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VwGH vom 04.08.2010, 2007/13/0035

VwGH vom 04.08.2010, 2007/13/0035

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2007/13/0036 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des Finanzamtes Wien 1/23 in 1030 Wien, Radetzkystraße 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/1194-W/06, betreffend Körperschaftsteuer 2001 bis 2003 (mitbeteiligte Partei: R reg. Gen.m.b.H. in K), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Strittig ist die ertragsteuerrechtliche Behandlung der Ausbuchung so genannter "unbehobener" Geschäftsanteile an Genossenschaften.

Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, bei der Mitbeteiligten handle es sich um eine Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft mit beschränkter Haftung im Sinne des Gesetzes vom 9. April 1873 über Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, RGBl. Nr. 70/1873. Nach § 9 der Satzung der Mitbeteiligten habe jedes Mitglied der Genossenschaft einen Geschäftsanteil zu zeichnen und binnen Jahresfrist einzuzahlen. Die Mitgliedschaft ende gemäß § 5 der Satzung u. a. durch freiwilligen Austritt oder durch Tod des Mitgliedes. Gemäß § 7 Abs. 1 der Satzung hätten die ausgeschiedenen Mitglieder nur Anspruch auf Auszahlung ihrer eingezahlten Gesellschaftsanteile. Die Geschäftsanteile der ausgeschiedenen Mitglieder würden nach Abs. 2 dieser Satzungsbestimmung nach Feststellung der Bilanz des Ausscheidungsjahres berechnet und dürften erst nach Erlöschen der gesetzlichen Haftung ausbezahlt werden, "im Falle eines freiwilligen Austrittes jedoch frühestens fünf Jahre nach erfolgtem Austritt". Von der Mitbeteiligten werde bei Ausscheiden eines Mitgliedes ein Betrag in Höhe des jeweiligen Geschäftsanteiles vom Eigenkapitalkonto "Geschäftsanteile" auf das Konto "Unbehobene Geschäftsanteile (Sonstige Verbindlichkeit)" umgebucht. Eine Auszahlung erfolge in weiterer Folge jedoch nur dann, wenn der Betrag vom ausgeschiedenen Mitglied oder dessen Erben nach Ablauf der Sperrfrist eingefordert werde. Die Beträge würden jedoch vielfach nicht eingefordert, weil "sie in Vergessenheit geraten oder aus anderen Gründen von den Berechtigten nicht geltend gemacht werden". Die gegenständlichen Verbindlichkeiten würden von der Mitbeteiligten jeweils nach Ablauf von acht Jahren aufgelöst. In den Streitjahren seien von der Position "Unbehobene Geschäftsanteile" Beträge von rd. 10.300 EUR, 5.300 EUR bzw. 4.000 EUR über a.o. Ertrag ausgebucht und bei den Körperschaftsteuererklärungen für diese Jahre wieder außerbilanzmäßig abgezogen worden.

Im Zuge einer Betriebsprüfung für die Streitjahre habe die Betriebsprüfung die Ansicht vertreten, dass diese außerbilanzmäßigen Abzüge unzulässig seien. Die Mitbeteiligte habe nämlich ihre Verpflichtung zur Auszahlung der Geschäftsanteile in ihren Bilanzen als echte Verbindlichkeiten ausgewiesen. Es bestünde demnach kein Zweifel, dass die Verbindlichkeiten zum Betriebsvermögen der Genossenschaft gehörten. Die Auflösung dieser Verbindlichkeiten über a.o. Ertrag sei deshalb der Besteuerung zu unterwerfen, weil zum Zeitpunkt des Verfalls der gegenständlichen Geschäftsanteile kein Gesellschaftsverhältnis zwischen der Genossenschaft und den ehemaligen Genossenschaftsmitgliedern mehr bestanden habe und somit dieser Vorgang nicht der genossenschaftlichen Sphäre zugerechnet werden könne. Es könne aber auch keine Einlage der ehemaligen Genossenschafter unterstellt werden, weil es an einem diesbezüglichen Willensentschluss der ehemaligen Genossenschafter fehle.

