbers auseinander, der in der Beschwerde die rechtswirksame Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vom bestritten hatte, weil die Tschechische Republik dem Europäischen Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungsstrafsachen im Ausland nicht beigetreten sei und daher Zustellungen von Schriftstücken der Verwaltungsstrafbehörde nach Ansicht des Revisionswerbers "in tschechischer Übersetzung über die zuständige tschechische Behörde hätten erfolgen müssen".

Dem hielt das Verwaltungsgericht zum einen entgegen, das genannte Straferkenntnis sei dem Revisionswerber, ebenso wie die Aufforderung zur Rechtfertigung, mittels aktenkundigem internationalen Rückschein (auf diesem ist als Zustelladresse der Sitz der vom Revisionswerber vertretenen Gesellschaft in der Tschechischen Republik angeführt) zugestellt worden.

Zum anderen bestehe gemäß § 39a AVG iVm § 17 VwGVG ein Rechtsanspruch auf Beistellen eines Dolmetschers oder Übersetzers nur im mündlichen Verkehr zwischen der Behörde und den Parteien. Auf die Verwendung einer fremden Sprache im schriftlichen Verkehr mit der Behörde bestehe kein Anspruch, abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall, dass eine weitere Sprache als Amtssprache zugelassen sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/06/0226).

Schließlich sei auch bei weiter Auslegung des Art. 6 EMRK und dem dort verankerten Recht des Beschuldigten, in einer ihm verständlichen Sprache über die gegen ihn erhobene Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden, nichts zu gewinnen, weil der Revisionswerber, wie sich aus dem Verwaltungsakt und der von ihm in deutscher Sprache erstatteten schriftlichen Stellungnahme ergebe, der deutschen Sprache mächtig sei. Außerdem habe er nach Erlassung des Straferkenntnisses einen rechtsfreundlichen Vertreter beigezogen, der rechtzeitig Beschwerde erhoben habe, wodurch ein allfälliger erstinstanzlicher Verfahrensfehler im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht saniert worden sei.

1.2. Soweit der Revisionswerber in der Beschwerde seine Verantwortlichkeit als Geschäftsführer der genannten Gesellschaft bestritt, weil in einem näher bezeichneten Beschluss vom eine Teilung der Kompetenzen zwischen den Geschäftsführern der in Rede stehenden Gesellschaft vorgenommen worden sei, entgegnete das Verwaltungsgericht, dass aus diesem Beschluss keine Übertragung der Verantwortung iSd § 9 Abs. 2 VStG für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften, konkret des AVRAG, hervorgehe.

1.3. Im Übrigen begründete das Verwaltungsgericht das Verschulden des Revisionswerbers und die Höhe der (auf das Mindestmaß herabgesetzten) Strafhöhe.

2. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , E 486-487/2015-6, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Innerhalb der Frist des § 26 Abs. 4 VwGG erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.

Über diese hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

2.1. In der Revision wird zur Frage ihrer Zulässigkeit zusammengefasst ausgeführt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob ein in deutscher Sprache verfasstes Straferkenntnis einer österreichischen Behörde, das an einen nicht deutsch sprechenden Ausländer im nicht deutschsprachigen Ausland ohne Übersetzung in dessen Muttersprache ergangen ist, entgegen dem Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom als rechtswirksam zugestellt anzusehen sei, und im Falle der Verneinung dieser Frage, ob eine solche Zustellung heilen könne.

Die Revision ist aus dem soeben genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht begründet:

2.2. Zunächst ist festzuhalten, dass die Frage der Rechtmäßigkeit der Zustellung des Straferkenntnisses vom an den Revisionswerber am Sitz der von ihm vertretenen Gesellschaft in der Republik Tschechien vor dem Hintergrund einer (unstrittig) nicht beigegebenen Übersetzung dieses Straferkenntnisses ins Tschechische schon im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht vorgebracht wurde. Der Umstand, dass im Beschwerdeverfahren in diesem Zusammenhang noch nicht der nunmehr in der Revision genannte Staatsvertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik ins Treffen geführt wurde, stellt keine unzulässige Neuerung im Revisionsverfahren dar, weil es sich dabei um eine Rechtsausführung handelt (vgl. etwa die bei Mayer/Muzak, B-VG (2015), unter II.1. zu § 41 VwGG referierte hg. Judikatur).

