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VwGH vom 16.12.2010, 2009/16/0094

VwGH vom 16.12.2010, 2009/16/0094

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch DDr. Manfred Nordmeyer, Dr. Widukind W. Nordmeyer und Dr. Thomas Kitzberger, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Pollheimerstraße 12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom , Zl. FSRV/0112-L/06, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde im Instanzenzug gegen den Beschwerdeführer ein Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, dass er vorsätzlich

"1) durch die Abgabe unzutreffender Jahresumsatzsteuererklärungen für die Jahre 1999 bis 2001 sowie einer unzutreffenden Umsatzsteuervoranmeldung für Juni 2002, somit unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, eine Verkürzung von Umsatzsteuer für die Jahre 1999 bis 2002 iHv insgesamt 17.130,99 EUR (…) bewirkt (1999 und 2000) bzw. zu bewirken versucht habe (2001 und 2002), wobei es ihm jeweils darauf angekommen sei, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, sowie

2) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer für die Monate Jänner bis September 2004 iHv insgesamt 4.624,90 EUR (…) sowie Februar und Juni 2005 iHv. insgesamt 4.945,00 EUR (…), in Summe somit 9.569,90 EUR, bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten habe

und dadurch die Finanzvergehen zu 1) der gewerbsmäßigen, teils versuchten, teils vollendeten Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 iVm §§ 38 Abs. 1 lit. a und 13 FinStrG und zu 2) der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen zu haben."

Die belangte Behörde führte begründend aus, der Beschwerdeführer habe von 1998 bis zur Konkurseröffnung am als Einzelunternehmer mit einem EDV-Dienstleistungsunternehmen (August 1998 bis April 1999), mit Privat-Casinos mit Standorten in L, T und W (1999 bis 2001), mit einem Kfz-Handel bzw. ab 2004 einer Handelsagentur für Schmuck und EDV-Zubehör (2002 bis 2005) Umsätze erzielt.

2003 habe im Betrieb des Beschwerdeführers eine abgabenrechtliche Außenprüfung betreffend u.a. die Umsatzsteuer von 1998 bis 2001 und eine Umsatzsteuernachschau für 2002 stattgefunden, bei der neben formellen und materiellen Aufzeichnungsmängeln (Nichtführung von Grund- und Losungsaufzeichnungen, keine ordnungsgemäße Kassenbuchführung etc.) festgestellt worden sei, dass vom Beschwerdeführer getätigte Umsätze (aus dem EDV-Dienstleistungsbetrieb in den Jahren 1998 und 1999; aus dem Casino T im Jahr 1999 sowie Provisionszahlungen aus der Vermittlung von Scheinehen im Jahr 2002) im steuerlichen Rechenwerk bzw. in den Abgabenerklärungen nicht erfasst worden seien.

In weiterer Folge seien z. T. nach Wiederaufnahme der Verfahren Umsatzsteuerbescheide für 1999 (Jahresumsatzsteuer 2.184,25 EUR, Nachforderung 6.540,55 EUR), 2000 (Jahresumsatzsteuer 10.276,81 EUR, Nachforderung 6.540,55 EUR), 2001 (Jahresumsatzsteuer 6.892,22 EUR, Nachforderung 6.791,79 EUR) und Juni 2002 von 1.500,00 EUR (Nachforderung) ergangen, welche in Rechtskraft erwachsen seien.

Im Dezember 2004 habe im Betrieb des Beschwerdeführers eine weitere abgabenrechtliche Prüfung betreffend u.a. die Umsatzsteuer für Jänner bis September 2004 stattgefunden. Dabei seien vom Prüforgan zahlreiche (detailliert angeführte) Feststellungen hinsichtlich zu Unrecht geltend gemachter Vorsteuerabzüge (für Privataufwendungen) sowie bisher nicht erfasster Umsätze getroffen worden, was für jeden Voranmeldungszeitraum zu bescheidmäßigen Festsetzungen und entsprechenden Nachforderungen geführt habe.

Im Oktober 2005 sei eine weitere abgabenrechtliche Außenprüfung betreffend u.a. die Umsatzsteuer Oktober 2004 bis September 2005 abgeschlossen worden. Das Prüforgan habe festgestellt, dass im Februar und Juni 2005 betriebliche Verkäufe von Personenkraftwagen (1 PKW der Marke Golf V Trend TDI, Kaufpreis 18.670,00 EUR und 1 PKW der Marke Mercedes E 280 CDI, erhaltene Anzahlung von 11.000,00 EUR) nicht im unternehmerischen Rechenwerk bzw. in den Voranmeldungen enthalten gewesen seien.

