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VwGH vom 25.11.2010, 2009/16/0064

VwGH vom 25.11.2010, 2009/16/0064

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Mag. Johannes Prinz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom , Zl. Jv 55374-33a/08, betreffend Nachlass von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Zahlungsauftrag des Bezirksgerichtes vom wurden dem Beschwerdeführer in einer Pflegschaftsangelegenheit Gerichtsgebühren gemäß TP 7 lit.a GGG samt Einhebungsgebühr in der Höhe von EUR 236,50 vorgeschrieben.

Mit handschriftlich verfasstem Antrag vom brachte der Beschwerdeführer (mit der Formulierung "Ihr werdet ersucht") vor, er könne die vorgeschriebenen Pauschalgebühren "zur Zeit" nicht zahlen. Er sei "momentan" auf Sozialhilfe in der Höhe von monatlich EUR 439,-- angewiesen.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom wurde dem Beschwerdeführer unter anderem aufgetragen, binnen 14 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens den Antrag zu präzisieren (Angabe der gewünschten Ratenhöhe oder Angabe der gewünschten Dauer der Stundung), den angeschlossenen Fragebogen wahrheitsgetreu auszufüllen und mit den erforderlichen Bescheinigungsmitteln (Einkommensnachweis usw.) wieder zurück zu senden. Sollte dem Auftrag nicht vollständig nachgekommen werden - so die belangte Behörde -, müsste der Beschwerdeführer damit rechnen, dass sein Antrag abgewiesen würde.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Antrag des Beschwerdeführers, den sie zutreffend als Antrag auf Stundung der Gebühren gemäß § 9 Abs. 1 GEG verstand, nicht stattgegeben. Nach der Begründung sei dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gegeben worden, das Vorbringen hinsichtlich seiner persönlichen und gesamten wirtschaftlichen Situation näher zu präzisieren und zu bescheinigen. Darauf habe der Beschwerdeführer nicht reagiert. Es obliege aber grundsätzlich dem Abgabepflichtigen, einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen aller Umstände darzutun, auf welche sich sein Begehren stütze. Im Beschwerdefall seien keine Unterlagen über die tatsächliche persönliche und wirtschaftliche Situation des Antragstellers vorgelegen. Die Aktenlage lasse keine konkreten Tatsachen erkennen, die eine Stundung im Sinne des § 9 Abs. 1 GEG rechtfertigen könnten. Dem Stundungsantrag könne daher nicht stattgegeben werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich erkennbar in seinem Recht auf Stundung verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch einen gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 GEG kann auf Antrag die vorgeschriebene Zahlungsfrist verlängert oder die Entrichtung in Teilbeträgen gestattet werden (Stundung), wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre und entweder die Einbringlichkeit durch die Stundung nicht gefährdet oder Sicherheit geleistet wird. Wird eine Rate nicht oder verspätet bezahlt, so wird die Stundung wirkungslos (Terminverlust).

Wirtschaftliche Schwierigkeiten vorübergehender Natur rechtfertigen eine Stundung ( vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2007/16/0144, mwN).

Beim Stundungsverfahren handelt es sich um ein antragsgebundenes Verfahren, bei dem die Behörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nur die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe zu prüfen hat (vgl. das Erkenntnis vom , 2005/16/0197).

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung einerseits mit dem Umstand, es seien keinerlei Unterlagen über die tatsächlichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers vorgelegen und andererseits mit dem Argument, die Aktenlage lasse "daher" keine konkreten Tatsachen erkennen, die eine Stundung rechtfertigten.

Die belangte Behörde nahm bei der Begründung des angefochtenen Bescheides in ihre Erwägungen offenbar nur den Umstand auf, dass der Beschwerdeführer auf das Schreiben der belangten Behörde vom nicht reagiert hatte und keine Urkunden vorgelegen sind. Sie hat dabei allerdings den Antrag des Beschwerdeführers vom völlig unberücksichtigt gelassen, in dem dieser angegeben hat, ein Einkommen von EUR 439,-- in Form einer monatlichen Sozialhilfe zu beziehen und im Übrigen keine Zahlungen leisten zu können. Aus dem Pflegschaftsverfahren, anlässlich dessen die Gerichtsgebühren vorgeschrieben wurden, ergibt sich zudem, dass der Beschwerdeführer offensichtlich für - zumindest - vier minderjährige Kinder unterhaltspflichtig ist. Mit diesem Vorbringen des Beschwerdeführers, mit dem er Gründe für die Stundung behauptet hat, und mit der dargestellten Aktenlage hat sich die belangte Behörde aber mit keinem Wort auseinander gesetzt und damit auch nicht dazu Stellung genommen, ob sie die Angaben des Beschwerdeführers, ungeachtet eines schriftlichen Beweismittels, für zutreffend hält. In diesem Zusammenhang hat sie - in vorgreifender Beweiswürdigung - ausschließlich auf das Fehlen von "Unterlagen" abgestellt, ohne die Angaben des Beschwerdeführers einer Würdigung zu unterziehen. Der belangten Behörde lagen entgegen ihrer im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht durchaus Entscheidungsgrundlagen, die einer Beurteilung zu unterziehen gewesen wären, vor.

Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit.c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 1 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
MAAAE-93865