VwGH vom 18.08.2015, Ra 2015/11/0044
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Revision des C M in W, vertreten durch die Knirsch Gschaider Cerha Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Wipplingerstraße 5, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , Zl. VGW-041/075/46/2015, betreffend Übertretung des AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als nach § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der B. GmbH mit Sitz an näher bezeichneter Adresse in Wien zu verantworten, dass die B. GmbH als Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer G. von 1. Jänner bis nicht den zumindest nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien geleistet habe, weil, wie von der WGKK festgestellt, der Kollektivvertag für Metallgewerbeangestellte anzuwenden sei, welcher einen Grundlohn von EUR 3.202,65 vorsehe, woraus sich für G. ein Grundlohn von insgesamt EUR 38.431,80 ergebe, dieser jedoch nur EUR 36.142,20 erhalten habe, was eine Unterentlohnung im Ausmaß von EUR 2.289,60 (entspricht 5,96 %) ergebe. Der rechtskonforme Zustand sei "bis zumindest am (Datum der Anzeige)" nicht hergestellt worden.
Der Revisionswerber habe dadurch § 7i Abs. 3 iVm.
§ 7g Abs. 1 AVRAG verletzt. Über ihn werde gemäß § 7i Abs. 3 AVRAG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag) verhängt.
In seiner dagegen erhobenen Beschwerde, die nicht ausdrücklich auf die Strafhöhe eingeschränkt war, beantragte der Revisionswerber die ersatzlose Behebung des Straferkenntnisses. Die Rechtswidrigkeit wurde u.a. darin erblickt, dass dieses hinsichtlich des Endes des Tatzeitraumes widersprüchlich sei, weil einerseits vom , andererseits aber vom die Rede sei.
Mit nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Wien vom wurde die Beschwerde mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Wortfolge "bis zumindest am (Datum der Anzeige)" durch die Wortfolge "bis zumindest am " ersetzt werde (Spruchpunkt I.). Unter einem wurde der Revisionswerber verpflichtet, gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von EUR 200,-- (20 % der verhängten Geldstrafe) zu bezahlen (Spruchpunkt II.). Weiters wurde unter einem ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei (Spruchpunkt IV.).
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.
Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie sich der Ansicht des Verwaltungsgerichtes anschloss.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
1.1.1. Das AVRAG lautete in der im Revisionsfall einschlägigen, im Tatzeitraum geltenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 98/2012 (auszugsweise):
"Strafbestimmungen
§ 7i.
...
(3) Wer als Arbeitgeber/in ein/en Arbeitnehmer/in beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm/ihr zumindest den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Sind von der Unterentlohnung höchstens drei Arbeitnehmer/innen betroffen, beträgt die Geldstrafe für jede/n Arbeitnehmer/in 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall 4 000 Euro bis 50 000 Euro.
(4) Stellt die Bezirksverwaltungsbehörde fest, dass die Unterschreitung des Grundlohns gering oder das Verschulden des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin geringfügig ist, hat sie von der Verhängung einer Strafe abzusehen, sofern der/die Arbeitgeber/in dem/der Arbeitnehmer/in die Differenz zwischen dem tatsächlich geleisteten und dem dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt binnen einer von der Behörde festzusetzenden Frist nachweislich leistet und eine solche Unterschreitung des Grundlohns durch den/die Arbeitgeber/in das erste Mal erfolgt. Hat das Kompetenzzentrum LSDB, der zuständige Krankenversicherungsträger oder die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse bei erstmaliger Unterschreitung des Grundlohns von einer Anzeige abgesehen oder hat die Bezirksverwaltungsbehörde von der Verhängung einer Strafe abgesehen, ist bei der erstmaligen Wiederholung der Unterschreitung zumindest die Mindeststrafe zu verhängen. Im Fall des ersten und zweiten Satzes ist § 21 Abs. 1 VStG nicht anzuwenden. Weist der/die Arbeitgeber/in der Bezirksverwaltungsbehörde nach, dass er/sie die Differenz vom tatsächlich geleisteten und dem dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt geleistet hat, ist dies bei der Strafbemessung strafmildernd zu berücksichtigen.
(5) Die Verjährungsfrist (§ 31 Abs. 2 VStG) für Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 3 beträgt ein Jahr.
..."
1.1.2. Mit der Novelle BGBl. I Nr. 94/2014 wurde § 7i AVRAG neu gefasst, sein Abs. 7 enthält eine Neuregelung der Fristen für die Verfolgungs- und die Strafbarkeitsverjährung, Abs. 7a regelt, wann der Fristenlauf für die Verfolgungs- und die Strafbarkeitsverjährung beginnt, falls das gebührende Entgelt nachträglich geleistet wurde.
§ 19 Abs. 1 Z. 30 AVRAG idF. dieser Novelle lautet
(auszugsweise):
"Inkrafttreten und Vollziehung
§ 19. (1) ...
