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VwGH vom 08.07.2015, Ra 2015/11/0036

VwGH vom 08.07.2015, Ra 2015/11/0036

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Revision der J W in W, vertreten durch die Köhler Draskovits Unger Rechtsanwälte GmbH in 1060 Wien, Amerlingstraße 19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W135 2003529- 1/11E, betreffend Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag der Revisionswerberin auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten ab, wobei ein Grad der Behinderung von 40 v.H. festgestellt wurde.

Die dagegen gerichtete Berufung, die seit als Beschwerde zu werten war, wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom mit der Maßgabe ab, dass die Feststellung des Grades der Behinderung entfalle. Unter einem wurde gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die gemeinsam mit den Akten des Verfahrens vom Verwaltungsgericht vorgelegte Revision.

Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1.1. Das Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) idF. der Novelle BGBl. I Nr. 59/2014 lautet (auszugsweise):

"Begünstigte Behinderte

§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. ... .

...

Kündigung

§ 8. (1) Das Dienstverhältnis eines begünstigten Behinderten darf vom Dienstgeber, sofern keine längere Kündigungsfrist einzuhalten ist, nur unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen gekündigt werden. Ein auf Probe vereinbartes Dienstverhältnis kann während des ersten Monates von beiden Teilen jederzeit gelöst werden.

(2) Die Kündigung eines begünstigten Behinderten (§ 2) darf von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuss (§ 12) nach Anhörung des Betriebsrates, der Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter) oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn nicht in Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt wird. Diese Zustimmung ist nicht zu erteilen, wenn die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten die Folge eines Arbeitsunfalles gemäß § 175f des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 ist. Ein Ausnahmefall, der die Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung rechtfertigt, ist dann gegeben, wenn dem Dienstgeber zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein musste, dass der Dienstnehmer dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des § 2 angehört. Abs. 4 und 4a sind anzuwenden.

(3) Der Behindertenausschuß hat bei seiner Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten die besondere Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers zu berücksichtigen und unter Beachtung des § 6 zu prüfen, ob dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann.

(4) Die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wird dem Dienstgeber insbesondere dann nicht zugemutet werden können, wenn

a) der Tätigkeitsbereich des begünstigten Behinderten entfällt und der Dienstgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann;

b) der begünstigte Behinderte unfähig wird, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, sofern in absehbarer Zeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten ist und der Dienstgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann;

c) der begünstigte Behinderte die ihm auf Grund des Dienstverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und der Weiterbeschäftigung Gründe der Arbeitsdisziplin entgegenstehen.

(4a) Bei der Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten ist auch das Diskriminierungsverbot des § 7b Abs. 1 zu berücksichtigen.

...

Feststellung der Begünstigung

§ 14. (1) Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt der letzte rechtskräftige Bescheid über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH

a) ines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002;

b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. das Urteil eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;

c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales) in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;

d) in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z 2 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967).

Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten (§ 2) auf Grund der in lit. a bis d genannten Nachweise erlischt mit Ablauf des dritten Monates, der dem Eintritt der Rechtskraft des jeweiligen Bescheides bzw. Urteiles folgt, sofern nicht der begünstigte Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erklärt, weiterhin dem Personenkreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten angehören zu wollen.

(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, mit dem der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.

..."

1.2. Die Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idF. der Verordnung BGBl. II Nr. 251/2012, lautet (auszugsweise):

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn


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-
sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
-
zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

...

Anlage zur Einschätzungsverordnung

...

02 Muskel - Skelett - und Bindegewebssystem

Haltungs- und Bewegungsapparat

Allgemeine einschätzungsrelevante Kriterien:

Beweglichkeit und Belastbarkeit - den allgemeinen Kriterien der Gelenksfunktionen, der Funktionen der Muskel, Sehen, Bänder und Gelenkskapsel sind gegenüber den alleinigen Messungen des Bewegungsradius eine stärkere Gewichtung zu geben.

Entzündungsaktivität (Schmerzen, Schwellung).

Bei radiologischen Befunden ist die Korrelation mit der klinischen Symptomatik für die Einschätzung relevant. Ausmaß der beteiligten Gelenke, Körperregionen und organische Folgebeteiligung.

02.01 Wirbelsäule

...

