Suchen Hilfe
VwGH vom 17.09.2012, 2011/23/0448

VwGH vom 17.09.2012, 2011/23/0448

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der S in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/338.980/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, heiratete am einen österreichischen Staatsbürger. Im Hinblick auf diese Ehe beantragte sie über die österreichische Botschaft Belgrad die Erteilung einer (Erst )Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG". Dieser Aufenthaltstitel wurde ihr im Juni 2005 erteilt. In der Folge reiste die Beschwerdeführerin mit ihren 1993 und 1996 geborenen Kindern aus einer ersten Ehe in das Bundesgebiet ein. Ihr Aufenthaltstitel wurde in der Folge mehrfach verlängert. Zwischenzeitig wurde die Ehe mit dem österreichischen Staatsbürger geschieden.

Am wurde die Beschwerdeführerin vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßig schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, Abs. 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt, wobei ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwölf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Dieser Verurteilung lag zu Grunde, dass die Beschwerdeführerin zwischen und mit verschiedenen Mittätern Versicherungsunternehmen durch fingierte Wohnungseinbrüche und Autounfälle zur Auszahlung von Entschädigungsbeträgen zwischen EUR 1.215,-- und über EUR 26.800,--, insgesamt von knapp EUR 85.000,--, verleitet hatte, wobei es teilweise beim Versuch geblieben war.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte sie aus, dass angesichts dieser - oben dargestellten - Verurteilung der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt sei. Das Gesamt(fehl)verhalten der Beschwerdeführerin beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit - in concreto: das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität - in erheblichem Ausmaß, sodass die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbots - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 61 und 66 FPG - auch im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG gegeben seien.

Die Beschwerdeführerin habe Sorgepflichten für zwei Kinder, die in Österreich lebten. Außer diesen habe sie keine weiteren Familienangehörigen im Bundesgebiet. Sie sei bei einem Reinigungsunternehmen beschäftigt und in Wien aufrecht gemeldet.

Es sei daher - so führte die belangte Behörde weiter aus - von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin auszugehen. Dieser Eingriff sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz des Eigentums Dritter, dringend geboten. Die Beschwerdeführerin habe durch ihr strafbares Verhalten augenfällig dokumentiert, dass sie nicht in der Lage oder gewillt sei, die zum Schutz fremden Vermögens aufgestellten Normen einzuhalten. Aus diesem Grund könne eine Verhaltensprognose für sie nicht positiv ausfallen. Einer allfälligen aus ihrem bisherigen Aufenthalt ableitbaren Integration komme im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG insofern kein entscheidendes Gewicht zu, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch ihr strafbares Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Dem Interesse der Beschwerdeführerin stehe das - hoch zu veranschlagende - öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität gegenüber. Bei einer Abwägung dieser Interessenlagen würden die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer wiegen als das in ihrem Gesamt(fehl)verhalten gegründete hohe öffentliche Interesse daran, dass sie das Bundesgebiet verlasse und diesem fern bleibe. Im Hinblick auf die Art und die Schwere der der Beschwerdeführerin zur Last liegenden Straftaten könne auch nicht im Rahmen des Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand genommen werden. Die vorgenommene Befristung der Dauer des Aufenthaltsverbots erscheine einerseits ausreichend, andererseits könne vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraums nicht erwartet werden, dass der für die Erlassung dieser Maßnahme maßgebliche Grund weggefallen sein werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (September 2009) geltende Fassung des genannten Gesetzes.

Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Nach § 60 Abs. 2 Z 1 FPG hat als bestimmte, die erwähnte Gefährdungsprognose rechtfertigende Tatsache u.a. zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe oder zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist.

Die Beschwerdeführerin weist unstrittig die eingangs dargestellte strafgerichtliche Verurteilung auf. Die behördliche Ansicht, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt sei, erweist sich daher nicht als rechtswidrig. Dies indiziert die von der belangten Behörde bejahte Gefährdungsprognose nach § 60 Abs. 1 FPG.

