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VwGH vom 31.01.2013, 2011/23/0452

VwGH vom 31.01.2013, 2011/23/0452

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des Z in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/389262/2008, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste mit einem bis gültigen Touristenvisum legal nach Österreich ein, wo er seit behördlich gemeldet ist. Einen am gestellten Asylantrag zog er mit Schreiben vom wieder zurück. Zuvor hatte der Beschwerdeführer am in Wien die österreichische Staatsbürgerin P geheiratet. In der Folge wurde ihm vom Arbeitsmarktservice am eine "Bescheinigung über die Zugehörigkeit zum Personenkreis nach § 3 Abs. 8 AuslBG" ausgestellt. Am beantragte er unter Berufung auf seine Ehe die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG". Dieser Aufenthaltstitel wurde dem Beschwerdeführer erteilt und in der Folge verlängert. Zuletzt wurde ihm eine Niederlassungsbewilligung - beschränkt mit einer Gültigkeit bis erteilt.

Mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom wurde die Ehe geschieden. Zuletzt verfügte der Beschwerdeführer über einen vom bis gültigen, vom Arbeitsmarktservice ausgestellten Befreiungsschein.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer wegen des Eingehens einer sogenannten Aufenthaltsehe gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Über den vorangestellten unstrittigen Sachverhalt hinaus führte die belangte Behörde begründend aus, dass P, die geschiedene Ehefrau des Beschwerdeführers, bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme am angegeben habe, den Beschwerdeführer über Vermittlung von I und gegen die Zusage der Zahlung von EUR 5.000,-- geheiratet zu haben. Sie habe mit ihm nie an der gemeinsamen Meldeadresse gewohnt und mit ihm "natürlich" auch kein Familienleben geführt. Es sei allen Beteiligten von Anfang an klar gewesen, dass die Ehe nur dazu habe dienen sollen, dass der Beschwerdeführer ein "Visum" erhalte. In Summe habe sie EUR 3.000,-- vom Vermittler auch tatsächlich erhalten.

Der Beschwerdeführer habe in einer Stellungnahme vom und in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid ausgeführt, seit September 2007 mit der serbischen Staatsangehörigen L. und dem gemeinsamen, am geborenen Kind zusammen zu leben. Er habe angegeben, auch sonst starke familiäre und berufliche Bindungen in Österreich zu haben. Die Trauzeugin, deren Einvernahme vom Beschwerdeführer beantragt worden sei, habe - so begründete die belangte Behörde weiter - zu dieser Ehe aus eigener Wahrnehmung überhaupt nichts sagen können. Auch seine Mutter habe über die Ehe nichts sagen können. Sie habe die Ehefrau des Beschwerdeführers nie kennen gelernt und auch ihren Namen nicht gewusst. Seine Schwester habe angegeben, "eine P nicht zu kennen". Diese Beweisergebnisse seien dem Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsanwältin vorgehalten worden; eine Stellungnahme habe er nicht abgegeben.

Die belangte Behörde sah davon ausgehend den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG als erfüllt an, weil sich der Beschwerdeführer zumindest in einem Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung und im Antrag auf Ausstellung der Bescheinigung nach § 3 Abs. 8 AuslBG auf die Ehe mit P berufen habe, obwohl er mit dieser ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt habe. Der Umstand, dass ein gemeinsames Familienleben zwischen ihm und P nie bestanden habe, sei - ungeachtet der anders lautenden Beteuerungen des Beschwerdeführers - durch die glaubwürdige Aussage von P, die in sich logisch und schlüssig sei, aber auch durch die (weiteren) Zeugenaussagen erwiesen. Die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft Wien keine Ehenichtigkeitsklage erhoben habe, sei für das Verfahren hingegen nicht relevant, weil eine Nichtigerklärung keine Voraussetzung für die Verwirklichung des Tatbestands sei.

Das Eingehen einer Scheinehe zwecks Erlangung aufenthalts- und beschäftigungsrechtlicher Vorteile laufe den öffentlichen Interessen zuwider und stelle eine große Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiet eines geordneten Ehe- und Fremdenwesens dar, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbots zulässig und dringend geboten sei.

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, dass der mehrjährige (allerdings nur formal) legale Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und seine starke familiäre sowie berufliche Bindung ins Gewicht falle. Die beruflichen Bindungen und der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich hätten jedoch nur als Folge des Eingehens der Scheinehe "legal" entstehen können und seien somit weniger berücksichtigungswert. Den dargestellten persönlichen und insbesondere - im Hinblick auf die Anwesenheit seiner Lebensgefährtin und des gemeinsamen Kindes, seiner Mutter und seiner Schwester - familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet stehe gegenüber, dass er durch das rechtsmissbräuchliche Eingehen der Ehe und durch das Berufen auf diese in einem Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung maßgebliche öffentliche Interessen im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK überaus erheblich beeinträchtigt habe. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele daher dringend geboten. Die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers würden auch nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen bei einer Abstandnahme von ihr. Gründe für eine Ermessensentscheidung zu Gunsten des Beschwerdeführers lägen hingegen nicht vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 308/09-9, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Über die im Verfahren auftragsgemäß ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die zu diesem Zeitpunkt (Jänner 2009) geltende Fassung.