Das Finanzamt sei der Auffassung der Betriebsprüfung gefolgt und habe nach Wiederaufnahme der Verfahren neue Sachbescheide betreffend Körperschaftsteuer für die Streitjahre erlassen, in denen der außerbilanzmäßige Abzug der angeführten Beträge nicht berücksichtigt worden sei. Dagegen habe die Mitbeteiligte in der Berufung im Wesentlichen vorgebracht, dass die Vereinnahmung der ehemaligen Geschäftsanteile durch die Ausbuchung der entsprechenden Verbindlichkeiten gegenüber den ehemaligen Genossenschaftern über a.o. Ertrag schon deshalb nicht als eine betrieblich bedingte Vermögensvermehrung angesehen werden könne, weil darin kein betriebsbedingter, sondern ein der Gesellschaftersphäre zuordenbarer Vorgang zu erblicken sei.

Im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides, mit dem die belangte Behörde der Berufung der Mitbeteiligten Folge gab, hielt die belangte Behörde fest, dass die Mitbeteiligte auf Grund ihrer Rechtsform (§§ 13, 22 GenG,§ 189 HGB) im Streitzeitraum zur Buchführung verpflichtet gewesen sei. Demgemäß seien alle Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG 1988, die von der Mitbeteiligten bezogen worden seien, den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzurechnen (§ 7 Abs. 3 KStG 1988). Die mit dieser Zurechnungsfiktion des § 7 Abs. 3 KStG 1988 verbundene Gewerblichkeit aller Aktivitäten der Körperschaft ändere aber nichts daran, dass auch nichtsteuerpflichtige Erträge, Vermögensvermehrungen und Einkünfte vorliegen könnten. Der Bereich der steuerpflichtigen Einkünfte sei auf Grund der taxativen Aufzählung in § 2 Abs. 3 EStG 1988 abschließend festgelegt. Falle eine Vermögensvermehrung nicht darunter, liege diesbezüglich keine Steuerpflicht vor. Nach dem auch zwischen den Verfahrensparteien unstrittigen Sachverhalt sei ausschließlich die Rechtsfrage strittig, ob die Vereinnahmung der ehemaligen Geschäftsanteile durch die Ausbuchung der entsprechenden Verbindlichkeiten gegenüber den ehemaligen Genossenschaftern über a.o. Ertrag einen steuerpflichtigen Vorgang bei der Mitbeteiligten darstelle. Für eine Steuerpflicht "treten Human und Stift in ÖStZ 8/2003, S 388 f (richtig wohl: S 209 f) ein, die gegenteilige Auffassung wird von Perkounigg in ÖStZ 23/2003, S 529 f vertreten".

Auf Grund der Bestimmungen des Genossenschaftsgesetzes und der Regelungen in der Satzung der Mitbeteiligten entstehe bei Ausscheiden eines Mitgliedes gegenüber diesem oder seinen Erben die Verpflichtung zur Rückzahlung des Geschäftsanteiles. Trotz des Ausweises des Anspruches der ehemaligen Genossenschafter in der Bilanz als Verbindlichkeit sei diese auch nach dem Ausscheiden des Genossenschafters nach wie vor der Gesellschaftersphäre zuzurechnen. Ein Vergleich beispielsweise mit der Vorgangsweise der Kreditinstitute, die unbehobene Spareinlagen 30 Jahre nach der letzten Buchung erfolgswirksam auflösten (und als steuerpflichtige Erträge behandelten), sei unzulässig, weil Spareinlagen eindeutig mit der betrieblichen Tätigkeit im Zusammenhang stünden und daher mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar seien. Die gegenüber dem ausgeschiedenen Genossenschafter ausgewiesene Verbindlichkeit könne auch nach der Beendigung des Genossenschaftsverhältnisses nicht wie ein zinsenloses Darlehen eines fremden Dritten an die Genossenschaft behandelt werden. Dies ergebe sich schon aus dem Umstand, dass die (fünfjährige) Auszahlungssperrfrist deshalb bestehe, weil dem ehemaligen Geschäftsanteil auch nach Ausscheiden des Genossenschafters noch eine Haftungsfunktion zukomme. Darüber hinaus fehle es aber in den vorliegenden Fällen, in denen in der Regel den Anspruchsberechtigten das Vorhandensein der Forderung gar nicht mehr bewusst sei, an einem erkennbaren rechtsgeschäftlichen Willen der ehemaligen Genossenschafter für die Annahme eines Darlehens (das "Vorliegen einer Einlage wird von der Betriebsprüfung ja ebenfalls deshalb zu Recht ausgeschlossen"). Der Geschäftsanteil verbleibe vielmehr zunächst auf Grund der Bestimmungen des Genossenschaftsgesetzes bzw. der Satzung und später ohne Rechtsgrund de facto im Bereich der Genossenschaft. Wenn in weiterer Folge diese Verbindlichkeiten gegen a.o. Ertrag aufgelöst würden, falle dieser Ertrag unter keine der in § 2 Abs. 3 EStG 1988 taxativ aufgezählten Einkunftsarten. Durch die Auflösung der Verbindlichkeit werde zwar nach außen hin zu erkennen gegeben, dass mit der Einforderung der Verbindlichkeit nicht mehr gerechnet werde. Diese Vermögensvermehrung stehe aber eindeutig noch im Zusammenhang mit der ehemaligen Gesellschafterstellung der ausgeschiedenen Genossenschafter. Vorgänge im Zusammenhang "mit solchen gesellschaftsrechtlichen Vorgängen führen aber weder zu steuerpflichtigen Erträgen noch können Aufwendungen in diesem Zusammenhang abgezogen werden".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung von Gegenschriften sowohl durch die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte Partei erwogen hat:

