VwGH vom 24.09.2009, 2009/16/0080

VwGH vom 24.09.2009, 2009/16/0080

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger sowie Senatspräsident Dr. Steiner und Hofrat Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Bayer, über die Beschwerde der R Ges. m.b.H. in Wien, vertreten durch die Deloitte Audit Wirtschaftsprüfungs GmbH in 1010 Wien, Renngasse 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/0578- W/06, betreffend amtswegige Wiederaufnahme eines Verfahrens und Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender unstrittige Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin zeigte mit Eingabe vom beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (im Folgenden kurz: Finanzamt) unter dem Betreff "Gebührenanzeige - Gesellschafterzuschuss" die Begebung von Genussrechten im Nominale von ATS 3,450.000,-- an und ersuchte um Vorschreibung von Gesellschaftsteuer. Diesem Schreiben angeschlossen waren Kopien einer Sammelurkunde und der Genussrechtsbedingungen der Kategorie B.

Nach § 3 dieser Genussrechtsbedingungen war der Bilanzgewinn auf Grund eines zu fassenden Generalversammlungsbeschlusses wie folgt zu verteilen:

"a) Der Inhaber der Genussrechte erhält eine Vorzugsdividende in Höhe von 3 % p.a. auf das Genussrechtsnominale zuzüglich allfällig geleisteter Zuschüsse, sofern diese im Bilanzgewinn gedeckt ist.

b) Der verbleibende, zur Verteilung gelangende Bilanzgewinn wird im Verhältnis des Genussrechtsnominales zum Stammkapital der Gesellschaft jeweils unter Berücksichtigung von allfälligen Zuschüssen zwischen den Inhabern von Genussrechten und den Gesellschaftern auf Grundlage eines von der Generalversammlung zu fassenden Beschlusses verteilt.

Die Inhaber der Genussrechte sind am Unternehmenswert gemäß § 5 dieser Bedingungen sowie am Liquidationsgewinn der Gesellschaft im Verhältnis des Genussrechtsnominales zum Stammkapital der Gesellschaft jeweils unter Berücksichtigung von allfälligen Zuschüssen beteiligt."

Daraufhin setzte das Finanzamt für die Ausgabe der Genussrechte im Nominale von ATS 3,450.000,-- mit Bescheid vom Gesellschaftsteuer fest.

Am teilte die Großbetriebsprüfung Wien dem Finanzamt mit, dass am ein Gesellschafterzuschuss in Höhe von ATS 341,550.000,-- erfolgt sei; angeschlossen waren dieser Mitteilung Kopien einer von der Beschwerdeführerin unterzeichneten Bestätigung über den Erhalt des Zuschusses vom samt einem Telebankingbeleg vom . Die Beschwerdeführerin bestätigte darin auch, dass sich dieser Zuschuss auf die auf Grund der Genussscheinbedingungen der Kategorie B emittierten Genusscheine im Nominale von ATS 3,450.000,-- bezog.

In Beantwortung eines Vorhaltes des Finanzamtes vom brachte die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin auszugsweise Folgendes vor:

"2. Wir haben Anfang Dezember 2000 Genussrechte im Nominale von ATS 3.450.000 begeben, diesen Vorgang mit Eingabe vom angezeigt und diesem Schriftsatz unter anderen die Genussrechtsbedingungen beigelegt. Wie sich aus ihnen ergibt, handelt es sich dabei um die 'Kategorie B', derzufolge es auch eine 'Kategorie A' geben muss - und auch gegeben hat: Sie stammt aus dem Frühjahr 1998 und wurde samt den Genussrechtsbedingungen sowie der Sammelurkunde dem Finanzamt fristgerecht angezeigt (Beilage/2). Dafür wurde mit Bescheid vom GesSt für das Genussrecht in Höhe von ATS 10.500 vorgeschrieben, während die Aufzahlung bis zum heutigen Tag nicht thematisiert wurde und daher längst verjährt ist.

