VwGH vom 20.12.2012, 2011/23/0438
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/215.360/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine pakistanische Staatsangehörige, reiste mit einem bis gültigen Visum in das Bundesgebiet ein, wo sie sich seither durchgehend - an der Adresse ihres Ehemannes, eines österreichischen Staatsbürgers, behördlich gemeldet - aufhält. Im Inland leben auch die volljährigen Kinder der Beschwerdeführerin.
Vor ihrer Einreise hatte die Beschwerdeführerin am bei der österreichischen Botschaft in Islamabad einen Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels als Familienangehörige ihres Ehemannes gestellt.
Dieser Aufenthaltstitel wurde der Beschwerdeführerin zunächst mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom mit einer Gültigkeit bis zum erteilt, nachdem ihr Antrag zuvor in erster Instanz mangels ausreichenden Einkommens ihres Ehemannes abgewiesen worden war.
Am beantragte die Beschwerdeführerin die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels.
Mit Bescheid vom verfügte die Bundesministerin für Inneres in der Folge die amtswegige Wiederaufnahme des mit Bescheid vom abgeschlossenen Berufungsverfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 sowie § 70 AVG, weil die Beschwerdeführerin im Aufenthaltstitelverfahren gefälschte Einkommensbestätigungen ihres Ehemannes vorgelegt habe. Unter einem wurde der Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgewiesen und der Verlängerungsantrag als unzulässig zurückgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wurde nicht beantragt.
Inzwischen wurde die gegen den Bescheid vom erhobene Beschwerde insoweit, als sie sich gegen die Wiederaufnahmeverfügung richtete, mit Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0084, als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen - soweit er über die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln absprach - wurde der angefochtene Bescheid als rechtswidrig aufgehoben.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Beschwerdeführerin gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.
Sie begründete dies - vom eingangs darstellten, unstrittigen Sachverhalt ausgehend - damit, dass sich die Beschwerdeführerin ohne Aufenthaltstitel in Österreich aufhalte, weshalb die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt seien. In einem solchen Fall könne eine Fremde ausgewiesen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 FPG entgegenstehe.
Die belangte Behörde ging in der Folge von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin aus. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses hohe öffentliche Interesse verstoße der unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin nach rechtskräftig negativem Abschluss ihres Verfahrens auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gravierend. Das Gewicht der aus ihrem Aufenthalt resultierenden persönlichen Interessen werde entscheidend dadurch relativiert, als ihr Erstantrag zunächst mit der Begründung abgewiesen worden sei, dass ihr Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könne. Im Berufungsverfahren seien von ihrem Ehemann sodann gefälschte Einkommensbestätigungen vorgelegt worden, um ihr so den Nachzug zu ermöglichen. Ungeachtet dessen, ob die Vorlage der Beschwerdeführerin selbst zurechenbar sei, stelle dieses Vorgehen eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften dar.
Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei daher von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten Interessen der Beschwerdeführerin nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an ihrer Ausreise aus dem Bundesgebiet. Die Erlassung der Ausweisung erweise sich daher als dringend geboten und im Sinn des § 66 FPG zulässig. Mangels besonderer, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände könne ein weiterer Aufenthalt auch nicht im Rahmen des Ermessens in Kauf genommen werden.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die zu diesem Zeitpunkt (August 2009) geltende Fassung.
Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.
Die Beschwerdeführerin bringt gegen den angefochtenen Bescheid vor, dass die Ausweisung nur erfolgt sei, weil die "Aufenthaltsbewilligungsbehörde" rechtsirrig keinen Aufenthaltstitel erteilt habe. Bei der Frage der Titelerteilung handle es sich jedoch um eine Vorfrage, die für die "endgültige Klärung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung" wesentlich sei. Aus diesem Grund wäre - dem Antrag in ihrer Berufung folgend - das Verfahren zu unterbrechen gewesen. Die belangte Behörde hätte jedoch auch zu berücksichtigen gehabt, dass nicht sie selbst sondern ihr Ehemann die falsche Gehaltsbestätigung vorgelegt habe.
Diesem Vorbringen kommt keine Berechtigung zu.
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet zu verfügen; sie wendet sich auch nicht gegen die behördliche Ansicht, dass im Sinn des § 53 Abs. 1 FPG ein unrechtmäßiger Aufenthalt vorliege. Für die Unrichtigkeit der von der Behörde vertretenen Auffassung sind auch sonst keine Hinweise zu erkennen. So ist mit der Verfügung der Wiederaufnahme des (Berufungs )Verfahrens über den erstmaligen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Hinblick auf die "ex tunc"- Wirkung einer Wiederaufnahmeverfügung (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0021, mwN) der einen Aufenthaltstitel erteilende Bescheid vom außer Kraft getreten. Die Beschwerdeführerin befand sich bei Erlassung des angefochtenen Bescheides somit auch nicht in einem Verlängerungsverfahren. Inzwischen wurde überdies - wie bereits ausgeführt - die gegen den Bescheid vom erhobene Beschwerde insoweit, als sie sich gegen die Wiederaufnahmeverfügung richtete, als unbegründet abgewiesen.
Soweit die Beschwerdeführerin meint, die belangte Behörde hätte das (wieder aufgenommene) Aufenthaltstitelverfahren - und eine Entscheidung über die in jenem Verfahren erhobene Beschwerde -
abzuwarten gehabt, ist ihr zu erwidern, dass selbst ein - wie im vorliegenden Fall nach der rückwirkenden Aufhebung des Aufenthaltstitelbescheides - bei der Fremdenbehörde anhängiges Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die behördliche Ermächtigung zur Erlassung einer Ausweisung nicht einschränkt (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0652, mwN).
Die belangte Behörde ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei.
Die Interessenabwägung und die Ermessensübung durch die belangte Behörde werden in der Beschwerde nicht bekämpft.
Die unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am