Funktionseinschränkungen mittleren Grades 30 - 40 % Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen

andauernd, radiologische Veränderungen, andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika,

Beispiel: Bandscheibenvorfall ohne Wurzelreizung (pseudoradikuläre Symptomatik)

30 %:

Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen

andauernd, radiologische Veränderungen

andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische

Therapie, Analgetika

40 %:

Rezidivierend und anhaltend, Dauerschmerzen eventuell

episodische Verschlechterungen, radiologische und/oder

morphologische Veränderungen

maßgebliche Einschränkungen im Alltag

Funktionseinschränkungen schweren Grades 50 - 80%

50 %:

Radiologische Veränderungen und klinische Defizite

Maßgebliche Einschränkungen im Alltag

60 %:

Chronischer Dauerschmerz mit episodischen Verschlechterungen Einfache analgetische Therapie (NSAR) nicht mehr ausreichend 70 %:

Therapieresistente Instabilitätssymptomatik bei fortgeschrittenen Stadien eines Wirbelgleitens, Spinalkanalstenose mit Claudicatio spinalis (kurze Wegstrecke), schwere Skoliose mit erforderlicher Miederversorgung oder OP-Indikation

Postlaminektomie-Syndrom

80 %:

Zusätzliche Beeinträchtigungen wie chronischer neurogener Dauerschmerz, Opioidindikation Indikationen für invasive Therapieverfahren einschließlich Schmerzschrittmacher (SCS) und Schmerzpumpen, Periduralkatheter

Lähmungserscheinungen mit Gangstörungen

Versteifung über mindestens mehrere Segmente

..."

2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes ist die Revision, wie im Folgenden zu zeigen ist, zulässig, weil das Verwaltungsgericht die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung außer Acht gelassen hat.

3. Die Revision ist auch begründet.

3.1.1. Das Verwaltungsgericht stützt das angefochtene Erkenntnis im Wesentlichen auf folgende Annahmen:

Von der belangten Behörde sei ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie und orthopädische Chirurgie eingeholt worden. In diesem sei, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Revisionswerberin am , unter Anwendung der Einschätzungsverordnung die Funktionseinschränkung "Operierte Skoliose (Wirbelsäulenverkrümmung") der Position zugeordnet und mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H. eingeschätzt worden. Die Heranziehung des oberen Rahmensatzes sei damit begründet worden, dass eine deutliche Achsenabweichung vorliege.

In ihrer Stellungnahme vom habe die Revisionswerberin vorgebracht, dass sie sich im Juli 2004 einer Spondylodese-Operation von Th 5 bis Th 8 (vier Wirbelkörper der Brustwirbelsäule) unterzogen hätte. Sie wäre nicht nur beruflich, sondern auch im sozialen Umfeld erheblich eingeschränkt. Sie könnte aufgrund von Schmerzen ihre Sozialkontakte nicht unvermindert aufrechterhalten. Ihr wäre längeres Sitzen oder Stehen über 30 Minuten nicht möglich, der Zustand hätte sich seit 2009 verschlechtert. Während der Arbeitszeit hätte sie vermehrt Schmerzen, regelmäßig und in immer stärkerer Intensität träten ausgeprägte Kopfschmerzen und Verspannungen auf, die mit Übelkeit und Erbrechen einhergingen. Starke Schmerzmittel müssten immer häufiger eingenommen werden. Trotz der Schmerzmittel bestünden Ein- und Durchschlafprobleme, daraus folgten Müdigkeit, Konzentrations- und Antriebsschwäche. Aufgrund der Operation hätte die Revisionswerberin eine leichte Ventilationsstörung, durch die Skoliose hätte sie einen rechtsgelegenen Rippenbuckel, der sie psychisch beeinträchtigte.

In einer ergänzenden Stellungnahme sei seitens des Ärztlichen Dienstes der belangten Behörde angemerkt worden, dass eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung aus orthopädischer Sicht nicht gerechtfertigt wäre.

In ihrer Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde, in dem von einem Grad der Behinderung von 40 v.H. ausgegangen worden sei, habe die Revisionswerberin auf die Versteifung über mehrere Segmente hingewiesen, die aus der Operation (ventrale Skolioseaufrichtung Th 5 bis Th 8) resultierte. Erneut sei auf die Beeinträchtigungen im beruflichen und sozialen Umfeld hingewiesen worden, längeres Stehen oder Gehen wäre nicht mehr möglich. Es läge eine Funktionseinschränkung schweren Grades vor, welcher eine Einschätzung unter der Position rechtfertigte. Darüber hinaus läge chronischer Spannungskopfschmerz vor.

