VwGH vom 22.11.2012, 2011/23/0459
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Mekis, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/395.970/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.211,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratete Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, hält sich seit Anfang 2004 in Österreich auf.
Mit Bescheid vom verhängte die Bundespolizeidirektion Wien über den Beschwerdeführer im Hinblick auf seine rechtskräftige Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Graz vom gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.
Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom keine Folge und sie bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, dass sie gegen den Beschwerdeführer gemäß § 62 Abs. 1 und 2 (§ 60 Abs. 2 Z 1) iVm §§ 87 und 86 Abs. 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot erließ.
In ihrer Begründung stützte sich die belangte Behörde auf die Verurteilung des Beschwerdeführers und stellte die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Straftaten näher dar. Weiters führte sie aus, dass dem Beschwerdeführer zunächst eine Erstniederlassungsbewilligung als begünstigter Drittstaatsangehöriger erteilt und sein Aufenthaltstitel anschließend zweimal - zuletzt bis - verlängert worden sei. Der von ihm nach Erlassung des erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheides gestellte Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom abgewiesen worden. Einer dagegen erhobenen Beschwerde habe der Asylgerichtshof aufschiebende Wirkung zuerkannt; das Asylverfahren sei noch anhängig.
Nach Darstellung der maßgeblichen Bestimmungen des FPG sah die belangte Behörde angesichts der Verurteilung des Beschwerdeführers die bei ihm als Asylwerber maßgeblichen Voraussetzungen zur Erlassung eines Rückkehrverbots nach § 62 Abs. 1 FPG als erfüllt an. Auf Grund seiner Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin unterliege er jedoch ebenso den Bestimmungen der §§ 87 und 86 FPG. Aus der vom Beschwerdeführer begangenen Straftat sei aber auch eine tatsächliche, erhebliche und gegenwärtige Gefahr abzuleiten, sodass sich auch die in § 86 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme als gerechtfertigt erweise.
Nach der gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung kam die belangte Behörde zum näher begründeten Ergebnis, dass die Auswirkungen des Rückkehrverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wiegen würden als das in seinem Fehlverhalten gegründete hohe öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und diesem fernbleibe.
Die belangte Behörde fand schließlich auch keinen Grund, im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens von der Erlassung des Rückkehrverbots Abstand zu nehmen und begründete die festgesetzte Dauer der Maßnahme näher.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die zu diesem Zeitpunkt (November 2009) geltende Fassung.
Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, ist für den (hier vorliegenden) Fall, dass der Fremde während eines anhängigen Aufenthaltsverbotsverfahrens einen Antrag auf internationalen Schutz stellt, nach § 1 Abs. 2 zweiter und dritter Satz FPG das Verfahren als solches zur Erlassung eines Rückkehrverbots weiterzuführen und nur über das Rückkehrverbot abzusprechen (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0042).
Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 62 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinn des Abs. 1 insbesondere jene des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 5, 8 bis 10 und 12 bis 14 FPG.
Die belangte Behörde hat weiters richtig ausgeführt, dass gegen den mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheirateten Beschwerdeführer die Erlassung eines Rückkehrverbots nur unter den Voraussetzungen des § 86 Abs. 1 FPG in Betracht kommt (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0160, mwN). Danach ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots (bzw. wie hier: eines Rückkehrverbots) nur zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Nach dem - gemäß § 1 Abs. 2 FPG von der Anwendung auf Asylwerber nicht ausgeschlossenen - § 61 Z 2 FPG (siehe zur Anwendbarkeit des § 61 FPG auch auf Rückkehrverbote etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0384, mwN) darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 54 Abs. 1 FPG wegen des maßgeblichen Sachverhalts unzulässig wäre. § 54 Abs. 1 FPG sieht vor, dass Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhalten, nur dann mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre (Z 1) oder der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht (Z 2). Ein Aufenthaltsverbot darf daher dann nicht erlassen werden, wenn in Kenntnis der Sachlage ein (noch gültiger) Aufenthaltstitel erteilt worden ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0440, mwN, sowie das noch zum Fremdengesetz 1997 ergangene Erkenntnis vom , Zl. 99/18/0140).
In der Beschwerde wird unter diesem Gesichtspunkt gerügt, die belangte Behörde sei davon ausgegangen, dass dem Beschwerdeführer eine Niederlassungsbewilligung nur bis erteilt worden sei. Tatsächlich sei dem Beschwerdeführer im Verlängerungsverfahren am , also nach Einbringung der Berufung im gegenständlichen Verwaltungsverfahren, aber vor der Entscheidung der belangten Behörde, ein Aufenthaltstitel mit Gültigkeit bis ausgestellt worden.
Die belangte Behörde trat diesem Beschwerdevorbringen, insbesondere dem Umstand der Verlängerung des dem Beschwerdeführer erteilten Aufenthaltstitels, bei der Aktenvorlage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht entgegen. Nach Ausweis der dem Verwaltungsgerichtshof zu Zl. 2012/22/0133 - einem ebenfalls den Beschwerdeführer betreffenden Verfahren - vorgelegten Verwaltungsakten wurde dem Beschwerdeführer tatsächlich am ein bis gültiger Aufenthaltstitel erteilt.
Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des ziffernmäßig Begehrten - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am