...
31. Die §§ 7a, 7b und 7d bis 7o samt Überschriften in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 94/2014 treten mit in Kraft. In Verwaltungs(straf)verfahren nach den §§ 7b Abs. 8, 7i und 7k sind auf Sachverhalte, die sich vor dem ereignet haben, die vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 94/2014 geltenden Bestimmungen
weiterhin anzuwenden. ... .
..."
1.2. Das VStG idF. der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 lautet (auszugsweise):
"Verjährung
§ 31. (1) Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.
(2) Die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung erlischt durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt in dem in Abs. 1 genannten Zeitpunkt. ... .
...
Beschuldigter
§ 32. (1) Beschuldigter ist die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluß der Strafsache. Der Beschuldigte ist Partei im Sinne des AVG.
(2) Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
(3) Eine Verfolgungshandlung, die gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen (§ 9 Abs. 1) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die anderen zur Vertretung nach außen Berufenen und die verantwortlichen Beauftragten. Eine Verfolgungshandlung, die gegen den Unternehmer (§ 9 Abs. 3) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die verantwortlichen Beauftragten.
..."
2. Die Revision ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes zulässig, weil dieses, wie im Folgenden zu zeigen ist, die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Verjährung außer Acht gelassen hat.
3. Die Beschwerde ist auch begründet.
3.1. Vorauszuschicken ist zunächst, dass sich die Beschwerde an das Verwaltungsgericht nicht nur auf das Strafausmaß bezogen hat. Weder ist eine ausdrückliche Einschränkung auf dasselbe erfolgt, noch hat das Verwaltungsgericht solches angenommen. Durch sein Beschwerdevorbringen, wonach das Straferkenntnis der belangten Behörde hinsichtlich des Strafzeitraumes in sich widersprüchlich sei und den Antrag, das Verwaltungsgericht wolle das Straferkenntnis ersatzlos beheben, machte der Revisionswerber deutlich, sich in seinem Recht auf Unterbleiben eines Schuldspruchs hinsichtlich des von der belangten Behörde angenommenen Tatzeitraums verletzt zu erachten.
3.2.1. Soweit die Revision rügt, das Verwaltungsgericht habe die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Ende des strafbaren Verhaltens im Falle einer Unterentlohnung nach § 7i Abs. 3 AVRAG außer Acht gelassen, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits klargestellt, dass die strafbare Handlung gemäß § 7i Abs. 3 AVRAG im gesetzwidrigen (weil unzureichend entlohnten) Beschäftigen des Arbeitnehmers liegt und als Dauerdelikt andauert, solange die unterbezahlte Beschäftigung aufrecht erhalten wird. Daraus ergibt sich unmissverständlich, dass mit dem jeweiligen Ende einer (unterentlohnten) Beschäftigung die strafbare Handlung gemäß § 7i Abs. 3 AVRAG endet und gleichzeitig die Frist für die Verfolgungsverjährung beginnt (vgl. die hg. Beschlüsse vom , Zl. Ra 2014/11/0061, und Zl. Ra 2014/11/0063, sowie vom , Zl. Ra 2015/11/0014). Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung im Sinne dieser Rechtsprechung zugrundegelegt, dass das strafbare Verhalten am geendet hat. Zwar trifft es zu, dass das Verwaltungsgericht, insoweit den Spruch des Straferkenntnisses der belangten Behörde abändernd, ausgesprochen hat, dass der rechtskonforme Zustand bis zumindest am (die Nachzahlung des Grundlohnes erfolgte nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis am ) nicht hergestellt worden sei, mit dieser - verunglückten - Ausdrucksweise erfolgt jedoch keine Veränderung des Endes des Tatzeitraumes (Ablauf des ).
3.2.2. Allerdings hat das Verwaltungsgericht nicht beachtet, dass nach Ausweis der Verwaltungsakten die erste Verfolgungshandlung gegenüber dem Revisionswerber, die Aufforderung zur Rechtfertigung, vom stammt.
Gemäß § 19 Z. 31 zweiter Satz AVRAG sind in Verwaltungsstrafverfahren u.a. nach § 7i AVRAG auf Sachverhalte, die sich vor dem ereignet haben, die vor dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 94/2014 geltenden Bestimmungen weiterhin anzuwenden. Diese Bestimmungen - § 7 Abs. 5 AVRAG (vgl. oben Pkt. 1.1.1.) - normierten eine Frist für die Verfolgungsverjährung von einem Jahr. Diese war, bezogen auf das Ende des strafbaren Verhaltens mit Ablauf des , zum Zeitpunkt des Ergehens der Aufforderung zur Rechtfertigung vom bereits abgelaufen.
3.2.3. Die mit dem angefochtenen Erkenntnis ausgesprochene Bestätigung des Straferkenntnisses der belangten Behörde erweist sich mithin als rechtswidrig, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF. BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am