2.3. Das Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, lautet auszugsweise:

"§ 11. (1) Zustellungen im Ausland sind nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen."

2.4. Aus § 11 Abs. 1 Zustellgesetz ergibt sich eine abgestufte Reihenfolge, die bei der Prüfung, ob eine entsprechende Zustellung in einen anderen Staat möglich und zulässig ist, anzuwenden ist (vgl. die Nachweise bei Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely , Österreichisches Zustellrecht, 2. Auflage, Rz 2 f. zu § 11 ZustellG). Entscheidend sind daher in erster Linie bestehende internationale Vereinbarungen.

2.5. Vorweg ist anzumerken, dass das Europäische Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland, BGBl. Nr. 67/1983 idF BGBl. III Nr. 53/2005, dessen Art. 11 die unmittelbare Zustellung eines Schriftstückes durch die Post im Hoheitsgebiet anderer Vertragsstaaten zulässt, ohne das Erfordernis der Übersetzung dieses Schriftstückes zu normieren, auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, weil es von der Republik Tschechien nicht ratifiziert wurde (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/19/3573).

2.6. Das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom , BGBl. Nr. 41/1969, dessen Art. 16 die Übersetzung von Rechtshilfeersuchen und beigefügten Schriftstücken regelt, ist auf die vorliegende Verwaltungsstrafsache schon deshalb nicht anwendbar, weil sich der Geltungsbereich gemäß Art. 1 Abs. 1 dieses Übereinkommens nur auf strafbare Handlungen erstreckt, zu deren Verfolgung im ersuchenden Staat die Justizbehörden zuständig sind (vgl. außerdem zur weiteren Einschränkung des Geltungsbereiches den Vorbehalt Österreichs zu diesem Übereinkommen).

2.7. In Ergänzung zum letztgenannten Übereinkommen (vgl. dazu dessen Art. 26 Abs. 3) und zu dessen erleichterter Anwendung wurde - einerseits - der "Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom und die Erleichterung seiner Anwendung", BGBl. 744/1995, abgeschlossen, dessen Bestimmungen auszugsweise wie folgt lauten:

"Artikel I

(Zu Artikel l des Übereinkommens)

(1) Rechtshilfe wird auch für Verfahren wegen strafbarer Handlungen geleistet, deren Bestrafung in dem Zeitpunkt, in dem um Rechtshilfe ersucht wird, in einem der beiden Vertragsstaaten in die Zuständigkeit eines Gerichtes und im anderen Vertragsstaat in die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde fällt.

(2) Für die Rechtshilfe durch Zustellung von Schriftstücken ist es nicht erforderlich, daß im ersuchten Staat eine Justiz- oder Verwaltungsbehörde zur Verfolgung zuständig ist.

...

Artikel XII

(Zu Artikel 15 des Übereinkommens)

(1) Soweit dieser Vertrag nichts anderes bestimmt, können die Justizbehörden der beiden Vertragsstaaten in Angelegenheiten der Rechtshilfe in Strafsachen unmittelbar miteinander verkehren. Ersuchen nach dem Übereinkommen und diesem Vertrag können auch einerseits durch den Bundesminister für Justiz der Republik Österreich und andererseits, wenn im ersuchenden Staat bereits Anklage erhoben worden ist, durch den Justizminister der Tschechischen Republik, sonst durch den Obersten Staatsanwalt der Tschechischen Republik übermittelt werden.

...

(3) Zuzustellende Schriftstücke können auch unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr geltenden Vorschriften übermittelt werden. Im Postweg übermittelte Schriftstücke, deren Zustellung nach dem Übereinkommen und diesem Vertrag nicht zulässig wäre, gelten in beiden Vertragsstaaten als dem Empfänger nicht zugekommen.

...

Artikel XIII

(Zu Artikel 16 des Übereinkommens)

(1) Übersetzungen von Ersuchen, die nach diesem Vertrag gestellt werden, sowie von beigefügten Unterlagen werden, soweit dieser Vertrag nichts anderes bestimmt, nicht angeschlossen.

(2) Den zuzustellenden Schriftstücken ist eine Übersetzung in die Sprache des ersuchten Staates anzuschließen, die von einem amtlich bestellten Dolmetscher mit Sitz in einem der Vertragsstaaten angefertigt und beglaubigt ist. Eine Beglaubigung der Unterschrift des Dolmetschers ist nicht erforderlich.

