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VwGH vom 21.03.2013, 2011/23/0474

VwGH vom 21.03.2013, 2011/23/0474

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Robl, Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1190/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste am mit einem Visum in das Bundesgebiet ein. Sein in der Folge gestellter Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom rechtskräftig abgewiesen.

Der am zwischen dem Beschwerdeführer und einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossene Adoptionsvertrag wurde vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien mit Beschluss vom nicht genehmigt.

Am schloss der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin. Sein Antrag vom , ihm im Hinblick auf diese Ehe eine Niederlassungsbewilligung zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" zu erteilen, wurde im Instanzenzug mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom rechtskräftig abgewiesen.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) wegen Eingehens einer sogenannten Aufenthaltsehe ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

In der Begründung ging die belangte Behörde auf Basis näher dargestellter Erhebungsergebnisse davon aus, dass der Beschwerdeführer eine "Scheinehe" eingegangen sei, um einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet zu erwirken. Beweiswürdigend führte sie dazu aus, dass anzunehmen sei, dem Beschwerdeführer sei daran gelegen, unter allen Umständen in Österreich zu bleiben. Dafür spreche, dass er kurz nach seiner rechtmäßigen Einreise mit einem Touristenvisum einen unberechtigten Asylantrag gestellt und wenig später eine "Scheinadoption" angestrengt habe. Gerade als gegen ihn ein - später im Instanzenzug aufgehobener - Aufenthaltsverbotsbescheid wegen "Schwarzarbeit" erlassen worden sei, habe er eine um 13 Jahre ältere österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Entgegen der Lebenserfahrung habe die Ehefrau bei der polizeilichen Kontrolle den Namen des Beschwerdeführers, den sie erst einen Monat zuvor geheiratet gehabt habe, nicht gewusst. Dies lasse sich auch nicht glaubhaft damit rechtfertigen, dass die Überprüfung frühmorgens stattgefunden habe. Die behauptete "Liebesehe" sei auch im Hinblick auf den Zeitraum von lediglich etwa sechs Wochen zwischen dem Kennenlernen und der Eheschließung - auch unter Berücksichtigung der erforderlichen Zeit für die Aufgebotsbestellung - im gegebenen Zusammenhang keinesfalls glaubwürdig. Auch dass die Ehefrau des Beschwerdeführers etwa ein halbes Jahr nach der Eheschließung von so markanten Umständen im Privatleben des Beschwerdeführers wie dem (damals) anhängigen Aufenthaltsverbotsverfahren, seinem Adoptionsverfahren oder seinem Asylverfahren nichts gewusst habe, spreche für das Vorliegen einer Aufenthaltsehe. Gegen das Vorliegen einer Ehegemeinschaft im Sinn des Art. 8 EMRK spreche auch, dass sich seine Ehefrau bei der Frage, seit wann der Beschwerdeführer bei ihr - zumindest fallweise - nächtige, in Widersprüche verstrickt habe, er bei Hauserhebungen nie angetroffen worden und einer Nachbarin völlig unbekannt gewesen sei. In ihrer Einschätzung sah sich die belangte Behörde dadurch bestärkt, dass die Ehefrau in der Wohnung vom Beschwerdeführer lediglich Unterwäsche "geringsten Ausmaßes" - drei Paar Socken und drei Unterhosen - habe vorweisen können, obwohl der Beschwerdeführer dort angeblich vier bis fünf Tage pro Woche genächtigt habe. Ein gemeinsamer Haushalt sei aber auch auf Grund des Zustands der Wohnung und der beengten Platzverhältnisse nicht glaubhaft gewesen. Die von der Ehefrau vorgezeigten Kleidungsstücke seien daher offenbar lediglich zu dem Zweck deponiert gewesen, um ein gemeinsames Wohnen zumindest ansatzweise vorzutäuschen. Dies sei eine häufig geübte Vorgangsweise bei Scheinehen. Hätten der Beschwerdeführer und seine Ehefrau im gemeinsamen Haushalt gelebt, so wäre davon auszugehen, dass mehr als die bloß spärlich vorgefundenen persönlichen Gegenstände des Beschwerdeführers vorhanden gewesen wären; dies selbst dann, wenn sich das Zusammenleben auf nur vier bis fünf Tage beschränkt hätte, wie seine Ehefrau angegeben habe. Dass der Beschwerdeführer sein persönliches "Hab und Gut" deshalb bei seinem Großvater habe, weil dort mehr Platz sei, wirke keinesfalls überzeugend. Auch die Meldebehörde sei - unabhängig vom Aufenthaltsverbotsverfahren - zur Überzeugung gelangt, dass der Beschwerdeführer an der Anschrift seiner Ehefrau nicht wohne. Zudem sei er auch der befragten Hausbesorgerin völlig unbekannt gewesen. Seine Ehefrau habe schließlich selbst angegeben, dass der Beschwerdeführer seit Dezember 2004 nicht mehr bei ihr wohne, obwohl er ein Zusammenleben noch in der Berufung behauptet habe. Auch diese Umstände würden bestätigen, dass hier lediglich ein Zusammenleben konstruiert worden sei, um die Behörde von einer aufrechten Ehe zu überzeugen. Es seien jedoch keine Hinweise gefunden worden, die für das Vorliegen einer tatsächlichen Ehegemeinschaft sprechen würden. Die diesbezüglichen Behauptungen des Beschwerdeführers und (mit den dargestellten, teils erheblichen Widersprüchen) auch seiner Ehefrau wirkten vielmehr konstruiert und in keiner Weise glaubwürdig. Auch der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer an der Anschrift seiner Ehefrau zwar bereits wenige Tage nach der Eheschließung angemeldet, dort nach deren Aussage jedoch zumindest monatelang nicht einmal genächtigt habe, spreche dafür, dass die behördliche Meldung lediglich den Zweck verfolgt habe, ein gemeinsames Familienleben vorzutäuschen. Nach seiner amtlichen Abmeldung sei er zwei Jahre im Bundesgebiet überdies gar nicht gemeldet gewesen; erst am habe er sich an der Anschrift seines Großvaters wieder gemeldet. Seither bestehe nicht einmal mehr nach den Meldedaten ein gemeinsamer Wohnsitz.