Das vom Verwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten vom habe aufgrund der operierten Skoliose (Wirbelsäulenverkrümmung) die Richtsatzposition für maßgeblich befunden, wobei der obere Rahmensatz dieser Position anzusetzen wäre, weil eine Stabilisierung "über 4 Segmente mit verbliebener Achsenabweichung" vorläge. Die Revisionswerberin sei danach infolge des Ausmaßes ihres Gebrechens zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem integrativen Betrieb geeignet. Der angenommene Grad der Behinderung läge seit Antragstellung vor. Soweit die Revisionswerberin vorgebracht hätte, der Grad der Behinderung wäre zu gering bemessen, weil "4 Segmente verschraubt worden sind", wäre zu entgegnen, das dies "eine relativ kurzstreckige Versteifung" wäre, "die keine höhergradige Beweglichkeitseinschränkung bewirkt". Die Behauptung der wesentlichen Beeinträchtigung im beruflichen und sozialen Umfeld könnte nicht nachvollzogen werden, die Revisionswerberin wäre vor 10 Jahren operiert und mittlerweile Kindergärtnerin geworden. Eine eingeschränkte Belastbarkeit läge vor und wäre "im oben angeführten Leiden ausreichend berücksichtigt". Es läge ein Dauerzustand vor.

Die Revisionswerberin habe in einer Stellungnahme vom vorgebracht, aufgrund der lange bestehenden Schmerzen des Bewegungsapparates wäre sowohl eine Abschwächung der stabilisierenden Muskulatur als auch eine Einschränkung in der Beweglichkeit gegeben. Die Leistungsfähigkeit bei den Aktivitäten des täglichen Lebens wäre dementsprechend reduziert. Insgesamt läge eine Funktionseinschränkung schweren Grades vor, welche eine Einschätzung unter der Position rechtfertigte. Überdies sei mit Schreiben vom ein Befundbericht einer Fachärztin für Orthopädie vom vorgelegt worden.

Das Verwaltungsgericht schließe sich den Ausführungen des Sachverständigen vom an. Der vorgelegte Befundbericht vom weiche von einem früheren Befundbericht vom nur insofern ab, als nunmehr die Diagnose "Zunehmende Cephalea begleitet von Übelkeit bis zum Erbrechen" aufgenommen und ausgeführt worden sei, dass die Revisionswerberin seit einem Sturz im Jahr 2010 über eine zunehmende Schmerzsymptomatik klage. In letzter Zeit wäre eine Verstärkung dieser Symptome aufgetreten, die regelmäßig zu Übelkeit und migräneartigen Zuständen führte. Dazu sei jedoch festzuhalten, dass die Revisionswerberin (bereits) im Rahmen ihrer Untersuchung am angegeben habe, Kopfschmerzen zu haben und an Übelkeit zu leiden, was in der Folge in der herangezogenen Leidensposition auch Berücksichtigung gefunden habe.

3.1.2. In rechtlicher Sicht führte das Verwaltungsgericht aus, angesichts des anzunehmenden Grades der Behinderung von (nur) 40 v.H. sei der Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten abzuweisen gewesen.

Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung begründete das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf § 24 Abs. 4 VwGVG damit, dass eine Verhandlung auch gemäß Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC nicht erforderlich gewesen sei, weil die gegenständliche Frage auf gutachterlicher Basis zu beantworten und der Fall daher durch seine "technische" Natur im Sinne näher zitierter Judikatur des EGMR gekennzeichnet sei. Daher habe das Verwaltungsgericht unter Beachtung der Verfahrensökonomie und -effizienz von der Durchführung der Verhandlung, von der eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten gewesen sei, Abstand genommen.

3.2.1.1. Unstrittig ist im Revisionsfall, dass die Revisionswerberin eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zwar nicht verlangt, auf eine solche aber auch nicht ausdrücklich verzichtet hat.

3.2.1.2. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, wenn es diese für erforderlich hält; damit steht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichts (vgl. zum inhaltlich identen § 67d Abs. 1 AVG das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/21/0277, sowie - auf das letztzitierte Erkenntnis bezugnehmend - zu § 24 VwGVG das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2014/21/0019). Davon, dass (im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG) eine weitere Klärung der Rechtssache durch die mündliche Erörterung nicht zu erwarten war, konnte im vorliegenden Fall schon im Hinblick auf den maßgeblichen persönlichen Eindruck der Revisionswerberin, insbesondere im Zusammenhang mit dem von ihr vorgelegten Befundbericht der Fachärztin für Orthopädie, keine Rede sein. Darin ist - vom Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis nicht vollständig wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:

"Bei St.p. Fusion der BWS durch stabilisierende Skoliosekorrektur von ventral mit Thorakotomie und Rippenresektion und Verschraubung von 4 Wirbelsegmenten resultiert neben einer eingeschränkten Beweglichkeit auch eine eingeschränkte Belastbarkeit, die sich auch durch eine Überlastung der stabilisierenden Muskulatur äußert.

