VwGH vom 09.08.2016, Ra 2015/10/0125

VwGH vom 09.08.2016, Ra 2015/10/0125

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision der Salzburger Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom , Zl. LVwG-9/155/13-2015, betreffend Dolmetschkosten im Mindestsicherungsverfahren (belangte Behörde: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg; mitbeteiligte Partei: A J in 5020 Salzburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat mit Erkenntnis vom die Beschwerde der Mitbeteiligten gegen die Zuerkennung von Mindestsicherungsleistungen durch die belangte Behörde unter Kürzung der Hilfe für den Lebensunterhalt um 30 % gemäß § 8 Abs. 5 Salzburger Mindestsicherungsgesetz, LGBl. Nr. 63/2010 idF LGBl. Nr. 90/2014 (Sbg. MSG), abgewiesen (Spruchpunkt I.), die Mitbeteiligte gemäß § 17 VwGVG iVm § 76 Abs. 1 AVG zur Erstattung der Kosten für die Beiziehung einer nichtamtlichen Dolmetscherin in der Höhe von EUR 134,60 verpflichtet (Spruchpunkt II.) und gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).

2 Zur Begründung von Spruchpunkt II. führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Beiziehung der nichtamtlichen Dolmetscherin für die russische Sprache auf Grund der mangelnden Deutschkenntnisse der Mitbeteiligten und des Umstandes, dass kein Amtsdolmetsch zur Verfügung gestanden sei, erforderlich gewesen sei.

3 Da die Mitbeteiligte den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Weitergewährung von Mindestsicherungsleistungen gestellt habe, sei sie gemäß § 76 Abs. 1 AVG zur Tragung der Dolmetschkosten verpflichtet. Im Sbg. MSG würden sich keine Vorschrift finden, wonach die im Verfahren aufgelaufenen Dolmetschkosten von Amts wegen zu tragen seien.

4 Die Nichtzulassung der ordentlichen Revision hat das Verwaltungsgericht in Bezug auf Spruchpunkt II. damit begründet, dass zur Frage der Ersatzpflicht von Dolmetschkosten im Verfahren nach dem Sbg. MSG zwar keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bestehe, jedoch die Kostenersatzpflicht der Mitbeteiligten auf Basis der dargestellten Rechtslage klar und eindeutig sei.

Über die gegen Spruchpunkt II. dieses Erkenntnisses gerichtete Amtsrevision der Salzburger Landesregierung hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

5 Zur Zulässigkeit der Revision wird ausgeführt, dass die Kostentragung von Barauslagen durch die antragstellende Partei gemäß § 76 Abs. 1 AVG nur zum Tragen komme, wenn die Verwaltungsvorschriften keine amtswegige Kostentragung vorsähen. Für das Mindestsicherungsverfahren sehe jedoch § 35 Abs. 2 Sbg. MSG - entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes - eine solche amtswegige Kostentragung vor, sodass die subsidiäre Bestimmung des § 76 Abs. 1 AVG nicht anzuwenden sei. Die Lösung dieser Rechtsfrage habe eine über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende Bedeutung.

6 Damit wird eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt. Die Revision ist daher zulässig, jedoch aus folgenden Gründen nicht berechtigt:

7 Die hier maßgeblichen Bestimmungen haben (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

8 AVG:

" Kosten der Behörden

§ 75. (1) Sofern sich aus den §§ 76 bis 78 nicht anderes ergibt, sind die Kosten für die Tätigkeit der Behörden im Verwaltungsverfahren von Amts wegen zu tragen.

(2) Die Heranziehung der Beteiligten zu anderen als den in den §§ 76 bis 78 vorgesehenen Leistungen, unter welchem Titel immer, ist unzulässig.

...

§ 76. (1) Erwachsen der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür, sofern nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese Auslagen von Amts wegen zu tragen sind, die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen. ..."

9 Salzburger Mindestsicherungsgesetz, LGBl. Nr. 63/2010 idF

LGBl. Nr. 90/2014 (Sbg. MSG):

" § 35

(1) Die Kosten der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen vom Land und den Gemeinden zu tragen.

(2) Zu den Kosten der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gehört der gesamte sich aus der Besorgung der in diesem Gesetz geregelten Aufgaben ergebende Aufwand einschließlich des Aufwandes für den Kostenersatz an andere Länder gemäß § 36 und der Kosten, die auf Grund anderer Rechtsvorschriften von der öffentlichen Fürsorge zu tragen sind.

(3) Zur Deckung der Kosten der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind, soweit ihnen keine Ersatzleistungen gemäß dem 6. Abschnitt dieses Gesetzes gegenüber stehen, die vom Land eingenommenen Strafgelder und Erlöse verfallener Gegenstände (§ 15 VStG) sowie sonstige Einnahmen, soweit sie mit Leistungen nach diesem Gesetz in Zusammenhang stehen, zu verwenden.