Aus der dargestellten Vorgangsweise ergebe sich der Verdacht, der Beschwerdeführer habe etwa 45% (1999), 13% (2000) und 37% (2001) des Gesamtumsatzes gegenüber der Abgabenbehörde nicht ordnungsgemäß erklärt bzw. offengelegt. Der Beschwerdeführer habe die Nichtangabe der Provisionserlöse für die Vermittlung von Scheinehen im Jahr 2002 zugestanden. Aus den dargestellten Handlungsabläufen ergäben sich deutliche Anhaltspunkte für eine vorsätzliche und gewerbsmäßige Begehung. Hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldungen der Jahre 2004 und 2005 biete die Aktenlage angesichts der durchgehenden unrechtmäßigen Geltendmachung von Vorsteuern für eindeutig private Aufwendungen und die Nichterfassung von Umsätzen in einem nicht unerheblichen Umfang keine Anhaltspunkte für einen Irrtum. Die zu den Tatzeitpunkten bereits angespannte wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers könne als mögliches Motiv für das abgabenrechtliche Fehlverhalten angesehen werden. Angesichts der planmäßig erscheinenden Abfolge dieses Vorgehens sei das Vorliegen eines bloßen Versehens unwahrscheinlich.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom , B 552/08-4, die Behandlung der zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In seiner vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend. Er erachtet sich in seinem Recht "auf Nichteinleitung eines Finanzstrafverfahrens" verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 82 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr gemäß § 80 und § 81 FinStrG zukommenden Verständigungen und Mitteilungen darauf zu prüfen, ob genügend Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Ergibt diese Prüfung, dass die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, so hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz nach § 82 Abs. 3 FinStrG das Strafverfahren einzuleiten. Von der Einleitung eines Strafverfahrens hat sie nur in den im § 82 Abs. 3 lit. a bis e FinStrG genannten Fällen Abstand zu nehmen.

Für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens genügt es, wenn gegen den Verdächtigen genügend Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er als Täter eines Finanzvergehens in Frage kommt. Es geht bei der Prüfung, ob tatsächlich genügend Verdachtsgründe im Sinn des § 82 Abs. 1 FinStrG für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind, nicht darum, bereits die Ergebnisse des förmlichen Finanzstrafverfahrens gleichsam vorwegzunehmen, sondern lediglich darum, ob die bisher der Finanzstrafbehörde zugekommenen Mitteilungen für einen Verdacht ausreichen oder nicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0142, mwN).

Wenn der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof als Verfahrensmangel rügt, er habe "zahlreiche Beweisaufnahmen" beantragt, welche von der belangten Behörde nicht durchgeführt worden seien, so führt er weder an, um welche konkreten Beweisanträge es sich gehandelt habe, noch zeigt er die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel auf.

Der Beschwerdeführer wendet sich in der Folge gegen die von der belangten Behörde getroffenen Schlussfolgerung, dass Anhaltspunkte für vorsätzliches Handeln vorlägen, mit dem Vorbringen, dass seine Abgabenerklärungen von seinem steuerlichen Vertreter erstellt worden seien. Dies hat aber noch nicht zwingend zur Folge, dass der steuerliche Vertreter auch für deren Inhalt, insbesondere für die Aufnahme sämtlicher Umsätze des Beschwerdeführers und der zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerbeträge in die Abgabenerklärung allein verantwortlich gewesen ist, ist der steuerliche Vertreter doch bei der Erstellung der Abgabenerklärungen in der Regel auf die Informationen durch seinen Klienten angewiesen.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen spricht auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer die Ergebnisse der Betriebsprüfung "anstandslos" akzeptiert und die nachgeforderten Abgabenbeträge entrichtet habe, nicht ohne weiteres für ein bloßes "Versehen bzw. einen Buchungsfehler" und somit gegen die Möglichkeit des Vorliegens von Vorsatz, lagen doch zu diesen Zeitpunkten die unbestritten gebliebenen Verletzungen der Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten teilweise schon mehrere Jahre zurück. Dass der Beschwerdeführer - nach eigenem Vorbringen - bei den Prüfungen "umfassend kooperativ" gewesen ist, wäre gegebenenfalls bei einer allfälligen Strafbemessung zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde hat begründend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer, der schon über unternehmerische Erfahrung verfügt habe, Umsätze im Ausmaß von 45 % (1999), 13 % (2000) und 37 % (2001) des Gesamtumsatzes gegenüber der Abgabenbehörde nicht pflichtgemäß erklärt habe. Weiters stützte sie sich auf die "durchgehend unrechtmäßige Geltendmachung von Vorsteuer für eindeutig dem Privatbereich und nicht der Unternehmenssphäre zuzuordnenden Aufwendungen (01-08/2004) und auf die Nichterfassung von Leistungen in einem nicht unerheblichen Umfang" für die Monate September 2004 und Juni 2005. Es kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie wegen "der eher planmäßig erscheinenden Abfolge der geschilderten Vorgänge" nicht mehr von einem bloßen Versehen ausging, sondern darin ausreichende Verdachtsgründe für das Vorliegen von vorsätzlichem und teilweise gewerblichem Handeln für gegeben erachtete. Auch hinsichtlich der nicht erklärten Provisionen für die Vermittlung von Scheinehen stößt die Beurteilung der belangten Behörde auf keine Bedenken.

Im Übrigen bleibt die endgültige Beantwortung der Frage, ob der Beschwerdeführer die angeführten Finanzvergehen tatsächlich begangen hat, dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens nach den § 115 ff FinStrG vorbehalten. Verbleiben allenfalls nach Durchführung der Beweise nach eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten, dann hat nach dem - von der Beschwerde immer wieder ins Treffen geführten - Grundsatz "in dubio pro reo" die Einstellung des Verfahrens zu erfolgen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 96/16/0286). Bei der Einleitung des Finanzstrafverfahrens ist jedoch noch nicht erforderlich, dass das Finanzvergehen bereits zweifelsfrei nachgewiesen ist. Dass hinreichende Verdachtsgründe im Beschwerdefall nicht vorlägen, hat die Beschwerde nicht aufgezeigt.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am