VwGH vom 19.05.2015, Ro 2015/21/0015
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klammer, über die Revision des D M in B, vertreten durch Mag. Christof Korp, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Brückenkopfgasse 1/VIII, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. G307 2017553- 1/4E, betreffend Schubhaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo, reiste am von Ungarn kommend in das österreichische Bundesgebiet ein und wurde auf seiner in einem Linienbus beabsichtigten Reise nach Deutschland in Österreich festgenommen. In der Folge stellte der Revisionswerber einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen des Verfahrens nach der Dublin III-VO (Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung)) wurden sodann seit durch Stellung eines Wiederaufnahmegesuches Konsultationen mit den ungarischen Behörden geführt und an diesem Tag durch Zustellung einer entsprechenden Mitteilung an den Revisionswerber das Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 iVm § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 eingeleitet.
Bereits davor hatte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) über den Revisionswerber mit Mandatsbescheid vom die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Als maßgebliche Rechtsgrundlage war Art. 28 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) genannt worden.
Die gegen die Verhängung der Schubhaft mit dem genannten Bescheid und gegen die darauf gegründete Anhaltung am erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom gemäß Art. 28 Dublin III-VO und § 76 Abs. 2 Z 4 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet ab (Spruchpunkt A.I.). Unter einem wurde gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm Art. 28 Dublin III-VO und § 76 Abs. 2 Z 4 FPG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen (Spruchpunkt A.II.). Weiters verpflichtete das BVwG den Revisionswerber gemäß § 35 VwGVG zum Aufwandersatz an den Bund (Spruchpunkt A.III.) und wies demzufolge das Kostenersatzbegehren des Revisionswerbers ab (Spruchpunkt A.IV.). Schließlich erklärte es die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig (Spruchpunkt B.).
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision; Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die - wie sich aus dem Weiteren ergibt: zulässige - Revision nach Aktenvorlage erwogen:
Mit Erkenntnis vom , G 151/2014 u.a., hob der Verfassungsgerichtshof § 22a Abs. 1 und 2 BFA-VG als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass diese Bestimmungen nicht mehr anzuwenden seien (siehe dazu die Kundmachung des Bundeskanzlers unter BGBl. I Nr. 41/2015).
Die auf die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Bestimmung des § 22a Abs. 1 BFA-VG gestützte Abweisung der Beschwerde mit Spruchpunkt A.I. des angefochtenen Erkenntnisses erweist sich - gleich wie in den sogenannten Anlassfällen (siehe zur "Erstreckung der Anlassfallwirkung" etwa das hg. Erkenntnis vom , 2011/21/0111, mwN) - schon deshalb als inhaltlich rechtswidrig.
Im Übrigen wird dazu aber auch noch auf die sogleich folgenden Ausführungen zu dem vom BVwG mit Spruchpunkt A.II. vorgenommenen Fortsetzungsausspruch verwiesen.
Diese Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG die für die Fortsetzung der Schubhaft gegen den Revisionswerber maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen, gründete das BVwG spruchgemäß auf den - verfassungsrechtlich unbedenklichen (siehe das erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 151/2014 u.a., Rz 63) - Abs. 3 des § 22a BFA-VG iVm Art. 28 Dublin III-VO und § 76 Abs. 2 Z 4 FPG. Richtigerweise wäre allerdings bereits auf den Schubhafttatbestand der Z 2 des § 76 Abs. 2 FPG, der nach Einleitung des Ausweisungsverfahrens jenen der Z 4 verdrängt, abzustellen gewesen. Dadurch wurde der Revisionswerber jedoch nicht in Rechten verletzt (so schon das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/21/0043).
Sonst gleicht der vorliegende Revisionsfall in den entscheidungswesentlichen Gesichtspunkten aber jenem, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. Ro 2014/21/0075, zu Grunde lag. In diesem Erkenntnis, auf dessen Begründung des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, wurde zum Ausdruck gebracht, dass Schubhaft zur Sicherung einer Überstellung nach der Dublin III-VO nur auf Grundlage von Art. 28 dieser Verordnung, der diesbezüglich autonome Vorschriften enthält, in Betracht kommt. Im Übrigen wurde in diesem Erkenntnis aber auch festgehalten, dass es am Boden von Art. 2 lit. n Dublin III-VO ergänzend innerstaatlich gesetzlich festgelegter Kriterien zur Konkretisierung der in Art. 28 Abs. 2 der Verordnung für die Verhängung von Schubhaft (u.a.) normierten Voraussetzung des Vorliegens von "Fluchtgefahr" bedarf. Die in diesem Erkenntnis konkret behandelten Schubhafttatbestände (§ 76 Abs. 2 Z 2 und 4 FPG), die auch im vorliegenden Fall in Betracht gekommen wären, werden diesem Erfordernis nicht gerecht. Infolge dessen erweist sich eine auf die genannten Tatbestände des FPG gestützte Schubhaft gegen Fremde, die sich in einem Verfahren nach der Dublin III-VO befinden, als rechtswidrig, was in der Revision der Sache nach auch zu Recht geltend gemacht wird.
Das vorliegende Erkenntnis war somit aus den dargestellten Gründen zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am