VwGH vom 28.06.2016, Ra 2015/10/0107
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision der Z GmbH in R, vertreten durch Ing. Mag. Reinhard Wagner, Rechtsanwalt in 8311 Markt Hartmannsdorf, Hauptstraße 134, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 80.11-1648/2015-3, betreffend Abweisung einer Säumnisbeschwerde (belangte Behörde: Landeshauptmann von Steiermark), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der Revisionswerberin wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Landeshauptmann von Steiermark über den am eingelangten Antrag auf Bewilligung einer mobilen Betäubungs- und Entblutungsanlage in Verbindung mit einer festen Schlachtanlage abgewiesen.
2 Zur Begründung führte das Landesverwaltungsgericht aus, dass die belangte Behörde auf Grund des Bewilligungsantrages der Revisionswerberin zunächst Rücksprache mit dem Amtstierarzt gehalten habe. Am habe sie ein Schreiben an die Revisionswerberin gerichtet, in dem sie zunächst auf das bereits am in einem früheren Verfahren an die Revisionswerberin gerichtete Schreiben verwiesen und ausgeführt habe, dass die Zulassung einer mobilen Schlachtanlage nach derzeitiger Rechtslage nach wie vor nicht möglich sei. Derartige Anlagen seien zwar nach Unionsrecht grundsätzlich möglich, es fehlten jedoch inländische "Anpassungsbestimmungen". Der gegenständliche Antrag könne daher erst nach Erlassung der entsprechenden österreichischen Bestimmungen weiter bearbeitet werden, wobei nicht abzuschätzen sei, bis wann damit zu rechnen sei.
3 Mit Schreiben vom habe die Revisionswerberin vorgebracht, dass die beantragte Anlage, die in Deutschland zugelassen sei, auch den österreichischen Bestimmungen entspreche. Es werde ersucht, innerhalb der sechsmonatigen Entscheidungsfrist über den gegenständlichen Antrag zu entscheiden, um eine Säumnis hintanzuhalten.
4 Am habe die belangte Behörde beim Bundesministerium für Gesundheit angefragt, ob die dem Bescheid vom , mit dem der Antrag auf Bewilligung einer gleichartigen Anlage abgewiesen worden sei, zu Grunde liegende Rechtsansicht weiterhin aufrecht zu erhalten sei. Das Bundesministerium habe mit Schreiben vom mitgeteilt, dass sich an der rechtlichen Situation nichts geändert habe. Eine in Aussicht genommene Anpassung der österreichischen Rechtsordnung sei von der Europäischen Kommission abgelehnt worden.
5 Mit Schreiben vom habe die belangte Behörde der Revisionswerberin die Rechtsansicht des Bundesministeriums mitgeteilt. Es sei auf den bereits mit Bescheid vom abgewiesenen Antrag und die seither nicht geänderte Rechtslage verwiesen worden. Dazu sei ausgeführt worden, dass sich die Behörde veranlasst sehe, den auf einem unveränderten Sachverhalt basierenden Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Es stehe jedoch der Bewilligung einer ausschließlich festen Schlachteinrichtung nichts entgegen. Dazu müsse der Antrag entsprechend geändert werden. Der Revisionswerberin werde eine zweiwöchige Frist zur Äußerung eingeräumt.
6 Daraufhin habe die Revisionswerberin am eine Säumnisbeschwerde eingebracht.
7 Da der gegenständliche Antrag am bei der belangten Behörde eingelangt sei, sei die Entscheidungsfrist am abgelaufen. Auf Grund der somit rechtzeitigen Säumnisbeschwerde sei zu prüfen, ob die Verzögerung auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen sei.
8 Die belangte Behörde habe der Revisionswerberin mit Schreiben vom mitgeteilt, dass sich an der dem abweisenden Bescheid vom zu Grunde liegenden Rechtslage nichts geändert habe. Die Revisionswerberin habe erst nach zwei Monaten auf dieses Schreiben reagiert. Der Revisionswerberin wäre jedoch durchaus zumutbar gewesen, eher zu reagieren, weshalb "das Verstreichen von 2 Monaten" somit nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Verwaltungsbehörde zurückzuführen sei. Nach Einlangen dieses Schreibens der Revisionswerberin habe die belangte Behörde umgehend eine Anfrage an das Bundesministerium gerichtet und das Antwortschreiben an die Revisionswerberin im Rahmen des abschließenden Parteiengehörs weitergeleitet. Ein überwiegendes Verschulden der Behörde an der Verzögerung liege daher nicht vor.
