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VwGH vom 31.01.2013, 2011/23/0445

VwGH vom 31.01.2013, 2011/23/0445

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Michael Mathes, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Marc-Aurel-Straße 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 719/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, heiratete am eine österreichischen Staatsbürgerin. Im Hinblick auf diese Ehe beantragte er am die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG". Dieser Antrag wurde im Instanzenzug mit Bescheid der Bundesministerin für Inneres rechtskräftig abgewiesen (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2010/22/0199).

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) wegen des Eingehens einer sogenannten Aufenthaltsehe ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte sie zusammengefasst aus, dass der zuletzt am nach Österreich eingereiste Beschwerdeführer von bis sowie von bis über eine Aufenthaltserlaubnis "Student" bzw. "Ausbildung, § 7 Abs. 4 Z 1 FrG" verfügt habe. Lediglich von

15. bis sei ihm eine Aufenthaltserlaubnis für eine befristete Beschäftigung erteilt gewesen; von bis habe er auch über eine Beschäftigungsbewilligung verfügt.

Am habe die Ehefrau des Beschwerdeführers bei der Erstbehörde zu Protokoll gegeben, dass ihre Ehe von einem gewissen "A" oder "Mindur", der im Hotel I. als Barkeeper arbeite, vermittelt worden sei. Der Vermittler habe ihr für die Eheschließung mit dem Beschwerdeführer EUR 6.000,-- versprochen; EUR 4.250,-- habe sie tatsächlich erhalten. Der Restbetrag hätte ihr noch in Raten zu EUR 250,-- ausbezahlt werden sollen. Die Ehe sei nie vollzogen worden, weil es sich um eine "reine Scheinehe nur auf dem Papier" gehandelt habe. Es habe zu keiner Zeit ein gemeinsamer Wohnsitz bestanden. Sie habe den Beschwerdeführer lediglich zweimal in seiner Wohnung besucht, dort jedoch nie übernachtet.

Der Beschwerdeführer habe in seiner Stellungnahme vom das Vorliegen einer Scheinehe bestritten und ausgeführt, er könne sich nicht erklären, wie die Erstbehörde zu dieser "Information" gekommen sei. Auch in der Berufung habe er das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bestritten. Dazu habe er vorgebracht, dass seine Ehefrau "Drogen" nehme und er von ihr bereits getrennt lebe.

In ihrer Beweiswürdigung sah die belangte Behörde keinen Grund, an der Richtigkeit der Zeugenaussage der Ehefrau des Beschwerdeführers zu zweifeln. Diese habe glaubwürdig versichert, mit dem Beschwerdeführer nie zusammengelebt und vom Vermittler der Ehe Geld erhalten zu haben. Es sei kein Grund erkennbar, warum die Ehefrau des Beschwerdeführers das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bloß hätte "vortäuschen" sollen. Die Angaben des Beschwerdeführers stünden hingegen in "krassem Widerspruch" zu den schlüssigen und glaubwürdigen Behauptungen seiner Ehegattin. Der Beschwerdeführer habe größtes Interesse an der Aufrechterhaltung der Ehe bzw. an der Darstellung eines gemeinsamen Familienlebens, weil davon sein weiterer Verbleib im Bundesgebiet und sein freier Zugang zum Arbeitsmarkt abhänge. Entgegen seiner Behauptung habe er nämlich lediglich von Jänner bis April 2003 über eine Beschäftigungsbewilligung als Abwäscher für ein Restaurant in Gmunden verfügt.

Davon ausgehend stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese Ehe berufen habe, ohne mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt zu haben.

Rechtlich sah die belangte Behörde dadurch den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 9 FPG erfüllt. Der Missbrauch des Rechtsinstituts der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Vorteile rechtfertige aber auch die Erlassung des Aufenthaltsverbots im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG.

Der Beschwerdeführer verfüge im Bundesgebiet zwar über keine familiären Bindungen. Er halte sich jedoch seit mehr als sieben Jahren in Österreich auf, sodass von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen sei. Dieser Eingriff sei aber zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Der Beschwerdeführer habe nur auf Grund der durch seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz einer (teilweise geringfügigen) unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen können. Die durch seinen Aufenthalt erzielte Integration sei aber auch dadurch gemindert, dass er den Aufenthaltszweck - die Absolvierung eines Universitätslehrgangs für Tourismuswirtschaft - nicht erreicht habe und das Eingehen der Aufenthaltsehe eine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens bewirkt habe. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet würden daher keinesfalls schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an der Erlassung dieser Maßnahme.

Die belangte Behörde führte abschließend aus, dass auch im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens nicht von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand genommen werden könne und begründete dessen Gültigkeitsdauer näher.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (August 2009) geltende Fassung.

Gegen den Beschwerdeführer als Familienangehörigen (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 86 Abs. 1 FPG (iVm § 87 FPG) nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind diese Voraussetzungen gegeben, wenn ein Fremder iSd § 60 Abs. 2 Z 9 FPG eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf diese Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0340, mwN).

Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die behördliche Annahme, dass eine Aufenthaltsehe vorliege. Er bringt dazu vor, dass er in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei, weil ihm die Aussage seiner Ehefrau nicht zur Kenntnis gebracht worden sei. Andernfalls hätte er die vorgebrachten Tatsachen widerlegen und nachweisen können, dass sie die Angaben nur deshalb gemacht habe, um die Ehe aufzulösen bzw. einen Vorteil in einem allfälligen Scheidungsverfahren zu haben. Erst nach der Eheschließung habe sich nämlich herausgestellt, dass seine Ehefrau Drogen nehme; die Ehepartner lebten bereits getrennt.

Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer weder einen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen, noch werden damit im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , VwSlg. Nr. 11.894 A/1985) Bedenken an der behördlichen Beweiswürdigung erweckt. Zunächst wurde der Beschwerdeführer bereits im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren zur Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme aufgefordert. Der Inhalt der Aussage der Ehefrau des Beschwerdeführers wurde aber auch im Bescheid der Erstbehörde wiedergegeben. Der Beschwerdeführer hatte daher ausreichend Möglichkeit, zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen und er hat diese Möglichkeit auch ergriffen (zur näheren Begründung kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das im Aufenthaltstitelverfahren des Beschwerdeführers ergangene Erkenntnis vom , Zl. 2010/22/0199, verwiesen werden; siehe zur Heilung einer im erstinstanzlichen Verfahren aufgetretenen Verletzung des Parteiengehörs durch die Möglichkeit von Vorbringen im Berufungsverfahren auch das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0424, mwN).

Die Beschwerde argumentiert weiters damit, dass dem Beschwerdeführer bereits mit Bescheid vom eine Beschäftigungsbewilligung erteilt gewesen sei. Es habe daher nicht des Abschlusses der Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zu diesem Zweck bedurft. Dieses Vorbringen übersieht, dass die Gültigkeit der Beschäftigungsbewilligung - nach den unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid - bereits im April 2003, und damit lange vor der Eheschließung, abgelaufen war. Die weiters ins Treffen geführte Aufenthaltsberechtigung war nur befristet für eine beabsichtigte Ausbildung erteilt worden. Weshalb dem Beschwerdeführer trotz fehlenden Ausbildungserfolgs auch ohne Berufung auf die Ehe ein weiterer Aufenthaltstitel erteilt worden wäre, stellt die Beschwerde nicht konkret dar.

Wenn die Beschwerde weiters ausführt, dass kein Gerichtsurteil vorliege, wonach die Ehe des Beschwerdeführers nur zu dem Zweck geschlossen worden sei, ihm einen Aufenthaltstitel zu verschaffen, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Danach ist die Beurteilung, ob ein Fremder, der eine Ehe geschlossen und sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung auf diese berufen hat, mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt hat, im Anwendungsbereich des FPG den Verwaltungsbehörden überantwortet. Die Nichtigerklärung einer Ehe gemäß § 23 Ehegesetz stellt hingegen keine Voraussetzung für die Feststellung des Bestehens einer Aufenthaltsehe dar (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0327, mwN).

Dem Beschwerdevorbringen, dass eine negative Prognose nicht mehr hätte angestellt werden können, weil die Eheschließung bereits fünf Jahre zurückliege, ist vorweg zu entgegnen, dass dieser Zeitraum bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht abgelaufen war. Soweit mit diesem Vorbringen jedoch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Bezug genommen wird, wonach die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nicht mehr geboten sei, sofern der Rechtsmissbrauch des Eingehens einer Scheinehe bereits fünf Jahre zurückliege, ist zu erwidern, dass diese zum Fremdengesetz 1997 ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Anwendungsbereich des FPG nicht aufrechterhalten wurde (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0257).

Gegen die von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommene Interessenabwägung führt der Beschwerdeführer aus, dass er in einem aufrechten Lehrverhältnis beschäftigt und selbsterhaltungsfähig sei. Er sei kranken- und sozialversichert und verfüge über eine ortsübliche Unterkunft. Er sei strafrechtlich unbescholten und nehme sogar freiwillig an einem Deutschkurs teil.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde auf die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und seine dadurch erreichte Integration - wie insbesondere seine unselbständige Beschäftigung - im angefochtenen Bescheid ausreichend Rücksicht genommen hat. Sie nahm daher auch einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben an. Zu Recht hat die belangte Behörde diesen persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich jedoch gegenübergestellt, dass der Beschwerdeführer seinen zunächst angegebenen Aufenthaltszweck - das Absolvieren eines Studiums - nicht erreichte. Sein weiterer Aufenthalt und seine teilweise Eingliederung in den österreichischen Arbeitsmarkt waren jedoch vorwiegend auf die von ihm geschlossene Aufenthaltsehe zurückzuführen. Im Hinblick darauf und angesichts des hohen öffentlichen Interesses daran, derartige Aufenthaltsehen zu verhindern, kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots iSd § 66 FPG dringend geboten sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Soweit der Beschwerdeführer auch die Beziehung zu seiner österreichischen Ehefrau ins Treffen führt, ist ihm zu entgegnen, dass das Vorliegen eines Familienlebens mit dieser nicht festgestellt wurde.

In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre. Argumente gegen die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes enthält die Beschwerde nicht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am