VwGH 28.01.2016, Ra 2015/11/0087
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | FSG 1997 §26 Abs2 Z1; StVO 1960 §5 Abs2; StVO 1960 §99 Abs1 litb; VwGG §42 Abs2 Z1; |
RS 1 | Dem angefochtenen Erkenntnis liegt die Annahme zugrunde, dass die Messergebnisse der Atemluftuntersuchung nicht verwertbar waren, weil die Revisionswerberin ihre Atemluft nicht durchgängig und in einem Zug in den Alkomaten geblasen hat. Auch wurde festgestellt, dass die Revisionswerberin im Zuge der in Rede stehenden Atemluftuntersuchung gegenüber dem einschreitenden Organ nicht über Schmerzen bei der Bedienung des Alkomaten berichtet hat, dass bei ihr aber am Tag nach dem Verkehrsunfall und der in Rede stehenden Atemluftuntersuchung der Bruch von zwei Rippen und ein Bluterguss auf der Lunge in einem Krankenhaus diagnostiziert wurden. Rechtlich hat das VwG den geschilderten Sachverhalt als "Verweigerung" der Atemluftalkoholuntersuchung seitens der Revisionswerberin gemäß § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 eingestuft, die gemäß § 26 Abs. 2 Z 1 FSG 1997 zwingend zur Entziehung der Lenkberechtigung führe. Diese Ansicht wird vom VwGH nicht geteilt. |
Normen | StVO 1960 §5 Abs2; StVO 1960 §99 Abs1 litb; VStG §1; VStG §44a Z1 impl; VStG §6 impl; |
RS 2 | Die aus medizinischen Gründen bestehende Unfähigkeit, die Atemluftprobe abzulegen, stellt einen Mangel am Tatbestand dar (Hinweis E , 81/03/0045). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 87/18/0087 E RS 8 |
Normen | FSG 1997 §26 Abs2 Z1; StVO 1960 §5 Abs2; StVO 1960 §99 Abs1 litb; VwGG §42 Abs2 Z1; |
RS 3 | Der Revisionswerberin war ihre gesundheitliche Beeinträchtigung im Zeitpunkt der Aufforderung zur Atemluftuntersuchung (im Unterschied zu den Fällen in den Erkenntnissen vom , 2007/02/0240 und vom , 2003/02/0258) nicht bekannt. Erst am nächsten Tag wurden der Bruch von zwei Rippen und ein Bluterguss auf der Lunge diagnostiziert. Die Rechtsansicht des VwG, es komme bei der vorliegenden Beurteilung der Verweigerung einer Atemluftuntersuchung auf die im Nachhinein festgestellten Verletzungen der Revisionswerberin nicht an, ist unzutreffend. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Revision der P H in T, vertreten durch Dr. Ewald Wirleitner, Mag. Claudia Oberlindober, Mag. Dr. Hubert Niedermayr und Mag. Harald Gursch, Rechtsanwälte in 4400 Steyr, Grünmarkt 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-650400/6/SCH/HK, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom wurde die Lenkberechtigung der Revisionswerberin für die Klassen A, AM und B gemäß § 26 Abs. 2 Z 1 FSG für die Dauer von 8 Monaten (gerechnet ab der Zustellung des Mandatsbescheides am ) entzogen. Gleichzeitig wurde der Revisionswerberin gemäß § 24 Abs. 3 FSG und § 14 FSG-GV aufgetragen, sich einer verkehrspsychologischen Untersuchung und einer Nachschulung zu unterziehen und ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen beizubringen. Weiters wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde ausgeschlossen.
In der Begründung wurde zusammengefasst ausgeführt, die Revisionswerberin habe am , nachdem sie einen Verkehrsunfall mit Sach- und Personenschaden verursacht habe, die Untersuchung ihrer Atemluft auf den Alkoholgehalt verweigert, weil bei ihr trotz mehrfacher Atemluftproben kein verwertbares Untersuchungsergebnis habe erzielt werden können. Entgegen ihren nunmehr im Verwaltungsverfahren aufgestellten Behauptungen habe die Revisionswerberin das amtshandelnde Organ bei der Abgabe der Atemluftproben nicht auf auftretende Schmerzen hingewiesen.
