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VwGH vom 10.03.2017, Ro 2015/17/0024

VwGH vom 10.03.2017, Ro 2015/17/0024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterin bzw Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , LVwG- 410701/6/Gf/Mu, betreffend Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Landespolizeidirektion Oberösterreich; mitbeteiligte Partei: B M T in L, als Rechtsnachfolgerin des am verstorbenen J T, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis dahin abgeändert, dass die Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom , VStV 358790/2015, abgewiesen wird.

Begründung

1 Mit ihrem Bescheid vom ordnete die Landespolizeidirektion Oberösterreich gemäß § 53 Abs 1 Z 1 lit a Glücksspielgesetz (GSpG) die Beschlagnahme von zwei näher bezeichneten Glücksspielgeräten gegenüber J T, als Veranstalter von verbotenen Ausspielungen und Eigentümer der Geräte an.

2 Dabei ging die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde davon aus, die beiden gegenständlichen Geräte seien zum Kontrollzeitpunkt betriebsbereit im Lokal "Buffet G" aufgestellt gewesen. Auf dem Gerät FA-Nummer 1 hätten virtuelle Walzenspiele gespielt werden können. Nach Eingabe von Geld für das Spielguthaben, Auswahl des Spieles und Aufrufen zur Durchführung habe ein Spieleinsatz ausgewählt werden können. Dem Spieleinsatz sei ein entsprechender Gewinnplan mit den in Aussicht gestellten, unterschiedlich hohen Gewinnen in Verbindung mit bestimmten Symbolkombinationen zugeordnet gewesen. Das Spiel sei mit einer Starttaste ausgelöst worden. Dadurch sei zunächst der gewählte Einsatzbetrag vom Spielguthaben abgezogen und das Walzenspiel ausgelöst worden, wobei der optische Eindruck rotierender Walzen entstanden sei. Nach dem Stillstand sei ein Spielerfolg in Form eines Gewinnes oder Verlustes des getätigten Einsatzes festgestanden. Die Entscheidung über das Spielergebnis sei ausschließlich vom Zufall abhängig gewesen. Spieler hätten nur einen Einsatz und den dazugehörigen Gewinnplan auswählen und die Start-Automatik-Taste betätigen können. Beim Gerät FA-Nummer 2 habe es sich um ein elektronisches Glücksrad gehandelt, das nur durch Eingabe von mindestens einem Euro habe in Betrieb genommen werden können. Mit eigens dazu bestimmten Tasten habe vor der Geldeingabe eine Verdoppelung oder Vervielfachung der in Aussicht gestellten Gewinne bewirkt werden können. Der in Aussicht gestellte Gewinn sei in Form eines Zahlenrades dargestellt worden. Nach Eingabe des Geldbetrages sei im rechten oberen Zahlenfeld der Kredit angezeigt worden und es sei sofort der Beleuchtungsumlauf gestartet, nach dessen Ende unmittelbar ein weiterer gestartet sei. Dieser Vorgang habe sich wiederholt, bis kein Betrag mehr im Zahlenfeld gestanden oder der Vorgang mittels Tastendruck unterbrochen worden sei. Die Betätigung der Rückgabetaste habe die Ausfolgung des im Zahlenfeld ersichtlichen Betrages bewirkt. Der Spieler habe keine Möglichkeit gehabt, bewusst auf den Spielausgang Einfluss zu nehmen. Das Spielergebnis sei ausschließlich vom Zufall abhängig gewesen. Der Spieler habe nur den Mindesteinsatz oder den mit der Vervielfachungsfunktion verbundenen Einsatz auswählen und die Kaufen/Musikabspielen-Taste betätigen können. J T sei als Veranstalter von Glücksspielen ermittelt worden und entsprechend seinen Angaben Eigentümer der bezeichneten Glücksspielapparate.

3 Gegen diesen Bescheid erhob J T Beschwerde, in welcher er ausführte, dass es sich beim Gerät FA-Nummer 2 wegen der fehlenden Möglichkeit, Einsätze zu leisten um einen Geldwechselautomaten mit integrierter Musikspielfunktion und nicht um einen Glücksspielautomaten handle. Überdies sei eine ausschließlich gerichtliche Zuständigkeit gegeben, weil um nicht bloß geringe Beträge gespielt werden könne. Schließlich sei das Monopolsystem des GSpG und somit auch das darauf beruhende Sanktionssystem unionsrechtswidrig.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der von J T erhobenen Beschwerde statt, hob den angefochtenen Bescheid auf und sprach aus, dass die Revision zulässig sei.