(3) Ist das zuzustellende Schriftstück nicht mit einer Übersetzung in die Sprache des ersuchten Staates versehen, so hat sich das ersuchte Gericht darauf zu beschränken, die Zustellung durch Übergabe des Schriftstückes an den im Ersuchen bezeichneten Empfänger zu bewirken, wenn dieser zur Annahme bereit ist.

(4) Schriftstücke, die nach Artikel XII Absatz 3 dieses Vertrages unmittelbar im Postweg zugestellt werden, ist in jedem Fall eine Übersetzung in die Sprache des ersuchten Staates anzuschließen. Ist das zuzustellende Schriftstück nicht mit einer Übersetzung in die Sprache des ersuchten Staates versehen, so gilt die Zustellung in beiden Vertragsstaaten als nicht bewirkt. Bei der Zustellung von Schriftstücken im Postweg an eigene Staatsangehörige kann auf Übersetzungen verzichtet werden.

..."

Die Erläuterungen dazu (142 BlgNR XIX. GP Seite 13 f.) lauten

auszugsweise:

"Zu Artikel XII:

...

Die Zustellung von Schriftstücken ist unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr geltenden Vorschriften möglich. Eine solche Zustellung gilt nach Absatz 3 als nicht bewirkt, wenn die Zustellung nach dem Übereinkommen und diesen Vertrag unzulässig wäre. In beiden Vertragsstaaten gilt daher das Schriftstück dem Empfänger als nicht zugekommen.

Artikel XIII Absatz 4 sieht als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung vor, daß in jedem Fall dem im Postwege zuzustellenden Schriftstück eine Übersetzung in die Sprache des ersuchten Staates anzuschließen ist. Fehlt eine solche Übersetzung, so gilt die Zustellung ebenfalls in beiden Staaten als nicht bewirkt. Lediglich bei der Zustellung von Schriftstücken im Postweg an eigene Staatsangehörige kann auf diese Übersetzung verzichtet werden. Wird ein Rückschein benötigt, so ist die Zustellung mittels internationalen Rückschein durchzuführen. Diesbezüglich ist auf Artikel 135 und 136 der Ausführungsvorschrift zum Weltpostvertrag vom hinzuweisen.

...

Zu Artikel XIII:

Grundsätzlich werden Übersetzungen der Rechtshilfeersuchen

und ihrer Beilagen nicht angeschlossen.

Zuzustellenden Schriftstücken ist aber grundsätzlich eine Übersetzung in die Sprache des ersuchten Staates anzuschließen. Wurde diese Vorschrift nicht beachtet, so kann sich die ersuchte Justizbehörde darauf beschränken, die Zustellung an den Empfänger nur zu bewirken, wenn dieser zur Annahme des fremdsprachigen Schriftstückes bereit ist (Absatz 3).

..."

2.8. In Ergänzung zum (unter 2.6. genannten) Übereinkommen vom und zu dessen erleichterter Anwendung wurde andererseits am das "Übereinkommen - gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union vom Rat erstellt - über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union samt Erklärungen" (ABl. C 197 vom ) unterzeichnet, das nach Ratifizierung und Kundmachung in BGBl. III Nr. 65/2005 in Österreich am in Kraft getreten ist.

Dieses Übereinkommen wurde auch durch die Tschechische Republik ratifiziert (vgl. dazu die Kundmachung BGBl. III Nr. 28/2008) und lautet auszugsweise wie folgt:

"Artikel 1

Verhältnis zu anderen Übereinkommen über Rechtshilfe

(1) Zweck dieses Übereinkommens ist es, folgende Bestimmungen zu ergänzen und ihre Anwendung zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu erleichtern:

a) Europäisches Übereinkommen vom über die Rechtshilfe in Strafsachen (nachstehend ‚Europäisches Rechtshilfeübereinkommen' genannt),

...

(2) Dieses Übereinkommen berührt weder die Anwendung günstigerer Bestimmungen der zwischen Mitgliedstaaten geschlossenen bilateralen oder multilateralen Übereinkünfte noch, wie dies in Artikel 26 Absatz 4 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens vorgesehen ist, die Vereinbarungen über die Rechtshilfe in Strafsachen aufgrund einheitlicher Rechtsvorschriften oder eines besonderen Systems, das die gegenseitige Anwendung von Rechtshilfemaßnahmen in ihren Hoheitsgebieten vorsieht.