3. Am haben wir von unserer Großmuttergesellschaft, der RL GmbH, einen Zuschuss von ATS 341.550.000 erhalten, zu dessen Nachweis der Kontoauszug 34/01 beiliegt (Beilage ./3). Dass wir diese Leistung dem Finanzamt seinerzeit nicht gesondert angezeigt haben, dafür gibt es mehrere Gründe:

Erstens, die Genussrechtsbedingungen sind im Finanzamt seit der Eingabe vom nachweislich bekannt. Die Aufzahlung ist dort in § 3 mehrfach genannt und angesichts der Kürze dieser vertraglichen Grundlage nicht zu übersehen. Zweitens, dieses Genussrecht gleicht jenem aus 1998 weitestgehend. Dass der Zuschuss dort nicht thematisiert wurde, haben wir als Bekenntnis der Behörde zur Steuerfreiheit der Leistungen indirekter Gesellschafter - vor allem der Großmutterzuschüsse - verstanden. Und drittens, aus der Sicht des Jahres 2000 hat absolut nichts für eine Steuerpflicht solcher Leistungen gesprochen. ..."

Mit Bescheid vom nahm daraufhin das Finanzamt das Verfahren gem. § 303 Abs. 4 BAO von Amts wegen wieder auf, hob den seinerzeitigen Gesellschaftsteuerbescheid auf und erließ eine neue Sachentscheidung, in der die Gesellschaftsteuer ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von ATS 345,000.000,-- festgesetzt wurde.

Dies begründete das Finanzamt wörtlich wie folgt:

"Die Genussscheinbedingungen sprechen von allfällig geleisteten Zuschüssen ohne Angabe einer betraglichen Höhe. Die tatsächliche Leistung dieser Zuschüsse wurde beim Finanzamt nicht angezeigt. Die Zuschusse sind nach der vereinbarten Konzeption Bemessungsgrundlage für den Erwerb des Gesellschaftsrechtes. Erst nach Abschluss des Erstverfahrens ist die Tatsache der geleisteten Zuschüsse bekannt geworden. Damit liegt ein Wiederaufnahmegrund vor. Dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist der Vorrang gegenüber dem Interesse der Partei in der Rechtskraft des Erstbescheides einzuräumen. Jeder steuerpflichtige Vorgang ist für sich steuerlich zu beurteilen. Die im zweiten Teil der Vorhaltsbeantwortung Pkt. II A. b 2. enthaltenen Überlegungen zu einen früheren Genussrecht sind daher von keiner Relevanz."

Sowohl gegen die amtswegige Wiederaufnahme als auch gegen den neuen Sachbescheid berief die Beschwerdeführerin.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab, wogegen die Beschwerdeführerin fristgerecht den Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz stellte.

Die belangte Behörde wies die Berufung ebenfalls als unbegründet ab und vertrat betreffend die Frage der Berechtigung der amtswegig vorgenommenen Wiederaufnahme die Auffassung, das Finanzamt habe erst durch die Kontrollmitteilung der Großbetriebsprüfung Wien vom von der tatsächlichen Leistung eines Zuschusses Kenntnis erlangt. Dabei handle es sich um eine neu hervorgekommene Tatsache gemäß § 303 Abs. 4 BAO. Unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/16/0061, sowie die Ausführungen von Stoll (BAO-Kommentar III 2932) erachtete die belangte Behörde die Voraussetzungen für eine amtswegige Wiederaufnahme für gegeben. Die Ermessensübung wurde von der belangten Behörde wörtlich wie folgt begründet:

"Da es sich bei einer amtswegigen Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 4 BAO um eine Ermessensentscheidung handelt, ist deren Rechtmäßigkeit im Lichte des § 20 BAO zu beurteilen. Nach § 20 leg. cit. müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben, in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Zweckmäßigkeiterwägungen ergeben sich im gegenständlichen Fall dadurch, dass das Prinzip der Rechtsrichtigkeit den Vorrang vor dem Prinzip der aus der Rechtskraft fließenden Rechtsbeständigkeit den Vorrang vor dem Prinzip der aus der Rechtskraft fließenden Rechtsbeständigkeit und Rechtssicherheit hat und zudem die Wiederaufnahme der Sicherung des öffentlichen Interesses an der Gleichmäßigkeit der Verwaltung dient. Für das Überwiegen der Grundsätze der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Rechtsrichtigkeit spricht im gegenständlichen Fall auch die Wertrelation zwischen der bisherigen Bemessungsgrundlage von S 3.450.000,00 und der Bemessungsgrundlage im neuen Sachbescheid von S 345.000.000,00.