Nach § 7 Abs. 2 KStG 1988 ist das Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den in § 2 Abs. 3 EStG 1988 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus den einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 8 Abs. 4) und des Freibetrages für begünstigte Zwecke (§ 23). Wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich nach dem Einkommensteuergesetz 1988 und diesem Bundesgesetz.

Durch § 7 Abs. 2 KStG 1988 werden u.a. die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung in den Bereich der Körperschaftsteuer übernommen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2004/15/0122). Schon aus dem Einkommensbegriff (Gewinnbegriff) ergibt sich, dass Vermögensvermehrungen, die auf genossenschaftliche Vorgänge zurückzuführen sind, nicht der Körperschaftsteuerpflicht unterliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2001/76, 1593/78, VwSlg 5289/F).

Nach § 8 Abs. 1 KStG 1988 in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Stammfassung bleiben bei der Ermittlung des Einkommens Einlagen und Beiträge jeder Art insoweit außer Ansatz, als sie von Personen in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, Mitglieder oder in ähnlicher Eigenschaft geleistet werden. Unter den Begriff der Einlagen fällt u.a. die Zuführung von Genossenschaftskapital (vgl. z.B. Ressler/Stürzlinger in Lang/Schuch/Staringer , KStG,§ 8 Rz 39).

Aus der Systematik des Gewinnbegriffs und der - insoweit auch klarstellenden - Bestimmung des § 8 Abs. 1 KStG 1988 folgt die steuerliche Neutralität von Gesellschaftereinlagen und ähnlicher Leistungen (vgl. z.B. Doralt/Ruppe , Steuerrecht I9 (2007) Tz 964). Nicht betrieblich veranlasste Vermögensmehrungen oder Vermögensminderungen können den steuerlichen Gewinn nicht beeinflussen (vgl. Zorn , SWK-H 33/2005, S 914, mit Hinweis auf die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 EStG 1988 und § 8 Abs. 1 KStG 1988; zur steuerlichen Neutralität von allenfalls im Zusammenhang mit Kapitalveränderungsmaßnahmen entstehenden Buchgewinnen vgl. etwa auch Heinrich in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger (Hrsg.), KStG 198813, § 7 Tz 59).

Unabhängig davon, welches Schicksal einer Gesellschafter- (Genossenschafter )Einlage widerfährt, ist diese somit - im Hinblick auf ihre Wurzel im Gesellschafts-(Genossenschafts )Verhältnis - steuerlich neutral zu halten. Es sind infolgedessen auch die bei Ausbuchung der in Rede stehenden "unbehobenen" Geschäftsanteile an Genossenschaften entstehenden Buchgewinne bei der Einkommensermittlung unberücksichtigt zu lassen. Der belangten Behörde ist deshalb im Ergebnis darin Recht zu geben, wenn sie die Auflösung der gegenständlichen Verbindlichkeiten nicht der steuerlichen Einkunftssphäre zurechnete und deshalb der Berufung der Mitbeteiligten Folge gab.

Die Amtsbeschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am