In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde brachte die Revisionswerberin zusammengefasst vor, dass sie aus gesundheitlichen Gründen zur Untersuchung mittels Alkomat nicht in der Lage gewesen sei, weil sie dabei Schmerzen verspürt und dies bei der Amtshandlung auch geltend gemacht habe. Aus der vorgelegten Krankengeschichte sei eine Rippenfraktur ersichtlich, sodass ihre Rechtfertigung keine Scheinverantwortung darstelle. Angesichts ihres Schockzustandes nach dem Unfall sei es ihr aber nicht möglich gewesen, den einschreitenden Beamten eine vollständige Diagnose zu liefern. Sie habe zwar vor Fahrtantritt Alkohol konsumiert, aber jedenfalls nicht den gesetzlichen Grenzwert erreicht.
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der genannte Bescheid vom (mit einer hier nicht wesentlichen Maßgabe) bestätigt. Weiters wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Der Begründung lässt sich entnehmen, dass das Verwaltungsgericht von folgendem Sachverhalt (wenngleich dessen Darstellung über weite Teile mit der Wiedergabe des Verfahrensgeschehens vermengt wurde) ausgegangen ist:
Die Revisionswerberin habe am , nachdem sie einen Verkehrsunfall mit Sach- und Personenschaden verschuldet habe, die Untersuchung ihrer Atemluft auf den Alkoholgehalt verweigert. Obwohl die Revisionswerberin ihre Atemluft fünfmal in den ersten Alkomaten und sechsmal in einen anderen Alkomaten geblasen habe, sei kein verwertbares Ergebnis zustande gekommen. Die Revisionswerberin habe ihre Atemluft nicht durchgängig und in einem Zug in den Alkomaten geblasen und sei deshalb vom amtshandelnden Organ wiederholt darauf aufmerksam gemacht worden, dass auf diese Weise kein gültiges Messergebnis zustande kommen könne.
Am Tag nach dem Verkehrsunfall habe die Revisionswerberin auf Drängen ihres Sohnes ein Krankenhaus aufgesucht, dort sei bei ihr der Bruch von zwei Rippen und ein Bluterguss auf der Lunge festgestellt worden. Von diesen Verletzungen habe die Revisionswerberin im Zeitpunkt der Amtshandlung noch nichts gewusst, sie habe daher im Rahmen der Amtshandlung auch nicht darauf hingewiesen.
Erst im Zuge einer polizeilichen Befragung am habe die Revisionswerberin angegeben:
"Ich habe so lange hineingeblasen, bis ich nicht mehr konnte und es im Brustbereich zu stechen begann. Gesagt habe ich deshalb nichts, da ich das Gefühl hatte, keine Luft zu bekommen, weil ich so schnell als möglich von dort weg wollte."
Zu diesen und sinngemäß gleichlautenden Angaben der Revisionswerberin in der durchgeführten Beschwerdeverhandlung stellte das Verwaltungsgericht nach zeugenschaftlicher Vernehmung des amtshandelnden Organes fest, dass die Revisionswerberin Schmerzen beim Beatmen des Gerätes während der Amtshandlung mit keinem Wort erwähnt habe. So habe die Revisionswerberin mehrfach Fragen betreffend das Vorliegen von Verletzungen verneint und auch von sich aus nicht auf Schmerzen beim Beatmen des Gerätes hingewiesen, sodass auch dem amtshandelnden Organ das Vorliegen von Verletzungen nicht habe auffallen können.