...

Artikel 3

Verfahren, in denen ebenfalls Rechtshilfe geleistet wird

(1) Rechtshilfe wird auch in Verfahren wegen Handlungen geleistet, die nach dem innerstaatlichen Recht des ersuchenden oder des ersuchten Mitgliedstaats oder beider als Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften durch Verwaltungsbehörden geahndet werden, gegen deren Entscheidung ein auch in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann.

...

Artikel 5

Übersendung und Zustellung von Verfahrensurkunden

(1) Jeder Mitgliedstaat übersendet Personen, die sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhalten, für sie bestimmte Verfahrensurkunden unmittelbar durch die Post.

(2) Die Verfahrensurkunden können nur dann durch Vermittlung der zuständigen Behörden des ersuchten Mitgliedstaats übersandt werden, wenn

a) die Anschrift des Empfängers unbekannt oder nicht genau bekannt ist,

b) die entsprechenden Verfahrensvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats einen anderen als einen auf dem Postweg möglichen Nachweis über die Zustellung der Urkunde an den Empfänger verlangen,


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c)
eine Zustellung auf dem Postweg nicht möglich war, oder
d)
der ersuchende Mitgliedstaat berechtigte Gründe für die Annahme hat, daß der Postweg nicht zum Ziel führen wird oder ungeeignet ist.

(3) Wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Zustellungsempfänger der Sprache, in der die Urkunde abgefaßt ist, unkundig ist, so ist die Urkunde - oder zumindest deren wesentlicher Inhalt - in die Sprache oder in eine der Sprachen des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Empfänger sich aufhält, zu übersetzen. Ist der Behörde, die die Verfahrensurkunde ausgestellt hat, bekannt, daß der Empfänger nur einer anderen Sprache kundig ist, so ist die Urkunde - oder zumindest deren wesentlicher Inhalt - in diese andere Sprache zu übersetzen.

(4) Jeder Verfahrensurkunde wird ein Vermerk beigefügt, aus dem hervorgeht, daß der Empfänger sich bei der Behörde, die die Urkunde ausgestellt hat, oder bei anderen Behörden dieses Mitgliedstaats erkundigen kann, welche Rechte und Pflichten er im Zusammenhang mit der Urkunde hat. Absatz 3 gilt auch für diesen Vermerk.

..."

Die Erläuterungen dazu (RV 696 BlgNR XXII.GP) lauten

auszugsweise:

"Das Übereinkommen soll die bestehenden Übereinkommen auf dem Gebiet der Rechtshilfe in Strafsachen, insbesondere das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom , BGBl. Nr. 41/1969 idgF (in der Folge: Europ RH Übk), und die im Schengener Durchführungsübereinkommen vom , BGBl. III Nr. 90/1997 (in der Folge: SDÜ), enthaltenen Bestimmungen über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen ergänzen.

Der wesentliche Inhalt des Übereinkommens betrifft Rechtshilfeleistung auch in Verfahren wegen Verwaltungsdelikten, sofern gegen die Entscheidung ein auch in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann, …..

...

Zu Artikel 1:

Abs. 1 regelt das Verhältnis des Übereinkommens zu anderen internationalen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen und stellt klar, dass es diese lediglich ergänzt und ihre Anwendung zwischen den Mitgliedstaaten erleichtern soll.

Es handelt sich dabei - soweit für Österreich relevant - um folgende Übereinkommen:


