Suchen Hilfe
VwGH vom 03.09.2015, Ro 2015/21/0028

VwGH vom 03.09.2015, Ro 2015/21/0028

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des O A, zuletzt in W, vertreten durch Dr.in Julia Ecker, Rechtsanwältin in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W188 2017606- 1/6E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das bekämpfte Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung (Spruchpunkte A. II. bis IV.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Revisionswerber ist algerischer Staatsangehöriger und stellte in Österreich im Juli 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid vom wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück, sprach aus, dass für die Prüfung des Antrages gemäß der Dublin III-VO Italien zuständig sei und ordnete gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Außerlandesbringung des Revisionswerbers an; demzufolge sei seine Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG nach Italien zulässig.

In der Folge verhängte das BFA gegen den Revisionswerber zur Sicherung seiner Abschiebung mit Mandatsbescheid vom gemäß Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 1 FPG die Schubhaft.

Die gegen die Verhängung der Schubhaft mit dem genannten Bescheid und gegen die darauf gegründete Anhaltung erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom gemäß § 76 Abs. 1 FPG und § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm Art. 28 Dublin III-VO als unbegründet ab (Spruchpunkt A. I.). Überdies stellte das BVwG gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 1 FPG und Art. 28 Dublin III-VO fest, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen (Spruchpunkt A. II.). Schließlich verpflichtete das BVwG den Revisionswerber gemäß § 35 VwGVG zum Aufwandersatz an den Bund und wies demzufolge das Kostenersatzbegehren des Revisionswerbers ab (Spruchpunkte A. III. und IV.). Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig (Spruchpunkt B.).

Gegen die genannte Entscheidung erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser behob mit Erkenntnis vom , E 453/2015-5, dessen Spruchpunkt A. I., lehnte jedoch im Übrigen die Behandlung der Beschwerde ab; insoweit wurde sie an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Über die dann erhobene - wie sich aus dem Weiteren ergibt:

zulässige - Revision gegen die Spruchpunkte A. II. bis IV. hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat nach Aktenvorlage durch das BVwG (Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet) erwogen:

Die gegen den Revisionswerber angeordnete Schubhaft diente der Sicherung seiner - am dann auch effektuierten -

Überstellung gemäß der Dublin III-VO nach Italien und stützte sich auf Art. 28 der genannten unionsrechtlichen Verordnung in Verbindung mit der innerstaatlichen Norm des § 76 Abs. 1 FPG. Gleiches gilt für den revisionsgegenständlichen Fortsetzungsausspruch unter Spruchpunkt A. II. des angefochtenen Erkenntnisses.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ro 2014/21/0075, zum Ausdruck gebracht, dass Schubhaft zur Sicherung einer Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nur auf Grundlage von Art. 28 Dublin III-VO, der diesbezüglich autonome Vorschriften enthält, in Betracht kommt. Das haben sowohl das BFA als auch das BVwG erkannt. Im genannten Erkenntnis wurde aber auch festgehalten, dass es am Boden von Art. 2 lit. n Dublin III-VO ergänzend innerstaatlich gesetzlich festgelegter Kriterien zur Konkretisierung der in Art. 28 Abs. 2 der Verordnung für die Verhängung von Schubhaft (u.a.) normierten Voraussetzung des Vorliegens von "Fluchtgefahr" bedürfe. Die in diesem Erkenntnis konkret behandelten Schubhafttatbestände (§ 76 Abs. 2 Z 2 und 4 FPG) würden diesem Erfordernis nicht gerecht werden. Daran anknüpfend vertrat der Verwaltungsgerichtshof dann in seinem Erkenntnis vom , Ro 2014/21/0080, die Auffassung, diese Überlegungen hätten auch für den - hier herangezogenen - Schubhafttatbestand des § 76 Abs. 1 FPG Gültigkeit. Auch bei dieser Bestimmung ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass ein Rückgriff auf Kriterien, die der Gerichtshof in seiner bisherigen Judikatur für die Annahme von "Fluchtgefahr" (Gefahr des "Untertauchens") als maßgeblich angesehen hat, nicht ausreiche, um den Vorgaben der Dublin III-VO zu entsprechen. Dazu kann des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe der genannten Erkenntnisse verwiesen werden (siehe zuletzt auch die hg. Erkenntnisse vom , Ro 2015/21/0021, und Ro 2015/21/0024).

Schon aus diesen Erwägungen, die im Ergebnis auch in der Revision geltend gemacht werden, konnte auch der vom BVwG getroffene Fortsetzungsausspruch keinen Bestand haben. Das gilt ebenso für die Kostenentscheidungen des BVwG, die lediglich an die - schon vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene - Beschwerdeabweisung mit Spruchpunkt A. I. des angefochtenen Erkenntnisses anknüpfen. Demgemäß sind die noch im Rechtsbestand verbliebenen Spruchpunkte A. II. bis A. IV. dieses Erkenntnisses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Ein Zuspruch von "ERV-Zuschlag" ist demnach nicht vorgesehen; das insoweit erhobene Mehrbegehren war daher abzuweisen. Wien, am

Fundstelle(n):
DAAAE-93975