In rechtlicher Hinsicht verwies das Verwaltungsgericht u. a. auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2007/02/0240, betreffend Bestrafung wegen Verweigerung der Untersuchung des Alkoholgehaltes der Atemluft. Demnach sei es unerheblich, ob die Person, die zur Untersuchung der Atemluft aufgefordert wurde, tatsächlich aus medizinischen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, der Aufforderung zur Atemluftprobe nachzukommen, wenn sie bei der Amtshandlung nicht darauf (gemeint: auf die medizinischen Gründe) hingewiesen habe und nicht behauptet werde, dass dies den einschreitenden Organen erkennbar gewesen sei. Daher, so das Verwaltungsgericht bezogen auf den vorliegenden Fall, hätten gegenständlich die "im Nachhinein festgestellten Verletzungen retrospektiv keinen Einfluss auf die Aufforderung gehabt", sodass die Revisionswerberin die Verweigerung der Untersuchung ihrer Atemluft auf den Alkoholgehalt zu verantworten habe.
Zur Rechtsfolge der Entziehung der Lenkberechtigung und ihrer Dauer verwies das Verwaltungsgericht auf § 26 Abs. 2 Z 1 FSG, der beim gegenständlichen Delikt (§ 5 Abs. 2 iVm 99 Abs. 1 StVO 1960) eine Mindestentziehungsdauer von sechs Monaten vorsehe und bei dem nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Wertung im Sinne des § 7 Abs. 4 FSG zu entfallen habe (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/11/0008). Die Überschreitung der Mindestentziehungsdauer um zwei Monate sei gegenständlich gerechtfertigt, weil auch der von der Revisionswerberin verschuldete Verkehrsunfall zu berücksichtigen sei, angesichts dessen die nachfolgende Verweigerung der Untersuchung der Atemluft besonders verwerflich sei. Die weiteren im Spruch angeordneten Maßnahmen seien gesetzliche Folge bei gravierenden Alkoholdelikten und stünden nicht zur behördlichen Disposition.
2.1. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. In dieser wird zur Frage ihrer Zulässigkeit zusammengefasst ausgeführt, dass der vorliegende Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt von den im angefochtenen Erkenntnis zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes abweiche: Die zitierte Judikatur betreffe Fälle, in denen die nachträglich eingewendete Erkrankung, welche die Untersuchung der Atemluft unmöglich gemacht habe, dem Betreffenden bereits im Zeitpunkt der Atemluftprobe bekannt gewesen sei. Demgegenüber sei die Verletzung der Revisionswerberin (Rippenfraktur und Lungenverletzung) erst durch den Verkehrsunfall am verursacht worden und, wie auch das Verwaltungsgericht festgestellt habe, vor Ort weder von der Revisionswerberin noch vom einschreitenden Beamten erkannt worden. Es könne der Revisionswerberin daher nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn weder sie noch der einschreitende Beamte das körperliche Unvermögen der Revisionswerberin, die Untersuchung am Alkomaten durchzuführen, erkannt hätte.
2.2. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
3. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
3.1. Die Revision ist zulässig, weil - wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt - das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Die Revision ist auch begründet:
3.2. Die hier maßgebenden Bestimmungen des FSG lauten:
"Sonderfälle der Entziehung
§ 26. ...
(2) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges
1. erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens sechs Monaten zu entziehen,
..."
Die hier maßgebenden Bestimmungen der StVO 1960 lauten:
"Besondere Sicherungsmaßnahmen gegen Beeinträchtigung durch Alkohol
§ 5. ...
(2) Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen,
1. die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben, oder
2. bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht,
auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.
...
(3) Die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt ist mit einem Gerät vorzunehmen, das den Alkoholgehalt der Atemluft mißt und entsprechend anzeigt (Alkomat).
...
(4a) Die Organe der Straßenaufsicht sind weiters berechtigt, Personen, bei denen eine Untersuchung gemäß Abs. 2 aus Gründen, die in der Person des Probanden gelegen sind, nicht möglich war und die verdächtig sind, sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zu befinden, zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden, bei einer Landespolizeidirektion tätigen, bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden oder im Sinne des § 5a Abs. 4 ausgebildeten und von der Landesregierung hierzu ermächtigten Arzt zur Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes zu bringen.