Der Beschwerdeführer habe aber auch keinerlei Zeugen oder Beweismittel geltend gemacht, die ein Ehe- oder Familienleben glaubhaft erscheinen ließen.

Rechtlich erachtete die belangte Behörde vom festgestellten Sachverhalt ausgehend den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG für verwirklicht. Dieses Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige tatsächlich, gegenwärtig und erheblich maßgebliche öffentliche Interessen und berühre ein Grundinteresse der Gesellschaft, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbots im Grunde des § 87 (iVm § 86 Abs. 1) FPG gegeben seien.

Im Rahmen der nach § 66 FPG durchgeführten Interessenabwägung kam die belangte Behörde mit näherer Begründung zum Ergebnis, dass mit dem Aufenthaltsverbot ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden sei. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und deshalb zulässig. Die familiären Bindungen des Beschwerdeführers im Inland seien durch die Volljährigkeit aller Beteiligten relativiert. Auf Grund sozialer Anknüpfungspunkte in seiner Heimat, in der er 22 Jahre gelebt habe, sei ihm als erwachsenen, offenbar gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter dort eine Reintegration durchaus möglich.

Abschließend verneinte die belangte Behörde die Möglichkeit, von der Erlassung des Aufenthaltsverbots im Rahmen des Ermessens Abstand zu nehmen, und begründete dessen Dauer näher damit, dass vor Verstreichen dieser Frist nicht erwartet werden könne, dass die für die Erlassung maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich um die im Juli 2010 geltende Fassung.

Der Beschwerdeführer ist im Hinblick auf die aufrechte Ehe Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Für ihn gelten gemäß § 87 FPG die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige u.a. nach § 86 Abs. 1 FPG. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist demnach nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass diese Voraussetzungen gegeben sind, wenn der Fremde - im Sinn des Tatbestands des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG - eine sogenannte Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nicht geführt und sich trotzdem für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf diese Ehe berufen hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0626, mwN).

Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die in diesem Sinn vorgenommene rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, sondern ausschließlich gegen ihre Beweiswürdigung. Er bringt dazu vor, dass seine Ehefrau niederschriftlich einvernommen angegeben habe, dass er anfänglich nicht bei ihr gewohnt habe, weil das Kind seiner Ehefrau nicht plötzlich mit einem fremden Mann in der Wohnung hätte konfrontiert werden sollen. Er habe damals jedoch immer häufiger, im September 2004 etwa fünf Tage in der Woche, bei ihr genächtigt. Bei polizeilichen Erhebungen sei von seiner Frau und deren Tochter nachvollziehbar und glaubwürdig deponiert worden, dass er deshalb nicht angetroffen worden sei, weil er arbeiten gewesen sei und nur vier bis fünf Tage pro Woche bei seiner Frau genächtigt habe. Anlässlich der Erhebung hätten auch einige ihm gehörige persönliche Gegenstände vorgefunden werden können. Alle seine Sachen habe er in der Wohnung seiner Frau nicht deponieren können, weil die Wohnung sehr klein sei und er bei seinem Großvater diesbezüglich mehr Platz vorgefunden habe. Aus den Aussagen seiner Ehefrau ergebe sich daher "mit Eindeutigkeit", dass keine Scheinehe gegeben gewesen sei.

Mit diesem Beschwerdevorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen. Der Beschwerdeführer stellt den diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid bloß Teile der Aussage seiner Ehefrau entgegen, ohne sich mit den detaillierten Erwägungen der belangten Behörde näher auseinanderzusetzten oder diesen konkret entgegenzutreten.

Die beweiswürdigende Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen, ohne mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt zu haben, begegnet im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 85/02/0053, VwSlg. 11.894 A/1985) somit keinen Bedenken.

Die Beschwerde - die Ausführungen gegen die Interessenabwägung nach § 66 FPG oder die Dauer des Aufenthaltsverbots nicht enthält - war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am