VwGH vom 21.03.2013, 2011/23/0475
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Robl, Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/493.322/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein kroatischer Staatsangehöriger, heiratete am eine österreichische Staatsbürgerin. Unter Berufung auf diese Ehe beantragte er danach die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger", der ihm erteilt und zunächst bis verlängert wurde.
Mit Bescheid vom verhängte die Bundespolizeidirektion Wien über den Beschwerdeführer gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) wegen Eingehens einer so genannten Aufenthaltsehe ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom keine Folge und sie bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG.
In der Begründung stellte die belangte Behörde die Erhebungsergebnisse dar. Beweiswürdigend führte sie anschließend aus, dass auf Grund der massiven Widersprüche, der lebensfremden Angaben der Beteiligten und der Erhebungen davon auszugehen sei, dass sowohl die vorliegende Ehe des Beschwerdeführers wie auch jene seiner geschiedenen Ehefrau ausschließlich deshalb mit österreichischen Staatsbürgern geschlossen worden seien, um ihnen und ihren beiden gemeinsamen Kindern eine "Aufenthaltsbewilligung" zu verschaffen.
Rechtlich sah die belangte Behörde die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den Beschwerdeführer im Hinblick auf den Missbrauch der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen als gegeben an. Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und daher nach § 66 FPG zulässig. Die Möglichkeit, im Rahmen des Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand nehmen zu können, verneinte die belangte Behörde und begründete dessen Dauer näher.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage des Verwaltungsakts erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (Juli 2010) geltende Fassung.
Der Beschwerdeführer ist im Hinblick auf die aufrechte Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für ihn gelten somit gemäß § 87 FPG die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 86 Abs. 1 FPG. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist demnach nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde - im Sinn des Tatbestands des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG -
eine so genannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0440).
Gemäß § 61 Z 2 FPG darf ein Aufenthaltsverbot jedoch nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1 FPG wegen des maßgeblichen Sachverhalts unzulässig wäre. § 54 Abs. 1 FPG sieht vor, dass Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhalten, nur dann mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre (Z 1) oder wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht (Z 2). Ein Aufenthaltsverbot darf daher dann nicht erlassen werden, wenn in Kenntnis der Sachlage ein (noch gültiger) Aufenthaltstitel erteilt worden ist (vgl. auch dazu das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0440, mwN).
Der Beschwerdeführer rügt in diesem Zusammenhang, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots unzulässig gewesen wäre. Ihm sei nämlich noch vier Monate nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides am ein weiterer - bis gültiger - Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" erteilt worden. Eine Ablichtung der vom Amt der Wiener Landesregierung ausgestellten Aufenthaltskarte wurde der Beschwerde angeschlossen.
Die belangte Behörde trat diesem Beschwerdevorbringen, insbesondere dem Umstand der Verlängerung des dem Beschwerdeführer erteilten Aufenthaltstitels in Kenntnis des maßgeblichen Sachverhalts durch die Niederlassungsbehörde im Erteilungszeitpunkt, bei der Aktenvorlage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht entgegen. Überdies lässt sich auch dem vorgelegten Verwaltungsakt entnehmen, dass dem Beschwerdeführer am ein bis gültiger Aufenthaltstitel erteilt wurde und dies somit der belangten Behörde bekannt war.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am