...
(6) (Verfassungsbestimmung) An Personen, die gemäß Abs. 4a zu einem Arzt gebracht werden, ist eine Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Blutalkoholgehaltes vorzunehmen; die Betroffenen haben diese Blutabnahme vornehmen zu lassen.
...
Strafbestimmungen
§ 99. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,
...
b) wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht,
..."
3.3. Die gegenständliche Entziehung der Lenkberechtigung ist auf § 26 Abs. 2 Z 1 FSG gestützt und beruht (ebenso wie die daran anknüpfenden weiteren Maßnahmen) auf der Ansicht, die Revisionswerberin habe eine Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 zu verantworten, also die Verweigerung der Untersuchung ihrer Atemluft auf den Alkoholgehalt.
Das Verwaltungsgericht hat sich in der Begründung seiner Entscheidung nicht auf das Vorliegen eines rechtskräftigen Straferkenntnisses betreffend die genannte Verwaltungsübertretung berufen (ein solches ist aus dem vorgelegten Verfahrensakt auch nicht ersichtlich), sondern die Frage der Verwaltungsübertretung im gegenständlichen Führerscheinverfahren als Vorfrage selbst beurteilt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/11/0200).
3.4. Soweit die Revisionswerberin in den Revisionsgründen zunächst einen Begründungsmangel geltend macht, weil dem angefochtenen Erkenntnis keine klaren Sachverhaltsfeststellungen zu entnehmen seien, trifft es zwar zu, dass (wie bereits erwähnt) das angefochtene Erkenntnis über weite Bereiche eine klare Trennung zwischen der Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und dem vom Verwaltungsgericht als erwiesen angenommenen Sachverhalt vermissen lässt (vgl. dazu das Erkenntnis vom , Zl. Ro 2014/03/0076). Letztlich lassen sich dem angefochtenen Erkenntnis aber die entscheidenden (oben wiedergegebenen) Sachverhaltsannahmen (noch) in einer Weise entnehmen, welche die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof - zumindest nicht maßgeblich - erschwert (vgl. abermals das zitierte Erkenntnis vom ).
So liegt dem angefochtenen Erkenntnis jedenfalls die Annahme zugrunde, dass die Messergebnisse der gegenständlichen Atemluftuntersuchung nicht verwertbar waren, weil die Revisionswerberin ihre Atemluft nicht durchgängig und in einem Zug in den Alkomaten geblasen hat. Auch wurde erkennbar festgestellt, dass die Revisionswerberin im Zuge der in Rede stehenden Atemluftuntersuchung gegenüber dem einschreitenden Organ nicht über Schmerzen bei der Bedienung des Alkomaten berichtet hat, dass bei ihr aber am Tag nach dem Verkehrsunfall und der in Rede stehenden Atemluftuntersuchung der Bruch von zwei Rippen und ein Bluterguss auf der Lunge in einem Krankenhaus diagnostiziert wurden.
3.5. Rechtlich hat das Verwaltungsgericht den geschilderten Sachverhalt als "Verweigerung" der Atemluftalkoholuntersuchung seitens der Revisionswerberin gemäß § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 eingestuft, die gemäß § 26 Abs. 2 Z 1 FSG zwingend zur Entziehung der Lenkberechtigung führe.
Diese Ansicht wird vom Verwaltungsgerichtshof aus folgenden Gründen nicht geteilt:
Es trifft zu, dass in dem vom Verwaltungsgericht zitierten hg. Erkenntnis, Zl. 2007/02/0240, in einem Fall, in dem die damalige Beschwerdeführerin im Nachhinein das Vorliegen einer "chronischen Bronchitis" für die Nichtverwertbarkeit der Messergebnisse des Alkomaten ins Treffen geführt hat, vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen wurde, es sei unerheblich, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich aus medizinischen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, der Aufforderung zur Atemluftprobe nachzukommen, weil sie bei der Amtshandlung nicht darauf hingewiesen habe und nicht behauptet werde, dass dies den einschreitenden Organen erkennbar gewesen sei.