9 Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil keine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen gewesen sei.
10 Über die dagegen gerichtete Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die belangte Behörde erwogen:
11 Zur Zulässigkeit der Revision wird u.a. vorgebracht, die Behörde hätte ausgehend von ihrer Ansicht, dass eine rechtskräftig entschiedene Sache vorliege, jederzeit einen Zurückweisungsbescheid erlassen können. Das Verwaltungsgericht habe nicht begründet, warum der Umstand, dass die Stellungnahme zum behördlichen Schreiben vom erst nach zwei Monaten eingebracht worden sei, für die Verzögerung wesentlich gewesen sei.
12 Damit wird eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt. Die Revision ist daher zulässig und aus folgenden Gründen auch berechtigt:
13 Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) in der Regel erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
14 Zweck des Rechtsbehelfs der Säumnisbeschwerde ist es, demjenigen, der durch die Untätigkeit einer Behörde beschwert ist, ein rechtliches Instrument zur Verfügung zu stellen, um eine Entscheidung in der Sache zu erlangen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Fällen der Verletzung der Entscheidungspflicht zur Frage des überwiegenden Verschuldens der Behörde bereits ausgesprochen, dass der Begriff des Verschuldens der Behörde nicht im Sinn eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern "objektiv" zu verstehen ist, als ein solches "Verschulden" dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ein überwiegendes Verschulden der Behörde darin angenommen, dass diese die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. Ra 2015/10/0063, mwN).
15 Vorliegend hat die belangte Behörde im an die Revisionswerberin gerichteten Schreiben vom ausgeführt, dass bereits am ein "auf unverändertem Sachverhalt basierender Antrag" abgewiesen worden sei, und die Ansicht vertreten, dass sich die Rechtslage seither nicht geändert habe, weshalb der gegenständliche Antrag zurückzuweisen sei.
16 Bereits mit Schreiben vom hat die belangte Behörde der Revisionswerberin unter Hinweis auf ihre im Rahmen des früheren Verfahrens im Jahr 2011 vertretene Rechtsansicht mitgeteilt, dass die Zulassung einer mobilen Schlachtanlage nach derzeitiger Rechtslage "weiterhin nicht möglich" sei. Der Antrag auf Zulassung einer Schlachtanlage mit mobiler Betäubungs- und Entblutungsanlage könne daher erst nach der Kundmachung entsprechender österreichischer Bestimmungen weiter bearbeitet werden.
17 Die belangte Behörde war somit schon im Jänner 2015 der Ansicht, dass der - gegenüber dem im Jahr 2011 gestellten Antrag unveränderte - gegenständliche Antrag auf Grund der gleich gebliebenen Rechtslage zurückzuweisen sei.
18 Davon ausgehend ist die Verzögerung jedoch entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht darauf zurückzuführen, dass die Revisionswerberin auf das behördliche Schreiben vom erst mit dem Antwortschreiben vom reagiert hat. Mit diesem Antwortschreiben hat die Revisionswerberin die Ansicht vertreten, dass die Bewilligung der beantragten Anlage zulässig sei, und ausdrücklich um die Entscheidung über den gestellten Antrag innerhalb der sechsmonatigen Entscheidungsfrist ersucht. Ab dem Einlangen dieses Schreibens am hätte die belangte Behörde bis zum Ablauf der Entscheidungsfrist am noch genügend Zeit gehabt, den Antrag - entsprechend ihrer Rechtsansicht - wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
19 Selbst wenn man die Zeit bis zum Einlangen der - die Ansicht der belangten Behörde bestätigenden - Rechtsauskunft des Bundesministers am berücksichtigt, wäre noch ausreichend Zeit für die Zurückweisung verblieben.
20 Im Hinblick darauf, dass die Revisionswerberin bereits mit Schreiben vom ausdrücklich darum ersucht hat, über den gegenständlichen Antrag betreffend eine Schlachtanlage mit mobiler Betäubungs- und Entblutungsanlage binnen sechs Monaten zu entscheiden, war die nochmalige Mitteilung der belangten Behörde vom , dass sich die Sach- und Rechtslage seit der Abweisung im Jahr 2011 nicht geändert habe, und die Einräumung einer - über den Ablauf der Entscheidungsfrist hinausreichenden - Frist zur Äußerung bzw. zur Änderung des Antrages in einen solchen auf Bewilligung einer ausschließlich festen Schlachtanlage nicht erforderlich.
21 Auf Grund der dargestellten Verkennung der Rechtslage war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
22 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013.
Wien, am