Hinsichtlich der Billigkeit ist zu bemerken, dass die Bw. der in § 119 BAO normierten Offenlegungspflicht nicht vollständig nachgekommen ist. Vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen bedeutet, der Abgabenbehörde nicht nur ein richtiges und vollständiges, sondern auch ein klares Bild von der für die Abgabenerhebung maßgeblichen Umstände zu verschaffen (vgl. ). Ohne Darlegung der Tatsache, dass Aufzahlungen von dritter Seite geleistet wurden, konnte sich die Abgabenbehörde kein klares Bild verschaffen und war es ihr nicht möglich bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Gesellschaftsteuerbescheides vom zu beurteilen, ob der sog. 'Großmutterzuschuss' einen Teil der Gegenleistung für den Erwerb des Genussrechtes darstellt. Selbst wenn die Bw. ihre Offenlegungspflicht nicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat, weil sie von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, so ist nach Ansicht des unabhängigen Finanzsenates bei den Billigkeitserwägungen zu berücksichtigen, ob die Bw. von sich aus alles unternommen hat, um den Sachverhalt vollständig gegenüber der Abgabenbehörde darzustellen. Es überwiegt deshalb im gegenständlichen Fall das öffentliche Interesse an der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gegenüber dem Interesse der Bw. an der Wahrung des ursprünglichen Gesellschaftsteuerbescheides."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Recht auf Unterlassung der amtswegigen Wiederaufnahme (§ 303 Abs. 4 BAO) sowie erkennbar in ihrem Recht darauf verletzt, nicht auf Grund der Wiederaufnahme weitere Gesellschaftsteuer bezahlen zu müssen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist zu beachten, dass - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht betont hat - der vorliegende Fall vom Sachverhalt her durchaus dem mit dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/16/0061, entschiedenen Fall gleicht, in welchem es ebenfalls darum ging, dass bei der Ausgabe von Genussscheinen in einem bestimmten Nominale zu einem bestimmten Preis davon die Rede war, der Gewinn sei "zuzüglich allfälliger weiterer Kapitalzuführungen" zu bemessen.

Auch in diesem Fall erachtete der Verwaltungsgerichtshof die Voraussetzungen für eine amtswegige Wiederaufnahme für gegeben und die damals in durchaus vergleichbarer Weise erfolgte Begründung der Ermessensübung für ausreichend. Zur Vermeidung weitwendiger Wiederholungen darf in diesem Zusammenhang gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses verwiesen werden.

Dazu kommt, dass der zentrale Beschwerdevorwurf im vorliegenden Fall, schon die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides sei "zu kurz geraten", jeder Berechtigung entbehrt, weil die oben wiedergegebene Begründung trotz ihrer (dem Gebot der Begründungsökonomie durchaus entsprechenden) Knappheit eindeutig erkennen lässt, dass eben zunächst nur von "allfälligen Zuschüssen" die Rede war, wogegen die tatsächliche Leistung von Zuschüssen dem Finanzamt zunächst nicht angezeigt wurde. Genau das war aber auch Sache des Berufungsverfahrens, über die die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abzusprechen hatte und abgesprochen hat.

Damit lag aber genau jener Fall vor, von dem Stoll (BAO-Kommentar III 2932 Abs. 1 unter Hinweis auf dort zitierte hg. Rechtsprechung) ausführt, dass eine Situation, in der zunächst nur eine Verdachtslage besteht und wozu dann später der Nachweis eines bestimmten relevanten Sachverhaltes erfolgt, das Hervorkommen einer Neuerung iS des § 304 Abs. 4 BAO darstellt.

Da schließlich die belangte Behörde auch ihre Ermessensübung ausreichend begründet hat (wozu wiederum auf das bereits oben zitierte hg. Erkenntnis Zl. 2004/16/0061 verwiesen wird), haftet dem angefochtenen Bescheid im Bereich der amtswegigen Wiederaufnahme keinerlei Rechtswidrigkeit an.

Was die Ausführungen der Beschwerde zum Problem des sog. "Großmutterzuschusses" angelangt, ist unter Berücksichtigung des auf Grund der oben wiedergegebenen Genussrechtsbedingungen jedenfalls vorliegenden Zusammenhanges auf die durch die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 2002/16/0239; 2002/16/0240; 2002/16/0241 und 2002/16/0242 klargestellte Rechtslage zu verweisen. Dem ist auch für den vorliegenden Beschwerdefall nichts hinzuzufügen.

Da sich somit bereits aus der Beschwerde iVm dem angefochtenen Bescheid erkennen ließ, doch dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gem. § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am