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-
Europ RH Übk;
-
Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom , BGBl. Nr. 296/1983; und
-
jene Bestimmungen über die Rechtshilfe in Strafsachen des SDÜ, die nicht durch im gegenständlichen Übereinkommen enthaltene Neuregelungen ersetzt und daher nicht durch Art. 2 Abs. 2 dieses Übereinkommens aufgehoben werden.
Bei Kollision einzelner Vorschriften ist den Bestimmungen des EU RH Übk der Vorrang einzuräumen.
Abs. 2 enthält eine Meistbegünstigungsklausel, wonach die Anwendung günstigerer Vorschriften in bilateralen oder multilateralen Übereinkommen unberührt bleibt.
...
Zu Artikel 3:
Abs. 1 geht dadurch über den Anwendungsbereich des Europ RH Übk hinaus, dass - ebenso wie nach Art. 49 lit. a SDÜ - die Verpflichtung zur Rechtshilfeleistung auch für Verfahren vorgesehen wird, die nach dem innerstaatlichen Recht des ersuchenden oder des ersuchten Mitgliedstaats oder beider Staaten als Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften durch Verwaltungsbehörden geahndet werden, sofern gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde ein auch in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann. Im Hinblick auf die im österreichischen Verwaltungsstrafverfahren bestehende Rechtsmittelmöglichkeit an die Unabhängigen Verwaltungssenate (UVS), welche nach der Rechtsprechung des EGMR als Tribunale im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK anzusehen sind, wird es künftig im Sinne der bereits auf der Grundlage von Art. 49 lit. a SDÜ geübten Vorgangsweise möglich sein, auch in Verwaltungsstrafverfahren um Rechtshilfe zu ersuchen, und zwar auch für den Fall, dass der ersuchte Mitgliedstaat kein vergleichbares Verfahren kennt.
...
Zu Artikel 5:
Abs. 1 dieser Bestimmung regelt die Zustellung von Verfahrensurkunden an Personen, die sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhalten, auf dem Postweg. Der Begriff der ‚Verfahrensurkunde' ist - ebenso wie jener der ‚gerichtlichen Urkunden' in Art. 52 SDÜ - nicht definiert. Er sollte im Sinne der österreichischen Erklärung zu Art. 52 SDÜ (siehe Erlass vom , JMZ 530.102/398-IV 1/97, JABl Nr. 42/1997) ausgelegt werden.
Die Vorschrift geht über Art. 52 SDÜ hinaus, indem die Übermittlung von Verfahrensurkunden auf dem Postweg zum Regelfall erklärt wird. Lediglich in den in Abs. 2 abschließend angeführten Fällen können die zuständigen Behörden des ersuchten Mitgliedstaats im Rechtshilfeweg um Veranlassung der Zustellung ersucht werden.
Wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Zustellungsempfänger die Sprache, in der die Urkunde abgefasst ist, nicht versteht, ist dieser nach Abs. 3 eine Übersetzung - zumindest der wesentlichen Passagen - in die Sprache des ersuchten Staats oder in eine andere Sprache, deren der Empfänger kundig ist, anzuschließen.
Darüber hinaus hat jede auf dem Postweg übermittelte Verfahrensurkunde eine Rechtsbelehrung zu enthalten, wobei auch diesbezüglich die Sprachenregelung des Abs. 3 zur Anwendung gelangt.
..."

2.9. Das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, BGBl. Nr. 40/1980, lautet auszugsweise:

"Artikel 30

Anwendung aufeinanderfolgender Verträge über denselben

Gegenstand

(1) Vorbehaltlich des Artikels 103 der Satzung der Vereinten Nationen bestimmen sich die Rechte und Pflichten von Staaten, die Vertragsparteien aufeinanderfolgender Verträge über denselben Gegenstand sind, nach den folgenden Absätzen.

(2) Bestimmt ein Vertrag, daß er einem früher oder später geschlossenen Vertrag untergeordnet ist oder nicht als mit diesem unvereinbar anzusehen ist, so hat der andere Vertrag Vorrang.

(3) Sind alle Vertragsparteien eines früheren Vertrags zugleich Vertragsparteien eines späteren, ohne daß der frühere Vertrag beendet oder nach Artikel 59 suspendiert wird, so findet der frühere Vertrag nur insoweit Anwendung, als er mit dem späteren Vertrag vereinbar ist.

(4) Gehören nicht alle Vertragsparteien des früheren Vertrags zu den Vertragsparteien des späteren,

a) so findet zwischen Staaten, die Vertragsparteien beider Verträge sind, Absatz 3 Anwendung;

b) so regelt zwischen einem Staat, der Vertragspartei beider Verträge ist, und einem Staat, der Vertragspartei nur eines der beiden Verträge ist, der Vertrag, dem beide Staaten als Vertragsparteien angehören, ihre gegenseitigen Rechte und Pflichten.

..."