5 Das Landesverwaltungsgericht traf zur Beurteilung der Vereinbarkeit von Regelungen des GSpG mit Art 56 AEUV ausführliche Feststellungen und gelangte rechtlich nach umfangreicher Auseinandersetzung mit der Frage der Unionsrechtswidrigkeit des GSpG zum Ergebnis, dass das in den §§ 3 ff GSpG normierte System des Glücksspielmonopols deshalb in Art 56 AEUV keine Deckung finde und somit dem Unionsrecht widerspreche, weil es nicht auf einem durch die Rechtsprechung des EuGH anerkannten zwingenden Grund des Allgemeininteresses - wie etwa dem Spielerschutz und der Suchtvorbeugung oder der Kriminalitätsbekämpfung - basiere, sondern de facto primär der Sicherung einer verlässlich kalkulierbaren Quote an Staatseinnahmen diene. Darüber hinaus seien die konkrete Ausgestaltung des Monopolsystems und die den staatlichen Behörden zur Abwehr von Beeinträchtigungen dieses Monopols gesetzlich übertragenen Eingriffsermächtigungen insbesondere mangels der gänzlich fehlenden Notwendigkeit einer vorhergehenden richterlichen Ermächtigung jeweils unverhältnismäßig.

6 Gegen dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichts richtet sich die Revision des Bundesministers für Finanzen mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

7 J T beantragte als mitbeteiligte Partei in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision kostenpflichtig als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.

8 Nach Einbringung der Revisionsbeantwortung starb J T am . Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Urfahr vom , 5 A 120/16k, wurde die überschuldete Verlassenschaft einschließlich des Unternehmens (Automatenaufstellung) des Verstorbenen der erblasserischen Witwe an Zahlungs statt überlassen. Sie ist somit Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Mitbeteiligten in Bezug auf die beschlagnahmten Glücksspielgeräte und tritt in dessen Rechtsstellung als mitbeteiligte Partei ein.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Die vorliegende Revision erweist sich als zulässig, weil das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Die Frage, ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, hat der Verwaltungsgerichtshof im Zeitpunkt seiner Entscheidung zu beurteilen (vgl etwa ).

11 Der Revisionsfall gleicht hinsichtlich der auch hier zu beurteilenden Frage der Unionsrechtswidrigkeit des GSpG in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht in den entscheidungswesentlichen Punkten jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ro 2015/17/0022, entschieden wurde. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der vom Gerichtshof der Europäischen Union geforderten Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erlassen worden sind und unter denen sie durchgeführt werden, eine Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes nicht erkannt. Dieser Rechtsansicht hat sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , E 945/2016-24, E 947/2016-23, E 1054/2016-19, angeschlossen.

12 Gemäß § 43 Abs 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses vom verwiesen. Eine Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des GSpG ist somit ausgehend von den Verfahrensergebnissen auch im Revisionsfall nicht zu erkennen.

13 Wenn in der Beschwerde die verwaltungsbehördliche Unzuständigkeit zur Beschlagnahme behauptet wird, ist darauf zu hinzuweisen, dass die Beschlagnahme nach Inkrafttreten der Novelle BGBl I Nr 13/2014 am erfolgte. Die Behörde hatte daher § 52 Abs 3 GSpG idF dieser Novelle anzuwenden, sodass sie ihre Zuständigkeit zur Beschlagnahme zu Recht in Anspruch genommen hat (vgl ).

14 Soweit die Beschwerde ohne konkrete Auseinandersetzung mit dem von der Behörde festgestellten Sachverhalt nur pauschal vorbringt, es lägen keine Glücksspielautomaten vor, vermag sie den behaupteten Feststellungsmangel nicht aufzuzeigen. Es ergibt sich somit aus den hinreichenden Feststellungen im Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich zur Funktionsweise der beschlagnahmten Geräte insbesondere zum Gerät FA-Nummer 2, dass das Ergebnis der auf beiden Geräten möglichen Spiele vom Zufall abhing (vgl § 1 Abs 1 GSpG) und den Spielern jeweils ein Gewinn in Aussicht gestellt wurde (§ 2 Abs 1 Z 3 GSpG). Die Behörde ging demnach in Bezug auf die beschlagnahmten Geräte zu Recht von einem hinreichenden Verdacht des Vorliegens einer verbotenen Ausspielung iSd § 2 Abs 4 GSpG und vom fortgesetzten Verstoß gegen die Bestimmung des § 52 Abs 1 GSpG aus.

15 Gemäß § 42 Abs 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt.

16 Da es zur Fällung einer Sachentscheidung im vorliegenden Fall keiner weiteren Ermittlungen bedurfte, hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs 1 VwGG in der Sache selbst entschieden und der dargestellten Rechtsprechung folgend die Beschwerde der mitbeteiligten Partei abgewiesen.

Wien, am