Dieser Rechtssatz findet sich auch in dem (gleichfalls vom Verwaltungsgericht zitierten) hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/02/0258, in dem - in einem Fall behaupteter "starker Kopfschmerzen" - ausgesprochen wurde, dass derjenige, der gemäß § 5 Abs. 2 StVO 1960 zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, umgehend (d.h. bei diesem Anlass) auf die Unmöglichkeit der Ablegung einer Atemalkoholuntersuchung mittels Alkomaten aus medizinischen Gründen hinzuweisen habe (sofern dies nicht für Dritte sofort klar erkennbar ist), sodass die Organe der Straßenaufsicht in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 5 Z 2 StVO 1960 zu prüfen, bejahendenfalls von der Aufforderung zur Untersuchung der Atemluft Abstand zu nehmen und den Aufgeforderten zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden oder bei der Bundespolizeidirektion tätigen Arzt zu bringen.
Den beiden soeben zitierten Erkenntnissen lagen somit Fälle zugrunde, in denen den betreffenden Personen ihre gesundheitliche Beeinträchtigung im Zeitpunkt der Aufforderung zur Atemluftuntersuchung bekannt war.
Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/02/0191, in einem (mit dem vorliegenden Revisionsfall vergleichbaren) Fall, in welchem dem zur Atemluftuntersuchung Aufgeforderten dessen Erkrankung ("Spirometerasthma") erst nach der Atemluftuntersuchung bekannt wurde und in welchem der Betroffene daher während der Amtshandlung nicht darauf hingewiesen hatte, er sei aus gesundheitlichen Gründen zur Bedienung des Alkomaten nicht in der Lage, entschieden, dass dies keine Verweigerung der Atemluftuntersuchung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO 1960 darstelle. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass die aus medizinischen Gründen bestehende Unfähigkeit, die Atemluftprobe abzulegen, einen Mangel am Tatbestand des § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 darstellt (Hinweis auf das Erkenntnis vom , Zl. 87/18/0087).
3.6. Diese Ausführungen gelten auch für den vorliegenden Revisionsfall. Hinzu kommt, dass aufgrund der (aktenkundigen, vom Verwaltungsgericht aber nicht erwähnten) Anfrage der belangten Behörde vom an den Amtsarzt Dr. G. sichtlich von diesem in einem (undatierten) Schreiben unter Bezugnahme auf die Verletzungen der Revisionswerberin ausgeführt wurde, die Schmerzempfindung der Revisionswerberin sei im gegenständlichen Fall möglicherweise herabgesetzt und ihre Fähigkeit, das geforderte Blasvolumen aufzubauen, eingeschränkt gewesen. Es sei nicht auszuschließen, dass es der Revisionswerberin "aufgrund der festgestellten Verletzungen nicht möglich war, einen Alkomattest ordnungsgemäß durchzuführen".
Nach dem Gesagten hat das Verwaltungsgericht dem angefochtenen Erkenntnis daher unzutreffend die Rechtsansicht zugrunde gelegt, es komme bei der vorliegenden Beurteilung der Verweigerung einer Atemluftuntersuchung auf die im Nachhinein festgestellten Verletzungen der Revisionswerberin nicht an, und hat unter Außerachtlassung der amtsärztlichen Angaben rechtswidrig das Vorliegen einer Übertretung des § 99 Abs. 1 StVO 1960 und die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzung des § 26 Abs. 2 Z 1 FSG durch die Revisionswerberin angenommen.
4. Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | FSG 1997 §26 Abs2 Z1; StVO 1960 §5 Abs2; StVO 1960 §99 Abs1 litb; VStG §1; VStG §44a Z1 impl; VStG §6 impl; VwGG §42 Abs2 Z1; |
Sammlungsnummer | VwSlg 19291 A/2016 |
Schlagworte | Alkotest Voraussetzung Alkotest Verweigerung |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2016:RA2015110087.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAE-93969