2.10. Sowohl der unter 2.7. dargestellte Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik, BGBl. 744/1995 (im Folgenden kurz: Vertrag), als auch das unter 2.8. dargestellte Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, BGBl. III Nr. 65/2005 (im Folgenden kurz: Übereinkommen), stellen jedenfalls insoweit eine Erweiterung des (wie erwähnt die Zuständigkeit von Justizbehörden voraussetzenden) Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom , BGBl. Nr. 41/1969, dar. Während das genannte Übereinkommen gemäß seinem Art. 3 auf das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist (vgl. die zu dieser Bestimmung zitierten Erläuterungen sowie die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2010/03/0191, und vom , Zl. 2013/03/0016, deren Ausführungen seit der Einführung von Verwaltungsgerichten umso mehr gelten), setzt die Anwendbarkeit des genannten Vertrages auf den vorliegenden Fall gemäß dessen Art. I zunächst voraus, dass die strafbare Handlung in einem der beiden Vertragsstaaten - fallbezogen in der Tschechischen Republik - in die Zuständigkeit eines Gerichtes fällt. Ob dies der Fall ist, kann hier dahingestellt bleiben, weil diesem Vertrag gegenständlich jedenfalls aus einem anderen Grund keine Bedeutung zukommt:

Während der genannte Vertrag in Art. XII Abs. 3 iVm Art. XIII Abs. 4 im Falle der unmittelbaren Zustellung von Schriftstücken auf dem Postweg zwingend ("in jedem Fall") eine Übersetzung des solcherart zuzustellenden Schriftstückes (bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit der Zustellung) vorschreibt, sieht das genannte Übereinkommen in seinem Art. 5 Abs. 3 das Erfordernis einer Übersetzung von in einem anderen Mitgliedstaat zugestellten Verfahrensurkunden nur für den Fall vor, dass der Zustellungsempfänger der Sprache, in der die Urkunde abgefasst ist, unkundig ist.

Dieser allfällige Normenkonflikt ist dahin zu lösen, dass dem Art. 5 Abs. 3 des Übereinkommens zum einen schon nach der lexposterior-Regel der Vorrang zukommt (Art. 30 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge). Zum anderen ist zu beachten, dass die genannten Vorschriften, wie sich schon aus dem Titel des Vertrages und aus Art. 1 des Übereinkommens ergibt, dazu dienen sollen, die Anwendung (u.a.) des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom , BGBl. Nr. 41/1969, zu "erleichtern", sodass Art. 5 Abs. 3 des Übereinkommens (und nicht Art. XII Abs. 3 iVm Art. XIII Abs. 4 des Vertrages) die "günstigere" Bestimmung im Sinne des Art. 1 Abs. 2 dieses Übereinkommens darstellt und damit nach der letztgenannten Bestimmung Vorrang hat.

2.11. Für den vorliegenden Fall folgt daraus, dass das Verwaltungsgericht auf Basis der nicht als unschlüssig zu erkennenden Feststellung, der Revisionswerber sei der deutschen Sprache mächtig, (zumindest im Ergebnis) zutreffend davon ausgegangen ist, dass die Zustellung des ausschließlich in deutscher Sprache verfassten Straferkenntnisses an den Revisionswerber in Tschechien auch ohne Übersetzung in die tschechische Sprache rechtswirksam war. Das Verwaltungsgericht war folglich zur meritorischen Entscheidung über die Beschwerde des Revisionswerbers zuständig.

2.12. Im Übrigen bestehen beim Verwaltungsgerichtshof entgegen dem Revisionsvorbringen weder Bedenken gegen die Ansicht des Verwaltungsgerichts, im vorliegenden Fall sei ein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG mangels ausdrücklicher Übertragung der Verantwortung für die Einhaltung von Rechtsvorschriften wie jener des AVRAG nicht rechtswirksam bestellt worden (vgl. etwa die zitierte Judikatur bei Raschauer/Wessely , Kommentar zum Verwaltungsstrafgesetz, Rz 8 zu § 9), noch gegen die (vom Verwaltungsgericht auf die Mindeststrafe herabgesetzte) Strafhöhe.

3. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren (zum Antrag auf Durchführung einer Verhandlung durch den Verwaltungsgerichtshof genügt es darauf hinzuweisen, dass es gegenständlich ausschließlich um die Klärung einer Rechtsfrage geht und dass eine Verhandlung bereits vor dem Verwaltungsgericht stattgefunden hat) in nicht-öffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am