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VwGH vom 30.06.2015, Ro 2015/21/0024

VwGH vom 30.06.2015, Ro 2015/21/0024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Revision des H R in W, vertreten durch Dr. Christoph Neuhuber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 14, gegen das am mündlich verkündete und am schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, Zl. W163 2017593-1/28E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das bekämpfte Erkenntnis wird im Umfang seiner Anfechtung (Spruchpunkt A.II.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Revisionswerber, ein unter Aliasidentitäten aufgetretener afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach seiner von Ungarn aus erfolgten illegalen Einreise am in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurückgewiesen und Ungarn für die Prüfung des Antrages für zuständig erklärt. Unter einem wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Außerlandesbringung des Revisionswerbers angeordnet und ausgesprochen, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung des Revisionswerbers nach Ungarn zulässig sei. Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), der keine aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.

Nachdem der Revisionswerber zweimal nach Ungarn überstellt worden war, wurde er am nach seiner neuerlichen Rückkehr in einem Reisezug bei einer Kontrolle kurz vor Salzburg aufgegriffen und festgenommen. Mit Mandatsbescheid des BFA vom wurde über den Revisionswerber sodann gemäß Art. 28 der Dublin III-Verordnung in Verbindung mit "§ 76 Absatz 1/Absatz 2 Ziffer 4 Fremdenpolizeigesetz" Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung verhängt.

Mit Erkenntnis vom , das spätestens am wirksam zugestellt wurde, wies das BVwG schließlich die im Verfahren auf Gewährung von internationalem Schutz erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ab.

Gegen die Anordnung der Schubhaft und die darauf gegründete Anhaltung erhob der Revisionswerber (vertreten durch einen bevollmächtigten Rechtsberater) mit Schriftsatz vom eine Beschwerde.

Dieser Beschwerde hat das BVwG mit dem angefochtenen, in der mündlichen Verhandlung am verkündeten und am schriftlich ausgefertigten Erkenntnis gemäß § 76 FPG iVm § 22a BFA-VG stattgegeben. Unter einem wurden der Schubhaftbescheid und die Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft vom bis für rechtswidrig erklärt (Spruchpunkt A.I.). Weiters wurde gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm Art. 28 der Dublin III-Verordnung und § 76 Abs. 1 FPG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen (Spruchpunkt A.II.). Sodann hat das BVwG - unter Abweisung eines Mehrbegehrens - den Bund gemäß § 35 VwGVG zur Zahlung von ziffernmäßig näher bestimmtem Aufwandersatz an den Revisionswerber verpflichtet (Spruchpunkt A.III.) Abschließend wurde die Revision (u.a.) gegen Spruchpunkt A.II. gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt (Spruchpunkt B.).

Gegen die mit Spruchpunkt A.II. getroffene Feststellung betreffend das Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft richtet sich die gegenständliche Revision, die sich als zulässig und berechtigt erweist. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

In seinem Erkenntnis vom , Ro 2014/21/0075, hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass Schubhaft zur Sicherung einer Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat nur auf Grundlage von Art. 28 Dublin III-Verordnung, der diesbezüglich autonome Vorschriften enthält, in Betracht kommt. Das haben zwar sowohl das BFA als auch das BVwG erkannt. In diesem Erkenntnis, auf dessen Begründung des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, wurde aber auch festgehalten, dass es am Boden von Art. 2 lit. n Dublin III-Verordnung ergänzend innerstaatlich gesetzlich festgelegter Kriterien zur Konkretisierung der in Art. 28 Abs. 2 der Verordnung für die Verhängung von Schubhaft (u.a.) normierten Voraussetzung des Vorliegens von "Fluchtgefahr" bedarf. Gemäß dem genannten Erkenntnis vom werden die dort konkret behandelten Schubhafttatbestände (§ 76 Abs. 2 Z 2 und 4 FPG) diesem Erfordernis nicht gerecht. Dasselbe gilt für den Schubhafttatbestand des § 76 Abs. 1 FPG (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/21/0080).

Auf diesen Schubhaftgrund hat das BVwG im vorliegenden "Dublin-Überstellungsfall" jedoch den hier gegenständlichen Fortsetzungsausspruch als innerstaatliche Norm gestützt. Demnach erweist sich der von der Revision bekämpfte Spruchpunkt A.II. als inhaltlich rechtswidrig, weshalb das angefochtene Erkenntnis in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Fundstelle(n):
ZAAAE-93959