Die Beschwerdeführerin bringt dagegen - wie bereits in ihrer Berufung - vor, dass ihr geschiedener Ehemann die "treibende Kraft" bei den Straftaten gewesen sei. Er sei deshalb auch zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Ihr geschiedener Ehemann habe das gesamte von der Versicherung ausbezahlte Geld kassiert. Er habe die Beschwerdeführerin lediglich dazu benützt, die Ansprüche bei den Versicherungen geltend zu machen, weil sie Versicherungsnehmerin gewesen sei, und sie auch unter Druck gesetzt. Es sei zu berücksichtigen, dass sie relativ schlecht Deutsch spreche und sämtliche Anspruchsschreiben und Schadensmeldungen von ihrem geschiedenen Ehemann verfasst worden seien. Sie habe lediglich unterschrieben, weil das "formal notwendig" gewesen sei. Dass sie an den Vorfällen nur am Rande beteiligt gewesen sei, habe auch in der über sie verhängten teilbedingten Freiheitsstrafe seinen Niederschlag gefunden. Sie lebe überdies bereits seit über vier Jahren im Bundesgebiet und stehe nach wie vor in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis. In Österreich lebten auch ihre beiden Kinder im Alter von 15 und 13 Jahren, die beide die Schule besuchten.

Entgegen den Beschwerdeausführungen vermag der Umstand, dass eine teilbedingte Freiheitsstrafe verhängt wurde, eine Rechtswidrigkeit der - von den Fremdenbehörden eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von gerichtlichen Erwägungen vorzunehmenden - Prognosebeurteilung im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG nicht aufzuzeigen, weil den Tatbeständen des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG die gesetzgeberische Wertung zu entnehmen ist, dass auch eine (teil-)bedingte Strafnachsicht einem Aufenthaltsverbot nicht entgegensteht (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0280).

Abgesehen davon, dass auch dem Strafurteil nicht zu entnehmen ist, dass eine untergeordnete Rolle der Beschwerdeführerin als mildernd berücksichtigt worden wäre, hat die Beschwerdeführerin bereits etwa eineinhalb Jahre nach ihrer Einreise beginnend über einen Zeitraum von zwei Jahren vielfache Betrugsdelikte mit einer erheblichen Schadenssumme gesetzt. Die Straftaten wurden dabei in der Absicht vorgenommen, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Angesichts dieser Umstände ist die Annahme der belangten Behörde, der weitere Aufenthalt der Beschwerdeführerin stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar und beeinträchtige erheblich das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die gegenteiligen Beschwerdeargumente vermögen in diesem Zusammenhang nicht zu überzeugen.

Soweit die Beschwerde auch im Rahmen der Gefährdungsprognose auf die familiäre und berufliche Integration der Beschwerdeführerin verweist, ist ihr zu entgegnen, dass auch diese Beziehungen und ihre Berufstätigkeit die Beschwerdeführerin bislang nicht von der Begehung der Straftaten abgehalten haben.

Aber auch die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung nach § 66 FPG ist nicht zu beanstanden. So wurde auf die in der Beschwerde angeführten Umstände im angefochtenen Bescheid bereits ausreichend eingegangen. Die belangte Behörde hat die Dauer des Aufenthalts der Beschwerdeführerin in Österreich, ihre berufliche Integration und ihre familiären Bindungen an ihre mj. Kinder berücksichtigt und auf diese hinlänglich Bedacht genommen. Auch die Beschwerde zeigt keine Umstände auf, wonach den 1993 und 1996 geborenen Töchtern der Beschwerdeführerin, die ebenfalls (erst) vor etwa vier Jahren nach Österreich einreisten, eine Rückkehr mit der Beschwerdeführerin in ihr Heimatland nicht möglich oder nicht zumutbar wäre. Den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht jedoch das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der - im konkreten Fall sogar gewerbsmäßig ausgeführten - Eigentumskriminalität gegenüber. Angesichts der von der Beschwerdeführerin bereits relativ bald nach ihrer Einreise gesetzten vielfachen Straftaten mit einer beträchtlichen Schadenssumme besteht ein großes öffentliches Interesse an der Beendigung ihres Aufenthalts. Es kann daher der Ansicht der belangten Behörde, dass das gegen die Beschwerdeführerin verhängte Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten sei und die persönlichen Interessen die gegenläufigen öffentlichen Interessen nicht überwiegen würden, nicht entgegengetreten werden.

Die Beschwerde zeigt schließlich auch keine Gründe auf, wonach das Ermessen durch die belangte Behörde nicht in gesetzmäßiger Weise ausgeübt worden wäre.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
QAAAE-93881