Seit einem Sturz im Jahr 2010 klagt die (Revisionswerberin) über eine zunehmende Kopfschmerzsymptomatik. Diese ist auch durch die noch bestehende Ausgleichskrümmung cervicothorakal angrenzend an die Fusion erklärbar mit einer Überlastung der stabilisierenden Nackenmuskulatur.

In letzter Zeit ist eine Verstärkung dieser Symptome aufgetreten, die regelmäßig zu Übelkeit und migräneartigen Zuständen führen. Weiters treten ausstrahlende Beschwerden in die Arme auf. Körperliche Aktivität mit Heben, Tragen von Lasten oder längerem Sitzen von 30 Minuten ist für die Patientin nicht möglich.

Aufgrund der dadurch ausgelösten Belastung kommt es anamnestisch zu Schlafbeschwerden und Einschränkung der Sozialkontakte.

Durch die oben beschriebene Situation bedingt nimmt die Patientin derzeit Schmerzmedikamente nahezu täglich ein.

..."

3.2.1.3. Festzuhalten ist weiters, dass eine Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten iSd.

§ 2 BEinstG dem begünstigten Behinderten eine besonders geschützte Position im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber verschafft, weil nach § 8 BEinstG eine Kündigung eines begünstigten Behinderten nur bei Vorliegen zusätzlicher Voraussetzungen, insbesondere der Zustimmung des Behindertenausschusses, erfolgen darf. Insofern steht es für den Verwaltungsgerichtshof außer Zweifel, dass es bei der Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten um ein "civil right" iSd. Art. 6 EMRK geht. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte daher nur abgesehen werden dürfen, wenn Art. 6 EMRK dem nicht entgegensteht.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes geht es im Revisionsfall nicht bloß um eine Frage technischer Natur (vgl. das Urteil des EGMR vom , Andersson v. Schweden, Application no. 17202/04; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2015/11/0004 mwN.). Zwar bedarf die Einschätzung des Grades der Behinderung eines medizinischen Sachverständigengutachtens, eine mündliche Verhandlung ermöglicht es dem Verwaltungsgericht aber, im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit eines Parteienvorbringens zum körperlichen Befinden, insbesondere zu Schmerzzuständen, ergänzende Fragen an den beigezogenen Sachverständigen selbst zu stellen oder stellen zu lassen.

Im Revisionsfall ist sogar evident, dass die Durchführung einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG zur weiteren Klärung der Rechtssache und zu einem für die Revisionswerberin allenfalls günstigeren Ergebnis hätte führen können. Der von der Revisionswerberin zitierte Befundbericht vom spricht nämlich Schmerzzustände und eine Ausgleichskrümmung an, mit denen sich das Sachverständigengutachten vom nicht gebührend auseinandersetzt.

3.2.2. Das vom Verwaltungsgericht seiner Beurteilung zugrundegelegte Sachverständigengutachten vom ist überdies nicht ausreichend begründet. Von der Revisionswerberin wurde auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ins Treffen geführt, dass eine gebührende Berücksichtigung der Versteifung mehrerer Wirbel im Zusammenhang mit den weiteren Einschränkungen sehr wohl die Heranziehung der Richtsatzposition rechtfertige. Das Sachverständigengutachten verneint dies zwar, begnügt sich aber im entscheidenden Punkt mit der lapidaren Feststellung, die Versteifung von vier Wirbelsegmenten der Brustwirbelsäule sei "eine relativ kurzstreckige Versteifung, die keine höhergradige Beweglichkeitseinschränkung bewirkt". Damit diese Beurteilung als schlüssig gewertet werden könnte, bedürfte es im Revisionsfall aber einer Darstellung, worin sich nach Ansicht des Gutachters der Gesundheitszustand der Revisionswerberin von demjenigen einer Person unterscheidet, der bereits eine Funktionseinschränkung schweren Grades iSd. Positionsnummer erreicht. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass etwa bei chronischem Dauerschmerz mit episodischen Verschlechterungen ein Grad der Behinderung von 60 v.H. und bei Versteifungen über mindestens mehrere Segmente sogar von 80 v.H. möglich ist. Eine derart vergleichende Begründung ist dem Sachverständigengutachten nicht zu entnehmen. Dieses erweist sich demnach als nicht ausreichend begründet und hätte vom Verwaltungsgericht nicht ohne Ergänzung - wie ausgeführt nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - seiner Entscheidung zugrundegelegt werden dürfen.

3.3. Da die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung offenbar auf einer Verkennung der Vorgaben des § 24 VwGVG beruhte, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF. BGBl II Nr. 8/2014.

Wien, am