(4) Zu den nicht gemäß Abs 3 gedeckten Kosten der Bedarfsorientierten Mindestsicherung haben die Gemeinden des politischen Bezirkes, in dem die Kosten anfallen, dem Land jährlich einen Beitrag in Höhe von 50 % zu leisten. Zu diesen Kosten zählt auch der Aufwand für das bei der jeweiligen Bezirkshauptmannschaft mit der Bedarfsorientierten Mindestsicherung befasste Personal.

(5) Der Kostenbeitrag ist für die einzelnen Gemeinden nach dem abgestuften Bevölkerungsschlüssel gemäß § 9 Abs 10 und 11 des Finanzausgleichsgesetzes 2008 zu ermitteln.

(6) Das Land hat zum Aufwand für das bei der Stadt Salzburg mit der Bedarfsorientierten Mindestsicherung befasste Personal einen jährlichen Beitrag zu leisten. Zur Berechnung dieses Beitrags sind die gesamten Personalkosten des Landes für seine bei den Bezirkshauptmannschaften mit der Bedarfsorientierten Mindestsicherung befassten Bediensteten mit dem Faktor 0,525 zu vervielfachen.

(7) Die Landesregierung hat jährlich im Nachhinein die Beiträge gemäß Abs 4 und 5 den Gemeinden zur Zahlung vorzuschreiben und der Stadt Salzburg die Höhe des Anspruchs gemäß Abs 6 mitzuteilen. Die betreffende Gemeinde bzw die Stadt Salzburg kann binnen sechs Wochen, vom Tag der Zustellung der Vorschreibung oder Mitteilung an gerechnet, schriftlich die bescheidmäßige Vorschreibung bzw Zuerkennung des Beitrags verlangen. In diesem Fall hat die Landesregierung über die Höhe des Beitrags der Gemeinde bzw des Anspruchs der Stadt Salzburg mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden.

(8) Die Beiträge gemäß den Abs 4 und 5 werden nach Ablauf von sechs Wochen, vom Tag der Zustellung der schriftlichen Vorschreibung oder Mitteilung (Abs 7) an gerechnet, fällig. Dies gilt für 75 % des vorgeschriebenen bzw mitgeteilten Beitrags auch dann, wenn die bescheidmäßige Entscheidung verlangt wird. Ab dem Fälligkeitstag sind Verzugszinsen in der Höhe von 4 % zu entrichten."

10 Nach dem - gemäß § 17 VwGVG auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anzuwendenden - § 75 Abs. 1 AVG sind die "Kosten für die Tätigkeit der Behörde im Verwaltungsverfahren" grundsätzlich von Amts wegen zu tragen. Eine von diesem Grundsatz abweichende Regelung trifft § 76 Abs. 1 AVG unter bestimmten Voraussetzungen für Barauslagen, wozu nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut auch die Gebühren von Sachverständigen und Dolmetschern gehören.

11 Diese Bestimmung ermöglicht allerdings die Schaffung von Gegenausnahmen in den jeweiligen Verwaltungsvorschriften.

12 § 35 Sbg. MSG enthält ein detailliertes Regelungssystem über die Aufteilung der Kosten der Bedarfsorientierten Mindestsicherung auf das Land und die Gemeinden. Die demnach zwischen den Gebietskörperschaften aufzuteilenden Kosten umfassen nach dem Abs. 2 dieser Bestimmung den gesamten sich aus der Besorgung der in diesem Gesetz geregelten Aufgaben ergebenden Aufwand. Aus dem eine Aufteilung von Kosten auf Gebietskörperschaften bezweckenden Regelungsgehalt ergibt sich, dass davon nur jener Aufwand umfasst ist, der tatsächlich von einer der beteiligten Gebietskörperschaften zu tragen ist. Eine Regelung, welche Kosten von Amts wegen zu tragen sind, kann darin nicht erblickt werden. Insbesondere kann aus § 35 Abs. 2 Sbg. MSG, wonach die aufzuteilenden Kosten den gesamten Aufwand für die Besorgung der Mindestsicherungsangelegenheiten umfassen, keine Ausnahme zur Regelung des § 76 AVG abgeleitet werden, wonach für Barauslagen einer Amtshandlung - somit auch für Dolmetschkosten - grundsätzlich die den verfahrenseinleitenden Antrag stellende Partei aufzukommen hat.

13 Soweit die Revisionswerberin vorbringt, dass eine derartige Ausnahmebestimmung dem Ziel eines erleichterten Zugangs zu Mindestsicherungsleistungen entspräche, ist sie darauf hinzuweisen, dass eine solche Bestimmung im Sbg. MSG nicht enthalten ist.

14 Die sich somit als unbegründet erweisende Revision war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am