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 9 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf diese Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht mehr das Vorliegen einer "Scheinehe" und die dieser Annahme zu Grunde liegende behördliche Beweiswürdigung. Es ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde ausgehend von den getroffenen Feststellungen von der Verwirklichung des Tatbestands des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG ausging. Dies indiziert die Gefährdungsannahme des § 60 Abs. 1 FPG.

Die Beschwerde hält einer solchen Gefährdungsannahme entgegen, dass zwischen der Eheschließung und der Erlassung des angefochtenen Bescheides mehr als fünf Jahre liegen würden. Da der Beschwerdeführer sonst kein weiteres fremdenrechtlich relevantes Fehlverhalten gesetzt habe, sei die getroffene Gefährdungsannahme nicht mehr berechtigt.

Zwar wurde - wie die Beschwerde insoweit zutreffend ausführt -

vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung zum Fremdengesetz 1997 ergangenen Judikatur ausgesprochen, dass nach Verstreichen eines Zeitraums von fünf Jahren seit dem rechtsmissbräuchlichen Eingehen der Ehe die Gefährlichkeitsprognose nicht mehr aufrechterhalten werden könne. Diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wurde allerdings im Anwendungsbereich des FPG (in der hier maßgeblichen Fassung vor dem FrÄG 2011) nicht aufrechterhalten (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0424; siehe auch das auf einen andernfalls auftretenden Wertungswiderspruch zu § 60 Abs. 2 Z 6 FPG hinweisende Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0228). Eine uneinheitliche Rechtsprechung liegt insofern daher - anders als die Beschwerde meint - nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof sieht keinen Anlass, von der dargestellten Rechtsprechung abzugehen.

Der Beschwerdeführer wendet sich weiters gegen die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang meint, dass die belangte Behörde keine eigenständige Interessenabwägung vorgenommen habe, der erstinstanzliche Bescheid jedoch ausschließlich von einer familiären Bindung zur Scheinehegattin ausgegangen sei, ist sie nicht im Recht. Die belangte Behörde legte ihrer Interessenabwägung vielmehr den mehrjährigen legalen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sowie seine starken familiären und beruflichen Bindungen zu Grunde. Sie hielt im Rahmen der persönlichen, insbesondere familiären Interessen auch ausdrücklich die Bindungen des Beschwerdeführers zu seiner Mutter, seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind sowie seiner in Österreich lebenden Schwester fest. Im Übrigen wurde diese Beziehung während unsicheren Aufenthalts eingegangen, was im Sinne des § 66 Abs. 2 Z 8 FPG zu berücksichtigen war. Die belangte Behörde ging zutreffend auch davon aus, dass das vom Beschwerdeführer erlangte Ausmaß an Integration dadurch relativiert werde, dass diese im Wesentlichen auf eine verpönte Aufenthaltsehe zurückzuführen sei. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie annahm, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet im vorliegenden Fall die öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbots nicht überwiegen. Die in der Beschwerde hervorgehobene strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Seine lange unselbständige Erwerbstätigkeit ist - wie bereits ausgeführt - letztlich ausschließlich auf die von ihm eingegangene Aufenthaltsehe zurückzuführen.

Soweit die Beschwerde abschließend als Verfahrensmangel geltend macht, dass die belangte Behörde sich nicht damit auseinander gesetzt habe, in welcher Intensität die Beziehungen des Beschwerdeführers zu Österreich vorlägen und welche private und familiäre Bindungen im Bundesgebiet er habe, fehlt es an der erforderlichen Relevanzdarstellung. So zeigt auch die Beschwerde in diesem Zusammenhang keine konkreten weiteren Umstände auf, die von der belangten Behörde noch nicht ausreichend berücksichtigt worden wären.

Einen weiteren Verfahrensmangel erblickt der Beschwerdeführer darin, dass die in der Berufung namhaft gemachten Zeuginnen ausschließlich zu seiner Ehe, nicht jedoch zu den bestehenden Bindungen zu diesen Personen einvernommen worden seien. Seine damalige Lebensgefährtin, die er nach Erlassung des angefochtenen Bescheides geheiratet habe, sei von der belangten Behörde überhaupt nicht einvernommen worden.

Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ohnedies von "äußerst starken Bindungen" zu den genannten Personen ausging. Welcher konkrete Lebenssachverhalt bei einer ergänzenden Einvernahme dieser Zeuginnen festzustellen gewesen wäre, führt die Beschwerde nicht aus. Auch insoweit wird daher die Relevanz eines allfällig darin zu erblickenden Verfahrensmangels nicht dargestellt. Darüber hinaus wurden die Niederschriften der Einvernahmen dem Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertreterin bereits im Verwaltungsverfahren zur Äußerung zugestellt. Eine Stellungnahme - etwa dass die Zeugen auch zu der Intensität des Familienlebens in Österreich einzuvernehmen wären - unterblieb jedoch.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
HAAAE-93897